Die Tierdarstellung im altdeutschen Physiologus am Beispiel des Bibers


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Physiologus
1.1 Entstehungsgeschichte und Aufbau des Physiologus
1.2 Der Physiologus, ein „Zoologiebuch des Mittelalters“?
1.3 Der vierfache Schriftsinn als Instrument der Deutung des Physiologus

2. Text und Übersetzung
2.1 „Der Biber“ im Wiener Prosa-Physiologus
2.2. Hochdeutsche Übersetzung

3. Textanalyse der Biberdarstellung im altdeutschen Physiologus
3.1 Ursprung und Inhalt der Biberdarstellung
3.2 Etymologie und medizinhistorischer Hintergrund
3.3 Allegorese der Biberdarstellung

Fazit:

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Biber, ein Tier dem man im heutigen Leben nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit schenkt, geschweige denn eine bestimmte Symbolik zuspricht, steht in der vorliegenden Hausarbeit einmal im Mittelpunkt. Das allgemeine Wissen über besondere Eigenschaften und Bedeutungen vieler Tiere und Fabelwesen, beispielsweise Einhorn oder Phoenix, ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Mit dem Biber werden heutzutage meist nur noch seine kräftigen Nagezähne assoziiert, die beispielsweise in der Zahnpastareklame auftauchen. Die ursprüngliche Fabel ist jedoch nur noch den Wenigsten geläufig. Sie soll in dieser Arbeit als ein Exempel für die Tierbeschreibungen des altdeutschen Physiologus und deren christliche Symbolik dienen. Ich werde zu Beginn auf Ursprung, Überlieferung, sowie allgemeine formale und inhaltliche Merkmale des Physiologus eingehen, bevor ich den altdeutschen Originaltext über den Biber aus der Wiener Prosa-Fassung ins Neuhochdeutsche übersetze. Anschließend beschäftige ich mich mit den naturhistorischen Hintergründen und Interpretationsmöglichkeiten der Biberdarstellung, wobei hier ein besonderes Augenmerk auf den heilsgeschichtlichen und moralischen Deutungsmöglichkeiten der christlichen Allegorese liegen wird.

1. Der Physiologus

1.1 Entstehungsgeschichte und Aufbau des Physiologus

Das Kapitel über den Biber entstammt einem der ältesten Nachschlagewerke über die Natur, dem Physiologus (griech. Physiológos = Naturkundiger).[1] Das Buch, dessen Kern vermutlich schon um das Jahr 200 im ägyptischen Alexandria entstanden ist, erschien ursprünglich in griechischer Sprache, bevor es ins Lateinische und später in viele Volkssprachen übersetzt wurde. Der Umstand, dass auch weniger gebildete Menschen in der Lage waren den Physiologus zu lesen, trug sicherlich dazu bei, dass er als das populärste, mittelalterliche Werk der „didaktischen und christlichen Literatur, das an breiter Wirkung im ganzen Mittelalter nur noch der Bibel selbst nachstand“[2] angesehen wird.

Die Grundlage für den Physiologus stellt eine rein naturkundliche Schrift dar, die durch mehrfache Bearbeitungen anonymer Autoren mit einer christlich-symbolische Dimension versehen wurde. Er enthält verschiedene Naturbeobachtungen und deren Ausdeutungen, insbesondere werden Tiere, Pflanzen und Steine behandelt. Einerseits wurde die Bezeichnung Physiologus als Titel des Werkes verstanden, wofür auch die einführenden Worte in der Millstätter Reimfassung sprechen würden:

„Ir sult an disen stunden von wises mannes munde eine rede suochen an disem buoche. Physiologus ist ez genennet, von der tiere nature ez uns zellet“.[3]

Andererseits wird davon ausgegeangen, dass es sich bei dem „Naturkundigen“ um den anonyme Verfasser des Werkes handelt, da er mehrfach in den einzelnen Abschitten als Berichterstatter der Geschichten erwähnt wird.[4]

Der Aufbau der 48 Kapitel gestaltet sich stets auf ähnliche Weise: zuerst werden naturkundliche Informationen, beispielsweise ein besonderes Verhalten oder Aussehen eines Tieres, geschildert, die dann im Folgenden mit einer christlich-allegorischen Bedeutung versehen werden. Die Tiere stehen zumeist symbolisch für Christus oder den Teufel. „Im Physiologus werden die Natureigenschaften personal auf Wesen bezogen, die Tiere [...] erscheinen also als Typen für Christus, den Teufel, den guten Christen etc.“[5] Eine gute, erstrebenswerte, christliche Verhaltensweise, steht der schlechten, moralisch verwerflichen, teuflischen Seite gegenüber. Das Leben des gläubigen Menschen soll in die richtigen Bahnen gelenkt werden, indem das Verhalten oder die Eigenschaft des Tieres, das mit Christus verbunden wird, für ihn als Ideal, Handlungsorientierung oder Vorbild gelten soll.

