1. Einleitung
Immer wieder werden Stimmen laut, die ein Verbot der Veröffentlichung von Wahlumfragen für einen bestimmten Zeitraum vor einer Wahl fordern. Diese Diskussion flammt in der Bundesrepublik in regelmäßigen Abständen wieder auf: Teils, indem explizit ein Verbot gefordert wird, teils aber auch implizit – wie etwa in der umfassenden Medien- und Demoskopen-Schelte durch Gerhard Schröder am Abend des 18. September 2005, in welcher er Medien wie Umfrageinstitute für das schlechte Wahlergebnis der SPD bei der Bundestagswahl verantwortlich machte. Immerhin, in der Bundesrepublik existiert bisher kein Verbot und ist in nächster Zeit auch keines zu erwarten. Nimmt man jedoch eine internationale Perspektive ein, so zeigt sich die Relevanz der Thematik. Im Jahr 2002 untersuchten ESOMAR und WAPOR in einer gemeinsamen Studie 66 Länder hinsichtlich ihrer Restriktionen bei der Veröffentlichung von Wahlumfragen – in 30 der untersuchten Länder gab es Einschränkungen bzw. Verbote, das entspricht einem Anteil von 46 Prozent.
Ist die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen in einem Land für einen bestimmten Zeitraum verboten, so wird dies in der Regel damit begründet, dass so eine mögliche Manipulation des Wählerwillens durch Demoskopen verhindert werden solle. Die damit verbundene Einschränkung grundlegender Freiheitsrechte jedoch ist nicht zu unterschätzen: Beschnitten wird die Freiheit der Forschung, die wirtschaftliche Freiheit der Umfrageinstitute, die Pressefreiheit und nicht zuletzt die Informationsfreiheit eines jeden Bürgers. Darüber hinaus – und dies ist entscheidend für alle Staaten mit einem demokratischen Selbstverständnis – lassen derartige Restriktionen Zweifel am Bild des Wählers als „eigenverantwortlicher Staatsbürger, der selbst für sich am besten weiß, was für ihn gut und was für ihn schlecht ist“ vermuten. Aus demokratietheoretischer Sicht wäre dies eine bedenkliche Entwicklung.
Die mit einem Veröffentlichungsverbot einhergehenden Kosten wiegen also schwer in der einen Wagschale. Auf der anderen Seite liegt der mögliche und erhoffte Gewinn derartiger Restriktionen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Wirkung von Wahlprognosen auf den Wahlausgang
- 2.1 Mögliche Effekte auf die Wahlbeteiligung
- 2.1.1 Hypothesen
- 2.1.2 Befunde zu möglichen Effekten auf die Wahlbeteiligung
- 2.2 Mögliche Effekte auf die Entscheidung für einen Kandidaten/eine Partei
- 2.2.1 Hypothesen
- 2.2.2 Befunde zu möglichen Effekten auf die Entscheidung für einen Kandidaten/eine Partei
- 3. Fazit
- 4. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die möglichen Auswirkungen von veröffentlichten Wahlumfragen auf das Wahlverhalten. Sie befasst sich mit der Frage, ob und inwiefern Umfragen die Wahlbeteiligung und die Stimmabgabe für eine bestimmte Partei beeinflussen können. Dabei werden verschiedene Hypothesen zu möglichen Effekten von Umfragen auf das Wahlverhalten vorgestellt und anhand von empirischen Befunden diskutiert.
- Der Einfluss von Wahlprognosen auf die Wahlbeteiligung (Defätismus- und Lethargie-Effekt)
- Die Auswirkungen von Umfragen auf die Entscheidung für einen Kandidaten oder eine Partei (Bandwagon- und Underdog-Effekt)
- Die Rolle der Medienberichterstattung über Wahlumfragen
- Die Regulierung von Wahlumfragen und die Wahrung der Meinungsfreiheit
- Die Bedeutung des Wählerverhaltens in einer Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit führt in die Thematik der Wahlumfragen und deren möglicher Einfluss auf das Wahlverhalten ein. Es werden die Argumente für und gegen ein Verbot der Veröffentlichung von Wahlumfragen vor einer Wahl beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die Wirkung von Wahlprognosen auf den Wahlausgang detailliert untersucht. Hier werden die möglichen Effekte von Umfragen auf die Wahlbeteiligung und die Entscheidung für einen Kandidaten oder eine Partei betrachtet. Es werden verschiedene Hypothesen vorgestellt und anhand von empirischen Befunden diskutiert.
Schlüsselwörter
Wahlumfragen, Wahlprognosen, Wahlverhalten, Wahlbeteiligung, Stimmabgabe, Defätismus-Effekt, Lethargie-Effekt, Bandwagon-Effekt, Underdog-Effekt, Medienberichterstattung, Demokratie, Meinungsfreiheit, Regulierung.
- Arbeit zitieren
- Herbert Flath (Autor:in), 2006, Hypothesen über Einflüsse von veröffentlichten Wahlumfragen auf das Wahlverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86393