Kreditderivate und Kreditrisikomanagement


Diplomarbeit, 2005

86 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

2. Kredit, Kreditrisiko und Credit Spread

3. Kreditderivate
3.1. Definition des Begriffes Kreditderivate
3.2. Der Markt der Kreditderivate
3.2.1. Historie und Entstehungsfaktoren
3.2.2. Bisheriger Innovationsprozess
3.2.3. Struktur des Marktes
3.2.3.1. Marktanteile der Kreditderivatetypen
3.2.3.2. Marktteilnehmer
3.2.3.3. Aufteilung nach Rating
3.2.3.4. Laufzeiten der Kreditderivate
3.2.4. Zukünftige Entwicklung
3.3. Vertragselemente der Kreditderivate
3.3.1. Underlying und Reference Asset
3.3.2. Credit Event
3.3.3. Credit Event Payment
3.3.4. Credit Fee
3.4. Ausprägungsformen der Kreditderivate
3.4.1. Asset Swap als Grundstein der Kreditderivate
3.4.2. Grundformen der Kreditderivate
3.4.2.1. Credit Default Produkte
3.4.2.2. Credit Spread Produkte
3.4.2.3. Total Return Produkte
3.4.2.4. Credit Linked Notes
3.4.3. Exotische Kreditderivate
3.4.3.1. Exotische Varianten des Credit Default Swap
3.4.3.1.1. Digital and Recovery Credit Default Swap
3.4.3.1.2. Basket Credit Default Swap
3.4.3.2. Exotische Varianten des Asset Swap
3.4.3.2.1. Callable Asset Swap
3.4.3.2.2. Synthetischer Asset Swap Put
3.5. Preisermittlung von Kreditderivaten
3.5.1. Theoretische Modelle
3.5.1.1. Klassische Optionspreismodelle
3.5.1.2. Neuere Ansätze der Contingent Claims Analysis
3.5.1.2.1. Das Ratingmodell
3.5.1.2.2. Das Asset-Class-Modell
3.5.2. Marktorientierte Modelle

4. Kreditrisikomanagement
4.1. Definition des Begriffes Risikomanagement
4.2. Aktivmanagement
4.2.1. Absicherung von Krediten
4.2.2. Übernahme von Kreditrisiken
4.2.3. Optimierung des Kreditportfolios
4.3. Kreditlinienmanagement
4.4. Passivmanagement
4.5. Eigenhandel
4.6. Die Rolle von Informationsasymmetrien
4.6.1. Adverse Selektion
4.6.2. Moral Hazard
4.7. Ausnutzung von Steuervorteilen
4.8. Vorteile gegenüber konventionellem Risikomanagement
4.8.1. Vorteile im Hinblick auf die Risikoübertragung
4.8.2. Vorteile im Hinblick auf die Risikobegrenzung
4.8.3. Vorteile im Hinblick auf die Diversifikation von Kreditrisiken
4.8.4. Sonstige Vorteile
4.9. Risiken aus Kreditderivaten

5. Aufsichtsrechtliche Behandlung von Kreditderivaten
5.1. Allgemeines
5.2. Behandlung im Grundsatz
5.2.1.Voraussetzungen für die Anerkennung der Besicherungswirkung
5.2.1.1. Wirksamkeit des Risikotransfers
5.2.1.2. Gleichartigkeit von Referenzaktivum und zu besicherndem Aktivum
5.2.1.3. Laufzeitkriterium im Anlagebuch
5.3. Darstellung ausgewählter Kreditderivate im Anlage- und Handelsbuch
5.3.1. Credit Default Swap (CDS)
5.3.1.1. CDS und Kreditrisiken im Anlagebuch
5.3.1.2. CDS und Kursrisiken im Handelsbuch
5.3.2. Credit Linked Note (CLN)
5.3.2.1. CLN und Kreditrisiken im Anlagebuch
5.3.2.2. CLN und Kursrisiken im Handelsbuch
5.4. Fazit

6. Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Klassifikation des Kreditrisikos

Tabelle 2: Bankaufsichtsrechtliche Behandlung von Credit Default Swaps

Tabelle 3: Bankaufsichtsrechtliche Behandlung von Credit Linked Note

Abbildung 1: Wachstum des globalen Kreditderivatemarktes ohne Asset

Abbildung 2: Marktanteile der verschiedenen Kreditderivate

Abbildung 3: Risikoverkäufer

Abbildung 4: Risikokäufer

Abbildung 5: Aufteilung der Referenzschuldner nach Rating

Abbildung 6: Laufzeiten der Kreditderivate

Abbildung 7: Asset-Swap-Transaktion

Abbildung 8: Credit Default Swap

Abbildung 9: Credit-Spread Option

Abbildung 10: Struktur eines Total Return Swaps

Abbildung 11: Zerlegung der Zahlungsströme zwischen CLN-Emmitent und CLN - Erwerber während der Laufzeit der CLN

Abbildung 12: Überblick über die betrachteten theoretischen Modelle

Abbildung 13: Herleitung der Preisobergrenze des Credit Default Swaps

Abbildung 14: Risikomanagement in einer Bank

Abbildung 15: Optimale Portfoliogestaltung

Abbildung 16: Arbitrage mit Credit Default Swaps

Abbildung 17: Risiken aus Kreditderivaten

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

Das Kreditgeschäft ist einer der wichtigsten Tätigkeitsbereiche deutscher Banken, auch wenn die letzten Jahre durch stetig steigende Insolvenzzahlen geprägt waren.[1] Bekannte Beispiele wie Worldcom, Enron auf internationaler Ebene oder Kirch Media, Fairchild Dornier, Babcock Borsig in Deutschland[2] sind ein Indiz für die weltweit ansteigende Bedeutung des Kreditrisikos. Auch die jüngsten Turbulenzen in den südostasiatischen, lateinamerikanischen und osteuropäischen Märkten, bedingt durch eine rasante Verschlechterung der Bonitätseinschätzung, haben zu erheblichen Verlusten in den Portfolios der Banken geführt.[3]

