„1. Was können wir wissen? 2. Was sollen wir tun? 3. Was dürfen wir hoffen?“
Kaum ein anderes Programm vermochte es bisher, die Gemüter so anhaltend und nachhaltig zu beschäftigen, wie das Kantische Oeuvre. In diesem Satz steckt gewissermaßen der ganze Anspruch seiner Philosophie, eine Philosophie die es sich zur Aufgabe macht, das ganze Phänomen „Mensch“ in all seinen Grundlagen und Grenzen zu fassen. Der Boden dieses gewaltigen Vorhabens bildet seine Erkenntnistheorie, welche im ersten seiner drei Hauptwerke ausgebreitet vor uns liegt, nämlich in der „Kritik der reinen Vernunft“ (im Folgenden mit K.d.r.V. abgekürzt). Einige Passagen daraus sind Ausgangspunkt und Gegenstand dieser Arbeit. Mit dem Vormarsch der Hirnphysiologie ist der Schlussstrich unter philosophische Überlegungen noch lange nicht gezogen, im Gegenteil, gerade sie gibt Anlass die Kantischen Gedanken noch einmal näher zu beleuchten. Oft stellt sich dabei heraus, dass die Richtigkeit der Annahmen Kants nun mit naturwissenschaftlichen Mitteln bewiesen werden. Aber das ist ein anderes Thema, welches in dieser Arbeit nicht näher verfolgt wird. Sie handelt vielmehr von einem Problem, das auch die Hirnphysiologie in absehbarer Zeit nicht wird lösen können. Und zwar soll auf eine Lücke im Kantischen Denken aufmerksam gemacht werden, ohne ihm vorzuwerfen, etwas übersehen zu haben. Es geht hier um ein grundsätzliches Problem, das die prinzipielle Richtigkeit seines Denkens überhaupt nicht in Frage stellt, sondern eher eine wichtige Voraussetzung betrifft, die bis heute nicht ausreichend er- bzw. geklärt ist. Wie Begriffe überhaupt, also Begriffe die einen konkreten Gegenstand bezeichnen, zustande kommen haben Peirce und nach ihm Eco auch schon gefragt, und haben durch ihre Arbeit zur Präzisierung der Kantischen Überlegungen beigetragen. Wie steht es jedoch mit den Kategorien? Wie kommen wir dazu?
Was hier nicht geschieht, ist eine Nacherzählung dessen, was in besagter Kritik steht, sondern nur soviel, wie zum Aufweis dieser Frage, die in enger Verbindung mit den Kerngedanken Kants zu stehen scheint, nötig ist. Der erste Teil dieser Arbeit enthält demnach eine Skizzierung der zentralen Gedanken der Systematik der „Kritik der reinen Vernunft“, vor allem aber der Teile bis einschließlich der „Transzendentalen Deduktion“ . „Soviel wie nötig“, nicht „soviel wie möglich“ wird die Maßgabe der Herangehensweise dieses Textes sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Skizzierung der Kerngedanken der „Kritik der reinen Vernunft“ in Bezug auf die Kategorien
3. Die Kategorien als notwendige Bedingung für die Erkenntnis der Gegenstände der Erfahrung
4. Das Rätsel der Entstehung der Kategorien
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„1. Was können wir wissen?
