Kommunikation als das grundlegende Instrument der Mitarbeiterführung hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsleistung und Kognitionen der Untergebenen. Nach Analyse erfolgreicher klassischer und moderner Führungsstile wurden zwei grundlegende Kommunikationsstile (Autonomie gewähren und Kontrollieren) identifiziert. Diese wurden in der vorliegenden experimentellen Studie anhand des SASB-Modells (Benjamin, 1974) an 80 Studenten operationalisiert. Zudem wurde der Grad der operationalen Unsicherheit als Kontingenzfaktor aufgenommen, woraus sich ein 2x2 Untersuchungsdesign ergab. Bei Aufgaben, in denen eine fiktive Führungskraft ihre Anweisungen mit Hilfe von E-Mails kommunizierte, erzielte der Autonomie gewährende Kommunikationsstil bei hoher operationaler Unsicherheit erwartungsgemäß die höchste Leistung. Der Autonomie gewährende Kommunikationsstil führte zudem dazu, dass die Führungskraft hinsichtlich Transformationalität, wahrgenommener Unterstützung, Mitarbeiter- und Changeorientierung positiver eingeschätzt wurde. Eine Mediation der Beziehung zwischen Kommunikationsstil und Leistung konnte nicht festgestellt werden. Lediglich für die intrinsische Motivation wurde ein tendenzieller vermittelnder Effekt gefunden.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung der Arbeit
2. Theoretischer Teil
2.1 Führungs- und Kommunikationsstile von Führungskräften
2.1.1 Befunde der empirischen Führungsstilforschung
2.1.2 Kommunikationsstile
2.1.3 Kommunikationsstile von Führungskräften
2.2 Autonomie und Kontrolle als wichtige Konzepte der Arbeits- und Organisationspsychologie
2.2.1 Modelle zu Autonomie und Kontrolle im Arbeitskontext
2.2.1.1 Job Characteristics Model
2.2.1.2 Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan
2.2.1.3 Führungstheoretische Ansätze
2.2.2 Kontingenztheoretische Einschränkungen
2.2.3 Zusammenfassung
2.3 Das SASB-Modell und die Kommunikation von Führungskräften
2.3.1 Interpersonale Circumplexmodelle
2.3.2 Das SASB-Modell
2.3.3 Untersuchung der Kommunikationsstile von Führungskräften mit Hilfe des SASB-Modells
3. Hypothesen
4. Methode
4.1 Stichprobe
4.2 Design, Ablauf und Durchführung des Experiments
4.3 Manipulation und Aufgaben
4.3.1 Die Vignetten
4.3.2 Validierung der Vignetten durch eine Expertenbefragung
4.3.3 Aufgaben und Leistungsbestimmung
4.4 Instrumente
4.4.1 Kovariaten
4.4.2 Führungsfragebögen
4.4.3 Mediatoren
5. Ergebnisse
5.1 Deskriptive Statistiken
5.2 Manipulation Check
5.3 Prüfung der Hypothesen
5.3.1 Einfluss des Kommunikationsstils und der Informationsmenge auf die Leistung
5.3.2 Einfluss des Kommunikationsstils und der Informationsmenge auf die Einschätzung der Führungskraft
5.3.3 Mediation des Zusammenhangs zwischen Kommunikationsstils und Leistung
6. Diskussion
6.1 Zusammenfassung und Interpretation der wichtigsten Ergebnisse
6.2 Implikationen für die Mitarbeiterführung
6.3 Stärken und Schwächen der Untersuchung
6.4 Forschungsperspektiven
Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung
Kommunikation als das grundlegende Instrument der Mitarbeiterführung hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsleistung und Kognitionen der Untergebenen. Nach Analyse erfolgreicher klassischer und moderner Führungsstile wurden zwei grundlegende Kommunikationsstile (Autonomie gewähren und Kontrollieren) identifiziert. Diese wurden in der vorliegenden experimentellen Studie anhand des SASB-Modells (Benjamin, 1974) an 80 Studenten operationalisiert. Zudem wurde der Grad der operationalen Unsicherheit als Kontingenzfaktor aufgenommen, woraus sich ein 2x2 Untersuchungsdesign ergab. Bei Aufgaben, in denen eine fiktive Führungskraft ihre Anweisungen mit Hilfe von E-Mails kommunizierte, erzielte der Autonomie gewährende Kommunikationsstil bei hoher operationaler Unsicherheit erwartungsgemäß die höchste Leistung. Der Autonomie gewährende Kommunikationsstil führte zudem dazu, dass die Führungskraft hinsichtlich Transformationalität, wahrgenommener Unterstützung, Mitarbeiter- und Changeorientierung positiver eingeschätzt wurde. Eine Mediation der Beziehung zwischen Kommunikationsstil und Leistung konnte nicht festgestellt werden. Lediglich für die intrinsische Motivation wurde ein tendenzieller vermittelnder Effekt gefunden.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Job Characteristics Model mit Formel nach Hackman und Oldham (1980, S. 77, 81) aus Schuler (1995)
Abbildung 2: Darstellung der extrinsischen und intrinsischen Motivation und ihrer Charakterisierungen nach Gagné und Deci 2005
Abbildung 3: Interpersonales Modell in Anlehnung an Leary (1957) und Kiesler (1983) (aus Orford, 1986)
Abbildung 4: Vereinfachte graphische Darstellung des SASB-Modells mit der transitiven (fettgedruckt), intransitiven (unterstrichen) und introjektiven (kursiv) Fokusebene (aus Benjamin, 1996c)
Abbildung 5: Vereinfachte Darstellung der transitiven Fokus-Ebene im SASB-Modell mit Hervorhebung der Interdependenzachse
Abbildung 6: Graphische Darstellung der Hypothese 1a bis 1c
Abbildung 7: Graphische Darstellung der Hypothesen 5 bis 7
Abbildung 8: Der Interaktionseffekt des Kommunikationsstils
Abbildung 9: Die Haupteffekte des Kommunikationsstils und der Informationsmenge bei der Einschätzung der Transformationalität
Abbildung 10: Der Haupteffekt des Kommunikationsstils bei der Einschätzung der Transaktionalität
Abbildung 11: Der Haupteffekt des Kommunikationsstils bei der Einschätzung der Changeorientierung
Abbildung 12: Die Haupteffekte des Kommunikationsstils und der Informationsmenge bei der Einschätzung der Aufgabenorientierung
Abbildung 13: Der Haupteffekt des Kommunikationsstils bei der Einschätzung der Mitarbeiterorientierung
Abbildung 14: Der Haupteffekt des Kommunikationsstils bei der Einschätzung auf der Skala Perceived Supervisor Supports (PSS)
Abbildung 15: Grafische Darstellung der Vorgehensweise zur Überprüfung von Mediationseffekten in Anlehnung an Baron und Kenny (1986)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kommunikationsstile nach Norton (1983)
Tabelle 2: Ergebnisse für einige Erfolgsvariablen in Autonomie-Studien nach Spector (1986)
Tabelle 3: Ablauf des Experiments mit den einzelnen Phasen und Inhalten
Tabelle 4: Mittelwerte, Standardabweichungen und Reliabilitäten der Untersuchungsvariablen für die gesamte Stichprobe (N=79)
Tabelle 5: Interkorrelationen aller hypothesenrelevanter Variablen
Tabelle 6: Ergebnisse der ANOVA ohne Einbezug der Kovariaten
Tabelle 7: Ergebnisse der ANOVA mit Einbezug der Kovariaten
Tabelle 8: Ergebnisse der Testung des Gesamtmodells der MANOVA
Tabelle 9: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable transformationale Führung
Tabelle 10: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable transaktionale Führung
Tabelle 11: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable Changeorientierung
Tabelle 12: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable Aufgabenorientierung
Tabelle 13: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable Mitarbeiterorientierung
Tabelle 14: Ergebnisse der MANOVA für die abhängige Variable PSS
Kapitel 1: Einleitung
Never tell people how to do things. Tell them
what to do and they will surprise you with their ingenuity. (General G. S. Patton)
Führungskräfte werden vielfach als das „Herz“ eines jeden Unternehmens angesehen. Sie haben zahlreiche Aufgaben, die im Endeffekt darauf ausgerichtet sind, die gesetzten Unternehmensziele zu erreichen. Der Großteil des Arbeitsalltags einer Führungskraft besteht dabei aus verbaler Kommunikation (Neuberger, 1992; Wahren, 1987). So fasst Neuberger (2002) zusammen, dass Führungskräfte bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit sozialer Interaktion verbringen. Führen von Mitarbeitern bedeutet also in erster Linie Kommunizieren. Die zunehmende Verflachung der Hierarchien in Unternehmen führt zusätzlich zum berechtigten Anspruch des Mitarbeiters an seine Führungskraft, als ein ernst zu nehmender Partner im Arbeitsprozess angesehen zu werden. Dies stellt zusätzliche Ansprüche an die Kommunikationsfähigkeit von Führungskräften. Folgerichtig weist Wunderer (1995) darauf hin, dass Führung noch stärker als Kommunikationsaufgabe verstanden werden sollte. Entsprechend zählt Kommunikationskompetenz aktuell zu den am häufigsten genannten Schlüsselqualifikationen in Stellenanzeigen (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2002). Eine umfangreiche Befragung unter amerikanischen Unternehmen ergab in diesem Zusammenhang, dass die Kommunikationsfähigkeit von Führungskräften als das primäre Ziel von Personalentwicklungsmaßnahmen angesehen wird (Bassi & van Buren, 1998).
Der Fokus klassischer Führungstheorien lag in erster Linie auf der Führungsperson selbst und ihren Eigenschaften. Zur Erhöhung der Mitarbeitermotivation und der erbrachten Leistung am Arbeitsplatz bedarf es jedoch einer wissenschaftlichen Forschung, die sich gezielt auf die Problemfelder unternehmensinterner Kommunikation konzentriert. So rückt die moderne Forschung verstärkt die Handlungsorientierung der Führung in den Vordergrund. Im Fokus stehen dabei relativ differenzierte Handlungsempfehlungen, die abhängig von der konkreten Aufgabe und Situation generiert werden. Entsprechend konzeptualisiert die Mehrzahl der neueren Ansätze den Führungsprozess als einen Interaktionsprozess (vgl. Yukl, 1998). Für den Erfolg eines solchen Interaktionsprozesses ist nicht allein entscheidend, was inhaltlich kommuniziert wird, sondern vielmehr das Wie der Kommunikation (Smidts, van Riel & Pruyn, 2001).