Durch die Liberalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte hat sich in den letzten Jahren der Wettbewerb im Finanzsektor zunehmend verstärkt. Zugleich suchten immer mehr Unternehmen mit hoher Kreditqualität durch die Emission von Unternehmensanteilen den direkten Weg an den Kapitalmarkt. Dies führte zu einem steigenden Druck auf die Kreditmargen der Banken.[4] Gute Margen konnten oft nur bei solchen Krediten erzielt werden, die mit einem höheren Ausfallrisiko behaftet waren, woraus aber eine gefährliche Konzentration dieser Kredite in den Portfolios resultiert.[5]

Um einerseits den verschärften Wettbewerb zu bestehen und andererseits die strengeren Eigenkapitalanforderungen der Bankenaufsicht zu erfüllen, sind die Banken gezwungen, ein effizientes Risikomanagement zu installieren, welches ermöglicht, Risiken so zu steuern, dass die Rentabilität der Bankgeschäfte sichergestellt ist.[6]

Inzwischen gehören Kreditderivate im Banken- und Finanzsektor zu den Standardinstrumenten für das Risikomanagement von Instituten.[7] Sie haben grundsätzlich das Potential, die Risikoallokation sowohl innerhalb einer Volkswirtschaft als auch auf globaler Ebene zu verbessern und die Stabilität von Banken- und Finanzmärkten zu erhöhen. Allerdings sind mit Kreditderivaten auch Risiken verbunden. Während vieles dafür spricht, dass der Nutzen von Kreditderivaten ihre Kosten übersteigt, hängt das endgültige Urteil von einer Abwägung ihrer Vor- und Nachteile ab.[8]

1.2. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Ziel dieser Arbeit ist, Kreditderivate hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten und Behandlung im Risikomanagement einer Bank zu untersuchen.

Im Kapitel 2 werden die Begriffe „Kredit“, „Kreditrisiko“ und „Credit Spread“ näher erläutert, da sie für diese Arbeit von elementarer Bedeutung sind.

Kapitel 3 beschäftigt sich ausführlich mit dem Markt für Kreditderivate. Zunächst wird der Begriff des Kreditderivats näher beschrieben, dann werden die Entstehungsfaktoren, die bisherige Entwicklung und die Struktur des Kreditderivatemarktes veranschaulicht. Ferner werden die Vertragselemente und Ausprägungsformen vorgestellt. Anschließend wird auf die Preisermittlung von Kreditderivaten sowie deren Ausgestaltung eingegangen.

Im Kapitel 4 werden die Anwendungsmöglichkeiten für Kreditderivate im Risikomanagement dargestellt. Zuerst wird der Begriff des Risikomanagements definiert, dann wird u. a. auch auf die Vorteile, die Kreditderivate gegenüber traditionellem Risikomanagement bieten, eingegangen. Es werden auch die Risiken, die der Einsatz dieser Instrumente mit sich bringt, untersucht.

Im Kapitel 5 werden die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Behandlung von Kreditderivaten dargestellt und diskutiert. Dabei beschränken sich die Aufführungen auf Credit Default Swaps und Credit Linked Notes im Anlage- und Handelsbuch.

Im letzten Kapitel finden dann eine Abschlussbetrachtung und ein Ausblick auf mögliche Entwicklungstendenzen der Kreditderivate statt.

2. Kredit, Kreditrisiko und Credit Spread

Unter einem Kredit im Allgemeinen versteht man ein entgeltliches Recht, über Waren, Geld, Leistungs- oder Zahlungsversprechen eines Anderen zu verfügen, verbunden mit der Pflicht, eine vorher vereinbarte Geldleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist zurückzugeben.[9] Der Begriff Kredit findet seinen Ursprung in dem lateinischen Wort „credere“ (= glauben und Vertrauen schenken).[10] Kredit wird insbesondere durch das Vertrauen begründet, das der Kreditgeber (Gläubiger) auf die zukünftige Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers (Schuldner) setzt.[11] Das Kreditrisiko bezeichnet grundsätzlich die Gefahr, dass ein Schuldner seinen vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.[12]

Das Kreditgeschäft zählt unbestritten zu den klassischen Bankgeschäften und nimmt im Rahmen des bankbetrieblichen Leistungsprogramms eine wichtige Stelle ein. Durch einen Blick auf die Bilanzen der Kreditinstitute wird es sichtbar, dass die Kreditforderungen mit Abstand die größten Aktivposten einer Bankbilanz ausmachen.[13]

Im Rahmen dieser Arbeit soll unter dem Kreditbegriff die Geld- oder Kreditleihe verstanden werden. Als Geldleihe bezeichnet man die Bereitstellung von Geld, z.B. in Form einer Anleihe oder eines Darlehens. Bei der Kreditleihe verspricht der Kreditgeber Dritten gegenüber die Erfüllung eines Geschäftes für den Kreditnehmer. Der Kreditgeber überträgt somit seine eigene Kreditwürdigkeit auf den Kreditnehmer in Form von Garantien oder Bürgschaften. Der Kreditbegriff beinhaltet außerdem auch Forderungen, die einem Kreditinstitut gegenüber Kontrahenten im Markt aus Zins-, Aktien- und / oder Währungskursderivaten entstehen können.[14]

Das Kreditrisiko, auch Ausfallrisiko oder Bonitätsrisiko genannt, stellt für den Kreditgeber die Gefahr der Bonitätsverschlechterung eines Kreditnehmers bis hin zum „Default“ dar. Unter einem Default versteht man den vollständigen oder teilweisen Ausfall einer zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer vereinbarten Leistung oder eine nicht termingerechte Zahlung der Leistung.[15] Folgende Tabelle gibt einen Überblick über eine mögliche Klassifikation von Kreditrisiken wieder.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Klassifikation des Kreditrisikos[16]