2. Was sollen wir tun?
3. Was dürfen wir hoffen?“[1]
Kaum ein anderes Programm vermochte es bisher, die Gemüter so anhaltend und nachhaltig zu beschäftigen, wie das Kantische Oeuvre. In diesem Satz steckt gewissermaßen der ganze Anspruch seiner Philosophie, eine Philosophie die es sich zur Aufgabe macht, das ganze Phänomen „Mensch“ in all seinen Grundlagen und Grenzen zu fassen. Der Boden dieses gewaltigen Vorhabens bildet seine Erkenntnistheorie, welche im ersten seiner drei Hauptwerke ausgebreitet vor uns liegt, nämlich in der „Kritik der reinen Vernunft“ (im Folgenden mit K.d.r.V. abgekürzt). Einige Passagen daraus sind Ausgangspunkt und Gegenstand dieser Arbeit. Mit dem Vormarsch der Hirnphysiologie ist der Schlussstrich unter philosophische Überlegungen noch lange nicht gezogen, im Gegenteil, gerade sie gibt Anlass die Kantischen Gedanken noch einmal näher zu beleuchten. Oft stellt sich dabei heraus, dass die Richtigkeit der Annahmen Kants nun mit naturwissenschaftlichen Mitteln bewiesen werden. Aber das ist ein anderes Thema, welches in dieser Arbeit nicht näher verfolgt wird. Sie handelt vielmehr von einem Problem, das auch die Hirnphysiologie in absehbarer Zeit nicht wird lösen können. Und zwar soll auf eine Lücke im Kantischen Denken aufmerksam gemacht werden, ohne ihm vorzuwerfen, etwas übersehen zu haben. Es geht hier um ein grundsätzliches Problem, das die prinzipielle Richtigkeit seines Denkens überhaupt nicht in Frage stellt, sondern eher eine wichtige Voraussetzung betrifft, die bis heute nicht ausreichend er- bzw. geklärt ist. Wie Begriffe überhaupt, also Begriffe die einen konkreten Gegenstand bezeichnen, zustande kommen haben Peirce[2] und nach ihm Eco[3] auch schon gefragt, und haben durch ihre Arbeit zur Präzisierung der Kantischen Überlegungen beigetragen. Wie steht es jedoch mit den Kategorien? Wie kommen wir dazu?
Was hier nicht geschieht, ist eine Nacherzählung dessen, was in besagter Kritik steht, sondern nur soviel, wie zum Aufweis dieser Frage, die in enger Verbindung mit den Kerngedanken Kants zu stehen scheint, nötig ist. Der erste Teil dieser Arbeit enthält demnach eine Skizzierung der zentralen Gedanken der Systematik der „Kritik der reinen Vernunft“, vor allem aber der Teile bis einschließlich der „Transzendentalen Deduktion“[4]. „Soviel wie nötig“, nicht „soviel wie möglich“ wird die Maßgabe der Herangehensweise dieses Textes sein.
2. Skizzierung der Kerngedanken der „Kritik der reinen Vernunft“ in Bezug auf die Kategorien
Das von Kant angestrebte Ziel ist es, den Umfang und die Grenzen unseres Vernunftvermögens auszuloten, da er der Ansicht ist, dass sobald die Vernunft über die Grenzen der Erfahrung hinaus schreitet sie sich notwendigerweise in Widersprüche oder zumindest ungesicherte Erkenntnisse verstrickt, deren Grund und Boden sie sich meist nicht versichert hat. Er möchte nun die Grenze alles Wissbaren zum bloß Gemutmaßten abstecken und damit einer schwärmerischen Metaphysik Einhalt gebieten. Es muss deshalb zuerst das Fundament klargestellt werden, auf dem Metaphysik betrieben werden kann. In der Vorrede der K.d.r.V. schreibt Kant hierzu:
„Dogamtism ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens. Diese Entgegensetzung soll daher nicht der geschwätzigen Seichtigkeit, unter dem angemaßten Namen der Popularität, oder wohl gar dem Skeptizism, der mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozeß macht, das Wort reden; vielmehr ist die Kritik die notwendige vorläufige Veranstaltung zur Beförderung einer gründlichen Metaphysik als Wissenschaft, die notwendig dogmatisch und nach der strengsten Forderung systematisch, mithin schulgerecht (nicht populär) ausgeführt werden muß, denn diese Forderung an sie, da sie sich anheischig macht, gänzlich a priori, mithin zu völliger Befriedigung der spekulativen Vernunft ihr Geschäfte auszuführen, ist unnachlaßlich.“[5]