Diese wechselseitige Einflussnahme wertet die persönliche Interaktion zwischen Mitarbeiter und Führungskraft auf und stärkt die horizontale und vertikale Kommunikation, die jeweils geprägt ist von den Interessensgegensätzen der beteiligten Akteure. Der Führungskraft kommt dabei verstärkt die Aufgabe zu, den Mitarbeiter prozessbezogen und individuell bei seiner Aufgabe zu unterstützen. Individualität und Handlungsspielraum der Mitarbeiter werden deshalb vielfach betont, denn sie schaffen Vertrauen, auf dessen Basis das Aussprechen unangenehmer Themen, unorthodoxer Ideen oder das Eingestehen von Fehlern erleichtert wird. Gleichzeitig fördert eine solche Atmosphäre insbesondere innovative und kreative Lösungen (Nöbauer, 1999). Und genau solche Arten von Lösungen sind in der heutigen globalen Wettbewerbssituation der Unternehmen für den ökonomischen Erfolg existentiell.
Obwohl es mittlerweile eine Vielzahl an Personalentwicklungsmaßnahmen zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit von Führungskräften gibt, zeigen Mitarbeiterbefragungen, dass viele Arbeitskräfte immer noch eine nicht ausreichende Kommunikation seitens ihrer Führungskraft bemängeln (Borg, 2000). Dabei sind viel versprechende Konzepte zur Förderung einer kommunikationsorientierteren Führung vorhanden und zum Teil gut erforscht. Ein Beispiel hierfür ist das Konzept des transformationalen Führungsstils. Im Idealfall erzielt die transformationale Führungskraft durch ihre überzeugende und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter ausgerichtete Kommunikation eine erhöhte Motivation und dadurch auch eine Leistungssteigerung der unterstellten Mitarbeiter (vgl. Felfe, 2006).
Da die Bemühungen der Unternehmensführung vielfach darauf abzielen die Leistung der Mitarbeiter zu erhöhen, sind erfolgreiche Konzepte wie die transformationale Führung in der Praxis sehr beliebt (Felfe, 2006). Es verbleibt jedoch noch immer viel Raum für Spekulationen über die genaue Wirkungsweise von Führungs- und Kommunikationsstilen auf die Leistung des Mitarbeiters. So ist nur wenig erforscht, welche Rolle die Kommunikation konkret neben der reinen Informationsübermittlung im Führungsprozess spielt. Deshalb sind auch die beliebten und Erfolg versprechenden Führungsstile kaum in Bezug auf ihre Vermittlung mit Hilfe von Kommunikation untersucht worden.
Obwohl es also Hinweise auf den weitreichenden Einfluss der Kommunikation von Führungskräften auf die Leistung von Mitarbeitern gibt (z.B. Clampitt & Downs, 1993), ist die Forschung dazu noch nicht weit voran geschritten. Die Mechanismen, die zu einer höheren Leistung führen sollen, sind relativ vielfältig und bis heute nicht eindeutig beschrieben worden. Auch die Bemühungen, situative Einflussfaktoren für eine gelungene Führungskraft-Mitarbeiter-Kommunikation zu identifizieren, wurden erst in letzter Zeit intensiviert.
1.1 Fragestellung der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, die Wirkung unterschiedlicher Kommunikationsstile und deren Wirkungsmechanismen zu überprüfen, um Anhaltspunke für eine effektive Kommunikation zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern abzuleiten. Dabei sollen auch entscheidende Situationseinflüsse berücksichtigt werden.
Bei der Betrachtung der psychologischen Arbeits- und Organisationsforschung zeigt sich, dass der wahrgenommene Handlungsspielraum des Mitarbeiters meist zu positiven Auswirkungen führt (vgl. Deci & Ryan, 2000). Wohl nicht zuletzt deshalb findet sich die Idee, dem Mitarbeiter ein gewisses Maß an Handlungsspielraum bzw. Autonomie zu gewähren, in vielen wichtigen arbeitsbezogenen Konzepten wie beispielsweise der transformationalen Führung wieder. Als Gegensatz zur Autonomie wird das Kontrollieren des Mitarbeiters durch die Führungskraft angesehen. Befunde zeigen, dass sich Kontrolle unter bestimmten Umständen positiv auf die Leistung auswirken kann, wie beispielsweise bei sehr einfachen Aufgaben und geringer Kompetenz des Mitarbeiters (Dodd & Ganster, 1996). Da die heutigen Herausforderungen an die Unternehmen jedoch zunehmend komplexer Natur sind, kommt der Autonomie gewährenden Kommunikation eine besondere Bedeutung zu.
Deshalb sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Auswirkungen eines Autonomie gewährenden und eines kontrollierenden Kommunikationsstils auf die Leistung bei der Bewältigung verschiedener Arbeitsaufgaben untersucht werden. Aufgrund vielfacher Hinweise in der Forschung soll die operationale Unsicherheit in Bezug auf die zu erfüllende Aufgabe (vgl. Wall, Cordery & Clegg, 2002) als weiterer Faktor in das Untersuchungsdesign aufgenommen werden. Des Weiteren sollen affektive Einschätzungen der Führungskraft durch den Mitarbeiter überprüft werden. Außerdem werden relevante Drittvariablen auf ihre Rolle als Mediatoren zwischen dem Kommunikationsstil und der erbrachten Leistung getestet.
Dazu werden in Kapitel 2 zunächst ausführlich die theoretischen Grundlagen der Untersuchung diskutiert. Anschließend werden die genauen Hypothesen formuliert (Kapitel 3) und das methodische Vorgehen erläutert (Kapitel 4). Die Ergebnisse der experimentellen Studie werden in Kapitel 5 dargestellt. Zum Schluss werden diese Ergebnisse diskutiert und mögliche zukünftige Forschungsperspektiven entworfen (Kapitel 6).
2. Theoretischer Teil
Da der Fokus der vorliegenden Arbeit auf dem Kommunikationsverhalten von Führungskräften liegt, empfiehlt es sich, zunächst das Phänomen „Führung“ näher zu beleuchten. Dafür bietet sich hier insbesondere die Führungsstilforschung an, da sie konkrete Verhaltensmuster von Führungskräften zum Thema hat und zudem einen enormen Einfluss auf die kommunikationspsychologische Führungsforschung ausübte. Nach einer einführenden Definition von Führung und Führungsstilen findet in Kapitel 2.1 eine Betrachtung der relevanten Führungsstilforschung statt. Anschließend werden in Kapitel 2.2 Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaften über allgemeine Kommunikationsstile dargestellt. Die beiden Kapitel finden ihre Synthese in Kapitel 2.3, in dem der konkrete Fokus auf den Kommunikationsstilen von Führungskräften liegt.
2.1 Führungs- und Kommunikationsstile von Führungskräften
Definition von Führung und Führungsstilen
Eine eindeutige Definition von Führung gestaltet sich sehr schwierig. Der Grund dafür ist die kaum überschaubare Fülle mehr oder weniger ähnlicher und teils auch widersprüchlicher Definitionen. Bereits Bentz (in Allerbeck, 1977) berichtet über 130 verschiedene Führungsdefinitionen. Dies liegt unter anderem an der Vielseitigkeit und Komplexität von Führung. So schreibt Burns (1978): „Leadership is one of the most observed and least understood phenomena on earth“.
Als Aggregation der vielen Konzeptbeschreibungen kann Führung als „unmittelbare, absichtliche und zielbezogene Einflussnahme von bestimmten Personen - in der Regel Vorgesetzte - auf andere Personen - in der Regel Untergebene - in Organisationen mit Hilfe von Kommunikationsprozessen“ verstanden werden (Baumgarten, 1977; Neuberger, 1995; v. Rosenstiel, Molt & Rüttinger, 1995). Zur Differenzierung dieser Beschreibung nennt Weinert (1989, S. 555) drei charakteristische Merkmale von Führung:
a) Führung ist ein Gruppenphänomen (Interaktion zwischen mind. zwei Personen);
b) Führung ist intentionale soziale Einflussnahme
c) Führung zielt darauf ab, durch Kommunikationsprozesse Ziele zu erreichen.
Um Führung empirisch überprüfbar zu machen, wurden in der Führungsforschung Teilaspekte der Führung bzw. der Führungskräfte fokussiert betrachtet. Neben eigenschafts- und rollenorientierten Ansätzen bildeten die Führungsstile einen eigenen Forschungsschwerpunkt. Diese fokussieren insbesondere die Verhaltensweisen der Führungskräfte und den damit verbundenen Führungserfolg. Eine allgemeine Definition existiert auch hier nicht, weshalb im Folgenden der Definition von Birker (1997) gefolgt werden soll:
"Führungsstil ist die Grundhaltung und das sich daran orientierende Verhaltensmuster, mit denen jemand seine Führungsaufgaben, bezogen auf andere Einzelpersonen oder Gruppen, wahrnimmt." Ein Führungsstil ist demnach die Art und Weise, wie sich Führung konkret im Verhalten äußert.
2.1.1 Befunde der empirischen Führungsstilforschung
Lewin, Lippitt und White (1939) haben mit ihrer klassischen Arbeit den Grundstein für die empirische Führungsstilforschung gelegt. In Rahmen von Laborexperimenten mit Kindern haben sie den autoritären, demokratischen und den laissez-fairen Führungsstil operationalisiert. Die autoritäre Führungskraft erteilt Anordnungen, ohne den Mitarbeiter mit einzubeziehen und bestraft bei negativen Ergebnissen. Der demokratische Stil zeichnet sich hauptsächlich durch Partizipation und Hilfestellungen aus, während für einen laissez-fairen Führungsstil die grundsätzliche Freiheit ohne aktive Unterstützung charakteristisch ist. Das Ergebnis des Experiments zeigt, dass der demokratische (heute ist eher die unpolitische Bezeichnung kooperativ üblich) im Vergleich zu einem autoritären Führungsstil zu einer höheren Zufriedenheit führt (Neuberger, 1972). Die Auswirkungen des kooperativen Führungsstils auf die Leistung wurden im Experiment zwar belegt, die empirischen Befunde dazu sind aber sehr uneinheitlich (Neuberger, 1972).