Das Kreditrisiko bei Kreditderivaten besteht jedoch nicht nur im tatsächlichen Ausfall der Forderung, sondern schon in einem niedrigeren Marktwert der Forderung infolge einer Bonitätsverschlechterung. In diesem Zusammenhang soll auch der Begriff „Credit Spread“ erläutert werden. Credit Spread ist eine Risikomarge, die der Kreditgeber im Vergleich zu risikolosen, aber ansonsten gleichen Anlagen, wie z. B. einer Staatsanleihe, zusätzlich vom Kreditnehmer verlangen kann. Der Credit Spread ist folglich ein Maß für das in Schuldtiteln enthaltene Kreditrisiko. Bei einer Verschlechterung der Bonität des Kreditnehmers muss einem neuen Kreditgeber eine höhere Verzinsung angeboten werden. Die Kreditgeber, die bereits vor der Bonitätsverschlechterung Kredite vergeben haben, müssen mit einem sinkenden Barwert ihrer Forderungen rechnen, da diese mit einem erhöhten Kalkulationszinssatz bewertet werden.[17]

Im Gegensatz zu den Marktrisiken, die bei einer ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entstehen[18], bezieht sich das Kreditrisiko ausschließlich auf die Bonität eines Marktteilnehmers und nicht auf die wirtschaftliche Entwicklung anderer Marktteilnehmer. Dabei ist in Frage zu stellen, ob es wirklich eine klare Trennlinie zwischen Markt- und Kreditrisiken existiert. Es gibt sicherlich unternehmensspezifische Kreditrisiken, die als kaum korreliert zu gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen zu sehen sind. Diese Risiken hängen direkt von unternehmensspezifischen Begebenheiten ab. Kreditrisiken sind jedoch auch von Konjunkturzyklen abhängig, und somit gibt es keine klare Grenze zwischen Markt- und Kreditrisiken. Bei einer Verschlechterung der Konjunktur schmälern sich die Erträge, und es gestaltet sich zunehmend schwieriger, Kredite zu bedienen.[19]

Ein Spezialfall des Kreditrisikos stellt das Länderrisiko dar. Grundsätzlich können Länderrisiken nur bei internationalen Anlage- und Finanzierungsgeschäften auftreten.[20] Länderrisiken beschreiben die Gefahr, dass grenzüberschreitende Zahlungen aufgrund von Transferschwierigkeiten durch hoheitliche Maßnahmen des ausländischen Staates nicht erfolgen können.[21]

3. Kreditderivate

3.1. Definition des Begriffes Kreditderivate

Unter Derivaten im Allgemeinen (lat. „derivare“ = ableiten) versteht man Finanzinstrumente, deren Wert aus der Wertentwicklung anderer Finanztitel (Underlying, Basisinstrument) abgeleitet wird. Zu den Basisinstrumenten gehören sowohl konkrete, als auch synthetische Vermögensgegenstände, wie z. B. Aktien, Zinsen oder Indizes.[22]

Derivate können als vertragliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Parteien verstanden werden, aus denen sich zukünftige Zahlungen ergeben, wenn ein bei Vertragsabschluss festgelegter Zustand eintritt.[23]

Derivative Geschäfte können sowohl börslich als auch außerbörslich (over the counter, OTC) gehandelt werden. Typisch für außerbörslich getätigte derivative Geschäfte ist, dass es weder feste Ausstattungsmerkmale, noch feste Abwicklungsmodalitäten gibt. In der Praxis haben sich aber mittlerweile gewisse Standardisierungen in Form von Rahmenverträgen, beispielsweise von der International Swaps and Derivatives Association (ISDA), herausgebildet, auf welche sich die Vertragspartner beziehen.[24]

Bei Kreditderivaten handelt es sich um Finanzinstrumente, die individuell vereinbart und nur auf außerbörslichen Märkten gehandelt werden. Sie ermöglichen es, Kreditrisiken von Darlehen, Anleihen und anderen Kreditpositionen außerbilanziell zu trennen, sie neu zu bündeln und auf andere Marktteilnehmer zu übertragen.[25]

Kreditderivate unterscheiden sich von den herkömmlichen Derivaten dadurch, dass ihre Wertentwicklung nicht an die Zins-, Preis- und Wechselkursrisiken des Basisinstrumentes, sondern an dessen Kreditrisiko geknüpft ist. Kreditderivate können insofern auf die Grundbausteine Option, Forward und Swap zurückgeführt werden.[26] Bei den betreffenden Risiken handelt es sich aber ausschließlich um Marktrisiken. Bei den herkömmlichen Derivaten sind die in den Referenzaktiva verbleibenden Kreditrisiken nicht separat handelbar und verbleiben beim Kreditgeber.[27]

Die neuartigen Kreditderivate ermöglichen es, das Kreditrisiko vom Vermögens-gegenstand zu trennen und separat zu handeln. Kreditderivate sind demzufolge Vereinbarungen, die es dem Sicherungsnehmer erlauben, das mit einem Vermögens-gegenstand verbundene Kreditrisiko gegen Zahlung einer Prämie auf den Sicherungsgeber zu übertragen.[28]

3.2. Der Markt der Kreditderivate

3.2.1. Historie und Entstehungsfaktoren

Die Geburtsstunde der Kreditderivate ist im Jahr 1991 in der Gestaltung zweier wegweisender Transaktionen zu sehen. Bankers Trust entwarf einen in eine Anleihe-Struktur eingebetteten Credit Default Swap, der auf ein Portfolio japanischer Banken referenziert war. In dieser Transaktion war Bankers Trust der Sicherungsnehmer, der sein Kreditrisiko-Exposure in japanischen Banken gegen Zahlung einer Prämie reduzierte. Der erste Total Return Swap wurde auch 1991 von Bunkers Trust gestaltet. Hier war Bankers Trust der Sicherungsgeber, der Kontraktpartner Mellon Bank der Sicherungsnehmer.[29]