Um also Metaphysik betreiben zu können, müssen zuerst die Grundlagen des Denkens offengelegt werden auf die das spekulative Denken aufbaut. Erst dann lässt sich, so Kant, ein systematisches Gebäude der Metaphysik errichten. Die K.d.r.V. ist nichts anderes als eine Propädeutik zu diesem Vorhaben, in welcher Kant versucht auszuloten bis wohin reine Vernunft ohne Beigabe empirischer Data in Bezug auf Erkenntnisse reicht. Unter Erkenntnissen versteht Kant Urteile, wobei er zwischen Erfahrungsurteilen und reinen Erkenntnissen a priori Unterscheidungen trifft. Erfahrungsurteile, oder besser noch Beobachtungsurteile, sind solche, die hauptsächlich in der Naturwissenschaft angetroffen werden. Sie bedürfen eines konkreten in der Empirie vorkommenden Gegenstandes. Letzterer wird anhand der jeweiligen naturwissenschaftlichen Methode beschrieben und klassifiziert, d.h. es werden aposteriorische Beobachtungsurteile gefällt. Das problematische an dieser Art von Erkenntnissen ist, dass sie zwar als allgemeingültig angesehen werden können, aber niemals als notwendig angenommen werden dürfen, da sie, wie schon erwähnt, induktiv, also durch Beobachtung gewonnen werden. Alles was aus der Empirie als Erkenntnis abgezogen wird ist in weiten Teilen kontingent, insofern hat Hume ganz recht, wenn er sagt, dass wir vieles nur aus Gewohnheit so und so erkennen, aber uns niemals einbilden dürfen, dass es notwendigerweise so und so ist.
Kant sieht dieses Problem zwar auch, schlägt aber einen anderen Weg ein als Hume. Für ersteren ist es geradezu selbstverständlich, dass es notwendige Erkenntnisurteile geben muss, und zwar solche, die völlig a priori in unserem Verstand liegen. Was ihn interessiert sind die Grundlagen jeglicher Art von Erkenntnisurteilen, angeleitet von der Frage: was muss angenommen werden, wenn wir von einem Erkenntnisurteil sprechen? Schon in der Einleitung zur K.d.r.V. taucht deshalb auch die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Urteilen a priori auf[6], d. h. Urteile, die vor aller Erfahrung notwendige Gültigkeit besitzen. Ein analytisches Urteil ist ein Erläuterungsurteil bspw. eines bestehenden Satzes, ein synthetisches Urteil hingegen ist ein zusammengesetztes aus zwei oder mehr Teilen, ein Erweiterungsurteil also. Ein synthetisches Urteil a priori ist ein solches, das vor aller Erfahrung zwei oder mehr Teile so miteinander verbindet, wie in der Mathematik zwei Zahlen miteinander addiert werden, was vor empirischen Gegebenheiten als richtig und allgemeingültig eingesehen werden kann. Kant selbst bedient sich eines einfachen Rechenbeispiels um dies zu zeigen, nämlich der Addition 7 + 5 = 12[7]. Seiner Meinung nach handelt es sich hierbei um ein synthetisches Urteil a priori, welches den Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit erfüllt. Wäre tatsächlich alle Erkenntnis abhängig von empirischen Erfahrungsurteilen, so könnte nicht eingesehen werden, wie Mathematik, welche ohne empirische Daten auskommt, möglich ist. Es müsse daher, so Kant, apriorische Urteile geben, die als Bedingungen für Erfahrungsurteile fungieren. Dies aufzudecken ist die Hauptaufgabe der K.d.r.V. bzw. der Transzendentalphilosophie. Kant versteht unter letzterer das Aufweisen der apriorischen Bedingungen der Möglichkeit für Erkenntnis und Erfahrung. Die griffigste Definition von Transzendentalphilosophie stammt natürlich von Kant selbst:
„Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht so wohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.“[8]
Und weiter:
„ Diese Untersuchung, die wir eigentlich nicht Doktrin, sondern nur transzendentale Kritik nennen können, weil sie nicht die Erweiterung der Erkenntnisse selbst, sondern nur die Berichtigung derselben zur Absicht hat, und den Probierstein des Werts oder Unwerts aller Erkenntnisse a priori abgeben soll, ist das, womit wir uns jetzt beschäftigen. Eine solche Kritik ist demnach eine Vorbereitung, wo möglich, zu einem Organon, und wenn dieses nicht gelingen sollte, wenigstens zu einem Kanon derselben, nach welchem allenfalls dereinst das vollständige System der Philosophie der reinen Vernunft, es mag nun in Erweiterung oder bloßer Begrenzung ihrer Erkenntnis bestehen, so wohl analytisch als synthetisch dargestellt werden könnte.“[9]
Für Kant ist jegliche Erkenntnis von Gegenständen, jedes Erfahrungsurteil zusammengesetzt und synthetisch. Jedem Begriff eines Gegenstandes muss eine Anschauung korrespondieren. Bevor aber irgendeine Anschauung ins Gemüt kommen kann, muss der Gegenstand von irgendwoher in dasselbe gelangen. Die Fähigkeit zur Rezeptivität ist unsere Sinnlichkeit, denn durch sie „werden uns Gegenstände gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen“[10]. Dies allein gereicht uns aber noch nicht zu einer vollständigen Erkenntnis von Gegenständen, was noch fehlt ist die Beigabe des Verstandes und mit ihm der Begriff von einem Gegenstand; „durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe“[11].