In besonderer Beziehung zu den Führungsstiluntersuchungen stehen die so genannten Ohio- Studien, die von der Staatsuniversität von Ohio durchgeführt wurden (vgl. Fleishmann, 1973; Stogdill, 1950; Yukl, 1971). Die Grundidee dieser Studien war die Annahme, dass die Mitarbeiter einer Führungskraft diese am besten beschreiben können. Deshalb wurden standardisierte Fragebögen konzipiert und in einer umfangreichen Erhebung eingesetzt. Dabei sollten die Mitarbeiter ihre Führungskraft auf einer Vielzahl von Items einschätzen. Anschließend wurde eine Faktorenanalyse der erhobenen Daten durchgeführt. Besonders deutlich traten bei der Faktorenanalyse zwei orthogonal zueinander stehende Dimensionen zu Tage: consideration (Mitarbeiterorientierung) und initiation structure (Aufgabenorientierung). Dieser Befund wurde auch in anderen Untersuchungen repliziert (zusammenfassend Neuberger, 1976). Mit consideration sollte eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter in Verbindung stehen, was auch schon früh empirisch bestätigt wurde (Yukl, 1971). Diese Korrelationen sind jedoch nicht sehr hoch. In einer neueren Metaanalyse bestätigten Judge, Piccolo und Ilies (2004) den Zusammenhang beider Dimensionen mit Führungskriterien, wie etwa der Arbeitszufriedenheit und Leistung. Die Zweifaktoren-Lösung der Ohio-Gruppe entwickelten Blake und Mouton (1964) zu einem differenzierteren Verhaltensgitter weiter. Dabei wurden weiterhin die zwei Dimensionen Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung verwendet. Ihre modifizierte Konzeption geht jedoch von einem Koordinatensystem aus, in welchem jede Achse in neun Abschnitte unterteilt ist. Eine Führungskraft kann nun von ihren Mitarbeitern dahingehend eingeschätzt werden, wie hoch ihre Ausprägung auf den beiden Achsen ist. Befindet sich die eingeschätzte Führungskraft etwa auf beiden Dimensionen im höchsten Bereich, sprechen Blake und Mouton (1964) von einem „9/9“-Führungsstil, also sowohl vollkommen mitarbeiter- als auch aufgabenorientiert.
Diese Ausprägung stellte im Folgenden vielerorts das Idealziel einer Führungskraft dar und wurde zur Basis vieler Führungstrainings auf der ganzen Welt. In solchen „Grid- Seminaren“ wurde nach anfänglicher Diagnostik des aktuellen Führungsstils versucht, durch verschiedene Übungen, wie beispielsweise Rollenspiele, das Verhalten in Richtung des „9/9“- Stils zu modulieren. Die Annahme über Führungserfolg einer Führungskraft, die sowohl sehr mitarbeiter- als auch aufgabenorientiert sein kann, wurde vielfach untersucht. Wegen uneinheitlichen Ergebnissen (zusammenfassend Allerbeck, 1977 sowie Neuberger, 1976) konnte sie jedoch empirisch nicht bestätigt werden. Die Korrelationen zwischen Mitarbeiterorientierung und Zufriedenheit der Mitarbeiter war dennoch in den allermeisten Studien relativ hoch (Allerbeck, 1977), obwohl man bei der Interpretation auf eine mögliche Kontamination achten und keineswegs ohne weiteres einen eindeutigen Kausalschluss treffen sollte.
In aller Kürze sollen einige Gründe für die uneinheitlichen Ergebnisse genannt werden. Insbesondere die unzureichende methodische Fundierung der eingesetzten Fragebögen trägt zu der erheblichen Streubreite der Ergebnisse bei (Kerr, Schriesheim, Murphy, & Stogdill, 1974; Schriesheim & Kerr, 1977). Weiterhin waren die angestellten Vergleiche von sehr unterschiedlichen Stichproben nicht zulässig. Die Erfolgsmaße unterschieden sich in den einzelnen Studien und gleiche Erfolgsmaße wurden meist unterschiedlich operationalisiert und erfasst (Neuberger, 1972). Allerbeck (1977) führt an, dass die Mitarbeiterorientierung eher ein Maß für die Mitarbeiterzufriedenheit mit der Führungskraft ist und weniger eine Verhaltensbeschreibung dieser. Er sieht ein noch komplexeres Bild der Aufgabenorientierung, in dem sich im Endeffekt positive und negative Beziehungen zu Erfolgsmaßen die Waage halten, ohne jedoch signifikant zu sein.
Die angebrachte Kritik führte zur Entwicklung weiterer Führungsansätze, in denen die oben dargestellten Befunde jedoch oft noch eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere wurde in der nachfolgenden Forschung der Einfluss situativer Faktoren betont (Kontingenzansätze). Die Annahme, bei der ein Führungsverhalten nur eingegrenzt in bestimmten Situationen zum Erfolg führt, wurde von vielen Wissenschaftlern vertreten (z.B. Fiedler, 1967; Reddin, 1981; Vroom & Yetton, 1973). Dabei wurde und wird eher selten untersucht, auf welche Art und Weise sich die Führung in der jeweiligen Situation eigentlich manifestiert. Der Prozess der Realisierung bzw. der Umsetzung des Führungsstils durch die Führungskraft hat nämlich einen entscheidenden Einfluss. Wie der Mitarbeiter den Führungsstil seines Vorgesetzten wahrnimmt, hängt insbesondere von dessen Kommunikation ab (Macharzina, 1987). Wenn eine Führungskraft also einen Führungsstil in einer bestimmten Situation „anwendet“, tut sie das mit Hilfe eines Kommunikationsstils. Im Weiteren werden deshalb zunächst einige Forschungsansätze zu Kommunikationsstilen allgemein beschrieben, um anschließend theoretische Grundlangen von Kommunikationsstilen von Führungskräften darstellen zu können.
2.1.2 Kommunikationsstile
Der Begriff „Kommunikation“ ist ebenso wie „Führung“ in Aller Munde und ähnlich schwer zu definieren. Der Kommunikationswissenschaftler Merten (1977) kommt in einer Untersuchung auf 160 Definitionen oder definitorische Sätze von Kommunikation. Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass die Literatur zu Kommunikationsstilen insbesondere auf der deutschsprachigen Seite relativ überschaubar ist. Im angelsächsischen Raum hat Norton (1978, 1983) eine Systematik von Kommunikationsstilen entwickelt und damit der Wissenschaft eine Grundlage für viele interessante Untersuchungen und Weiterentwicklungen bereitgestellt. Hierzulande regte insbesondere Schulz von Thun (z. B. 1990) die Diskussion von Kommunikationsstilen an. Im Folgenden wird zunächst ausführlicher auf die Konzeptionen der beiden Forscher Bezug genommen. Anschließend werden in kürzerer Form weitere Forschungsansätze genannt, um zusätzliche Perspektiven darzustellen. Es existiert jedoch kein theoretischer Rahmen, der es schafft, die bisherigen Ansätze in Beziehung zueinander zu stellen und empirische Befunde vollends zu erklären. Deshalb erhebt die hier vorliegende Beschreibung keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient insbesondere der Übersicht über die bekanntesten Ansätze. Das Verständnis der Forschung zu allgemeinen Kommunikationsstilen soll die anschließende Anwendung von Kommunikationsstilen auf Führungskräfte anschaulicher machen.
Norton (1983) spricht in seiner Monographie von zwei möglichen Definitionen für den Kommunikatorstil (gleichbedeutend mit Kommunikationsstil) von Menschen. Die erste Definition bezieht sich auf die unterste (Mikro-) Ebene der Kommunikation, auf der der Kommunikationsstil die Funktion hat, dem Inhalt einer Botschaft zunächst eine Form zu verleihen. Es geht dabei um „the way one verbally, nonverbally, and paraverbally interacts to signal literal meaning should be taken, interpreted, filtered, or understood“ (Norton 1983, S. 19). Zur Verdeutlichung wird in diesem Zusammenhang die Musik angeführt. Je nach Interpretation eines Musikstücks, also je nach Stil, werden dem Hörer unterschiedliche Informationen mitgeteilt. Auf einer höheren (Makro-) Ebene hat der Kommunikationsstil die Funktion der “consistently recurring communicative associations“ (Norton 1983, S. 19). Hier schließt der Stil die erste Beschreibung mit ein und erweitert diese um eine beständige rekursive kommunikative Assoziation.
Für Norton (1983) ist der Kommunikationsstil ein stabiles Muster, welches jedoch nicht deterministisch zu verstehen ist. Es geht ihm um eine relative Konsistenz, die er dadurch charakterisiert, dass ein Kommunikationsstil bei Beobachtung einer Interaktion mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einem Individuum zugeschrieben werden kann. Betrachtet man Mikro- und Makro-Ebene gleichzeitig, beschreibt Norton (1983) den Zusammenhang folgendermaßen: „…it is an accumulation of ‚microbehaviors’ giving form to literal content that add up to a ‚macrojudgement’ about a person’s style of communicating” (Norton, 1983, S. 38). Damit wird Kommunikation mit einem Stil ähnlich wie Verhalten mit einer abstrakteren Persönlichkeitseigenschaft assoziiert. Jedoch bemühen sich Norton und Nussman (1980), den Kommunikationsstil von der Persönlichkeit dahingehend deutlich abzugrenzen, dass sie ihn als ein akkumuliertes Set von Verhaltensweisen, die je nach Situation variieren können, sehen. Sie sind der Überzeugung, dass die Stile erlernt sind und vertreten damit den Verhaltensansatz. Demnach ist es möglich und empfehlenswert, verschiedene Kommunikationsstile zu beherrschen und entsprechend dem angemessen Kontext anzuwenden: „Certain communicator styles are likely to be perceived as more effective in particular interactions“ (Norton, 1983, S. 91). Norton (1983) beschreibt Kommunikationsstile zusammenfassend als die Art und Weise, wie jemand kommuniziert, also wie jemand den bloßen Wörtern ihre Bedeutung verleiht. Ein individueller Kommunikationsstil weist seiner Meinung nach immer folgende Charakteristika auf:
a) er ist bei jeder Person vorhanden und beobachtbar,
b) er besitzt mehrere Facetten, die durch Kombinationen weitere Facetten ergeben,
c) er ist multikolliniear, d. h. die einzelnen Stile sind nicht unabhängig voneinander und
d) er ist meist variabel, aber auch immer wiederkehrend, so dass er resistente Erwartungen bei anderen Personen aufbaut.
Mit diesem Verständnis versucht er anhand von fünf früheren empirischen Untersuchungen zum Thema der interpersonalen Interaktion, konkrete Kommunikationsstile abzuleiten. Mit Hilfe eines Clusterungsverfahrens kommt er zu neun Stilen: dominant, dramatic, contentious, animated, impression leaving, relaxed, attentive, open, friendly (Norton 1983, S. 64). Zusätzlich postuliert er einen Faktor communicator image, der der Selbstbeschreibung der Kommunikation durch den Kommunizierenden dient. (Zur kurzen Beschreibung der Stile vgl. Tabelle 1). Norton (1983) berichtet, dass die Stile open und dominant die besten Prädiktoren für das Selbstbild sind.
Tabelle 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. Darstellung und eine kurze Charakteristik der Kommunikationsstile in Anlehnung an Norton (1977, S. 529).