Kreditderivate waren bis 1993 ein am Nominalvolumen gemessen kleiner und hinsichtlich der Marktteilnehmer, der Anwendungsmöglichkeiten und der Underlyings eng begrenzter Markt.[30] Im Laufe der letzten Jahre setzte zuerst in den USA, später auch in Europa und Asien eine schwungvolle Entwicklung des Kreditderivatemarktes hinsichtlich Marktvolumen, Anzahl der Marktteilnehmer und Reduktion der Spreads ein. Dabei gewann der deutsche Kreditderivatemarkt im internationalen Vergleich erst später an Dynamik.[31]

Die Entwicklung der Finanzmärkte ist durch einige deutliche Trends gekennzeichnet. Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Kreditderivaten ist die Globalisierung, die vor allem durch revolutionäre Entwicklungen in der EDV-Technik und dem Electronic Banking unterstützt wurde. Sie hat dafür gesorgt, dass die Marktteilnehmer am Finanzmarkt auf einer globalen und nicht mehr ausschließlich nationalen Basis vorzufinden sind.[32] Der Trend zum weltweiten Wettbewerb wurde in den meisten Industrieländern durch den gleichzeitigen Abbau von Bürokratie (Deregulierung) verstärkt.[33]

Ein wichtiger Faktor war die Entwicklung der Securitization. Unter Securitization versteht man die Verbriefung von Forderungen durch Wertpapiere. Sie sorgte dafür, dass der Bankkredit seine Bedeutung für die Fremdfinanzierung von Großunternehmen verlor. Viele Unternehmen gingen wegen ihres Wunsches nach größerer Flexibilität bezüglich der Inanspruchnahme der Finanzierungsmittel direkt als Wertpapier-Emittenten an den Kapitalmarkt, ohne dabei auf die Kreditaufnahme bei den Hausbanken angewiesen zu sein. Dieser Trend wird als Disintermediation bezeichnet.[34]

Ein weiterer Trend bei der Entstehung des Marktes der Kreditderivate war der Wunsch der Banken nach einem einfachen und effektiven Instrument, um das Kreditrisiko vom zugrunde liegenden Geschäft zu trennen und anschließend zu transferieren. Dabei soll der Risikotransfer möglichst ohne Information des Kreditnehmers erfolgen. Mit den Kreditderivaten wurde schließlich ein solches Instrument gefunden.[35]

Ein weiterer Entstehungsfaktor war der zunehmende Druck auf Banken, über den Shareholder Value einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Der Gewinn wird durch hohe Kosten für Ausfallrisiken belastet. Es ist aber auf der anderen Seite das Geschäft von Banken, Risiken zu übernehmen und sich dies entgelten zu lassen. Die Banken müssen versuchen, ihre Kreditportfolios zu optimieren, indem im Einzelfall Kreditrisiken aus der Bilanz heraus- bzw. hereingenommen werden. Kreditderivate stellen ein geeignetes Instrument dafür dar.[36]

All dies sind die neuen Anforderungen an das Risiko- und Kreditportfolio-management. Die Banken werden dazu gezwungen, ihr Kreditportfolio unter Beachtung der individuellen Risikotragfähigkeit zu optimieren, um eine bessere finanzielle Performence im Kreditgeschäft zu erwirtschaften und somit die Zielvorgaben für den Return on Equity zu erfüllen.[37]

3.2.2. Bisheriger Innovationsprozess

In der bisherigen Entwicklung von Kreditderivaten ist ein stetiges Wachstum zu erkennen, der sich analog zur Evolution der marktpreisrisikoabhängigen Derivate, von den ersten einfachen Produktstufen bis hin zu komplexeren Strukturen, sprunghaft fortsetzt. Entscheidend war dabei neben den diversen Entstehungsfaktoren noch eine Vielzahl weiterer Aspekte, die vor allem auf die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten gründen.[38]

Kreditderivate stellen somit ein effektives Steuerungsinstrument zur Reduktion von Konzentrations- und Korrelationsrisiken für Banken in ihrem Kreditportfolio dar. Kreditderivate ermöglichen eine effiziente Steuerung der gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkapitalunterlegung und bieten eine Möglichkeit des Leerverkaufs von Kreditrisiken. Sie eröffnen einen Zugang zu bisher schwer zugänglichen Kreditmärkten und schlagen maßgeschneiderte Problemlösungen bezüglich Laufzeit, Rating, Währung und anderen Parametern vor.[39] Gerade die Finanzkrisen der letzten Jahre in Asien, Südamerika und Russland haben sich als Triebfelder für einen wachsenden Kreditderivatemarkt erwiesen. Die damit verbundenen Unternehmens- und Kreditausfälle führten zu einem Bewusstseinswandel hinsichtlich des Kreditrisikos bei den Investoren. Diese Krisen machten es deutlich, wie schwerwiegend eine mangelnde Absicherung des Kredit-risikos wirken kann. Deswegen ist es wichtig, auch diese Risiken - neben den Marktrisiken - in den Griff zu bekommen.[40] Des Weiteren ist das Wachstum des Kreditderivatemarktes auf die zunehmende Leistungsfähigkeit und Differenzierung der Kreditrisiko-Bemessungsverfahren zurückzuführen. Dies führte zu einer verstärkten Transparenz der Darlehensmärkte, was sich in deren erhöhter Liquidität widerspiegelt.[41]

Aus der nächsten Abbildung wird ein signifikantes Wachstum ersichtlich. Die Zahlen wurden dem „BBA Credit Derivates Report 2001/2002“ (British Bankers’ Association 2002) entnommen. Die Untersuchung des internationalen Marktes für Kreditderivate wurde von der British Bankers’ Association bereits zum vierten Mal durchgeführt. Dabei lieferten insgesamt 25 bedeutende Marktteilnehmer aus neun Ländern detaillierte Informationen über das Marktgeschehen.[42]

US $ Mrd.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wachstum des globalen Kreditderivatemarktes ohne Asset Swaps

(Aktuelle Schätzungen und Prognosen)[43]

