Begriffsklärung, Genreabgrenzung und literaturhistorischer Längsschnitt des Romans und Tagebuchromans

Beispielhaft analysiert "Das Tagebuch der Anne Frank"


Seminararbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Versuch einer Begriffsklärung

2. Die Entwicklung des Romans im historischen Überblick

3. Primärliteratur: Der TAgebuch-Roman
3.1 Begriffsklärung und Abgrenzung des Genres zu anderen Romanformen
3.2 Literarhistorischer Längsschnitt: Der Tagebuchroman von seinem Beginn bis heute
3.3 Anne Frank: Tagebuch
3.3.1 Biographische Notizen zum Autor
3.3.2 Inhalt des Romans

4. Versuch einer Analyse
4.1 Realität oder Fiktion
4.2 Einfluss auf die Rezeption
4.3 Bausteine des Erzählens

5. Bibliographie

1. Versuch einer Begriffsklärung

Versucht man den Begriff Roman zu erklären, so stößt man in den meisten Lexika auf diese oder ähnlich klingende Aussagen:

Roman, m., Großform der Erzählkunst, die sich dadurch schon äußerlich vom Epos und vom Vers – Roman ebenso unterscheidet wie durch Umfang und Vielschichtigkeit von epischen Kleinformen, insbesondere von Novelle und Kurzgeschichte. Das Wort >Roman< geht zurück auf die in Frankreich seit dem 12. Jahrhundert geläufige Bezeichnung >romanz<für volkssprachliche Schriften in Vers und in Prosa, die nicht in der gelehrten >lingua latina<, sondern in der allgemein verständlichen >lingua romana< verfaßt waren.[1]

Übereinstimmend wird in allem Werken geschrieben, dass der Ursprung des Romans im 12. Jahrhundert in Frankreich liegt. Er ist in der Volkssprache, der so genannten lingua romana geschrieben.

Folgendes kann man über Inhalt und Aufbau eines Romans nachlesen:

Im Roman wird, zum Unterschied von der Novelle, nicht ein einzelnes Gipfelereignis dargestellt, sondern ein breiter Lebensausschnitt oder das ganze Leben einer oder mehrerer Personen, und zwar meist in Verbindung mit einer von ihnen erfahrenen, jedoch in sich selbst bedeutsamen Umwelt.[2]

Harenbergs Lexikon der Weltliteratur meint dazu auch, dass Liebesgeschichten nicht das einzige Thema des Romans sind. Am Roman kann man die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens der Zeit ablesen.

In der Encarta – Enzyklopädie wird das heutige Verständnis des Romans folgendermaßen beschrieben:

Roman, nach heutigem Verständnis ein erzählender, im Vergleich zu Kurzgeschichte und Novelle relativ umfangreicher Prosatext. Neben Epos und Sage stellt der Roman eine Großform der Epik dar. Untergattungen lassen sich nach Aussageart bzw. Wirkungsabsicht (didaktisch, erbaulich, satirisch, idealistisch, empfindsam, realistisch etc.), nach Form bzw. Erzählperspektive (Briefroman, Tagebuchroman, Ich – Roman, auktorialer Roman, personaler Roman etc.) sowie nach inhaltlich-stofflichen Aspekten bestimmen (Bildungsroman, Abenteuerroman, Ritterroman, Schelmenroman, Schauerroman, Kriminalroman, Künstlerroman, Reiseroman, Heimatroman, Staatsroman, Großstadtroman, Kriegsroman, Liebes- oder Eheroman, Familienroman, historischer Roman, philosophischer Roman etc.). Grenzen sind allerdings nur schwer zu ziehen; eine reine Untergattung existiert nirgends.[3]

Wilpert beschreibt in seinem Sachwörterbuch der Literatur das Problem der Einteilung des Romans in Untergattungen ebenfalls:

Die geringe Formstrenge, die unterschiedlichen Zielsetzungen und Lesererwartungen, Themen und Stoffe, Stilarten und Erzählstrukturen bedingen die außerordentliche Vielfalt der Romanliteratur als der am weitesten gefaßten Gattung und machen eine befriedigende Aufteilung in einzelne Arten ebenso unmöglich, wie sie sie erfordern. Jede Gliederung muß daher zumal bei der ständigen Entwicklung neuer Formen willkürlich erscheinen.[4]

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Roman dessen Wurzeln in das 12. Jahrhundert zurückreichen, eine vielschichtige Form der Erzählkunst ist. Dadurch finden sich Leser des Romans in allen Gesellschaftsschichten.

