Völkerschauen in Europa


Seminararbeit, 2007

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Völkerschauen
1.1 Der Weg der Völkerschauen in die Zoologischen Gärten Europas
1.1.1 Vorläufer der Völkerschauen
1.1.2 Zoologische Gärten als Veranstaltungsorte für Völkerschauen
1.2 Der Anspruch auf ‚Authentitzität’ und Wissenschaftlichkeit
1.2.1 Völkerschauen und Wissenschaft
1.2.2 Die Frage der ‚Authentizität’ der Völkerschauen
1.3 Die Inszenierung der Schauen und Publikumsreaktionen
1.3.1 Die Ausgestellten
1.3.2 Kultur als Schauspiel
1.3.3 Rolle und Reaktionen des Publikums auf die Schauen
1.4 Deutsche Kolonialausstellungen
1.4.1 Intentionen der Kolonialausstellungen
1.4.2 ‚Exotik’ auf den Kolonialausstellungen
1.5 Das Ende der Zurschaustellung ‚exotischer’ Menschen

2. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In einer Zeit der florierenden Vergnügungsindustrie ab Mitte des 19. Jahrhunderts zogen zahlreiche Völkerschau-Impresarios mit ihren ‚Karawanen’ durch Europa. Besonders nach dem Einzug des Tierhändlers Carl Hagenbeck in das Gewerbe ab etwa 1870 erfreuten sich diese Veranstaltungen großer Beliebtheit in der Bevölkerung. Das große wissenschaftliche Interesse an den Teilnehmern der Völkerschauen ermöglichte den Veranstaltern einen Wechsel nicht nur des Ausstellungsortes vom Jahrmarkt in den Zoologischen Garten, sondern auch den Ausbau der Akzeptanz in der Bevölkerung. Dieses Ansehen in Kombination mit der stereotypen Darstellungsweise der nicht-europäischen Menschen trug dazu bei, die neu entstandenen Evolutions- und Rassentheorien, die die Überlegenheit der europäischen gegenüber den nicht-europäischen Menschen proklamierten, in den Köpfen der EuropäerInnen zu festigen.

Da in den Völkerschauen ein Grund für die in Europa vorherrschenden Auffassungen über nicht-europäische Menschen gesehen werden kann, sind Völkerschauen für die Afrikanistik von äußerstem Interesse. Die stereotypen Vorstellungen des ‚Fremden’, die die Grundlage für die Schauen boten und in diesen noch verschärft wurden, sind noch heute deutlich erkennbar – beispielsweise in der Werbung, wo die ‚Exotik’ häufig als Blickfang dienen soll. Doch nicht nur Völkerschauen sondern auch Kolonialausstellungen trugen dazu bei, dass Vorurteile sich in den Köpfen der Menschen festsetzten.

1. Völkerschauen

In Europa haben Völkerschauen eine lange Tradition. Zu Zeiten der Entdeckungsfahrten brachten Reisende Bewohner der eroberten Gebiete mit, um diese ihren Herrschern zu präsentieren. Columbus zum Beispiel brachte von seiner zweiten Amerikareise ‚IndianerInnen’ nach Europa, die dann zu besonderen Anlässen den höfischen Gesellschaften als Sensation vorgeführt wurden.[1] Erst im 19. Jahrhundert begann man die Völkerschauen auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Impresarios vor allem auf Jahrmärkten zu sehen, hatten als solche Attraktionen jedoch nicht den besten Ruf. Erst gegen Ende dieses Jahrhunderts erlangten die Völkerschauen eine nie mehr übertroffene Popularität und wurden ein wichtiger Zweig des Unterhaltungsgeschäftes. Ausschlaggebend hierfür war unter anderem das sich entwickelnde Interesse von Anthropologen und Ethnologen an den Nicht-Europäern. Dadurch bot sich den Veranstaltern der Schauen die Möglichkeit sich von den Jahrmarktsattraktionen abzugrenzen und ihren Anspruch auf (vermeintliche) Wissenschaftlichkeit zu betonen.

1.1 Der Weg der Völkerschauen in die Zoologischen Gärten Europas

Durch das rege Interesse von Wissenschaftlern an nicht-europäischen Menschen wechselten die Ausstellungen von Jahrmärkten und Zirkussen in Zoologische Gärten. Dies ist ein wesentliches Element der Völkerschauen, da durch die Präsentation der Menschen in Zoos die angebliche Wissenschaftlichkeit der Darbietungen unterstrichen wurde.