3.2.3. Struktur des Marktes

Um die Marktstruktur zu analysieren ist eine Unterscheidung in Produkte, Marktteilnehmer und Rating der Underlyings, sowie die Laufzeiten der Kreditderivate wichtig.[44]

3.2.3.1. Marktanteile der Kreditderivatetypen

Der Credit Default Swap ist das derzeit dominante Produkt auf dem Markt der Kreditderivate, weil sein Mechanismus einfach und standardisiert ist.[45] Single Name Credit Default Swap repräsentiert mittlerweile 45% aller Transaktionen auf dem Kreditderivatemarkt. Den zweitgrößten Anteil am Markt der Kreditderivate halten CLOs/Portfolioswaps mit 22%. Aus der Abbildung 2 werden die auf die verschiedenen Kreditderivate entfallenden Anteile am gesamten Marktvolumen ersichtlich.[46]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Marktanteile der verschiedenen Kreditderivate[47]

Während in Europa Credit Spread Optionen weiter verbreitet sind, wird der Total Return Swap eher in Nordamerika angewendet, wo ihn die Investoren als Ersatz für Unternehmensdarlehen nutzen. Der schwere Zutritt zum asiatischen Anleihemarkt sowie der Wunsch nach Absicherung von asiatischen Krediten durch andere asiatische Kontrahenten ohne Korrelationsrisiko sorgen dort für die weite Verbreitung der Credit Linked Note.[48]

Die zu beobachtende Ausdifferenzierung des Marktes durch die Entwicklung „exotischer“ Derivate schlägt sich noch nicht in höheren Marktanteilen komplexer Produkte nieder. Nach wie vor dominieren die Grundformen der Kreditderivate das Marktgeschehen weltweit.[49]

3.2.3.2 Markteilnehmer

Die Banken beherrschen eindeutig den globalen Markt der Kreditderivate. Derzeit sind am stärksten die Geschäftsbanken am Markt vertreten, während anfangs das Feld von den Investmenthäusern beherrscht wurde.[50] Insbesondere treten die Banken als Risikoverkäufer auf. Im Jahre 2001 wurden 52% aller bestehenden Risikoverkäufe von Banken und 21% von Investmentbanken getätigt. Als Risikokäufer waren die Banken hingegen an 39% und die Investmentbanken an 16% aller Transaktionen beteiligt.[51] Dies liegt daran, dass die Geschäftsbanken über umfangreiche Kreditportfolios verfügen und wesentlich leichter als Investmentbanken weitere Kredite in ihre Kreditportfolios aufnehmen können, da sie vergleichsweise mehr Eigenkapital zur Unterlegung von Kreditrisiken zur Verfügung haben.[52]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Risikoverkäufer[53]

Als weitere wichtige Marktteilnehmer mit einem Anteil von 33% aller Risikokäufe folgen die Mono-Line Versicherungen und andere Versicherungen. Die traditionellen Versicherungen haben innerhalb der Gruppe den deutlich geringeren Marktanteil und treten zu 3% als Risikoverkäufer und zu 12% als Risikokäufer auf. Die Kreditversicherer halten hingegen zwar auch nur 2% Marktanteil, sind aber mit 21% nach den Banken die größte Gruppe der Risikokäufer.[54]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Risikokäufer[55]

Für Staaten und öffentliche Körperschaften ist eine Teilnahme am Markt für Kreditderivate derzeit eher uninteressant, da z. B. ein Kreditausfall aus einer Bürgschaft noch über die allgemeinen Haushalte ausgeglichen wird.[56] Sie tätigen nur 2% der Transaktionen als Risikoverkäufer. Als Risikokäufer sind sie überhaupt nicht mehr vertreten. Offenbar ergibt sich im Aufgabenfeld der Staatskörperschaften keine Notwendigkeit, Kreditrisiken über den Markt abzusichern.[57]

Als weitere Marktteilnehmer treten die Unternehmen mit einem geringen Marktanteil von 4% als Risikoverkäufer und von 2% als Risikokäufer auf. Das Risikomanagement als betriebliche Funktion ist bei Unternehmen noch nicht so ausgebaut wie bei Finanzinstituten. Auch der Produktwettbewerb ist häufig durch so niedrige Margen gekennzeichnet, dass Kreditrisiken aus Kostengründen selbst getragen werden müssen. Bei Unternehmen sind, je nach Portfoliostruktur und –ziel, andere Instrumente, wie z. B. Asset-Backed-Transaktionen, besser zur Absicherung geeignet.[58]

Eine weitere Gruppe mit nur eingeschränkter Aktivität stellen Investmentfonds und Hedge Fonds dar. Die Investmentfonds treten zu 3% als Risikoverkäufer und zu 5% als Risikokäufer auf. Dieser geringe Marktanteil liegt unter anderem daran, dass die Publikumsfonds häufig nur sehr begrenzt derivatives Geschäft tätigen dürfen. Außerdem sind Kreditderivate für in Deutschland zugelassene Investmentfonds gar nicht zugelassen.[59]

Hedge Fonds sind keine Investmentfonds im eigentlichen Sinne. Sie verfolgen ihr Ziel der Gewinnmaximierung sowohl durch eine Positionierung auf steigende, wie auch auf fallende Märkte. Sie sind noch weitgehend unreguliert durch staatliche Aufsichtsbehörden und können daher sehr flexibel auf veränderte Marktbedingungen reagieren. Hedge Fonds haben einen Marktanteil von 5% als Risikokäufer und 12% als Risikoverkäufer.[60]

3.2.3.3.Aufteilung nach Rating

Die meisten aller gehandelten Kreditderivate mit einem Marktanteil von 67% haben A- bis BBB- geratene Kreditnehmer als Referenzschuldner.[61] Dies liegt daran, dass diese Produkte den Investoren interessante Renditen auf das eingesetzte Kapital bieten, weil häufig auch Kreditlinien für diese Schuldner verfügbar sind. Viele Marktteilnehmer wollen außerdem zuerst Erfahrungen sammeln, ohne dafür gleich Risiken zu übernehmen, die keinen Investment Grade aufweisen. Investment Grade ist ein Rating von BBB, beziehungsweise Baa3 oder besser.[62]