2. Die Entwicklung des Romans im historischen Überblick

Ein umfangreicher Prosatext wird Roman genannt und zählt zu den Großformen der Epik. Seit dem 12. Jahrhundert wird jedes volkssprachlich verfasste Erzählwerk als Roman bezeichnet, im Gegensatz zu den lateinisch verfassten Schriften.

Im deutschen Sprachraum gibt es den Roman nach heutigem Verständnis erst seit dem 17. Jahrhundert. Während der Neuzeit wurde der Roman zur eigenständigen Gattung, danach wurde er mehr und mehr akzeptiert, bis er sich zu seinem heutigen Erscheinungsbild entwickelte. Seit Beginn des Buchdrucks wurde er überhaupt zur populärsten Prosa- und Literaturgattung.

Obwohl der Roman bereits während der Antike in Indien, China, Japan und Ägypten in längeren Prosaerzählungen zum Vorschein kam, gelangte er damals noch zu keiner weittragenden Bedeutung in der europäischen Kultur. Besonders einflussreich waren aber trotzdem spätantike Varianten des Apollonius-Romans in lateinischer Sprache (4. bis 6. Jahrhundert) sowie Troja-Romane und Volksbücher wie der Alexanderroman. Vorläufer des Prosaromans waren mittelalterliche Versepen und altfranzösische Fabliaux. Auch Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach gehören zu den Vorläufern des Romans und wurden von Chretien de Troyes Werk „roman courtis“ beeinflusst. Guillaume de Lorris verfasste im 13. Jahrhundert den Roman de la Rose, der die Allegorieform kultivierte. Danach kam es erst im 15. und 16. Jahrhundert in Italien wieder zu einer formalen Neubelebung.

Bis ins 18. Jahrhundert ist der Roman eher dem europäischen Raum zuzuordnen, wo sich auch seine Formenvielfalt entwickelte.

Im 16. Jahrhundert erschienen, unterhält der spanische Amadisroman die Oberschicht mit verstrickten Fabeln von Liebe und Rittertugend. Bei der breiten Masse des Bürgertums etablieren sich aber der in Italien begründete Schäferroman und in Deutschland die Volksbücher Till Eulenspiegels und das Lalebuch, welche beide den Schwankroman aufgriffen. Ein Höhepunkt des Prosaromans ist das Werk „Gargantua und Pantagruel“, welches die phantastischen Abenteuer zweier Riesen erzählt.

Wickram stach als deutschsprachiger Autor durch bürgerlich-lehrhafte Züge in „Der jungen Knaben-Spiegel“ und „Der Goldfaden“ hervor. Der Schelmenroman trat in Spanien mit differenzierter Psychologie der Figuren und realistischer Wiedergabe des Umfelds auf. Aus der Sicht eines niederen Helden werden die Missstände der Sozialordnung von unten satirisch ins rechte Licht gerückt. Dieser Romantyp ist unter anderem Vorbild für Grimmelshausens „Simplicissimus“ bis hin zu „Die Geschichte des Tom Jones“ und brachte neue Varianten und Höhepunkte pikarischen Erzählens. Erster englischer Schelmenroman ist „The Life of Jack Wilton“ von Thomas Nashe.

Auch die Ritterromane waren ein beliebtes Genre dieses Jahrhunderts. Dabei wurden alte Ritterepen für ein sensationsgieriges Publikum aufbereitet z.B. Amadis von Gaula, der bis ins 16. und teilweise 17. Jahrhundert immer wieder neu verfasst wurde.

Im 17. Jahrhundert kam der erste moderne Roman „Don Quijote de la Mancha“ von Miguel de Cervantes auf den Markt, der eigentlich die Ritterromane parodierte. Weitere wichtige Romantypen waren Liebesromane (Madame de Scudéry), psychologische und sozial realistische und politisch satirische Romane. Das Reihungsschema des Romans wird erstmals von Madame La Fayette in ihrem Psychodrama „Princesse de Clèves“ nicht eingehalten. Defoes „Robinson Crusoe“, und „Die Insel Felsenburg“ von J. Schnabel sind wichtige Brückenbauer vom Barock zur Aufklärung.

