1. Einleitung
Das Gedicht vom Heidenröslein ist eines der bekanntesten und beliebtesten Werke deutscher Lyrik im In- und Ausland. Verantwortlich dafür dürfte nicht zuletzt sein, dass bis heute über 150 Melodien für die Verse komponiert worden sind. Dadurch hat das Heidenröslein als Liebes- oder Kinderlied Eingang in Volkslied-Sammlungen gefunden.
Max Kromwell wehrt sich in seiner Interpretation des Gedichts gegen jegliche „amoröse“ Auslegung des Inhalts.
Ich werde im Folgenden darlegen, dass es sich im Heidenröslein sehr wohl um eine Begegnung der Geschlechter handelt und mich damit der vorherrschenden Meinung der jüngeren Forschungsergebnisse anschließen. Wenn man in die Analyse und Interpretation des Gedichts literarische Tradition und kulturellen Einfluss des 18. Jahrhunderts einfließen lässt, wird deutlich, dass das Geschehen aus heutiger Sicht als die Darstellung sexueller Gewalt gedeutet werden muss, die in ihrer Gestaltung in einer Tradition steht, die weit vor der Entstehungszeit des Heidenrösleins begann und sich auch noch mindestens bis in das 19.Jahrhundert fortgesetzt hat. In diesem Zusammenhang werde ich Werke aus verschiedenen literarischen Genres (Lyrik, Prosa, Drama) und aus verschiedenen Sprachräumen (hauptsächlich englisch und deutsch) auf die Darstellung von Frauenfiguren hin untersuchen und die Ergebnisse miteinander vergleichen, um die besagte Tradition zu skizzieren. Außerdem werde ich die Funde auf Basis der zeitgenössischen real-gesellschaftlichen Geschlechter – und Moralvorstellungen deuten. Der zeitgenössische Liebesdiskurs soll ebenfalls in die Bewertung und Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen einfließen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Kurze formale Analyse des Gedichts
- 3. Das Heidenröslein als Darstellung einer Vergewaltigung
- 3.1 „ein Knab“ – zeitgenössische Bedeutung und Assoziationen zu dem Begriff
- 3.2 „ein Röslein roth“- zeitgenössischer Symbolgehalt der Blume und der Farbe
- 3.2.1 Der helle Typ Frau als Verkörperung des weiblichen Rollenideals
- 3.2.2 Der dunkle Typ Frau und ihre sexuelle Ausstrahlung
- 3.2.3 Beschreibungen von Frauenfiguren in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts
- 3.3 „auf der Heiden“ – Natur als Ort der Liebe und der Gefahr
- 3.4 „Rosen brechen“ –Metapher mit spezieller zeitgenössischer Bedeutung
- 3.5 „mußt es eben leiden“ als „Moral von der Geschicht“?
- 3.6 Geschlechterrollen, Liebe und Notzucht im 18. bzw. 19. Jahrhundert
- 4. Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Goethes „Heidenröslein“ im Kontext des 18. und 19. Jahrhunderts und hinterfragt die gängige Interpretation als Liebesgedicht. Ziel ist es, die Darstellung der weiblichen Figur und das dargestellte Geschehen unter Berücksichtigung der damaligen gesellschaftlichen und kulturellen Normen zu analysieren und als Darstellung sexueller Gewalt zu interpretieren. Die Arbeit vergleicht das Gedicht mit anderen literarischen Werken, um eine Tradition der Darstellung weiblicher Figuren in solchen Kontexten aufzuzeigen.
- Darstellung sexueller Gewalt in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts
- Interpretation von Goethes „Heidenröslein“ als Darstellung sexueller Gewalt
- Symbolgehalt der Figuren und Motive im Gedicht
- Zeitgenössische Geschlechterrollen und Moralvorstellungen
- Vergleichende Analyse mit anderen literarischen Werken
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die These auf, dass Goethes „Heidenröslein“ als Darstellung sexueller Gewalt interpretiert werden muss. Sie begründet die Notwendigkeit einer Analyse des Gedichts im Kontext der zeitgenössischen Geschlechterrollen und Moralvorstellungen und kündigt den vergleichenden Ansatz mit anderen literarischen Werken an, um eine Tradition der Darstellung von Frauenfiguren in Situationen sexueller Gewalt zu skizzieren. Die Arbeit positioniert sich gegen die verbreitete romantische Lesart des Gedichts und bereitet den methodischen Rahmen für die nachfolgende Analyse vor. Der Fokus liegt auf der Aktualisierung des Gedichts für ein heutiges Verständnis, wobei die Relevanz der damaligen gesellschaftlichen Normen betont wird.