Norton (1983) geht von der Annahme aus, dass der Kommunikationsstil das menschliche Verhalten durch seine Wahrnehmung stark beeinflusst. So stellen Norton und Pettegrew (1977) in einer Studie fest, dass beispielsweise eine offen-dominant kommunizierende Person als physiologisch und psychologisch attraktiver wahrgenommen wurde. Norton, Schroeder und Webb (1979) berichten, dass ein eher dominanter Stil ein guter Prädiktor der Effektivität von kleinen Gruppen bei Problemlöseaufgaben darstellt.
Zur Erfassung der Kommunikationsstile entwickelte Norton (1983) den Fragebogen Communicator Style Measure (CSM), bestehend aus 51 Items. In seinem Buch veröffentlicht Norton (1983) diesen Fragebogen und Untersuchungen in denen er eingesetzt wurde. Dabei geht er sowohl auf die Selbsteinschätzung, als auch auf die Wahrnehmung des Kommunikationsstils durch andere ein. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen deuten nach Nortons Meinung auf eine hohe Relevanz der Kommunikationsstile hin (1983).
Die Systematik von Norton (1978, 1983) blieb jedoch nicht unkritisiert. Er selbst räumt ein, dass die von ihm postulierten Kommunikationsstile nicht ausreichend trennscharf sind. Die Stile überlappen sich zum Teil sehr stark, so dass man einen deutlichen Zusammenhang zwischen ihnen annehmen kann. Dadurch schafft es sein Modell nicht, ein trennscharfes theoretisches Konstrukt überzeugend abzubilden. Hinzukommen Kritikpunkte an seinem CSM . So weist der Fragebogen relativ niedrige Werte für die interne Konsistenz auf, was die Leistungsfähigkeit des Instruments in Frage stellt.
Während Norton (1978, 1983) vom Kommunikationsstil als erlerntes Verhalten ausgeht, sieht Schulz von Thun (2003) diese eher als Dispositionen, die in der Persönlichkeit verankert sind. So sind für ihn diese interindividuellen Unterschiede auch etwa für Kommunikationsprobleme verantwortlich. Ähnlich wie Norton (1983) nimmt jedoch auch Schulz von Thun (2003) eine Möglichkeit weitgehender Anpassung des Kommunikationsstils an die Situation an. Er formuliert acht Kommunikationsstile, die er als „bestimmte Arten und Weisen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, zu sprechen und die Beziehung zu gestalten“ (Schulz von Thun, 2003, S. 57) bezeichnet. Er unterscheidet den bedürftig-abhängigen-, helfenden-, selbstlosen-, aggressiv-entwertenden-, sich-beweisenden-, bestimmend-kontrollierenden-, sich distanzierenden und den mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil. Diese Stile sind Ausdrucksweisen innerer Bedürfnisse, Emotionen und Kognitionen, die sich sowohl verbal, als auch nonverbal offenbaren. Eine Person hat seiner Meinung nach Anteile an jedem Stil, jedoch gleichzeitig auch ein „bevorzugtes Muster der Kontaktgestaltung“ (S.58), mit Hilfe dessen sie mit anderen Menschen interagiert. Schulz von Thun formuliert fünf kommunikationspsychologische Modelle, die hinter den Wirkungsweisen der Kommunikationsstile stehen:
a) Das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun, 1981) besagt, dass jede kommunikative Äußerung neben Sachinformationen, einen Beziehungshinweis, eine Selbstkundgabe und einen Appell enthält.
b) Die Zirkularität zwischenmenschlicher Interaktion (Thomann & Schulz von Thun, 1998) führt dazu, dass eine Eigendynamik zwischen Personen mit bestimmten Kommunikationsstilen entsteht („Teufelskreis“).
c) Die innere Pluralität (Thomann & Schulz von Thun, 1998) beschreibt unterschiedliche Kommunikationsstile einer Person.
d) Die Dialektik von Werten und Tugenden nach Helwig (1967) besagt, dass jedem
Persönlichkeitswert bzw. Stil ein Gegenwert zuzuordnen ist. Das Ziel ist es, durch Dialektik eine Balance zwischen diesen beiden Werten zu erreichen und damit einen ausgeglichenen Mehrwert zu erreichen.
e) Die situative Logik zwischenmenschlicher Begegnungen (Schulz von Thun, 1998, 2005) beschreibt die Wichtigkeit der Situation für einen angemessenen Kommunikationsprozess.
Die Arbeiten von Schulz von Thun haben große Resonanz in der Praxis erfahren. Diese liegt wohl vor allem an der Eingängigkeit seiner Modelle und der direkten Anwendbarkeit in der Selbst- und Personalentwicklung. Gleichzeitig ist die weitgehend unklare empirische und theoretische Basis seiner Ansätze der Grund, weshalb hierzu kaum wissenschaftliche Forschung aufgefunden werden kann. Es fehlt deshalb bisher eine systematische Überprüfung seines Modells, sodass dieses eher als eine Heuristik anzusehen ist.
Die folgenden Ansätze werden weniger ausführlich dargestellt und sollen in erster Linie dazu dienen, das Vorhandensein von weiteren Forschungssträngen aufzuzeigen. McCroskey, Daly, Martin und Beatty (1998) beschäftigten sich beispielsweise mit den biologischen Grundlagen der Unterschiede in der menschlichen Kommunikation. Sie prägten dafür den Begriff Communibiology. McCroskey verficht damit einen neurologischen Determinismus und zeigt deutliche Parallelen zur Temperamentforschung auf. Demnach ist die Kommunikationssituation im Vergleich zu den neurobiologischen Funktionsweisen zu vernachlässigen (Beatty & McCroskey, 1998).
In der gleichen Forschungstradition, aber nicht ganz so deterministisch in Bezug auf neurologische Prozesse, sind Richmond und Martin (1998) zu nennen. Sie verstehen Kommunikationsstile von Personen als Dispositionen, die für die Entwicklung konkreter Kommunikation verantwortlich sind. Ähnlich wie McCorskey et al. (1998) untersuchten sie
Konstrukte, die sie als Kommunikationseigenschaften auffassen. Dies sind etwa Durchsetzungsst ä rke, Responsivität und Versatilität. Versatilität beschreibt die Flexibilitätsfähigkeit des Stils, die dadurch zustande kommt, dass alle Individuen ein Repertoire an Kommunikationsstilen einschließlich Wissensstrukturen besitzen, die durch eine Interaktionssituation aktiviert werden (Lashbrook & Lashbrook, 1980). Mit Hilfe dieser Konstrukte, entwickelten sie die zwei Systematiken Sociocommunication Style und Sociocommunication Orientation. Erstere dient der Fremd- und letztere der Selbsteinschätzung.
Als Gegengewicht zu der dispositionalen Sichtweise kann man den Ansatz von Giles und Street (1994) ansehen. Sie betonen insbesondere die Rolle der Umweltfaktoren der Kommunikation. Damit vermeiden sie die Fokussierung auf einzelne Variablen und fordern gleichzeitig ein integratives Modell des Kommunikationsverhaltens. Ein solches Modell soll neben Persönlichkeitseigenschaften als Bereitstellung eines Grundverhaltensrepertoires auch das Erfahrungswissen über die angemessene Anwendung Kommunikationsstilen betonen.
Reece und Brandt (1998) folgen in gewisser Weise einen ähnlichen Weg. Sie gehen zunächst davon aus, dass der Kommunikationsstil ein relativ stabiles Merkmal ist. Eine Person besitze jedoch auch die Möglichkeit, ihn etwa durch Training bewusst zu modulieren. Diesen Mechanismus, den sie als style flexing bezeichnen, ist der Dimension Versatilität von Richmond und Martin (1998) recht ähnlich. Damit kann der Kommunikationsstil bei Bedarf an unterschiedliche Situationen und Interaktionspartner angepasst werden.
Im Weiteren wird spezifischer auf Kommunikationsstile von Führungskräften eingegangen. Auch hier handelt es sich mangels eines Gesamtmodells meist um relativ lose verbundene Forschungsanliegen. Der Schwerpunkt wird hier insbesondere auf Studien in Bezug auf die in Kapitel 2.1 beschriebenen Führungsstile gelegt.
2.1.3 Kommunikationsstile von Führungskräften
Die Schnittmenge der Führungsstil- und der Kommunikationsstilforschung wird insbesondere durch Erkenntnisse der kommunikationspsychologischen Führungsforschung gebildet. Sowohl bei der Darstellung der Führungs-, als auch der Kommunikationsstile wurde deutlich, dass sich meist personen- und situationsorientierte Ansätze gegenüberstehen. So ist dies zwangsläufig auch in der kommunikationspsychologischen Führungsforschung der Fall.
Zunächst wird auf personenorientierte Ansätze eingegangen, die insbesondere in Verbindung mit Befunden der Ohio-Studien stehen. Anschließend werden kontingenztheoretische Modelle und die Forschung zur Nortons Systematik dargestellt.
Stech (1983) beschäftigte sich als erster intensiv mit den Ohio-Studien als Grundlage für die Beschreibung von Kommunikationsstilen von Führungskräften. Für Stech (1983) besteht die Führungsaufgabe hauptsächlich aus Kommunikation. Und da Führungskräfte einen bestimmten Führungsstil haben, muss dieser durch einen entsprechenden Kommunikationsstil übertragen werden. Im Gegensatz zur nur abstrakt fassbaren Führung, ist das Kommunikationsverhalten direkt beobachtbar. Nach Stech (1983) ist die Erforschung des Phänomens „Führung“ nur mit Hilfe der Kommunikationsprozesse möglich. Bei seinen Überlegungen unterscheidet Stech (1983) gemäß den Ergebnissen der Ohio-Studien zwischen aufgabenorientierten und mitarbeiterorientierten Kommunikationsstilen. Die mitarbeiter- orientierte Führungskraft legt grundsätzlich mehr Wert auf Kommunikation und kommuniziert eher informell, persönlich und positiv. Die aufgabenorientierte Führungskraft neigt zur formellen, arbeitsbezogenen und kritischen Kommunikation.
Stech (1983) beschäftigte sich ebenfalls mit dem Verhaltensgitter von Blake und Mouton (1968) und dem idealisierten „9/9“-Führungsstil. Diesen Führungsstil sieht Stech (1983) als durchaus möglich an. Eine Kombination von aufgaben- und mitarbeiterorientiertem Kommunikationsstil ist demnach anzustreben, um eine erfolgreiche Grundlage für die Kommunikation mit dem Mitarbeiter zu ermöglichen. Um diese Ausführungen theoretisch zu untermauern, nutzt er das Modell des Interpersonalen Circumplex von Leary (1957), welches die zwei orthogonalen Dimensionen Dominanz und Liebe annimmt. Stech (1983) sieht einen engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Dimensionen und den beiden unabhängigen Achsen Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung des Verhaltensgitters. Dadurch, dass für Stech (1983) der Führungs- und Kommunikationsstil sehr eng miteinander verbunden sind, trennt er diese beiden Begriffe nicht konzeptuell. Das führt dazu, dass sein Inkrement zur Führungsstilforschung relativ gering bleibt.
