John Hersey: Hiroshima, 6. August 1945 - eine Reportage


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 John Hersey: Hiroshima, 6.August 1945, 8 Uhr 15- Eine Reportage
2.1 Begriff der Reportage am Beispiel Hiroshima
2.2 Geschichte der Reportage am Beispiel Hiroshima
2.2.1 Augenzeugen- und Reisebericht
2.2.2 Kriegsberichterstattung
2.3 Praxis des Reportageschreibens am Beispiel Hiroshima
2.3.1 Funktion der Reportage
2.3.2 Anforderungen an die Reportage
2.3.3 Themenfelder einer Reportage
2.3.4 Drei Elemente der Reportage
2.3.5 Drei Vorraussetzungen für eine Reportage als Darstellungsform
2.3.6 Elemente einer spannenden Reportage

3 Zusammenfassung

4 Bibliographie

1 Einleitung

„Die Reportage und ihr Produzent, der Reporter, sind landläufig die Begriffe, die am ehesten mit Journalismus in Verbindung gebracht werden.“[1]

Der heute unbekannte Korrespondent der New York Times, William L. Laurence, der am 9. August 1945 Zeuge der Zerstörung Nagasakis wurde, hat den ersten Bericht über den zweiten Atombombenabwurf der Geschichte geschrieben. Jedoch zeigt sein Bericht wenig Recherche und ist der betroffenen Zivilbevölkerung gegenüber völlig gefühllos. Das Ergebnis ist eine schlechte Berichterstattung des Ereignisses. Laurence verschenkte so den Ruhm einer Pionierarbeit. Kritiker sagen seine Engstirnigkeit sei nicht zu entschuldigen, Laurence ziehe den Ruf des Reporters in den Dreck.[2]

John Hersey dagegen, der erst im Nachhinein mit einigem Abstand zu seinem Augenzeugenbericht über die Opfer der ersten Atombombe in Hiroshima schrieb, ist dem amerikanischem Publikum ein geläufiger Name. Er setzt mit seiner Reportage „Hiroshima, 6.August 1945, 8 Uhr 15“, einer Reihe von personell verknüpften Augenzeugenberichten, den Markstein, der eigentlich Laurence hätte gehören müssen. Nüchtern und doch einfühlsam berichtete Hersey von den Gefühlen, dem Leid und den Gedanken sechs Betroffener. Er wählt hierfür die Form der journalistischen Reportage, die 1946 in dem Magazin „The New Yorker“ gedruckt wurde und auf großes Interesse stieß.

In folgender Arbeit wird aufgezeigt, inwiefern „Hiroshima“ als Reportage gilt.

Über die Begriffsbestimmung und den geschichtlichen Hintergrund, nähert sich dieser Aufsatz der Praxis des Reportageschreibens. Dabei werden sowohl Funktion und Anforderung an die Reportage, als auch mögliche Themenfelder und Vorraussetzungen besprochen.

Zum Schluss grenzt diese Arbeit die Elemente einer spannenden Reportage ein.

All diese Punkte sollen direkt am Beispiel von „Hiroshima“ aufgezeigt werden und mit Exempeln aus dem Text belegt werden.

2 John Hersey: Hiroshima, 6.August 1945, 8 Uhr 15- Eine Reportage

2.1 Begriff der Reportage am Beispiel Hiroshima

Der Begriff „Reportage“ bezeichnet ein journalistisches Produkt, das mit sprachlichen, meist auch mit bildlichen Mitteln über Akteure und deren Handlungen erzählt.[3]

Diese Definition trifft so auch auf John Herseys „Hiroshima“ zu, in dem die Ereignisse überwiegend mit sprachlichen Mitteln, aber auch mit sechs Abbildungen der Protagonisten aufgearbeitet werden. Die Abbildungen sind auf den Seiten 32, 40, 48, 56, 64 und 72 aufzufinden, also jeweils mit exakt acht Seiten Text dazwischen, was auf eine genaue Aufteilung und Gliederung der Ereignisse der einzelnen Personen durch den Autor schließen lässt.

