Tempus und Aspekt im spanisch-deutschen Übersetzungsvergleich: Miguel Delibes’ "El camino"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort

II. Vergleichender Überblick über das spanische und deutsche Sprachsystem

III. Analyse des spanischen Primärtextes
III.1 Untersuchung der Tempusgebung
III.1.1 Untersuchung der Tempusgebung nach Eugenio Coseriu
III.1.2 Untersuchung der Tempusgebung nach Guillermo Rojo und Alexander Veiga
III.1.2 Untersuchung der Tempusgebung nach Harald Weinrich
III.2 Untersuchung der Aspektgebung am spanischen Text

IV. Vergleich mit der deutschen Übersetzung von El camino
IV.1 Untersuchung der Tempusgebung
IV.1.1 Untersuchung der Tempusgebung nach Rojo und Veiga
IV.1.2 Untersuchung der Tempusgebung nach Harald Weinrich
IV.1.2 Untersuchung der Aspektgebung am deutschen Text

V. Resümee

Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:

I. Vorwort

Ein literarischer Text will den Rezipienten im Normalfall unterhalten, manchmal auch ein wenig belehren. In jedem Falle sind die künstlerisch anspruchsvollen Werke aber genauestens durchdacht – und zwar nicht nur von der inhaltlichen Seite her, sprich „Wer ist der Mörder und in welchem Zusammenhang steht er zu seinem Opfer“, sondern auch vom sprachlichen Erscheinungs- und Wirkungsbild her.

Der vorliegende Roman El camino von Miguel Delibes[1] kann durchaus als Klassiker der spanischen Literatur bezeichnet werden, wurde er doch bereits 1950 zum ersten Mal veröffentlich und erlebte seitdem zahlreiche Neuauflagen.

Der zweite Roman des Schriftstellers handelt von einem Jungen, der als Sohn eines Käsehändlers aus seinem abgelegenen Tal fort in die Stadt geschickt werden soll, um dort das Abitur zu erwerben und etwas aus sich zu machen. Im Spanien der Nachkriegszeit hat der junge Daniel die ersten elf Jahre seines Lebens abgeschirmt in dem kleinen Örtchen verbracht, ohne jemals über die hohen Gipfel des Pico Rando herauszublicken.

Die Schilderung der zahlreichen Abenteuer, die Daniel, el Mochuelo, in seinem Dorf erlebt, ist eingebettet in einen Rahmen, der durch das erste und letzte Kapitel gebildet wird. In beiden findet sich der Leser in der Nacht vor dem großen Aufbruch in die Stadt wieder. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Romanbeginn als auch sein Ende eine für die Linguistik sehr interessante Struktur aufweisen, die in dieser Arbeit genauer untersucht werden soll.

Dabei wird zuerst der spanische Originaltext in den Blick genommen und die Auffälligkeiten in Tempus- und Aspektgebung analysiert, wobei die direkte Rede herausgelassen wird. Erst im Anschluss kann die deutsche Ausgabe Und zur Erinnerung Sommersprossen[2] hinzu genommen werden, um den Übersetzungsvergleich vorzunehmen.

Allem voran steht allerdings eine allgemeine Gegenüberstellung der beiden Sprach- beziehungsweise Verbalsysteme. Erst durch einen vergleichenden Überblick kann in die konkrete Analyse eingestiegen werden.

II. Vergleichender Überblick über das spanische und deutsche Sprachsystem

Schon allein die Abstammung beider Sprachen – das Spanische entstammt bekanntlich der romanischen, das Deutsche der germanischen Sprachfamilie – lässt erahnen, dass es bei vielen Ähnlichkeiten der Systeme (schließlich entstammen beide Sprachfamilien wiederum dem indogermanischen Sprachzweig) auch zahlreiche Unterschiede gibt. So erscheint die Feststellung Cartagenas und Gaugers in ihrer Vergleichende[n] Grammatik, das deutsche Verbalsystem sei nicht homolog zum Spanischen, nicht überraschend.[3] Nicht nur, dass das Deutsche keine homologe Zeit zum spanischen Imperfekt kennt, sondern allgemein existieren in der germanischen Sprache viel weniger Temporaformen als in der romanischen Vergleichssprache: So stehen den sechs deutschen Tempora sage und schreibe 17 im Spanischen gegenüber.[4] Das Deutsche kann beispielsweise nur zwei Formen für die Vergangenheitsbeschreibung vorweisen (er sang, er hat gesungen), wo das Spanische vier hat (cantaba, canté, he cantado, tengo cantado), außerdem besitzt es nur eine Form an der Plusquamperfektstelle (er hatte gesungen), während das Spanische dort mindestens zwei vorweisen kann (había cantado, hube cantado).[5]