Die Kreditderivate mit Kreditnehmern höchster Bonität (AAA und AA) als Referenzschuldner haben einen Marktanteil von 22%. In diesem Topbereich ist die Marge von Asset Swaps in der Regel eindeutig niedriger als die Marge der Credit Default Swaps. Somit sind die Asset Swaps als Investmentalternative eher uninteressant. Für die Investoren ist es oft lukrativer, ein Kreditrisiko durch das Derivat anstatt durch den Erwerb eines Asset Swaps einzugehen, da die Refinanzierung entfällt. Zu der zweiten Gruppe von Referenzschuldnern sehr guter Qualität gehören die „Super Senior Swaps“. Die Anzahl der „Super Senior Swaps“ ist zwar gering, deren Volumina ist aber sehr groß. Hier sind Transaktionen mit bis zu 3 Mrd. Euro üblich. Dieser Markt ist aber aufgrund sehr geringer Margen nur für einen sehr eingeschränkten Investorenkreis von Interesse.[63]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Aufteilung der Referenzschuldner nach Rating[64]

In den letzten Jahren waren viele Marktteilnehmer aufgrund negativer Erfahrungen und aufsichtsrechtlicher Vorgaben nicht mehr bereit, Risiken ohne Investment-Grade-Rating zu erwerben. In diesem Segment sind oft keine geeigneten Referenzanleihen verfügbar, da die Anzahl der ausstehenden Bonds oder der am Sekundärmarkt gehandelten Kredite sehr gering ist. Es fehlen somit auch die Daten für die Preisfindung. Der Marktanteil der Kredite ohne Investment-Grade-Rating betrug zum Zeitpunkt der Untersuchung nur noch 11% nach 26% in den Jahren 1997/98.[65]

3.2.3.4 Laufzeiten der Kreditderivate

Den Markt für Kreditderivate dominieren mittlere Laufzeiten. Mehr als 77% der Transaktionen weisen eine Restlaufzeit von einem bis zu fünf Jahren auf. 9% der ausstehenden Transaktionen besitzen eine Restlaufzeit bis zu zehn Jahren, weitere 9% sind innerhalb eines Jahres fällig und nur 5% haben eine Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren. Der Grund für die insgesamt recht kurze durchschnittliche Laufzeit ist, dass sich für den Single Name Default Swap in den letzten Jahren die Standardlaufzeit von fünf Jahren sich etabliert hat. Auch in der Zukunft dürfte aufgrund der größten Marktliquidität die Dominanz beim Leifzeitband „ein bis fünf Jahre“ liegen. Die durchschnittliche Restlaufzeit hat sich aber im Vergleich zur Umfrage 1997/98 deutlich verlängert. Damals wiesen 33% aller ausstehenden Geschäfte eine Restlaufzeit unter einem Jahr auf.[66]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Laufzeiten der Kreditderivate[67]

Ferner hat die Auswahl der Referenzkredite Einfluss auf die Laufzeiten der Kreditderivate. Die langen Laufzeiten von über zehn Jahren sind fast ohne Ausnahme Portfolioaktionen vorbehalten, da hier die Laufzeiten aus aufsichtsrechtlichen Gründen oft auf die Grundgeschäfte der Sicherungskäufer abgestimmt werden müssen. Hier können Laufzeiten von bis zu vierzig Jahren notwendig werden.[68]

Die Laufzeit der Kreditderivate stellt sozusagen die Versicherungsdauer dar. Wenn die Laufzeit des Kreditderivats kürzer als die des abzusichernden Risikoaktivums ist, und es tritt kein auszahlungsauslösendes Kreditereignis ein, dann fällt mit Verfall des Kreditderivats das Kreditrisiko auf den Sicherungsnehmer zurück. Kommt es aber während der Laufzeit des Kreditderivats zum Kreditereignis, dann wird je nach Vertragsgestaltung mit einer Ausgleichszahlung die Vereinbarung sofort beendet, oder die Ausgleichszahlung erfolgt erst am Ende der Laufzeit des Kreditderivats.[69]

3.2.4. Zukünftige Entwicklung

Die rasante Aufwärtsentwicklung des Marktes der Kreditderivate mit stark steigenden Volumina und einer schnell wachsenden Zahl von Anwendern, die zunehmend auch aus dem Nichtbankensektor kommen, hält unvermindert an. Unverändert ist auch eine hohe Innovationsrate zu beobachten, die für die Zukunft neue Lösungen für viele Probleme verspricht, die heute noch die Übertragung von Kreditrisiken hemmen. Die Fähigkeit mit diesen Produkten umgehen zu können, wird daher für eine wachsende Anzahl von Unternehmen zu einem wesentlichen positiven Wettbewerbsfaktor.[70]

Kreditderivate stehen auch in Deutschland vor einer erfolgreichen Zukunft. Die deutsche Bankenaufsicht erkennt mittlerweile auch die risikoreduzierende Wirkung von Kreditderivaten an und fördert damit den Einsatz dieser Instrumente.[71]

Ferner zeigt sich das große Marktpotential Deutschlands besonders in den historisch gewachsenen Finanzierungsstrukturen, in der sich stark ausgeprägte mittelständische Struktur der deutschen Wirtschaft meist mit externem Fremdkapital finanziert. Dies geschieht deshalb, da trotz der mittlerweile ausgeräumten Diskriminierung der Industrieanleihen durch staatliche Vorgaben für viele kleine und mittlere Unternehmen auch künftig ein Kapitalmarktzugang schon alleine aus Transaktionskostengründen nicht möglich ist.[72]