Auch Darling (1991) bezieht sich auf die Ohio-Studien. Er überträgt das Social Style Model von Bolton und Bolton (1984) auf die Kommunikationssituation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Im Social Style Model postulierten Bolton und Bolton (1984) vier soziale Stile: analytisch, liebenswürdig, treibend und ausdrucksstark. Den analytischen Stil bezeichnet Darling (1991) als prozessorientiert, wobei der Fokus der Kommunikation auf Fakten und Kontrolle liegt. Er ordnet ihn der Dimension Aufgabenorientierung zu. Auch den treibenden Stil, den Darling (1991) als handlungsorientiert bezeichnet, ordnet er auf Grund der Konzentration auf Ziele, Fristen und Produktivität der Aufgabenorientierung zu. Der liebenswürdige Stil dagegen, der die Kommunikation in Bezug auf Motivation und Emotionen thematisiert und bei Darling (1991) als personenorientiert bezeichnet wird, ordnet er der Dimension Mitarbeiterorientierung zu. Den ausdrucksstarken Stil charakterisiert er als ideenorientiert und beschreibt ihn als offen, kreativitäts- und innovationsfördernd.
Die verhaltensorientierten Führungsstile wurden vielfach dafür kritisiert, dass sie den Einfluss der Situation im Führungskontext vernachlässigen. Als Lösung dieses Problems wurden von verschiedenen Forschern kontingenztheoretische Ansätze diskutiert (z.B. Fiedler, 1967; Reddin, 1981; Sadler, 1970; Tannenbaum & Schmidt, 1958; Vroom & Yetton, 1973). Auf Grundlage der Überlegungen von Sadler (1970) entwickelten Richmond und McCroskey (1979) die Skala Management Communication Style (MCS) zur Erfassung verschiedener Kommunikationsstile von Führungskräften. Angestrebt wurde eine Kombination des Kommunikationsverhaltens mit dem Managementverhalten. Im MCS wurden vier Stile operationalisiert: tell, join, sell und consult. Insbesondere relevant für die Führung sind die beiden Stile tell und join. Während tell eine relativ einseitige und abwärtsgerichtete Kommunikation beschreibt, steht join für die horizontale Interaktion von Führungskraft und Mitarbeiter. In einer Studie haben Richmond, McCroskey und Devis (1982) den Zusammenhang mit den Maßen des MCS und der Zufriedenheit von Mitarbeitern mit ihrer Führungskraft untersucht. Die Ergebnisse zeigten mittlere bis hohe Korrelationen der beiden Maße.
Sagie (1996) untersuchte in einer Studie, inwieweit der Kommunikationsstil der Führungskraft mit Leistungs- und Zufriedenheitsmaßen zusammenhängt. Dabei unterscheidet er den direktiven und den nicht-direktiven Kommunikationsstil. Der direktive Stil ist seiner Auffassung nach eng verwandt mit der Dimension Aufgabenorientierung aus den OhioStudien. Sagie (1996) fand heraus, dass sich der direktive Kommunikationsstil positiv auf die Leistung von Mitarbeitern auswirkt.
Die Unterscheidung in direktive und nicht-direktive Stile wurde von Yrle, Hartman und Galle (2002) aufgegriffen. Neben dem direktiven (coaching) untersuchten sie zusäztlich den partizipativen (counselling) Stil. Yrle et al. (2002) vertreten dabei die kontingenztheoretische Sichtweise und gehen davon aus, dass es nicht die eine beste Art und Weise zu kommunizieren gibt. Einen besonderen Schwerpunkt legten sie auf die Untersuchung der Führungskraft-Mitarbeiter-Beziehung im Rahmen des Ansatzes zu Leader-Member Exchange (LMX). Nach diesem spielt nicht nur die Situation eine Rolle, sondern auch die persönliche Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Entsprechend der Unterscheidung in eine in- und out-group (Graen & Scandura, 1987), gehen Yrle et al. (2002) davon aus, dass die Führungskraft mit den Mitarbeitern der in-group eher partizipativ kommuniziert und den Mitgliedern der out-group eher einen direktiven Kommunikationsstil entgegenbringt. Die Ergebnisse ihrer Studie bestätigen diese Annahmen. Das Ausmaß der wahrgenommenen LMX hing signifikant positiv mit einem partizipativen Kommunikationsstil zusammen. Die Führungskräfte stellten, wie erwartet, den Mitarbeitern der in-group mehr Partizipationsmöglichkeiten und bessere Informationen zur Verfügung als Mitarbeitern der out-group.
Auch die Arbeiten von Norton (vgl. Kapitel 2.2) wurden herangezogen, um die Kommunikationsstile von Führungskräften zu erforschen. Bednar (1982) untersuchte beispielsweise im Rahmen einer Feldstudie den Zusammenhang zwischen dem Kommunikationsstil von Führungskräften und ihrem Führungserfolg. Mit Hilfe der Einschätzungen von Vorgesetzten, Mitarbeitern, Gleichgestellten und den Führungskräften selbst wurden erfolgreiche Führungskräfte in Hinblick auf ihre Leistung verglichen. Die Leistung wurde dabei durch eine Leistungsbeurteilung bzw. Vorgesetztenbeurteilung erfasst. Führungskräfte, die eine außergewöhnliche oder überdurchschnittliche Leistung erbrachten, unterschieden sich qualitativ in ihrem Kommunikationsstil von den weniger leistungsfähigen Führungskräften. Jedoch war kein Stil generell dem anderen überlegen. Je nach Organisation, Rolle und Aufgabenkontext waren unterschiedliche Kommunikationsstile erfolgreich. Es ist also eher davon auszugehen, dass erfolgreiche Führungskräfte ihren Kommunikationsstil den vorliegenden Gegebenheiten anpassen können und damit grundsätzlich eine höhere Kommunikationsfähigkeit einbringen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Ohio-Studien, sowie die Arbeiten von Lewin et al. (1939) und Black und Mouton (1964) zu Führungsstilen prägend für die kommunikationspsychologische Führungsforschung waren. Der autoritäre bzw. kooperative Führungsstil und Mitarbeiter- bzw. Aufgabenorientierung wurden in Konzeptionen zu Kommunikationsstilen von Führungskräften weitgehend übernommen (z. B. von Stech, 1983; Darling, 1991). Auch die Unterscheidung eines direktiven bzw. nicht-direktiven (Sagie, 1996) und offenen bzw. dominanten (Norton, 1977) Kommunikationsstils spiegelt eine ähnliche Auffassung einer bipolaren Dimension wider. Als eine Weiterführung dieser Auffassung können die modernen Führungsstile transformationale bzw. transaktionale und die empowernde bzw. direktive Führung verstanden werden. Diese neueren Konzepte werden im nächsten Kapitel aufgegriffen.
Die meisten Forscher, die sich mit Kommunikationsstilen beschäftigen, kommen zu dem Schluss, dass der Kommunikationsstil zwar relativ stabil, aber auch anpassungsfähig ist und auch sein sollte. So argumentieren Norton (1983) und Schulz von Thun (2003), dass es für eine Person sogar entscheidend ist zu erkennen, welcher Kommunikationsstil in einer Situation angebracht ist und diesen einzusetzen. Diese nötige bewusste Modulierung thematisieren auch Richmond und Martin (1998) mit ihrem Konzept der Versatilität und Reece und Brandt (1998) mit dem style-flexing.
Im Folgenden Kapitel sollen diese Erkenntnisse genutzt werden, um heraus zu kristallisieren, welche Kommunikationsstile eine moderne Entsprechung der traditionellen Forschung bilden könnten. Dazu werden bewährte aktuelle Konzepte der Arbeits- und Organisationspsychologie auf ihre Kernelemente untersucht.
2.2 Autonomie und Kontrolle als wichtige Konzepte der Arbeits- und Organisationspsychologie
Die Forschung im Bereich der Arbeit- und Organisationspsychologie ist seit ihren Anfängen daran interessiert, Faktoren festzustellen, die das Arbeitsleben in einer signifikanten Art und Weise beeinflussen. Besonderes Interesse gilt Einflussgrößen, die die Effizienz und Effektivität der Arbeitsergebnisse steigern. Dabei kommt neben vielfältigen Arbeitsgestaltungsmaßnahmen der erfolgreichen Führung von Mitarbeitern ein besonderer Stellenwert zu. Diese Führung wird durch Führungskräfte umgesetzt, indem sie ihre Mitarbeiter angemessen informieren, koordinieren, beaufsichtigen, motivieren usw. Die Forschung hat vielfach die Frage aufgeworfen, welche Verhaltensweisen in welchen Situationen besonders viel zum Führungserfolg beitragen. Als Antworten wurden mehrfach bestimmte Führungs- und Kommunikationsstile diskutiert (s. Kapitel 2.1). Ab den 1990er Jahren tauchen dazu vermehrt Konzepte in der Führungsforschung auf, die eine stärkere Berücksichtigung des Mitarbeiters durch die Führungskraft in den Mittelpunkt stellen. Dabei wird am intensivsten die transformale (vs. transaktionale) und die empowernde (vs. direktive) Führung diskutiert. Ein grundlegender Bestandteil der transformationalen und empowernden Führung ist dabei die Autonomie, die dem Mitarbeiter übertragen wird. Transaktionale und direktive Führung sind dagegen deutlich durch Kontrolle gekennzeichnet.
Die Bedeutung von Autonomie und ihre motivierende Wirkung wurde schon von Lipmann (1932) erkannt. Sechzig Jahre später wurden in mehr als 90% der erfolgreichsten USAmerikanischen Unternehmen Aufgabenautonomie und ähnliche Formen der Mitarbeiterpartizipaiton praktiziert (Lawler, Mohrman & Ledford, 1995). Dabei wird vielfach angenommen, dass Aufgabenautonomie mit höherer Motivation, Arbeitszufriedenheit und Leistung zusammenhängt (z.B. Argote & McGrrath, 1993; Dwyer, Schwarz & Fox, 1992; Loher, Noe, Moeller & Fitzgerald, 1985; Sperctor, 1986).