Die Reportage besteht zudem aus realitätsbezogenen Aussagen, die jedoch nicht nachrichtlich, als Bericht, sondern als subjektive, dramaturgisch gegliederte Erlebnisschilderungen wieder gegeben werden.[4] Auch in „Hiroshima“ ist eine dramaturgische Reihenfolge der Schilderung aufzuweisen. Eine erste grobe Gliederung könnte auf das anfängliche subjektive Erleben des Einschlags der Bombe für die sechs Hauptpersonen, anschließend auf deren erste Reaktionen auf das Leid der Mitmenschen und die Zerstörung der Stadt hinweisen, und schließlich die Auswirkungen der Strahlen und den ersten Umgang der Betroffenen mit dem neuen Alltag aufzeigen. Auf die Dramaturgie der Reportage wird auch im Späteren noch genauer eingegangen.

Das lateinische Wort „reportare“ bedeutet soviel, wie „zurückbringen, überbringen“.

Der Begriff der Reportage ist ursprünglich dem Französischen entlehnt.

Bezeichnet wird damit der als subjektive Erzählung aufbereitete Tatsachenbericht eines Beobachters, der als Augenzeuge am Ort des Geschehens war und das Beobachtete einerseits mit Fakten, andererseits mit persönlichen Eindrücken und Empfindungen, jedoch nicht mit Meinungsäußerungen durchsetzt.[5] Auch Hersey wechselt zwischen der Beschreibung subjektiver Empfindungen und der Wiedergabe von Fakten ab.

Jedoch entgegen der Definition der Reportage von Michael Haller aus Bernhard Pörksens „Handbuch Journalismus und Medien“ bringt Hersey keinerlei subjektiven Meinungen von ihm selbst, sondern lässt ausschließlich die subjektiven Empfindungen, Beobachtungen und Gedanken seiner Protagonisten im Mittelpunkt seiner Erzählung stehen. Er selbst war nicht Augenzeuge der Ereignisse, da er erst zehn Monate nach der Denotation der Bombe nach Hiroshima reiste, um Augenzeugen zu suchen und ihr Erleben des 6.Augustes 1945 nachzuerzählen. Nach Haller dürfe der Autor seine Empfindungen und Assoziationen durchaus zum Ausdruck bringen, Hersey beruft sich in seiner Reportage jedoch ausschließlich auf die Erzählungen seiner Protagonisten und sammelte das Material fast ohne jegliche Hilfe der damaligen Besatzungsbehörde zusammen.[6]

2.2 Geschichte der Reportage am Beispiel Hiroshima

2.2.1 Augenzeugen- und Reisebericht

Die Wurzeln der Reportage liegen in zwei literarischen Traditionen: Dem Reisebericht und dem Augenzeugenbericht.

Schon der griechische Historiker Herodot (484 v. Chr.- 425 v. Chr.) bediente sich bei seinen Reiseberichten über Asien, Ägypten und Italien an den Gestaltungs- und Stilmitteln, die für die Reportage noch heute charakteristisch sind: die kontrastreiche, dabei tatsachenbetonte Schilderung exemplarischer Handlungen.[7] Auch bei Herseys Reportage lässt sich von einer kontrastreichen Darstellung sprechen, da allein die Einführung von sechs Protagonisten, die alle ein anderes Schicksal im Angesicht der Bombe zu erleiden hatten, eine vielfältige Sicht auf das Ereignis wirft.

Später in der Geschichte folgten die Entdecker-, Abenteuerreisen und Reisetagebücher von Amerigo Vespucci, Marco Polo und Johann Hellfrich. In Deutschland wurde das Thema Reisen im 17. Jahrhundert zur literarischen Gattung und im 18. Jahrhundert zur dichterischen Kunstform stilisiert.

Auch das Genre Augenzeugenbericht reicht bis in die Antike. Durch seinen Brief über das Erdbeben von Pompeji sicherte sich Gajus Cacilius Plinius den Ruf des ersten Reporters der Geschichte.

