Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. MuSchG: Inhalt, Auswirkungen und Änderungsansätze
2.1. Kündigungsschutz
2.1.1. Folgeabschätzung
2.2. Mutterschaftsgeld
2.2.1. Folgenabschätzung und Änderungsansätze
2.3. Schutzfristen vor und nach der Geburt
2.3.1. Folgenabschätzung und Änderungsansätze
2.4. Beschäftigungsverbot
2.5. Schwangerschaftbedingte Freistellungen
2.5.1. Folgen und Änderungsansatz
3. Abschaffung des MuSchG
4. Möglichkeit des freien Vertragsabschlusses
4.1. Freier Vertragsabschluß hinsichtlich des Kündigungsschutzes
4.2. Freier Vertragsabschluß hinsichtlich des Mutterschaftsgeldes
4.3. Folgenabschätzung der Abschlußfreiheit
4.4. Unmöglichkeit des freien Vertragsabschlusses hinsichtlich der Schutzfristen, der Beschäftigungs- verbote und der Freistellungen
5. Schlußbetrachtung
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Obwohl die Frauenerwerbstätigkeit ständig steigt, sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Dies wird durch Untersuchungen belegt, die den prozentualen Anteil der Frauen in hierarchisch höheren Positionen eruierten. Das Institut für Wirtschaft in Köln stellte fest, daß der Weg in die Chefetagen für Frauen noch immer steinig ist. Nach deren Ermittlungen sind es in Deutschland derzeit lediglich 3,7 Prozent Frauen, die den Aufstieg in eine Führungsposition geschafft haben,1 obwohl die Zahl der beschäftigten Akademikerinnen in den letzten 20 Jahren von einer Viertelmillion auf 1,5 Millionen gestiegen ist.2
Ein Grund für die Unterrepäsentanz von Frauen in Führungspositionen ist das Schwangerschaftsrisiko und die damit verbundenen Auswirkungen durch das MuSchG auf das Arbeitsverhältnis. Aus ökonomischer Betrachtung stellen Frauen im gebärfähigen Alter permanent einen potentiellen Kostenfaktor dar. Die aufgrund einer eintretenden Mutterschaft entstehen Ausfallzeiten werden deshalb in die Kosten-/Nutzen-Analyse von Frauen einbezogen. Schon allein die Gebärfähigkeit ist ein Grund dafür, Frauen eine untergeordnete Rolle zu geben bzw. eine Förderung zu unterlassen, und zwar in Unabhängigkeit davon, ob sie eine Mutterschaft anstreben.3 Aus Unternehmersicht ist dies ein ökonomisch rationales Verhalten, denn es kann kein Einfluß darauf genommen werden, ob und wann eine Frau Kinder haben möchte. Für die Unternehmen entsteht so ein erhöhtes Fehlinvestitionsrisiko, das aufgrund einer jahrelangen Förderung speziell bei Führungskräften sehr hoch ist.4
Da die Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft bei der Einstellung unzulässig ist, orientieren sich die Unternehmen meist an statistischen Mittelwerten5 oder legen ihre eigenen Erfahrungswerte hinsichtlich des Alters bei der Geburt des ersten Kindes zugrunde. Mit diesem Vorgehen wird von den Unternehmen eine gruppenspezifische Hypothese aufgestellt, wonach jede Frau als typisches Gruppenmitglied betrachtet wird.6 Der Frau wird die familiäre Zuständigkeit zugeschrieben, was sich auf das Einstellungs- und Förderungsverhalten der Unternehmen auswirkt. Es wird befürchtet, daß Frauen aufgrund der häuslichen Arbeit weniger Engagement für das Unternehmen aufbringen (können). Ihnen wird unterstellt, sie hätten weniger berufliches Interesse und würden ihre Prioritäten zu Gunsten der Familie setzen. Insbesondere wird bei Frauen mit höheren finanziellen Belastungen und Ausfallzeiten im Rahmen des Mutterschutzes gerechnet. Im folgenden soll gezeigt werden, inwieweit das MuSchG Einfluß auf die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen hat und welche Änderungen des geltenden MuSchG für eine Verbesserung der Situation in Betracht kommen.7
2. MuSchG: Inhalt, Auswirkungen und Änderungsansätze
Sobald eine Frau schwanger ist, gelten für sie eine Reihe von Schutzbestimmungen. Diese sollen die berufstätige Frau und das ungeborene Kind vor Gefahren, Überforderung, Gesundheitsschädigungen am Arbeitsplatz, finanziellen Einbußen und Verlust des Arbeitsplatzes schützen. Der Mutterschutz soll der erwerbstätigen Frau ermöglichen, ihre Aufgaben als Arbeitnehmerin und werdende Mutter miteinander zu vereinbaren. Diesen Schutzvorschriften kommt eine große Bedeutung zu, da viele werdende Mütter arbeiten müssen bzw. wollen.