1.1.1 Vorläufer der Völkerschauen

Nach Wolter (2005) können als eine Vergleichsgrundlage für die Völkerschauen des 19. und 20. Jahrhunderts unter anderem die ‚exotischen’ DienstbotInnen dienen. Diese galten bereits ab dem 14. Jahrhundert als besonders beeindruckender Bestandteil adeliger Lebensführung und demonstrierten wie wohlhabend die jeweilige Familie war. Bis zum 19. Jahrhundert kam ‚exotischen’ Menschen diese Rolle in Kreisen des Adels zu. Zwar fand hier bereits eine Begegnung der Europäer mit dem ‚Fremden’ statt, eine enge Verwandtschaft zu den Völkerschauen lässt sich jedoch ausschließen, da die theatralische Präsentation der nicht-europäischen Personen nie eine Rolle spielte. Dennoch ist die Zurschaustellung dieser keine Erfindung des 19. Jahrhunderts.[2]

Bereits im 15. Jahrhundert wurden ‚exotische’ Menschen von Entdeckungsreisenden wie zum Beispiel Christoph Columbus, James Cook, Louis Antoine de Bougainville, Amerigo Vespucci und anderen nach Europa gebracht.[3] Die Präsentation dieser Leute jedoch war ausschließlich für die gehobene Schicht bestimmt und die Ausgestellten auch ohne Vorführungen von beispielsweise Tänzen Attraktion genug. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts jedoch lassen sich Schauen belegen, deren Stil vergleichbar ist mit dem der Ausstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Um 1533/1550[4] wurde in Rouen ein Dorf des brasilianischen Stammes der Tupi nachgebaut.[5] Dort sollten die Eingeborenen - anlässlich eines Festes zu Ehren Heinrichs II. - Kämpfe, Jagden, Tänze und ihren Alltag vorspielen. Da die Expositionen jedoch weiterhin ausschließlich an Fürstenhöfen stattfanden waren sie für den Großteil der Bevölkerung nicht zugänglich.[6] Dies änderte sich im 17. Jahrhundert, als die Zurschaustellung ‚exotischer’ Menschen ein zentraler Programmpunkt bei Umzügen, Festen und Jahrmärkten wurde.

Neben körperlich behinderten Menschen, die in so genannten freak shows präsentiert wurden, und bei denen man das Augenmerk ausschließlich auf physische Besonderheiten legte, konnte man auch ‚ExotInnen’ auf Volksfesten und Märkten begutachten. Die Zurschaustellung (tatsächlicher oder vermeintlicher) fremdländischer Menschen gegen Bezahlung war bis ins 20. Jahrhundert als Programmpunkt bei Jahrmärkten oder Messen gängig. Auch Zirkusse präsentierten in ihrem Programm nicht-europäische Menschen, wie beispielsweise der Zirkus Krone ab 1860 die ‚Afrikanische Negerschau’.[7] Ab 1870 vollzog sich im Schaustellerwesen ein starker Aufschwung, wodurch die Grundlage für größere Ausstellungen ‘exotischer’ Menschen gelegt wurde.[8] Unter diesen Bedingungen veranstaltete Carl Hagenbeck 1875 seine erste Völkerschau.[9] Diese groß angelegten Expositionen sollten die Europäer gut 50 Jahre begeistern, und keine geringen Auswirkungen auf die europäische Sichtweise gegenüber ‚fremden Kulturen’ haben.

1.1.2 Zoologische Gärten als Veranstaltungsorte für Völkerschauen

Zwischen den sich daraufhin etablierenden und früheren Formen der Ausstellung gibt es grundlegende Unterschiede. Ein signifikanter Unterschied ist ihre Größe - sowohl bezogen auf die Zahl der Ausgestellten als auch hinsichtlich des Geländes, auf dem ausgestellt wurde. Man baute Hütten und Kulissen, um die Glaubwürdigkeit der Schauen zu steigern. Zudem betrieb man Werbung im großen Stil. Auch die neuartige Form der Inszenierung macht eine Abgrenzung vorausgegangener Veranstaltungen von denen Carl Hagenbecks möglich. Geschickte Inszenierung der zur Schau gestellten in eindrucksvollen Kulissen und die Bestätigung bereits vorhandener Vorurteile, die Europäer von nicht-europäischen Menschen hatten, ermöglichten Hagenbeck sich auf die ‚Authentizität’ seiner Veranstaltungen zu berufen. Im Zusammenwirken der proklamierten ‚Echtheit’, verstärkt durch eine intensivierte Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen, v.a. der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, und der perfekten Organisation der Schauen von der Anwerbung der Menschen bis hin zur fertigen Ausstellung „[…] holte Hagenbeck die ‚Wilden’ aus den Jahrmarktsbuden in die wissenschaftlichen Institutionen ‚Zoologische Gärten’.“[10]