3.3. Vertragselemente der Kreditderivate

Kreditderivate werden außerbörslich (over the counter, OTC) über individuelle Vereinbarungen gehandelt. Das ermöglicht eine Vertragsgestaltung, die auf die Bedürfnisse der Vertragsparteien zugeschnitten ist.[73] Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Wille der Vertragspartner. Dieser ist bei Kreditderivaten darauf gerichtet, das jeweils speziell und individuell definierte Risiko auf andere zu übertragen.[74] In der Praxis werden bei Vertragsgestaltung und Dokumentation zunehmend standardisierte Lösungen, z. B. in Form der ISDA-Rahmenverträge, gesucht. Nachfolgend werden die wichtigsten Vertragselemente vorgestellt, um ein Verständnis für die Funktionsweise von Kreditderivaten zu erlangen.[75]

3.3.1. Underlying und Reference Asset

Ein Vermögensgegenstand, ein Aktivposten im Bestand des Risikoverkäufers, der durch ein Kreditderivat abgesichert werden soll, wird Risikoaktivum (Underlying, Basisinstrument) genannt. Bei Vertragsabschluss muss auch ein Instrument festgelegt werden, dessen Wertveränderung objektiv den Eintritt eines Kreditereignisses feststellt und die daraus resultierende Ausgleichszahlung festlegt. Dieses Instrument wird Referenzaktivum (Reference Asset) genannt.[76]

Underlying und Reference Asset weichen in den meisten Fällen voneinander ab. Als Referenz kann z.B. ein Rating (Instrument zur Einschätzung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens[77] ), der Aktienkurs oder ein öffentlich gehandelter Schuldtitel des Schuldners dienen. Ferner können auch ganze Portfolios, bzw. Indizes aus mehreren Krediten oder Anleihen eines Schuldners, einer Branche oder einer Region als Referenzaktivum verwendet werden. Gleiche Währung, Verzinsung und Laufzeit verbessern auch die Eigenschaft der Referenz.[78]

3.3.2 Credit Event

Ein vorher festgelegtes, vertraglich fixiertes Ereignis (Kreditereignis, Credit Event) verpflichtet den Risikokäufer bei Eintritt dieses Ereignisses während der Laufzeit des Kreditderivats zur Zahlung eines Ausgleichs an den Risikoverkäufer. Credit Event beschreibt die Verschlechterung der Bonität eines Referenzaktivums.[79] Es ist wichtig, dass der Eintritt eines Credit Events durch eine neutrale, öffentliche Nachrichtenquelle (Publicly Available Information) bestätigt wird, und dass der Wertverlust einen vorgegebenen Prozentsatz des Nennwerts des Reference Assets überschreitet.[80]

Aufgrund der zentralen Bedeutung des Credit Events in einem Kreditderivatevertrag ist eine genaue Definition erforderlich. Die Vertragspartner können sich auf die allgemein anerkannten Standards, die die ISDA anbietet, eventuell in Verbindung mit dem deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte, beziehen. Ein solches Ereignis kann beispielsweise die Insolvenz des als Basisinstrument dienenden Unternehmens oder eine bestimmte Herabsetzung eines Ratings sein.[81]

In Europa wurden bisher auch Zahlungsverweigerung/Moratorium sowie das vorzeitige Fälligwerden der Verbindlichkeiten des Unternehmens (Cross Acceleration) als Credit Event anerkannt. Im April 2002 fand mit deren Streichung hingegen eine Angleichung an die amerikanischen Standards statt.[82]

3.3.3. Credit Event Payment

Tritt ein Kreditereignis ein, ist der Risikokäufer zur Zahlung eines Ausgleichs (Credit Event Payment) an den Risikoverkäufer verpflichtet. Diese Auszahlung kann dabei als Cash Settlement, Physical Settlement oder als Binary Settlement erfolgen.[83]

Das Cash Settlement (Barausgleich) erfolgt durch die Ausgestaltung des Kreditderivats, entweder als Auszahlung der Differenz zwischen Nominalbetrag des Risikoaktivums und seinem Marktwert nach dem Kreditereignis, oder als fester Prozentsatz des Nominalbetrages.[84] Der Marktwert wird durch eine telefonische Händlerumfrage bei mehreren Banken ermittelt.[85]

Physical Settlement kommt meistens nur für am Markt notierte Anleihen in Betracht, weil eine physische Lieferung eines Kredits rechtlich problematisch und des synthetischen oder abstrakten Wertes wie eines Indizes ausgeschlossen ist.[86] Hier wird dem Sicherungsgeber das Risikoaktivum gegen Zahlung des Nominalbetrages übergeben. Im Gegensatz zum Cash Settlement geht hier die Forderung auf den Risikokäufer über.[87]

Ein weiterer Ausgleichsmechanismus ist das Binary Settlement. Der Risikokäufer muss hier einen bei Vertragsabschluss fixierten, vom tatsächlich erlittenen Kreditverlust unabhängigen, Ausgleichsbetrag entrichten.[88]

[...]


[1] Vgl. Flach, J./Rommelfanger, H. (2002), Fuzzy-Logik-basiertes Bonitätsrating, in: Oehler, A. (Hrsg.): Kreditrisikomanagement, Stuttgart 2002, S. 3

[2] Vgl. Kern, M. (2003), Kreditderivate, Wiesbaden 2003, S. 3

[3] Vgl. Müller, F. (2000), Kreditderivate und Risikomanagement, Frankfurt am Main 2000, S. 5

[4] Vgl. Dülfer, C. (2005), Marktstruktur, Handelsplätze und Marktteilnehmer, in: Burghof, H.P./Henke, S./ Rudolph, B./Schönbucher, P.J./Sommer, D. (Hrsg.): Handbuch für die Bank- und Anlagepraxis, Stuttgart 2005, S. 123

[5] Vgl. Kern, M. (2003), S. 3

[6] Vgl. Müller, F. (2000), S. 7

[7] Vgl. Nordhues, H.G., Benzler, M. (2005), Kreditrisiken und Kreditmärkte, in: Burghof, H.P./Henke, S./ Rudolph, B./Schönbucher, P.J./Sommer, D. (Hrsg.): Handbuch für die Bank- und Anlagepraxis, Stuttgart 2005, S. 183