Das Mutterschutzgesetz gilt für alle Frauen, die in der Bundesrepublik Deutschland in einem Arbeitsverhältnis stehen, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitgebers. Die Regelungen des Mutterschutzes finden auf Probearbeitsverhältnisse, Aushilfstätigkeiten, Ausbildungs- und Praktikantenverhältnisse sowie auf nebenberufliche Tätigkeiten und Teilzeitbeschäftigungen Anwendung.8
2.1. Kündigungsschutz
Gemäß § 9 MuSchG hat eine Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung absoluten Kündigungsschutz. Das bedeutet, daß keine anders lautende Vereinbarung Gültigkeit besitzt, wenn eine Arbeitnehmerin schwanger wird.9 Das Kündigungsverbot betrifft nicht nur jede fristgerechte ordentliche Kündigung, sondern auch fristlose Kündigungen aus wichtigem Grund. Neben Änderungskündigungen und Kündigungen eines nicht befristeten Probearbeitsverhältnisses sind Kündigungen in Konkurs- und Vergleichsverfahren und im Zuge einer Massenentlassung oder einer Betriebsstillegung unzulässig.10
2.1.1. Folgenabschätzung
Es ist anzunehmen, daß der Kündigungsschutz von den Unternehmen dann akzeptiert wird, wenn sie selbst in das Humankapital11 ihrer Mitarbeiterin investiert haben. Dies betrifft insbesondere die Aufgabenbereiche, in denen eine höhere Qualifikation notwendig ist. Gerade Führungskräfte verfügen über eine qualifizierte Ausbildung und wurden in der Regel durch betriebliche Aus- und Fortbildungsprogramme gefördert. Zusätzlich haben sie sich während ihrer Betriebszugehörigkeit firmenspezifisches Wissen angeeignet. Führungskräfte verfügen demnach über ein großes Humankapital, das die Unternehmen im Falle einer Kündigung verlieren würden. Aufgrund der eigenen Humankapitalinvestitionen und des spezifischen Wissens haben die Unternehmen selbst ein Interesse an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, so daß der Kündigungsschutz hier keine Aufstiegsbarriere darstellt. Trotz der hohen Gehälter der Führungskräfte, liegen die Lohnausgleichzahlungen des Arbeitgebers während des Mutterschutzes im Regelfall unter den Kosten für den mit einer Entlassung verbundenen Humankaptialverlust.12
2.2. Mutterschaftsgeld
Während der 14 Wochen Mutterschaftsurlaub hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehaltes. Der Arbeitgeber zahlt beim Mutterschaftsgeld die Differenz zwischen den von der Krankenkasse maximal gezahlten 25,00 DM pro Tag und dem Nettogehalt.13 Für die Höhe des Mutterschutzlohnes ist der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Monats maßgeblich, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist. Zum Durchschnittsverdienst gehört die gesamte Gegenleistung für die Arbeit einschließlich entgeltbezogener Zuschläge (z.B. für Überstunden, Mehr-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit).14
2.2.1. Folgenabschätzung und Änderungsansätze
Die Entgeltregelung in der Mutterschutzfrist steht der Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegen. Während der Schutzfrist werden von der Frau keine Leistungen für das Unternehmen erbracht. Da der Lohn in der Schutzfrist weiterhin gezahlt werden muß und der Arbeitgeber einen erheblichen Teil daran trägt, entsteht den Unternehmen eine zusätzliche finanzielle Belastung ohne entsprechende produktive Gegenleistung. Besonders nachteilig wirkt sich die Lohnfortzahlung im Schwangerschaftsfall bei Frauen in qualifizierten
Positionen aus, weil sie in der Regel ein höheres Einkommen beziehen und die vom Arbeitgeber zu erbringende Ausgleichszahlung dadurch erheblich höher ausfällt als bei Frauen mit einem niedrigen Gehalt.15
[...]
1 Vgl. Die Welt: Frauen tun sich schwer auf dem Weg nach oben, 11.10.1999, S. 24
2 Vgl. Berliner Morgenpost: Akademikerinnen erobern das Feld, 04.07.1998, S. 14
3 Vgl. Stach, Hannelore: Gleichstellung im Erwerbsleben? Situation der Frauen zwischen Forderung und Realität, München 1987, S. 79
4 Vgl. Wiegand, Heike: Berufstätigkeit und Aufstiegschancen von Frauen, Eine (nicht nur) ökonomische Analyse, Berlin 1995, S. 189
5 In der BRD bekommen ungefähr 80 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens mindestens ein Kind. Es wird geschätzt, daß von den Frauen, die in den 60er Jahren geboren wurden, ungefähr 75 Prozent - 80 Prozent Kinder haben werden (vgl. Jungwirth, Carola: ibd., S. 59). Drei Viertel der Führungsfrauen sind allerdings unverheiratet oder zumindest kinderlos (vgl. Die Tageszeitung: Frauenfeindlichkeiten, 09.05.1998, S. 6).
6 Vgl. Wiegand, Heike: ibd., S. 189
7 Vgl. Rau, Ilona: Weibliche Führungskräfte, Ursachen ihrer Unterrepräsentanz und Konse- quenzen für die Förderung von Frauen für Führungspositionen, Frankfurt am Main 1995, S. 85
8 Vgl. Ebener, Jost: Mutterschutz, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, 4. Auflage, Saarbrük- ken 1993, S. 13-15
9 Vgl. Jungwirth, Carola: Berufliche Ein- und Aufstiegschancen von Frauen: Förderwirkung und Barrieren durch MuSchG und BErzGG, Wiesbaden 1998, S. 78
10 Vgl. Ebener, Jost: ibd., S. 21
11 Unter Humankaptial wird das in der schulischen, beruflichen und universitären Ausbildung erworbene Wissen bezeichnet. Des weiteren versteht man darunter alles informell erworbe- ne Wissen (z.B. durch Erfahrung) und Wissen, daß durch formalisierte (betriebliche) Aus- bildungsprogramme angeeignet wurde (vgl. Jungwirth, Carola: ibd., S. 65).
12 Vgl. Jungwirth, Carola: ibd., S. 98
13 Vgl. Dahlke, Gabriele: Frauenerwerbstätigkeit im Spannungsfeld von Gleichberechtigung und Gleichstellung, Düsseldorf 1986, S. 209
14 Vgl. Ebener, Jost: ibd., S. 44-45
15 Vgl. Rau, Ilona: ibd., S. 89