Hinzu kommt außerdem, dass zur spanischen Tempusbestimmung eine weitere Kategorie vorhanden ist, die es im Deutschen nicht gibt:

Im Spanischen handelt es sich um die Zeitebene und um die (primäre und sekundäre) Perspektive. Im Deutschen, wo die letzte ebenfalls festzustellen ist, fällt die Zeitebene aus.[6]

Die Zeitebene teilt im Spanischen die Temporaformen auf die aktuelle und die inaktuelle Zeitebene auf. Auf der aktuellen Ebene steht das Präsens im Zentrum und kann für die Retro- und die Prospektive jeweils eigene Zeitformen vorweisen. Bei der inaktuellen Zeitebene hingegen steht das Imperfekt im Zentrum und besitzt ebenfalls Formen für die beiden Schilderungsrichtungen.

Im Deutschen existiert keine homologe Form zum spanischen Imperfekt.[7] Außerdem fehlen der germanischen Sprache, wie bereits erwähnt, zahlreiche weitere Formen, weswegen eine Aufspaltung in die aktuelle und die inaktuelle Zeitebene nicht möglich ist.

Beiden Sprachen gemeinsam ist hingegen die Aufspaltung in die primäre, sekundäre und teilweise sogar in die tertiäre Perspektive. Die primäre Perspektive „entspricht der Stellung des Sprechers im Verhältnis zur Verbalhandlung“[8], was bedeuten soll, dass dieser die Handlung entweder als zu ihm parallel, als bereits verwirklicht oder als noch nicht verwirklicht betrachtet.[9] Jeder so aufgeteilte Zeitraum kann auf dieselbe Art sekundär erneut aufgemacht werden, wobei wiederum ein dreigliedriges System entsteht.[10]

Ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen beiden Sprachen besteht in der Kategorie des Aspekts, denn wo das Spanische in beiden Zeitebenen in der primären Perspektive zahlreiche verschiedene Gruppen aufweist, stellt Gauger für das Deutsche fest, dass es überhaupt keine aspektdifferenzierenden Verbformen gebe.[11] Was im Spanischen durch eben diese Kategorie ausgedrückt wird, falle laut dem Philologen im Deutschen entweder ganz weg oder werde durch andere Mittel ausgedrückt.[12]

Allerdings existiert bei beiden Sprachsystemen in der sekundären Perspektive eine aspektuelle (im Spanischen) beziehungsweise deiktische (im Deutschen) Bestimmung. Beide betreffen die Betrachtung des Verlaufs des gemeinten Prozesses selbst, wodurch die Abgeschlossenheit der Verbalhandlung impliziert wird. In der spanischen Sprache sind sämtliche sekundäre retrospektive Formen terminativ, während die prospektiven Formen als nicht-terminativ definiert sind. Die deutschen retrospektiven Formen stehen ebenfalls terminativ dem komplexiven Präteritum gegenüber. In der germanischen Sprache kommt laut Cartagena aber noch das kursive Präsens hinzu.[13]

Hiermit soll die Gegenüberstellung der beiden Sprachsysteme bei Cartagena und Gauger abschließen. Für die Analyse des spanischen Primärtextes werden aber neben dieser Grammatik weitere Entwürfe hinzugezogen, nämlich diejenigen, die bereits während des dieser Arbeit vorangegangenen Hauptseminars bearbeitet wurden: Die Grammatik, die der in dieser Arbeit bisher verwendeten zugrunde liegt, stammt von Eugenio Coseriu[14]. Sie soll eben so auf den Text angewendet werden wie zwei Ausschnitte des Werks von Ignacio Bosque und Violeta Demonte[15], das wiederum auf Cartagena/Gauger basiert. Diese beiden Ausschnitte bauen offensichtlich auf den Entwurf von Coseriu und Cartagena/Gauger auf. Die Grammatik von Bosque und Demonte gibt aber auch noch einen völlig anderen Ansatz als eben diesen von Coseriu: So sollen auch die Ausarbeitungen von Guillermo Rojo und Alexander Veiga sowie Elena de Miguel[16] zur Analyse hinzugezogen werden. Einen vollständig anderen Ansatz liefert darüber hinaus Harald Weinrich[17].