Angeleitet von genau dieser Unterscheidung zwischen Sinnlichkeit und Verstand, verfährt Kant in der K.d.r.V. wenn er im ersten Teil, betitelt mit „Transzendentale Ästhetik“[12], die formalen Bedingungen der Sinnlichkeit resp. der Anschauungsfähigkeit analysiert und im zweiten Teil die formalen Bedingungen des Denkens resp. der Fähigkeit aus Spontaneität Begriffe zu bilden auseinanderlegt, und das ist genauer die „transzendentale Logik“[13].
„Ästhetik“ meint hier nicht die Analyse des Schönen oder des Geschmacks, sondern bezeichnet die Sinnlichkeit und mit ihr die Fähigkeit zur Rezeptivität als solche.
„Eine Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori nenne ich die transzendentale Ästhetik. Es muß also eine solche Wissenschaft geben, die den ersten Teil der transzendentalen Elementarlehre ausmacht, im Gegensatz derjenigen, welche die Prinzipien des reinen Denkens enthält, und transzendentale Logik genannt wird.“[14]
Zwei Bedingungen sind es, ohne die niemals eine Anschauung zu Stande gebracht werden könnte: Raum und Zeit. Der Raum ist die formale Bedingung der Existenz einer (gegenständlichen) Anschauung überhaupt. Alle Gegenstände (oder Dinge, mit Ausnahme natürlich aller inneren Zustände, wie bspw. Gefühle u. dergl.), von denen wir behaupten, dass sie real existierten, haben eine räumliche Ausdehnung. Würden wir uns einen Gegenstand wegdenken, so bliebe der Raum, den er zuvor ausfüllte, übrig. Dieses Beispiel bringt Kant selbst zur Sprache[15]. Der Raum ist aber nichts an sich existierendes, sondern eine in uns vorliegende Bedingung dafür, dass es für uns Räumliches gibt. Es handelt sich also nicht um einen Begriff, als vielmehr um eine formale Bedingung. Raum ist zu verstehen als eine in uns liegende reine Form von etwas äußerlich Gegenständlichem, gleichviel was es ist.
[...]
[1] Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hrsg. Wilhelm Weischedel, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1974, B 833.
[2] Peirce, Charles Sanders, Phänomen und Logik der Zeichen, Hrsg. Helmut Pape, Frankfurt a. M. 19983.
[3] Eco, Umberto, Kant und das Schnabeltier, München 2003.
[4] Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hrsg. Wilhelm Weischedel, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1974, B 124 ff.
[5] Ebenda, B XXXVI.
[6] Ebenda, B 10 ff.
[7] Ebenda, B 15.
[8] Ebenda, B 25.
[9] Ebenda, B 26.
[10] Ebenda, B 33.
[11] Ebenda, B 33.
[12] Ebenda, B 33 ff.
[13] Ebenda, B 74 ff.
[14] Ebenda, B 35f.
[15] Ebenda, B 6.
- Arbeit zitieren
- Michael Schmidt (Autor:in), 2007, Die Entstehung der Kategorien in Anlehnung an die ‚Kritik der reinen Vernunft‘ von Immanuel Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85666
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