2. Kurze formale Analyse des Gedichts: Dieses Kapitel bietet eine detaillierte formale Analyse des Gedichts „Heidenröslein“, einschließlich seiner Struktur, des Metrums, des Reims und des Stils. Es werden die literarischen Gattungen – Ballade, Pastorale und Volkslied – erörtert, in die das Gedicht eingeordnet werden kann, und der Einfluss der Sturm-und-Drang-Epoche wird beleuchtet. Die Analyse beleuchtet auch stilistische Besonderheiten wie den Refrain und die Verwendung von Symbolen, um die Wirkung des Gedichts auf den Leser zu erklären. Der Fokus liegt auf der formalen Gestaltung und ihrer Bedeutung für die Interpretation des Inhalts.
3. Das Heidenröslein als Darstellung einer Vergewaltigung: Dieses zentrale Kapitel interpretiert das „Heidenröslein“ als Darstellung sexueller Gewalt. Es analysiert die einzelnen Elemente des Gedichts – „ein Knab“, „ein Röslein roth“, „auf der Heiden“, „Rosen brechen“, „mußt es eben leiden“ – im Kontext der zeitgenössischen Bedeutung und Assoziationen. Die Analyse der weiblichen Figur als „Röslein“ und deren Symbolgehalt, die Bedeutung der Natur als Schauplatz und die Interpretation des „Brechens“ der Rose als Akt sexueller Gewalt werden eingehend beleuchtet. Der Abschnitt vergleicht auch die Darstellung von Frauenfiguren in anderen Werken des 18. und 19. Jahrhunderts, um die Tradition der Darstellung solcher Szenarien zu verdeutlichen. Der Bezug zu zeitgenössischen Geschlechterrollen und Moralvorstellungen liefert den interpretatorischen Rahmen.
Häufig gestellte Fragen zu „Goethes Heidenröslein: Eine Analyse sexueller Gewalt“
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert Goethes Gedicht „Heidenröslein“ unter einer neuen Perspektive. Anstatt der gängigen romantischen Lesart als Liebesgedicht, interpretiert sie das Gedicht als Darstellung sexueller Gewalt. Die Analyse betrachtet den Kontext des 18. und 19. Jahrhunderts und die damaligen gesellschaftlichen und kulturellen Normen.
Welche Aspekte des Gedichts werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Aspekte des Gedichts, darunter die formale Struktur (Metrum, Reim, Stil), die Symbolsprache (die Rose, der Knabe, die Heide), die Bedeutung der einzelnen Verszeilen und der Gesamtzusammenhang im Kontext der damaligen Geschlechterrollen und Moralvorstellungen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Interpretation der weiblichen Figur als Opfer sexueller Gewalt.
Wie wird das „Heidenröslein“ als Darstellung sexueller Gewalt interpretiert?
Die Arbeit argumentiert, dass verschiedene Elemente des Gedichts – "ein Knab", "ein Röslein roth", "auf der Heiden", "Rosen brechen", "mußt es eben leiden" – als Metaphern für sexuelle Gewalt gedeutet werden können. Die "Rose" symbolisiert das weibliche Opfer, das "Brechen" den Akt der Gewalt, und der "Knab" den Täter. Der Kontext der damaligen Zeit, mit ihren ungleichen Geschlechterrollen und der gesellschaftlichen Akzeptanz von sexueller Gewalt, wird hierfür als entscheidend betrachtet.
Welche Methode wird in der Analyse verwendet?
Die Analyse kombiniert eine detaillierte formale Analyse des Gedichts mit einer interpretationsorientierten Herangehensweise. Sie vergleicht das Gedicht mit anderen literarischen Werken aus dem 18. und 19. Jahrhundert, um die Darstellung von Frauenfiguren in ähnlichen Kontexten zu beleuchten und eine Tradition solcher Darstellungen aufzuzeigen. Die Arbeit bezieht zeitgenössische Geschlechterrollen und Moralvorstellungen mit ein, um die Bedeutung der einzelnen Elemente zu verstehen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: 1. Einleitung (Einführung in die Thematik und die These), 2. Kurze formale Analyse des Gedichts (Analyse der formalen Elemente), 3. Das Heidenröslein als Darstellung einer Vergewaltigung (Hauptteil mit detaillierter Interpretation), und 4. Schlussfolgerungen (Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen).
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Das Hauptziel der Arbeit ist es, eine neue Interpretation von Goethes „Heidenröslein“ zu präsentieren, die das Gedicht als Darstellung sexueller Gewalt versteht. Sie will zeigen, wie die gängige romantische Lesart die subtilen Hinweise auf sexuelle Gewalt übersehen kann. Weiterhin möchte sie die Darstellung von Frauenfiguren in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts untersuchen und die Relevanz dieser Thematik für ein heutiges Verständnis verdeutlichen.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit richtet sich an Leser mit Interesse an deutscher Literatur, insbesondere an Goethe und dem Sturm und Drang. Sie ist besonders relevant für Wissenschaftler, Studenten und Literaturinteressierte, die sich mit der Interpretation von Literatur, Geschlechterrollen und der Darstellung von Gewalt auseinandersetzen.
- Arbeit zitieren
- Nicole Gerlach (Autor:in), 2005, "Sah ein Knab ein Röslein stehn" , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86203