Im folgenden Kapitel soll dargestellt werden, dass die Mitarbeiterautonomie einen wichtigen Stellenwert in der Arbeits- und Organisationspsychologie bildet und zahlreichen Konstrukten zur Grunde liegt. Deshalb werden zunächst Modelle und Konzepte sowie zugehörige Forschungsergebnisse, die Autonomie bzw. Kontrolle im Arbeitskontext thematisieren, erläutert (Kap 2.2.1). Hiernach folgen kontingenztheoretische Ausführungen zur operationalen Sicherheit als einen Haupteinflussfaktor, der die positive Wirkung von Autonomie unterstützt (Kap. 2.2.2). In Kapitel (2.2.3) werden abschließend die Befunde zusammengefasst.
2.2.1 Modelle zu Autonomie und Kontrolle im Arbeitskontext
Die Diskussion um Autonomie und Kontrolle des Mitarbeiters in Organisationen findet innerhalb mehrer Modelle statt. In diesem Unterkapitel soll dargestellt werden, dass insbesondere die Forschung zu Arbeitsgestaltungsmaßnahmen, Motivationsprozessen, der transformationalen und der empowernden Führung als ein zentrales Thema die Mitarbeiterautonomie beinhaltet.
2.2.1.1 Job Characteristics Model
Mit Hilfe von vor allem prospektiver Ansätze ist eine dynamische Arbeitsgestaltung möglich, die einen Zuwachs an Autonomie in Bezug auf Arbeitsbedingungen bedeutet. Bei der Arbeitsgestaltung stellt die Arbeitsaufgabe die Schnittstelle zwischen Organisation und Individuum dar (Volpert, 1987). Deshalb wird sie als der wichtigste Ansatzpunkt der Arbeitsgestaltungsmaßnahmen angesehen. Für Emery und Thorsrud (1982) sind folgende Gestaltungsmerkmale die Vorraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche Aufgaben- bewältigung: Ganzheitlichkeit, Anforderungsvielfalt, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, soziale Interaktionen und Autonomie. Unter Autonomie sind hier die „Möglichkeiten der Selbstregulation im Prozess der Aufgabenerfüllung“ (Schuler, 1995, S.193) gemeint. Von der Umsetzung der Autonomie am Arbeitsplatz wird u. a. eine Stärkung des Selbstwertgefühls und der Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung (Ulich, Conrad-Betschart & Baitsch, 1989) sowie eine höhere Leistung (Hackman & Oldham, 1980) erwartet.
Die Weiterverfolgung und Anwendung dieser Ideen findet sich in autonomieorientierten Ansätzen der Arbeitsanalyse und -gestaltung wieder (Schuler, 1995). Dabei wird angenommen, dass die Erhöhung der Motivation grundsätzlich durch das Gewähren von Autonomie geschieht. Die Motivation ist also als Grundmechanismus der Autonomiewirkung zu verstehen und führt wiederum zu positiven Arbeitsergebnissen, wie z. B. einer höheren Leistung. Ein Model, welches explizit die motivationalen Effekte von Aufgabenautonomie thematisiert, ist das Job Characteristics Model (JCM) von Hackman und Oldham (1975, 1976, 1980). Dieses Modell wurde vielfach beforscht und stellt eines der einflussreichsten Theorien zu Arbeitsmotivation dar. Im Folgenden wird das JCM vorgestellt und relevante Forschungsergebnisse sowie kritische Beiträge diskutiert.
Hackman und Oldham (1975) nehmen in ihrem JCM an, dass sich das motivationale Ausmaß einer Arbeitstätigkeit aus den fünf Merkmalsausprägungen bzw. Kernvariablen dieser Tätigkeit zusammensetzt (zur Verdeutlichung der Wirkrichtung und des angenommenen Zusammenhangs der einzelnen Merkmale, siehe Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Das Job Characteristics Model mit Formel nach Hackman und Oldham (1980, S. 77, 81) aus Schuler (1995).
Die Kernvariable Variabilität der Tätigkeit soll dem Mitarbeiter die Möglichkeit bieten, möglichst alle seiner Kompetenzen und Fähigkeiten bei der Tätigkeit einzusetzen. Ein weiteres Kernmerkmal der Arbeit ist die Vollständigkeit der Aufgabe (vgl. Hacker, 1986). Die Wichtigkeit bzw. Bedeutsamkeit der Arbeit sollte auch für andere Personen nachvollziehbar sein, um die erlebte Sinnhaftigkeit beim Mitarbeiter zu fördern. Feedback, welches dem Mitarbeiter durch die Arbeit selbst gegeben wird, ermöglicht es, das Endergebnis nach dem individuellen Maßstab zu bewerten. Nicht zuletzt ist die Autonomie bei der Aufgabenerledigung im JCM eine entscheidende Kernvariable. Diese ermöglicht Handlungsspielraum und Unabhängigkeit und führt beim Mitarbeiter in erster Linie zur erlebten Verantwortung. Dabei definieren Hackman und Oldham Autonomie mit: „The degree to which the task provides substantial freedom, independence, and discretion in scheduling the work and in determining the procedures to be used in carryind it out” (1980, S. 79).
Die Wirkungsweise ist jedoch nicht für jede Kernvariable gleich. Hackman und Oldham (1975) nehmen kompensatorische Ausgleichsmöglichkeiten für die ersten drei Merkmale an (Formel in Abbildung 1). In ihrem Durchschnitt wirken diese drei Merkmale unmittelbar auf die erlebte Sinnhaftigkeit der Aufgabe durch den Mitarbeiter. Dies ist als ein psychologischer Erlebniszustand zu verstehen, der zu einer erhöhten Motivation beitragen kann. Feedback führt zum Erlebniszustand, in welchem der Mitarbeiter Wissen über die konkreten Arbeitsergebnisse hat. Autonomie und Feedback sind in der Formel multiplikatorisch miteinander verknüpft. Hat eine der beiden Variablen etwa die Ausprägung Null, kann das Gesamtmotivationspotential nur Null betragen. Autonomie kann also nach Hackman und Oldham (1975) nicht wie die ersten drei Merkmale kompensiert werden.
Hackman und Oldham (1980) gehen davon aus, dass die Wirkung der Arbeitsbedingungen zudem davon abhängt, wie stark das individuelle Entfaltungsbedürfnis, also der Wunsch nach Herausforderung, Weiterentwicklung und Selbständigkeit, ausgeprägt ist. Zur Erfassung der Modellkomponenten im Rahmen der theoretischen Annahmen des JCM entwickelten Hackman und Oldham (1975) den Fragebogen Job Diagnostic Survey (JDS). Der JDS wurde und wird vielfach in der Forschung eingesetzt und ist im starken Maße für die Akzeptanz des JCM verantwortlich.
Insgesamt gibt es vielfache empirische Untersuchungen zum JCM. Tiegs, Tetrick und Fried (1992) bestätigten im Allgemeinen die Beziehung zwischen den fünf Kernvariablen, den psychologischen Erlebniszuständen und den Ergebnisvariablen. Die Ergebnisvariable mit dem höchsten Zusammenhang mit dem Modell ist meist die Arbeitszufriedenheit (Fried, 1991) und Leistung (Spector, 1986). Der Moderatoreffekt des individuellen Entfaltungsbedürfnisses wurde von Loher, Noe, Moeller und Fitzgerald (1985) in meta-analytischen Untersuchungen bestätigt. Jedoch wird u. a. kritisch angemerkt, dass der postulierte mathematische Zusammenhang bezüglich der additiven Verknüpfung von Variablen empirisch oft nicht bestätigt werden konnte (Schuler, 1995).
Beispielhaft für Studien auf Basis des JCM sollen im Folgenden die beiden Untersuchungen von Farh und Scott (1983) und Dodd und Ganster (1996) vorgestellt werden, die wichtige Anhaltspunkte zur Wirkungsweise und der Operationalisierung von Autonomie geben. Anschließend wird eine Metaanalyse von Spector (1986) mit generalisierten Befunden vorgestellt.
Farh und Scott (1983) nutzten das JCM als Ausgangspunkt für ein Experiment, um zu untersuchen, wie sich Autonomie auf Leistung auswirkt. Diese Untersuchung war die erste, die mit Hilfe einer orthogonalen Manipulation eine der Kernvariablen des JCM experimentell untersucht hat. Farh und Scott (1983) begründeten ihre Entscheidung für die Kernvariable damit, dass Hackman und Oldham (1976) für Autonomie einen direkteren Effekt auf das Verhalten sowie eine größere Vielfältigkeit der Effekte annehmen als für die anderen Variablen des JCM. Farh und Scott (1983) betonten, dass nicht die objektive Ausprägung der Kernvariablen ausschlaggebend ist, sondern ihre Wahrnehmung durch den Mitarbeiter. Wenn man also das Verhalten oder die Einstellungen des Mitarbeiters vorhersagen möchte, ist es nötig, seine subjektive Einschätzung der Kernvariablen zu erfassen. Im Experiment wurden mehrere Bedingungen realisiert, von denen die autonome und kontrollierte von Bedeutung waren. In der autonomen Bedingung konnten die Versuchspersonen die Reihenfolge der Aufgaben und den jeweiligen Zeitaufwand selbst bestimmen, während in der kontrollierten Bedingung klare Vorgaben herrschten. Unter der realistischen Annahme, dass die alltägliche Arbeit meist aus vielfältigen Aufgaben besteht, haben Farh und Scott (1983) drei unterschiedliche Aufgaben generiert.
Die aufgestellte Hypothese, die einen positiven Zusammenhang zwischen Autonomie und einer Leistungserhöhung annimmt, konnten Farh und Scott (1983) nicht bestätigen, obwohl die Versuchspersonen in der autonomen Bedingung von einer höheren Autonomie berichteten. Drei Erklärungen wurden von den Autoren für diesen contraintuitiven Befund angebracht. Erstens könnte es sein, dass dadurch, dass die kommunizierte Instruktion in der nicht- autonomen Bedingung durch die vielen Annahmen komplexer war als in der autonomen Gruppe, die Versuchspersonen höhere intellektuelle Stimulierung erfahren haben. Zweitens haben Personen in der autonomen Bedingung evtl. mehr Zeit für die Entscheidung aufgewendet, welche Aufgabe sie zuerst bearbeiten wollen. Die dritte Erklärung beruht auf einer Beobachtung u. a. von Scott (1969). So ist es wahrscheinlich, dass die kurze Zeit für die Aufgabenerledigung nicht ausgereicht hat, um die höhere intrinsische Motivation in der autonomen Bedingung wirken zu lassen.