1.2 Der Physiologus, ein „Zoologiebuch des Mittelalters“?

Gestaltet sich der formale Aufbau der Kapitel des Physiologus, wie oben beschrieben, zumeist gleich, sind die naturwissenschaftlichen Beschreibungen von sehr unterschiedlicher Qualität. Einerseits werden realistische Naturbeobachtungen geschildert, die so präzise sind, dass Wissenschaftler im 20. Jahrhundert das beschrieben Verhalten dokumentieren und bestätigen konnten. Die uns auf den ersten Blick unwahrscheinlich vorkommende Verhaltensweise der Füchsin, die sich tot stellt wenn sie keine Beute findet, um schließlich die Vögel, die sich auf ihrem vermeintlichen Kadaver niederlassen zu fangen und zu fressen, ist eine Tatsache. Genau dieses Verhalten konnte der russische Wissenschaftler F. Rossif 1961 filmisch festhalten.[6] Andererseits besitzen viele Darstellungen einen märchenhaften Charakter und beruhen in keinster Weise auf der Realität. Oftmals erinnern die sehr unglaubwürdigen und fantastischen Erzählungen viel eher an eine Fabel, als an ein naturwissenschaftliches Dokument. Die zeitweise gebrauchte Bezeichnung für den Physiologus, als ein „Zoologiebuch des Mittelalters“, in Frage zu stellen, wie beispielsweise durch Nikolaus Henkel in seinen „Studien zum Physilogus“ ist also durchaus gerechtfertigt.[7] Naturkunde im Dienst der Theologie, ein weiterer Aspekt, der dafür spricht den Physiologus nicht zu den zoologischen Lehrbücher zu zählen. Einzelne Eigenschaften von Tieren werden zugunsten einer angestrebten Glaubenslehre willkürlich herausgegriffen, andere jedoch verschwiegen. Die belebte und unbelebte Natur, als Teil der Schöpfung Gottes, soll dem gläubigen Leser als Anschauungsmaterial für das richtige Handeln dienen. Die ausgeprägte frühchristliche und mittelalterliche Frömmigkeit der Menschen trug dazu bei, dass sie an einen tieferen Sinn in den Phänomenen der Natur glaubten und besonders empfänglich für diese Lehren waren. Jedoch wurden die Geschichten aus dem Physiologus nicht nur leichtgläubig internalisiert, schon damals wurde auch die Frage nach ihrem naturgeschichtlichen Wahrheitsgrad gestellt und innerhalb der Möglichkeiten der mittelalterlichen Kenntnisse untersucht.[8]

[...]


[1] Henkel, Nikolaus: Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen: Niemeyer 1976. S. 12.

[2] Nischik, Traude-Marie: Das volkssprachliche Naturbuch im späten Mittelalter. Sachkunde und Dinginterpretation bei Jacob von Maerlant und Konrad von Megenberg. Tübingen: Niemeyer 1986 (Hermaea, Germanistische Forschungen N.F. Bd. 48). S. 15.

[3] Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem lateinischen Text und dem altdeutschen Physiologus). Hrsg. von Friedrich Maurer. Tübingen: Niemeyer 1967. S. 3.

[4] Lauchert, Friedrich (Hrsg.): Geschichte des Physiologus. Genf 1974 (Nachdruck der Ausgabe Straßburg: 1889) S. 229ff.

[5] Schmidtke, Dietrich: Geistliche Tierinterpretationen in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters (1100-1500). 2 Teile. Dissertation FU Berlin: 1968. S. 57.

[6] Vgl. Michel, Paul: Tiere als Symbol und Ornament. Möglichkeiten und Grenzen der ikonographischen Deutung. Wiesbaden: Reichert 1979. S. 52-53.

[7] Vgl. Henkel, Nikolaus: Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen: Niemeyer 1976. S. 139 ff.

[8] Vgl. ebd. S. 145.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Tierdarstellung im altdeutschen Physiologus am Beispiel des Bibers
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Mittelhochdeutsche Fachliteratur
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V86426
ISBN (eBook)
9783638020961
ISBN (Buch)
9783638924467
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tierdarstellung, Physiologus, Fachliteratur, Biber, Mittelhochdeutsch, Tiermythologie
Arbeit zitieren
Katharina Bär (Autor:in), 2007, Die Tierdarstellung im altdeutschen Physiologus am Beispiel des Bibers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86426

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Tierdarstellung im altdeutschen Physiologus am Beispiel des Bibers



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden