Das Fremde und Unerforschte übt seit je her eine große Faszination auf den Menschen aus: neue Länder und Kontinente galt es zu besiedeln oder durch technische Fortschritte und Erfindungen die Welt zu erklären. Eine Welt die lange Zeit unerforscht und fremd blieb, ist die Wasserwelt. Dadurch konnten die Legenden und Mythen über ihre Bewohner, die uns heute noch immer faszinieren, entstehen und sich verbreiten.
Schon seit der Antike existiert der Mythos um Wasserwesen, die Seefahrer betören und vom rechten Weg abbringen wollen. Zumeist wurde diesen stummen, seelenlosen Wesen das weibliche Geschlecht zugeschrieben, angefangen von den Sirenen, die Odysseus verführen wollen bis hin zu Andersenes kleiner Meerjungfrau oder Heinrich Heines Lorelei. Es sind Seefrauen die aus Liebe zu einem Menschen ihr Element verlassen, auf der Erde jedoch kein Glück finden und schließlich wieder in die Wassertiefen zurückkehren müssen, für den Menschen eine kalte und fremde Parallelwelt. Frauen haben sich über viele Jahrhunderte wohl ähnlich gefühlt wie diese Wasserwesen: gefangen in ihrer Welt, zum Sexobjekt degradiert und ohne eigene Stimme.
Ich werde in meiner Arbeit die Geschichte des Mythos um die Meeresfrauen, Undinen und Nixen an drei bedeutenden, literarischen Beispielen aus der Zeit der Antike und dem 19. Jahrhundert darstellen und dabei besonderes Augenmerk auf die Konstruktion der Weiblichkeit innerhalb der einzelnen Werke legen. Im Anschluss werde ich Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ aus dem Jahre 1961 als eine der aktuelleren Auseinandersetzungen mit dem Thema genauer analysieren und die Sonderstellung des Textes für die Undinentradition auf formaler und inhaltlicher Ebene herausarbeiten.
Der Name Undine (lat. kleine Welle) ist von Paracelsus inspiriert, einem Mitte des 16. Jahrhunderts in der Schweiz und in Österreich lebenden Arzt und Alchemisten, der in seiner naturmystischen Elementargeisterlehre „Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus“ versucht die Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung neu zu bestimmen. Die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft spielen dabei eine wesentliche Rolle und werden jeweils mit einem bestimmten Geistwesen in Verbindung gebracht wird. So berichtet Paracelsus von verschiedene Erd-, Luft-, Feuer- und Wassergeistern, zu denen er unter anderem die Undinen und Nymphen zählt. Er beschreibt sie als Geistmenschen, die im Wasser zu Hause sind, so wie die Menschen an der Luft.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die literarischen Umsetzung des Undinen-Mythos bis zum 19. Jh
- Die Wasserwesen als Teil der 4-Elemente-Lehre des Paracelsus
- Friedrich de la Motte Fouqués „Undine“
- „Die kleine Meerjungfrau“ - ein Märchen von H.C. Andersen
- Undine im 20. Jahrhundert: Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“
- Erzählperspektive
- Undines Kritik an der patriarchalen Gesellschaft
- Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur klassischen Undine-Literatur
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konstruktion von Weiblichkeit im Undinen-Mythos, von Paracelsus bis Bachmann. Die Zielsetzung besteht darin, die literarische Umsetzung des Mythos an ausgewählten Beispielen zu analysieren und die Entwicklung des Bildes der Undine im Laufe der Jahrhunderte aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk liegt auf Ingeborg Bachmanns "Undine geht" und deren Position innerhalb der Undine-Tradition.
