Gemäß der politikwissenschaftlichen Definition von Martin Sebaldt sind Parteien „auf Dauer angelegte
organisatorische Vereinigungen von Personen zur Formulierung und Propagierung politischer
Interessen und Ziele, zu deren Umsetzung sie selbst das erforderliche Funktionspersonal
stellen“. Darauf aufbauend kann der Begriff „Parteiensystem“ als Beziehungsgefüge der in
einem politischen Gemeinwesen agierenden Parteien verstanden werden. Gerade dieses Gefüge
ist für das Funktionieren demokratisch verfasster Gesellschaftsordnungen von großer Bedeutung.
So nennt beispielsweise Klaus von Beyme die Konsolidierung des Parteiensystems („Die Konsolidierung
in der Konsolidierung“) neben anderen Faktoren „als Grundvoraussetzung für die Konsolidierung
von Demokratien.
Obwohl sich Michail Gorbatschow und Boris Jelzin zum Ende der Sowjetunion bzw. in den
Anfängen der Russländischen Föderation für einen demokratischen Systemwandel einsetzten,
fehlte beiden Politikern eine positive Einstellung gegenüber der konsolidierenden Wirkung eines
funktionierenden Parteiensystems. Somit kam eine ernsthafte Diskussion über die Bedeutung
politischer Parteien in Russland erst im Jahre 1999 in Gang. Diese Tatsache regt zur Untersuchung
des Parteiensystems in der Russländischen Föderation an.
In der vorliegenden Arbeit wird in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren die Entwicklung des Parteiensystems der Russländischen Föderation prägten. Zudem wird untersucht, wie genau sich diese Faktoren auf das neu entstehende Parteiengefüge ausgewirkt haben. In einem zweiten Schritt wird Aufschluss darüber gegeben, ob bzw. inwieweit das russische Parteiensystem – gemessen am aktuellen politikwissenschaftlichen Forschungsstand – als konsolidiert gelten kann.
Für eine umfassende Entwicklungsanalyse des Parteiensystems in der Russländischen Förderation
nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind aus politikwissenschaftlicher Sicht diverse
strukturprägende Einflüsse maßgeblich. Wolfgang Merkel nennt in diesem Zusammenhang Art
und Verlaufsform des Transformationskonflikts, die Existenz historischer Parteiensysteme, die
zentralen politischen Institutionen, gesellschaftliche Verteilungstraditionen und Verteilungskoalitionen
und die Cleavage-Struktur. Anhand dieser Faktoren soll die Entwicklung des russischen
Parteiensystems im Folgenden untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in den Untersuchungsgegenstand
- Einflüsse auf die Entwicklung des russischen Parteiensystems
- Verlauf des Transformationskonflikts
- Historische Parteiensysteme
- Institutionelle Rahmenbedingungen
- Rechtliche Stellung der Parteien
- Wahlsystem
- Regierungssystem
- Klientelistische Verteilungstraditionen
- Gesellschaftliche Cleavage-Strukturen
- Grad der Konsolidierung des russischen Parteiensystems
- Fragmentierung
- Polarisierung
- Volatilität
- Erfüllung von Parteienfunktionen
- Partizipation der Bürger
- Legitimation und Integration
- Interessenvertretung
- Personalrekrutierung
- Programmfunktion
- Gesamtbewertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung und Konsolidierung des Parteiensystems in der Russländischen Föderation. Sie analysiert die Faktoren, die die Entstehung des Systems prägten, und bewertet dessen Konsolidierungsgrad im Hinblick auf die gängigen politikwissenschaftlichen Kriterien.
- Einflüsse auf die Entwicklung des russischen Parteiensystems
- Verlauf des Transformationskonflikts und dessen Auswirkungen auf das Parteiensystem
- Rolle historischer Parteiensysteme und institutioneller Rahmenbedingungen
- Bedeutung von klientelistischen Traditionen und gesellschaftlichen Cleavage-Strukturen
- Analyse des Konsolidierungsgrads des Parteiensystems anhand von Kriterien wie Fragmentierung, Polarisierung und Volatilität
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung in den Untersuchungsgegenstand
Dieses Kapitel definiert den Begriff „Parteiensystem“ und erläutert dessen Bedeutung für demokratische Gesellschaftsordnungen. Es wird auf die mangelnde Wertschätzung eines funktionierenden Parteiensystems durch Gorbatschow und Jelzin hingewiesen und die Relevanz einer Untersuchung des russischen Parteiensystems begründet.
Einflüsse auf die Entwicklung des russischen Parteiensystems
Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Faktoren, die die Entwicklung des russischen Parteiensystems prägten. Neben dem Transformationskonflikt werden historische Parteiensysteme, institutionelle Rahmenbedingungen, klientelistische Verteilungstraditionen und gesellschaftliche Cleavage-Strukturen als wesentliche Einflussfaktoren identifiziert.
Verlauf des Transformationskonflikts
Das Kapitel beschreibt die Auswirkungen des Transformationsprozesses in Russland auf die Parteienentwicklung. Es wird auf das „Antiparteiensyndrom“ Gorbatschows und Jelzins sowie die Entstehung erster Wählerblöcke und die Entwicklung von Parteien wie der KPRF und Jabloko eingegangen. Darüber hinaus wird der Einfluss des Oktoberputschs auf die Parteienlandschaft und die kurzlebige Existenz zahlreicher Parteien erläutert.
Grad der Konsolidierung des russischen Parteiensystems
Dieses Kapitel analysiert den Konsolidierungsgrad des russischen Parteiensystems anhand von Kriterien wie Fragmentierung, Polarisierung und Volatilität. Es untersucht die Rolle des Parteiensystems bei der Erfüllung von Funktionen wie Partizipation, Legitimation, Interessenvertretung, Personalrekrutierung und Programmfunktion.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Parteiensystem, Transformationsprozess, Konsolidierung, Fragmentierung, Polarisierung, Volatilität, Partizipation, Legitimation, Interessenvertretung, Personalrekrutierung, Programmfunktion, Klientelismus, Cleavage-Strukturen, Russische Föderation.
- Arbeit zitieren
- Michael Adam (Autor:in), 2006, Entwicklung und Konsolidierung des Parteiensystems in der Russischen Föderation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85918