Als erster moderner Tiergarten gilt der Jardin des Plantes in Paris, der Ende des 18. Jahrhunderts gegründet wurde.[11] Mitte des 19. Jahrhunderts fanden Zoologische Gärten in ganz Europa eine weite Verbreitung. In Deutschland wurden von 1844-1866 Zoos in Berlin, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg, München, Hannover und Karlsruhe eröffnet.[12] Intention der Tierparks war es, möglichst viele Tierarten zu sammeln, deren Lebensverhältnisse wissenschaftlich zu untersuchen und so einem breiten Publikum naturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln. Bald aber – ab der Gründungswelle der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts - ist es nicht mehr das oberste Ziel der Zoos, ihre Besucher wissenschaftlich zu belehren.[13] Im Zuge der Kommerzialisierung der Tiergärten suchte man nach Wegen, die Zahl der Besucher auf einem hohen Level zu halten. Ein Mittel, dies zu erreichen, wurde die Anlagengestaltung z.B. durch szenische Darstellungen, exotisches Ambiente und Panoramamalerei.[14] Auf diese Weise wollte man eine für die Tiere ‚natürlichere’ und das Publikum ‚lehrreichere’ Umgebung schaffen. Jedoch dienten die „[…] Bauten weniger oft der behaupteten volkstümlichen Belehrung über fremde Kulturen als vielmehr der Unterhaltung von Besuchermassen […]“[15]. Aufgrund ihres Anspruches sowohl auf Wissenschaftlichkeit als auch auf Wirtschaftlichkeit und Unterhaltung boten die Tiergärten das nahezu perfekte Umfeld für die Völkerschauen. Umgekehrt boten die Völkerschauen den Zoos eine gute Möglichkeit die Besucherzahlen und Einnahmen zu erhöhen. Durch die finanziellen Schwierigkeiten vieler Tiergärten suchten diese immer wieder nach Publikumsmagneten. „[…] [D]ie Völkerausstellungen [passten] durch ihren Anspruch, ethnologisches Wissen zu vermitteln, [besonders] gut in die wissenschaftlich-didaktische Programmatik der Zoologischen Gärten […]“[16].

[...]


[1] Dreesbach, 2005: 18.

[2] Vgl. Wolter, 2005: 86.

[3] Dreesbach, 2005: 18-19.

[4] Dreesbach nennt 1533 (S. 18), Thode-Arora 1550 als Veranstaltungsjahr dieser Ausstellung (S.19). In anderen Quellen waren hierzu keine Angaben zu finden.

[5] Thode-Arora, 1989: 19.

[6] Ebd.

[7] Wolter, 2005: 90.

[8] Dreesbach, 2005: 40.

[9] Carl Hagenbeck war der Sohn Gottfried Claus Carl Hagenbecks, der 1848 die Tierhandelsfirma Hagenbeck gegründet hatte, die bald zu einer der bedeutendsten Firmen dieser Art aufstieg. Bereits 1870 war sie weltweit die größte ihrer Couleur. Die Stagnation des Tierhandels bewegte Carl Hagenbeck zur Organisation von Völkerschauen. Der Handel mit Tieren und die Ausstellung von Menschen sind bei ihm also sehr eng miteinander verbunden, was den Warencharakter der Menschen unterstreicht. Oft wurden diese auch mit Tieren verglichen oder zeitgleich mit diesen angeworben. Zwar gab es Aussteller die ihm nacheiferten, doch er entwickelte sich zum erfolgreichsten Veranstalter und prägte diese Branche nachhaltig. (vgl. Dreesbach, 2005: 43-44)

Mit seinen Schauen begann er in Deutschland, reiste jedoch sehr bald mit ihnen – meist mehrere Monate – quer durch Europa. Mit seiner ‚Nubier-Schau’ beispielsweise gastierte er ab 1976 unter anderem in Paris, London und Berlin. (Bancel/Blanchard/Lemaire, 2000: 16-17)

[10] Dreesbach, 2005: 50.

[11] Wolter, 2005: 108.

[12] Ebd., 109.

[13] Dreesbach, 2005: 80

[14] Wolter, 2005: 110-112.

[15] Vgl. Koppelkamm zit. in Wolter, 2005: 111.

[16] Dreesbach, 2005: 81.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Völkerschauen in Europa
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Afrikanistik)
Veranstaltung
Images of Africa
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V86442
ISBN (eBook)
9783638021067
ISBN (Buch)
9783638929097
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Völkerschauen, Europa, Images, Africa
Arbeit zitieren
Michaela Fleischer (Autor:in), 2007, Völkerschauen in Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86442

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