In einer ähnlichen Untersuchung haben Dodd und Ganster (1996) die Kernvariablen Autonomie, Variabilität und Feedback systematisch variiert, um ihre Effekte auf die Wahrnehmung und Arbeitsergebnisse zu erforschen. Gleichzeitig gingen sie der Frage nach, wie sich die Veränderung einer einzelnen Kernvariable auf die vier anderen auswirkt. So haben Dunham, Aldag und Brief (1977) beispielsweise vermutet, dass die Variabilität in einem Job nur durch ein gewisses Ausmaß an Autonomie realisiert werden kann. Des Weiteren betonen die Autoren die Wichtigkeit der experimentellen Untersuchungen in diesem Bereich. Nur so kann man Schlüsse über die Unabhängigkeit der Effekte der Kernvariablen auf Arbeitsergebnisse wie etwa die Leistung ziehen.
In ihren Ergebnissen stellten Dodd und Ganster (1996) einen Interaktionseffekt von Autonomie und Variabilität fest. Bei sehr simplen Aufgaben, bei denen man frei nach eigenen Vorstellungen vorgehen konnte, erhöhte sich die Leistung nur geringfügig. Bei komplexeren Aufgaben war der Effekt von Autonomie jedoch deutlich höher. Die Möglichkeit also, die Methode und das Tempo einer komplexen Aufgabe selbst bestimmen zu können, führte zu einer höheren Leistung. Dies bestätigt auch die oben erwähnte Vermutung von Dunham et al. (1977). Ähnliche Ergebnisse in Bezug auf die Komplexität einer Aufgabe haben Campbell und Gingrich (1986) für die Partizipation festgestellt.
Dodd und Ganster (1996) liefern diesen Befund als Erklärung dafür, dass Autonomie in der oben beschriebenen Studie von Farh und Scott (1983) zu keiner Leistungssteigerung geführt hat. Die verwendeten Aufgaben hatten dafür ein zu niedriges Anspruchsniveau. Zusätzlich stellten Dodd und Ganster (1996) eine weitere Interaktion von Autonomie und Feedback fest. Nur bei einem hoch ausgeprägten Feedback und Autonomie zeigte sich eine hohe Leistung. Dieses Ergebnis ist konsistent mit handlungsregulatorischen Annahmen von Carver und Scheier (1981) und Hollenbeck (1989). Feedback führte zur besseren Einschätzung der Ist- Soll-Diskrepanz bei der Aufgabenerfüllung und Personen mit hoher Autonomie konnten zum relevanten Punkt zurückgehen, um dort etwa nach Fehlern zu suchen und die Diskrepanz zu reduzieren. Nach Meinung der Autoren passen die Befunde zu anderen aktuellen arbeitspsychologischen Sichtweisen und Konzepten wie Gruppenautonomie und Empowerment. So gehen Dodd und Ganster (1996) davon aus, dass erst das Vorhandensein von Autonomie bei komplexeren Aufgaben zu wahrem Empowerment führen kann.
In Rahmen einer umfangreichen Meta-Analyse untersuchte Spector (1986) Studien, die sich im Sinne des JCM mit wahrgenommener Autonomie von Mitarbeitern und den damit verbundenen Erfolgvariablen beschäftigen. Spector (1986) nimmt an, dass das Ausmaß der Kontrolle über eine Situation und den damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten einen beachtlichen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Situation und damit auf das Verhalten hat. Die Dimension Autonomie ist dabei von besonderem Interesse, weil sie dem Mitarbeiter reale Kontrolle und Einflussmöglichkeiten bei der Aufgabenerledigung verleiht.
Insgesamt gingen 101 Stichproben aus 88 Studien in die Meta-Analyse ein. Und es wurden 19 berufliche Erfolgsvariablen aufgenommen. Die Ergebnisse für Studien in denen Autonomie in Bezug auf einige Erfolgsvariablen untersucht wurde, sind in Tabelle 2 dargestellt. Es zeigte sich nach Adjustierung für Unreliabilität, dass Autonomie und Leistung mit r = .26 zusammenhängen (18 Studien, N = 6291). Für den Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit wurde ein r = .41 (21 Studien, N = 3448) berechnet.
Tabelle 2
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Spector (1986) merkt an, dass die Ergebnisse zweifellos durch Varianzeinschränkung und unreliable Instrumente teilweise verzerrt sind. Trotz der qualitativen Schwächen einiger Studien und fehlender Kausalbeziehung weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Autonomie eine wichtige Variable im Arbeitsleben darstellt. Spector (1986) schlussfolgerte aus den Erkenntnissen der Metaanalyse, dass eine erhöhte Autonomie im Sinne einer wahrgenommenen Kontrolle durch den Mitarbeiter zu höherer Zufriedenheit, Commitment, beruflichem Rückzugsverhalten, Motivation und Leistung führt (Spector, 1986).
Zusammenfassend stellt das JCM eine gute Ausgangsbasis für die Arbeitsgestaltung dar, um Autonomie am Arbeitsplatz umzusetzen und dadurch Arbeitsergebnisse zu steigern. Die Definition von Autonomie im Rahmen des JCM ist jedoch relativ stark eingegrenzt. So sind Arbeitsgestaltungsmaßnahmen relativ statisch und berücksichtigen nicht konkret die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Zudem spielen einschränkende Situationsfaktoren in den Modellannahmen des JCM keine besondere Rolle. Zwar wird die Motivation im JCM als grundlegender Mechanismus von Autonomie aufgefasst, jedoch beim genaueren Hinsehen nicht hinreichend spezifiziert. Deshalb soll im Folgenden ein Modell vorgestellt werden, das Motivation als ein Resultat von Autonomie in einer sehr differenzierten Art und Weise betrachtet und die Wirkungsweise von Autonomie ausführlicher erklärt.
2.2.1.2 Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan
In der psychologischen Forschung spielt das Thema Autonomie in einer weiteren sehr einflussreichen Forschungstradition eine tragende Rolle. So bildetet das Konzept der Selbstbestimmung von Deci und Ryan (1985, 2000) einen theoretischen Rahmen für Autonomie am Arbeitsplatz. Denn die Selbstbestimmung bezieht sich direkt auf die Handlungsfreiheit einer Person und kann gleichbedeutend mit Autonomie aufgefasst werden. Ihre Wurzeln hat die Selbstbestimmungstheorie (SBT) in der Kognitiven Evaluationstheorie von Deci (1975) und Deci und Ryan (1980). Die Kognitive Evaluationstheorie ihrerseits basiert auf Beobachtungen von extrinsischen Motivatoren auf die intrinsische Motivation von Personen. Würde man jedoch der simplen Annahme Glauben schenken, die intrinsische Motivation würde generell durch extrinsische Anreize wie Geld absolut zu Nichte gemacht werden, wäre eine Übertragung der Theorie auf den Arbeitskontext kaum möglich. Intrinsische Motivation am Arbeitsplatz wäre für (bezahlte) Arbeitnehmer demnach nicht möglich. Ryan, Connell und Deci präsentierten 1985 eine differenziertere Sichtweise, indem sie mit Hilfe des Integrations-Konzeptes erklärten, wie zunächst vollkommen extrinsisch motiviertes Verhalten nach einiger Zeit fast ganz intrinsisch werden kann. Zusammen mit Erkenntnissen über individuelle Unterschiede in kausalen Orientierungen von Personen führte dies zur Formulierung der SBT.
Eine wichtige Unterscheidung, die die SBT vornimmt, ist die zwischen einer autonomen und kontrollierten Motivation (Gagné & Deci, 2005). Diese beiden Motivationsarten beschreiben den Bezug einer Person zu einer Handlung, beispielsweise zu einer Aufgabe oder einer Gruppe von Handlungen, wie etwa einem Job. Die autonome Motivation strebt ein willentliches Handeln mit der Wahrnehmung der potentiellen Wahlmöglichkeiten an. Die intrinsische Motivation ist nur ein Beispiel für eine vollkommene autonome Motivation. Wenn also Leute eine Aktivität wählen, weil sie sich für dafür interessieren, tun sie dies freiwillig (autonom). Die SBT geht davon aus, dass die autonome und kontrollierte Motivation sich in ihren regulatorischen Prozessen und der einhergehenden Erfahrung unterscheiden. So kann Verhalten dahingehend charakterisiert werden, zu welchem Grad es autonom oder kontrolliert ist (Gagné & Deci, 2005). Während also intrinsisch motiviertes Verhalten prototypisch autonom ist, kann die extrinsische Motivation verschiedene Ausmaße auf dem Kontinuum Autonomie-Kontrolle annehmen. So kann eine Person auch autonom motiviert sein, wenn sie Charakteristika einer Tätigkeit, wie etwa mit einer Aufgabe verbundene Wertvorstellungen, vollständig in ihr Selbst übernommen hat und hinter diesen steht. In diesem Falle spricht die SBT von einer integrierten extrinsischen Motivation. Ist aber im Gegenteil eine Handlung vollkommen kontrollierend zustande gekommen, ist diese fremdbestimmt und führt zur reinsten Form der extrinsischen Motivation, der externalen extrinsischen Motivation. Diese beiden Motivationsarten und noch zwei dazwischen liegende Stufen der extrinsischen Motivation sind in Abbildung 2 dargestellt.
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Abbildung 2. Darstellung der extrinsischen und intrinsischen Motivation und ihrer Charakterisierungen nach Gagné und Deci 2005.
Schließlich nehmen Deci und Ryan (1985, 2000) in ihrer SBT drei psychologische Grundbedürfnisse an, die jeder Mensch in sich trägt. Dies sind die Bedürfnisse nach Kompetenz, Sozialität und Autonomie. Es wird angenommen, dass diese Grundbedürfnisse grundlegend für das Wohlbefinden eines jeden Menschen sind. Diese Annahme wurde mehrfach in Studien bestätigt (vgl. Kagitcibasi, 1996; Ryan & Deci, 2001; Ryff & Singer, 1998). Gagné und Deci (2005) argumentieren, dass eine Arbeitsumwelt, die die Grundbedürfnisse befriedigen kann, intrinsische oder internalisierte extrinsische Motivation hervorruft und damit entscheidend positiv auf Arbeitsergebnisse einwirkt.
Die SBT weist auch Verbindungen der zu anderen Theorien auf, die das Thema Autonomie betreffen. Die vor allem in Deutschland entwickelte Handlungsregulationstheorie (z.B. Frese & Sabini, 1991; Hacker, 1994) beinhaltet als wichtiges Konzept die Entscheidungsfreiheit (decision latitude), welche das Setzen von eigenen Zielen behandelt und damit im Autonomie- Konzept der SBT vertreten ist. Es wird angenommen, dass durch die Entscheidungsautonomie Motivation und Handlungsergebnisse maximiert werden. So zeigte Frese (1989), dass Autonomie in Verbindung mit optimaler Komplexität der Aufgabe zu optimaler Leistung führt. Bei einem Vergleich der SBT und des JCM werden einige konzeptuelle Unterschiede deutlich. Das JCM versucht zu erklären, durch welche Arbeitsgestaltungsmaßnahmen eine höhere Arbeitsmotivation erzeugt werden kann. Die SBT thematisiert dagegen spezifisch, wie Arbeitsmerkmale eine integrierte autonome Motivation fördern können (Gagné, Senécal & Koestner 1997).