[8] Vgl. Effenberger, D. (2004), Kreditderivate: Wirkung auf die Stabilität der Finanzmärkte, in: Deutsche Bank Research 4/2004, Nr. 293, S. 3+4

[9] Vgl. Müller, F. (2000), S. 7

[10] Vgl. Kern, M. (2003), S. 3

[11] Vgl. Müller, F. (2000), S. 7

[12] Vgl. Blochwitz, S./Eigermann, J. (2001), Messung von Kredirisiken durch interne Credit-Ratingverfahren, in: Szczesny, A. (Hrsg.): Kreditrisikomessung und Kreditrisikomanagement, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2001, S.84

[13] Vgl. Schmoll, A. (1993), Risikomanagement im Kreditgeschäft, Manzsche Verlags- u. Universitäts-buchhaltung, Wien 1993, S. 11

[14] Vgl. Hüttemann, P. (1997), Kreditderivate im europäischen Kapitalmarkt, Wiesbaden 1997, S. 6

[15] Vgl. Rehnert, H. (1999), Kreditrisikocontrolling in Sparkassen-Mosaikstein der Gesamtbank-steuerung, in: Eller, R./Gruber, W./Reif, M. (Hrsg.): Handbuch Kreditrisikomodelle und Kredit-derivate, Stuttgart 1999, S. 389

[16] Quelle: Müller, F. (2000), S. 8

[17] Vgl. Müller, F. (2000), S. 8

[18] Vgl. Müller, F. (2000), S. 8

[19] Vgl. Schäl, I. (1999), Kreditderivate, IFA Ulm 1999, S. 15

[20] Vgl. Schiller, B./Tytko, D. (2001), Risikomanagement im Kreditgeschäft, Stuttgart 2001, S. 186

[21] Vgl. Müller, F. (2000), S. 9

[22] Vgl. Kern, M. (2003), S. 5

[23] Vgl. Müller, F. (2000), S. 10

[24] Vgl. Kern, M. (2003), S. 5

[25] Vgl. Kern, M. (2003), S. 5

[26] Vgl. Burghof, H.P./Henke, S. (2005), Entwicklungslinien des Marktes für Kreditderivate, in: Burghof, N.P./Henke, S./Rudolph, B./Schönbucher, P.J./Sommer, D. (Hrsg.): Handbuch für die Bank- und Anlagepraxis, Stuttgart 2005, S. 33

[27] Vgl. Müller, F. (2000), S. 12

[28] Vgl. Müller, F. (2000), S. 12

[29] Vgl. Burghof, H.P./Henke, S. (2005), S. 40+41

[30] Vgl. Burghof, H.P./Henke, S. (2005), S. 41

[31] Vgl. Kern, M. (2003), S. 23

[32] Vgl. Hüttemann, P. (1997), S. 26

[33] Vgl. Müller, F. (2000), S. 13

[34] Vgl. Hüttemann, P. (1997), S. 27

[35] Vgl. Kern, M. (2003), S. 23

[36] Vgl. Müller, F. (2000), S. 14

[37] Vgl. Kern, M. (2003), S. 23

[38] Vgl. Kern, M. (2003), S. 24

[39] Vgl. Kern, M. (2003), S. 24

[40] Vgl. Müller, F. (2000), S: 15

[41] Vgl. Müller, F. (2000), S. 15

[42] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 125

[43] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 125

[44] Vgl. Kern, M. (2003), S. 26

[45] Vgl. Landry, S./Radecke, O. (1999), Kreditderivate in der Praxis, in: Eller, R./Gruber, W./Reif, M. (Hrsg.): Handbuch Kreditrisikomodelle und Kreditderivate, Stuttgart 1999, S. 533

[46] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 127

[47] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 127

[48] Vgl. Kern, M. (20003), S. 27

[49] Vgl. Kern, M. (20003), S. 27

[50] Vgl. Kern, M. (20003), S. 27

[51] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 133

[52] Vgl. Kern, M. (20003), S. 27

[53] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 133

[54] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 133

[55] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 134

[56] Vgl. Kern, M. (20003), S. 29

[57] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 135

[58] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 135

[59] Vgl. Kern, M. (20003), S. 29

[60] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 136

[61] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 138

[62] Vgl. Kern, M. (2003), S. 30

[63] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 139

[64] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 139

[65] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 140

[66] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 141

[67] Quelle: Dülfer, C. (2005), S. 141

[68] Vgl. Dülfer, C. (2005), S. 142

[69] Vgl. Müller, F. (2000), S. 20

[70] Vgl. Burghof, H.P./Henke, S. (2005), S. 51

[71] Vgl. Kern, M. (2003), S. 31

[72] Vgl. Kern, M. (2003), S. 31

[73] Vgl. Müller, F. (2000), S. 19

[74] Vgl. Nordhues, H.G., Benzler, M. (2005), S. 185

[75] Vgl. Kern, M. (2003), S. 6

[76] Vgl. Kern, M. (2003), S. 6

[77] Vgl. Kern, M. (2003), S. 7

[78] Vgl. Müller, F. (2000), S. 19

[79] Vgl. Müller, F. (2000), S. 20

[80] Vgl. Kern, M. (2003), S. 7

[81] Vgl. Kern, M. (2003), S. 7

[82] Vgl. Kern, M. (2003), S. 7

[83] Vgl. Kern, M. (2003), S. 7

[84] Vgl. Müller, F. (2000), S. 20

[85] Vgl. Kern, M. (2003), S. 8

[86] Vgl. Kern, M. (2003), S. 8

[87] Vgl. Müller, F. (2000), S. 20

[88] Vgl. Kern, M. (2003), S. 8

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Kreditderivate und Kreditrisikomanagement
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
86
Katalognummer
V85946
ISBN (eBook)
9783638897495
Dateigröße
807 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kreditderivate, Kreditrisikomanagement
Arbeit zitieren
Diplom-Ökonomin Julia Dell (Autor:in), 2005, Kreditderivate und Kreditrisikomanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85946

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