- Die Entwicklung des Undinen-Mythos von Paracelsus bis ins 20. Jahrhundert
- Die Konstruktion der Weiblichkeit in verschiedenen literarischen Darstellungen der Undine
- Der Einfluss der jeweiligen Epoche auf die Interpretation des Mythos
- Eine detaillierte Analyse von Ingeborg Bachmanns "Undine geht"
- Vergleich der verschiedenen literarischen Umsetzungen des Mythos und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Wasserwesen und deren mythische Bedeutung ein. Sie beschreibt die Faszination des Menschen für das Unerforschte, insbesondere die Wasserwelt und ihre Bewohnerinnen, und skizziert die Rolle der Wasserfrau als verführerisches, seelenloses Wesen in der Literatur. Die Arbeit fokussiert auf die literarische Darstellung der Undine und deren Konstruktion der Weiblichkeit, anhand ausgewählter Beispiele aus verschiedenen Epochen, mit besonderem Fokus auf Ingeborg Bachmanns "Undine geht".
1. Die literarischen Umsetzung des Undinen-Mythos bis zum 19. Jh.: Dieses Kapitel untersucht die literarische Entwicklung des Undinen-Mythos bis ins 19. Jahrhundert. Es beginnt mit Paracelsus' naturmystischer Betrachtung der Wassergeister als Teil seiner Vier-Elemente-Lehre. Paracelsus' Darstellung, obwohl geschlechtsneutral angelegt, prägt die Vorstellung der Undine als weibliches Wesen. Die Spaltung in die "gute" Undine und die "böse" Melusine etabliert ein ambivalentes Bild der Weiblichkeit. Das Kapitel analysiert dann Fouqués "Undine", die die Wasserfrau erstmals als individualisiertes Wesen darstellt, und betrachtet "Die kleine Meerjungfrau" als weiteres Beispiel für die literarische Auseinandersetzung mit dem Thema.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeit: Analyse der literarischen Umsetzung des Undinen-Mythos
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert die literarische Umsetzung des Undinen-Mythos von Paracelsus bis Ingeborg Bachmann. Der Fokus liegt auf der Konstruktion von Weiblichkeit in verschiedenen Epochen und der Entwicklung des Undine-Bildes im Laufe der Jahrhunderte. Besondere Aufmerksamkeit erhält Ingeborg Bachmanns Erzählung "Undine geht" und deren Position innerhalb der Undine-Tradition.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht die Entwicklung des Undinen-Mythos über die Jahrhunderte, die Konstruktion von Weiblichkeit in verschiedenen literarischen Darstellungen, den Einfluss der jeweiligen Epoche auf die Interpretation des Mythos, Ingeborg Bachmanns "Undine geht" im Detail und vergleicht verschiedene literarische Umsetzungen des Mythos hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Welche Texte werden analysiert?
Die Arbeit analysiert unter anderem die naturmystische Betrachtung der Wassergeister bei Paracelsus, Friedrich de la Motte Fouqués "Undine", Hans Christian Andersens "Die kleine Meerjungfrau" und vor allem Ingeborg Bachmanns "Undine geht".
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über die literarische Umsetzung des Undinen-Mythos bis zum 19. Jahrhundert, ein Kapitel über Ingeborg Bachmanns "Undine geht" im 20. Jahrhundert und ein Fazit. Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Faszination des Menschen für Wasserwesen. Das erste Kapitel behandelt Paracelsus, Fouqué und Andersen. Das zweite Kapitel analysiert Bachmanns Erzählung hinsichtlich Erzählperspektive, Kritik an der patriarchalen Gesellschaft und Gemeinsamkeiten/Unterschiede zur klassischen Undine-Literatur.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die literarische Umsetzung des Undinen-Mythos an ausgewählten Beispielen zu analysieren und die Entwicklung des Bildes der Undine im Laufe der Jahrhunderte aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Analyse von Ingeborg Bachmanns "Undine geht" und deren Position innerhalb der Undine-Tradition.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind: Undinen-Mythos, Wasserwesen, Weiblichkeit, Literatur, Paracelsus, Fouqué, Andersen, Bachmann, Patriarchat, Epochenvergleich, Mytheninterpretation.
- Citation du texte
- Katharina Bär (Auteur), 2006, Die Konstruktion der Weiblichkeit im Undinen-Mythos von Paracelsus bis Bachmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86424