Weiterhin unterscheidet das JCM nur eine Art von Motivation, während die SBT vier verschiedene Arten der extrinsischen Motivation anbietet und ihre Austauschbeziehung thematisiert. Diese Differenzierung scheint wichtig zu sein; denn Johns, Xie und Fang (1992) konnten zeigen, dass ein Arbeitsplatz, der hohes Motivationspotenzial bietet, nur bei Mitarbeitern zu einer höheren Leistung führte, deren Bezahlung und Beförderung nicht mit der Arbeitsleistung kontingent war. Nur autonom orientierte Mitarbeiter, die aufgrund der Internalisierung ihrer Arbeit nicht von extrinsischen Motivatoren angetrieben wurden, profitierten von Autonomie gewährenden Arbeitsgestaltungsmaßnahmen.
Ferner fokussiert die SBT nicht nur auf Jobcharakteristiken, um autonome Motivation zu erzeugen, sondern betont auch den interpersonalen Stil der Führungskraft. Deci, Connell und Ryan (1989) stellten in ihren Untersuchungen fest, dass Autonomie unterstützende Führungskräfte, die beispielsweise zur Initiative ermunterten und kein kontrollierendes Feedback gaben, in ihren Mitarbeitern ein höheres Vertrauen in die Organisation hervorriefen. Die Mitarbeiter waren zudem positiver gegenüber ihrer Arbeit eingestellt, als dies bei einer kontrollierenden Führungskraft der Fall war.
Fasst man die Forschung zur SBT zusammen, findet man zahlreiche Ergebnisse, die die positive Rolle von Autonomie am Arbeitsplatz bestätigen. So finden sich zahlreiche Studien, die belegen, dass Autonomieunterstützung durch die Führungskraft zu höherer Arbeitszufriedenheit, Persistenz, Akzeptanz für organisationalen Wechsel, psychologische Ausgeglichenheit und Leistung führen (Baard, Deci & Ryan, 2004; Deci, Ryan, Gangé, Leone, Usunov & Kornazheva, 2001; Gangé, Koestner & Zuckerman, 2000; Ilardi, Leone, Kasser & Ryan, 1993; Kasser, Davey & Ryan, 1992). Einige dieser Befunde wurden auch interkulturell belegt. Blais und Briére (1992) fanden heraus, dass sich eine autonomieunterstützende Führung positiv auf die autonome Motivation der Mitarbeiter und dadurch auch auf die Qualität ihrer Arbeit auswirkte. Breaugh (1985) zeigte, dass das Gefühl, Autonomie bei der Arbeit zu haben, zur Erhöhung der Qualität von Leistungsergebnissen führte.
In einer Langzeitstudie zeigten Gangé, Boies, Koestner und Martens (2004), dass die autonome Motivation deutlich mit organisationalem Commitment zusammenhängt. In Feldstudien an Schülern konnte gezeigt werden, dass Autonomie gewährende Lehrer im Gegensatz zu kontrollierenden eine höhere intrinsische Motivation und das Bedürfnis nach Herausforderungen wecken (Deci, Nezlek & Sheinman, 1981; Ryan & Grolnick, 1986). Insbesondere in Situationen, die konzeptuelles und kreatives Denken erforderten, ist die positive Wirkung von Autonomie belegt (Amabile, 1996; Utman, 1997).
Deci und Ryan (1980, 1985, 2000) beschreiben Autonomie als die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit einer Person bei der Ausübung von Aktivitäten. Darunter wird beispielsweise das Setzen von eigenen Schwerpunkten verstanden. Diese Definition ist in der Forschung akzeptiert und entspricht weitestgehend dem Alltagsverständnis von Autonomie. Zudem erlaubt dieses definitorische Verständnis die Möglichkeit autonome Handlungsweisen im Arbeitkontext effizient zu beschreiben sowie Handlungsanweisungen zu formulieren. Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit diese Definition für Autonomie übernommen.
Die SBT hat den Vorteil, dass sie detailliert Prozesse aufzeigt, durch die eine kontrollierte Motivation autonom und demnach fast vollkommen intrinsisch werden kann. Forschungsergebnisse bestätigen diese Annahme über die Existenz verschiedener Arten extrinsischer Motivation und darüber, dass eine integrierte extrinsische (also autonome) Motivation zu positiveren Arbeitsergebnissen führen kann als die reine extrinsische Motivation (Gagné & Deci 2005). Damit stellt sich sogleich die Frage, wie man diese Erkenntnisse am effektivsten nutzen kann. Die vielversprechendste Möglichkeit ist eine an den Erkenntnissen der SBT orientierte Führung. So stützten sich die Ansätze der transformationalen und empowernden Führung mehr oder weniger bewusst auf die SBT.
2.2.1.3 Führungstheoretische Ansätze
Transformationale Führung
In seiner Monographie „Leadership“ identifizierte Burns (1978) zwei Typen von politischen Führern: den transformationalen und transaktionalen Führer. Dabei beschrieb er den transaktionalen Führer als jemanden der vorrangig am Austausch von Ressourcen interessiert ist und entsprechend nur in solchen Situationen den Kontakt zum Untergebenen sucht. Transaktionale Führer führen durch Kontrollieren und Überwachen von Arbeitsprozessen (Bass, 1985). Transformationale Führer sind dagegen in der Lage, Wertvorstellungen, Bedürfnisse und Ansichten ihrer Gefolgsleute zu verändern. Bass (1985) hat diese Ideen von Burns übernommen und auf den organisationalen Führungskontext übertragen. In seinen Ausführungen geht Bass (1985) davon aus, dass für die transaktionale Führungskraft insbesondere Austauschprozesse, die Zielorientierung und Kontrolle an erster Stelle stehen. Im Gegensatz dazu beschreibt er transformationale Führer so (Bass, 1985, S.17):
(They) attempt and succeed in raising colleagues, subordinates, followers, clients, or constituencies to a greater awareness about the issues of consequence. The heightening of awareness requires a leader with vision, self confidence, and inner strength to argue successfully for what is popular or acceptable according to established wisdom of the time. Hier gelingt der Führungskraft durch ihr Verhalten eine Transformation von Werten und Überzeugungen ihrer Mitarbeiter. Dadurch sollte nach Bass (1985) ihre Motivation und schließlich die Leistung gesteigert werden.
Über 20 Jahre später nimmt die Popularität und das Interesse an Ansätzen, die sich mit transformationalen Führungskräften beschäftigen, stetig zu. Nach anfänglicher Zurückhaltung und kritischen Beiträgen (Neuberger, 2002) ist das Konzept der transformationalen und charismatischen Führung, die meist synonym verwendet werden, in Deutschland aufgegriffen und vielfach erforscht worden (Felfe, 2006). Dies kann wohl auch mit der Erwartung an heutige Führungskräfte erklärt werden. Sie müssen neue Probleme auf Grund der zunehmenden Globalisierung und steigendem Wettbewerb besonders gut lösen, nötige Veränderungen bewirken und ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivieren (Felfe, 2006). Bass (1985) betont insbesondere die deutliche Verhaltensorientierung des Konzepts und grenzt dieses dadurch von dem eher mystifizierenden Verständnis des Charisma Webers (1922, 1976) ab.
Aktuelle Metaanalysen (Antonakis, Avolio & Sivasubramaniam, 2003; Judge & Piccolo, 2004; Meyer, Stanley, Herscovitch & Topolnytsky, 2002) bestätigen die Ergebnisse früherer Untersuchungen, die davon ausgehen, dass mit transformationaler Führung zahlreiche positive Konsequenzen verbunden sind. Dazu gehören subjektive Erfolgskriterien wie Zufriedenheit, Commitment, OCB, Selbstwert und Stressbewältigung. Ebenso zeigen Studien positive Auswirkungen einer transformationaler Führung auf objektive Kriterien wie Verkaufszahlen (Geyer & Steyrer, 1994; Howell & Hall-Merenda, 1999; MacKenzie, Podsakoff & Rich, 2001), Patentanzahl (Jung, Chow & Wu, 2003), Unternehmenserfolg (Waldman, Jvidan & Varella, 2004; Waldman, Ramirez, House & Puranam, 2001), Kreativität und Innovationen (Jung, 2000; Sosik, Kahai & Avolie, 1999).
Bass (1985) nimmt vier Dimensionen transformationaler Führung an:
- Idealized Influence: Die Führungskraft fungiert als Vorbild, um Respekt und Vertrauen der Mitarbeiter zu bekommen.
- Inspirational Motivation: Die Führungskraft entwirft attraktive Visionen und überzeugten von der Möglichkeit der Erreichung dieser Visionen.
- Individualized Consideration: Die Führungskraft betreut ihre Mitarbeiter und fördert Bedürfnisse nach Entwicklung und Wachstum.
- Intellectual Stimulation: Die Führungskraft fördert innovatives und kreatives Denken ihrer Mitarbeiter, indem sie altes Verhalten hinterfragt und zu neuen Herangehensweisen animiert.
Die ersten beiden Dimensionen repräsentieren vor allem die charismatische Wirkung der Führungskraft (Avolio, Bass & Jung, 1999). So drückt inspirational motivation die Schaffung und Kommunikation einer Zukunftsvision durch die Führungskraft aus. Die Dimension individualized consideration spiegelt eine ausgeprägte Mitarbeiterorientierung - und Unterstützung der Führungskraft wieder. Während dazu kontrastierend für die transaktionale Führung die Aufgabenorientierung und damit eine stärkere Kontrolle des Mitarbeiters charakteristisch ist. Deutlich drückt die Dimension intellectual stimulation den modernen Anspruch an die notwendig gewordene Innovationsfreudigkeit und Bereitschaft zum Umdenken in Unternehmen aus.
Experimentelle Arbeiten von Awamleh und Gardner (1999) sowie Shea und Howell (1999) konnten zeigen, dass transformationale Führung systematisch variiert werden konnte. Es konnte demnach transformationales Führungsverhalten simuliert werden, welches sich positiv auf die Werte und Einstellungen der Versuchspersonen auswirkte. Ermutigend für die Personalentwicklung sind Befunde darüber, dass transformationale Führung im Führungskräftetrainings erfolgreich trainiert werden konnte (Dvir, Eden, Avolio & Shamir, 2002; Frese, Beimel & Schoenborn, 2003).
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- Arbeit zitieren
- Michael Löwen (Autor:in), 2007, Der Einfluss des Kommunikationsstils von Führungskräften auf die Leistung ihrer Mitarbeiter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86370
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