Mehr und mehr an Bedeutung gewinnt die Rolle des Zeugen nach der Entstehung der Tageszeitung im Jahre 1650. Mit dem 19. Jahrhundert verbreitet sich die Massenpresse („Penny press“) in den Großstädten in England und in den USA zunehmend. Damit wird der Beobachter und Zeuge zum hauptberuflichen Reporter, der direkt von Tatorten berichtet.[8] Seine Qualitätskriterien waren die Unabhängigkeit der Beobachterrolle und die Zuverlässigkeit seiner Beobachtungen. „Mit dem kommerziellen Erfolg der Zeitungen vertieft sich in den 20er Jahren die im 19. Jahrhundert aufgebrochene Kluft zwischen Literatur und Journalismus: Die Literaten verachten demnach die Reportage als oberflächliches, konfektionierendes Serienprodukt; die Reporter kritisieren die literarischen Texte als realitätsflüchtige Schilderungen ohne Aufklärungswert.“[9]

Als tatsachenbetonter subjektiver Erlebnis- und Reisebericht hat sich das Genre der modernen Reportage immer mehr behauptet. John Hersey hat in den USA Vorbildfunktion als Kriegsreporter für Hiroshima. Genauso überzeugte Seymour Hersh für Mi Lay und Sydney Schanberg für Kambodscha.

2.2.2 Kriegsberichterstattung

Die Kriegsberichterstattung ist ein fester Bestandteil des Nachrichtenjournalismus.

Die Informationen aus Kriegsgebieten enthalten Fakten über Kriegsbeteiligte und kriegsbetroffene Personen. Sie bestehen keineswegs nur aus Thematisierungen von unmittelbaren Kriegshandlungen.[10] So kann auch John Herseys Reportage als eine Art Kriegsberichterstattung bezeichnet werden. Seine Protagonisten waren nicht direkt am zweiten Weltkrieg beteiligt, aber durchaus durch den Abwurf der Atombombe über Hiroshima vom Krieg und von kriegerischen Handlungen betroffen. Nach Martin Löffelholz sind wesentliche Merkmale des Krieges „die Beteiligung von zumindest zwei militärischen bzw. bewaffneten Sozialsystemen, ein außerordentlich hohes Maß an physischer Gewalt gegen Menschen oder Sachen, sowie eine gewisse Kontinuität der Kampfhandlungen.“[11]

Als erster Protagonist der modernen Kriegsberichterstattung gilt William Howard Russel (1820-1907), der für die Londoner „Times“ 1854 über den Krimkrieg berichtet.

Da er seine Berichterstattung nicht den kriegspolitischen Interessen Englands unterordnete, führten die Militärs 1856 die Militärzensur ein. Auch die Berichterstattung John Herseys fiel in den USA viele Jahre später unter eine Militärzensur, der er sich allerdings erfolgreich widersetzte und trotz Verbot über die Ereignisse aus Hiroshima berichtete.

[...]


[1] Detlev Brendel/ Bernd E. Grobe: Journalistisches Grundwissen. Darstellung der Formen und Mittel journalistischer Arbeit und Einführung in die Anwendung empirischer Daten in den Massenmedien. München 1976, S. 69.

[2] Vgl. Michael Geisler: Die literarische Reportage in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen eines operativen Genres. Königstein/Ts. 1982, S. 3.

[3] Vgl. Michael Haller: Reportage/ Feature. In: Bernhard Pörksen (Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz 2005, S. 405.

[4] Vgl. Ebd.

[5] Vgl. Ebd.

[6] Vgl. John Hersey: Hiroshima. 6.August 1945, 8 Uhr. München 1982, S. 21.

[7] Vgl. Haller 2005, S. 405f.

[8] Vgl. Haller 2005, S. 406.

[9] Ebd 2005, S. 407.

[10] Vgl. Martin Löffelholz: Kriegsberichterstattung. In: Bernhard Pörksen (Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz 2005, S. 181.

[11] Ebd, S. 182.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
John Hersey: Hiroshima, 6. August 1945 - eine Reportage
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Wissenschafts- und Literaturgeschichte der Atombombe
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V85683
ISBN (eBook)
9783638020374
ISBN (Buch)
9783640522774
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
John, Hersey, Hiroshima, August, Reportage, Wissenschafts-, Literaturgeschichte, Atombombe
Arbeit zitieren
Eva Lindner (Autor:in), 2006, John Hersey: Hiroshima, 6. August 1945 - eine Reportage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85683

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