L. Sternes wirbelte in „Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys“ Erzähler, Figuren, Leser und die Reihenfolge des Erzählwerks komplett durcheinander. Viele berühmte Autoren wie z.B. Goethe bewunderten die Technik der Einschübe und Rückblenden, ahmten sie aber nicht nach. Erst James Joyce gelang dies im 20. Jahrhundert.

Im 18. Jahrhundert war der psychologische Roman (vor allem der Briefroman) sehr beliebt. Sentimentales Moralisieren, radikale Kulturkritik und auch Fallstudien über Individuen, die an inneren und äußeren Zwängen scheiterten, finden Einzug in die europäische Literatur. Beispiele dafür sind Richardsons „Pamela“, J.J. Rousseaus „Julie oder die neue Heloise“ und Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“.

Der deutsche Roman wurde bis 1924 vom Bildungs- und Entwicklungsroman mit der Variante des Künstlerromans beherrscht (Goethe in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, G. Keller „Der grüne Heinrich“, A. Stifter „Der Nachsommer“).

In England entwickelte sich währenddessen ein eigenständiges Genre, der Schauerroman oder Gothic Novel, heraus. „The Castle of Otranto“ von Horace Walpoles wies als Erstes die typischen Genremerkmale (düsteres mittelalterliches Schloss, Kloster oder Kirchhof und Furcht erregende übernatürliche Erscheinungen) auf. „Frankenstein“ und „Melmoth der Wanderer“ beschreiben in diesem Romantypus die dämonischen Abgründe des Unbewussten.

Im 19. Jahrhundert wurde der Roman in Westeuropa, besonders in Frankreich, zu einem subtilen Instrument der Gesellschaftsanalyse weiterentwickelt zu dessen Vertretern Flaubert, Stendhal und de Balzac zählen. Sie lieferten die entscheidenden Impulse für den europäischen Roman dieser Zeit. Flaubert analysierte die psychosozialen Konditionen menschlicher Existenz und zeigt damit schon Züge des Naturalismus. Außerdem war der sprachliche Ausdruck in seinen Werken sehr wichtig. Der Naturalismus war in Deutschland vor allem durch Theodor Fontanes „Effi Briest“ und „Der Stechlin“ erfolgreich.

Novalis und Tiecks Künstlerromane hatten noch den märchenhaften Charakter. Eichendorff und andere junge deutsche Autoren dagegen bezogen sich in ihren Werken auf konkrete politisch soziale Zeitvorgänge. Bedeutende deutschsprachige Realisten waren neben Fontane, Wilhelm Raabe, Gottfried Keller, Gustav Freytag, Jeremias Gotthelf und Adalbert Stifter.

England blieb vor allem auf dem Gebiet der Verstrickung von Individuen in ein tragisches Schicksal führend. Ein Thema, welches alle Schriftsteller des 19. Jahrhunderts in ihren Romanen einbauten, war die Gesellschaftskritik. Die Techniken der Dialogführung und der pointierten Charakterzeichnung des 18. Jahrhunderts wurden immer wichtiger.

„Moby Dick“ von Melville und Mark Twain „Tom Sawyers Abenteuer“ zählten zu den amerikanischen Vertretern dieses Jahrhunderts. Frank Norris war ein Vertreter des Naturalismus.

[...]


[1] Roman: Schweickle, Günther u. Irmgard (Hrsg.): Metzler-Literatur-Lexikon. Begriffe und

Definitionen. Metzler. Stuttgart 19902. S. 394.

[2] Roman: dtv – Lexikon. Ein Konversationslexikon in 20 Bänden. Band 15: Q – Sab.1976.

S. 225.

[3] Roman: Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie Professional 2004. © 1993 – 2003 Microsoft

Corporation.

[4] Roman: Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Alfred Kröner Verlag,

Stuttgart 19897, S. 785.

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Details

Titel
Begriffsklärung, Genreabgrenzung und literaturhistorischer Längsschnitt des Romans und Tagebuchromans
Untertitel
Beispielhaft analysiert "Das Tagebuch der Anne Frank"
Hochschule
Pädagogisches Institut des Bundes in Wien
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V86010
ISBN (eBook)
9783638019743
ISBN (Buch)
9783638920872
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begriffsklärung, Genreabgrenzung, Längsschnitt, Romans, Tagebuchromans
Arbeit zitieren
Carla Schindler (Autor:in), 2006, Begriffsklärung, Genreabgrenzung und literaturhistorischer Längsschnitt des Romans und Tagebuchromans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86010

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