III. Analyse des spanischen Primärtextes

III.1 Untersuchung der Tempusgebung

Die Analyse des spanischen Primärtextes ist in zwei Abschnitte eingeteilt, denn zuerst wird die Tempusgebung, anschließend die Aspektgebung des Textes untersucht. Diese beiden Obergruppen werden jeweils nach den verwendeten Grammatiken gegliedert. Allerdings soll nicht jeder einzelne Verbalkomplex in den Blick genommen werden, da dies den Rahmen der Arbeit um ein Vielfaches sprengen würde. Vielmehr sollen ähnliche Formen zu Gruppen zusammengefasst und untersucht oder die interessantesten Verbalkomplexe herausgegriffen werden. Genau so wird auch die direkte Rede nicht in die Analyse mit hinein genommen, da diese Textabschnitte nicht zum regulären Textfluss gehören und die Untersuchung verfälschen würden.

III.1.1 Untersuchung der Tempusgebung nach Eugenio Coseriu

Wie bereits in der knappen Zusammenfassung zu Cartagena/Gauger erwähnt, beziehen sich selbige auf ihren Vorgänger Coseriu und übernehmen zu großen Teilen seinen Entwurf der Tempusanalyse für einen Text.

[...]


[1] Delibes, Miguel: El camino. Barcelona 1991 (im Folgenden zitiert als: Delibes, 1991).

[2] Delibes, Miguel: Und zur Erinnerung Sommersprossen. Köln 1961 (im Folgenden zitiert als: Delibes 1961).

[3] Vgl. Cartagena, Nelson/Gauger, Hans-Martin: Vergleichende Grammatik Spanisch – Deutsch. Teil I von Nelson Cartagena. Mannheim, Wien, Zürich 1989, S. 371 (im Folgenden zitiert als: Cartagena/Gauger, Teil I).

[4] Vgl. ebd., S. 370.

[5] Vgl. Cartagena, Nelson/Gauger, Hans-Martin: Vergleichende Grammatik Spanisch – Deutsch. Teil II. Mannheim, Wien, Zürich 1989, S. 375 und 440 (im Folgenden zitiert als: Cartagena/Gauger, Teil II).

[6] Cartagena/Gauger, Teil I, S. 370.

[7] Vgl. ebd., S. 371.

[8] Ebd., S. 298 und 342.

[9] Vgl. ebd., S. 298 und 342.

[10] Vgl. ebd., S. 299 und 348.

[11] Vgl. Cartagena/Gauger, Teil II, S. 431.

[12] Vgl. ebd., S. 441.

[13] Vgl. Cartagena/Gauger, Teil I, S. 299 und 349.

[14] Coseriu, Eugenio: Das romanische Verbalsystem. Tübingen 1976, S. 91-171 (im Folgenden zitiert als: Coseriu, 1976).

[15] Leonardo Gómez Torrego: Los verbos auxiliares. Las perifrasis verbales de infinitivo. In: Ignacio Bosque/Violeta Demonte: Gramática descriptiva de la lengua española. Band 2, Madrid 1999, S. 3323-3347, 3365-3389 und Alicia Yilera: Las perifrasis verbales de gerundio y participio. Ebd., S. 3391-3341 (im Folgenden zitiert als: Bosque/Demonte, 1999).

[16] Rojo, Guillermo/Veiga, Alexander: El tiempo verbal y los tiempos simples. In: Ignacio Bosque/Violeta Demonte: Gramática descriptiva de la lengua española. Band 2, Madrid 1999, S. 2869-2892, 2919-2922 und Miguel, Elena de: El aspecto léxico. Ebd., S. 2979-2993 (im Folgenden zitiert als: Rojo/Veiga, 1999).

[17] Weinrich, Harald: Tempus. Besprochene und erzählte Welt. Stuttgart 1977, S. 5-59, 82-86, 119-124 (im Folgenden zitiert als: Weinrich, 1977).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Tempus und Aspekt im spanisch-deutschen Übersetzungsvergleich: Miguel Delibes’ "El camino"
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Tempus und Aspekt
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V85493
ISBN (eBook)
9783638008990
ISBN (Buch)
9783638914574
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tempus, Aspekt, Miguel, Delibes’, Tempus, Aspekt
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Isabelle Strohkamp (Autor:in), 2007, Tempus und Aspekt im spanisch-deutschen Übersetzungsvergleich: Miguel Delibes’ "El camino", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85493

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