Russland erfuhr zu Beginn des 20. Jahrhunderts grundlegende Neuerungen. Das Zarentum wurde abgeschafft und es entwickelte sich unter Lenin der Sowjetstaat, welcher später in das sozialistische Diktat Stalins überging. Dieser Zeitraum zwischen Revolution und Machtergreifung Stalins ist als Russische Avantgarde bekannt geworden.
Die kurze Zeitspanne, in der die Oktoberrevolution von 1917 in Russland auch einen neuen Freiraum für avantgardistische Experimente der Kunst öffnete, hat einen ungeheuren Reichtum hervorgebracht. Doch ebenso eng, wie diese Avantgarde mit der linken Hoffnung und der idealistischen Begeisterung der Künstler verbunden ist, hat ihre Geschichte sie auch verknüpft mit der stalinistischen Unterdrückung der Moderne und ihrer Diffamierung als Formalismus.
Der Maler Kasimir Malewitsch wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der künstlerischen Avantgarde in Russland. Er entwickelte ab 1912/13 das ästhetische Konzept des Suprematismus. Diese Stilrichtung der Moderne in der bildenden Kunst steht dem Futurismus und Konstruktivismus nahe. Wie auch andere avantgardistische Künstler forderte Malewitsch, von der reinen Darstellung der Welt zu ihrer Umgestaltung fortzuschreiten. Von der Kunst erhoffte man sich einen starken Einfluss auf gesellschaftliche Formungsprozesse. Malewitschs Werk basierte daher auch auf einem umfassenden theoretischen Konzept. Das ‚Schwarze Quadrat auf weißem Grund‘ war Initialwerk in der Geschichte der Kunst als Geste.
Die Dynamik der Avantgarde wurde durch Einführung neuer sozialistischer Maximen jäh beendet. Spätestens mit Stalin und der Etablierung des sozialistischen Realismus wurde das avantgardistische Erbe getilgt. Erst seit der Perestroika in den 90-er Jahren erwacht das Interesse an russischer Vergangenheit wieder.
Russland unterschied sich lange von den westlichen Entwicklungen. Der Zar bewilligte nur zaghaft Reformen, welche in ihrer Umsetzung zu oft fehlschlugen. Die Infrastruktur wurde nur langsam verbessert und die Industrialisierung kam erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Gang. „Der Widerspruch zwischen der traditionsorientierten Bevölkerungsmehrheit und dem modern-absolutistischen Regime bestimmte bis weit ins 20. Jahrhundert das soziale und geistige Leben Russlands.“ Die Ideen der Französischen Revolution und das Erwachen der Nationalstaaten in West- und Mitteleuropa führten zu einer Entfremdung zwischen Teilen der europäischen Oberschicht und dem russischen Zarenregime.
Inhaltsverzeichnis
- Das Vor-Avantgardistische Russland
- Darstellung der politischen und sozialen Situation
- Notwendigkeit eines allumfassenden Umsturzes
- Herausbildung einer russischen Avantgarde
- Politische und gesellschaftliche Umbrüche
- Entwicklungen in der russischen Avantgardekunst
- Bestrebungen und Aussagen der künstlerischen Avantgardisten
- Der avantgardistische Künstler im politischen Kontext
- Der Künstler Kasimir Malewitsch
- Biographische Angaben
- Darstellung des Oeuvre
- Malewitschs Beitrag zur Avantgarde
- Malewitschs ästhetisches Konzept des Suprematismus
- Künstlerische Elemente suprematistischer Malerei
- Theoretischer und philosophischer Rahmen des Suprematismus
- Reine Empfindung als Weg der Erkenntnis
- Die Gegenstandslosigkeit als Verdichtung höchster menschlicher Erkenntnisprinzipien
- Einordnung des Suprematismus als geistige und politische Strömung
- Der Suprematismus als nackte Ikone
- Der Suprematismus als politische Linke
- Niedergang der russischen Avantgarde
- Politisches Diktat als Ende der freien Künste
- Prägung Russlands durch die Avantgardistische Epoche ?
- Gesellschaftliche Bedeutung der Avantgarde
- Nachhaltigkeit von Malewitschs Werk
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Rolle der künstlerischen Avantgarde in Russland im frühen 20. Jahrhundert am Beispiel von Kasimir Malewitsch. Ziel ist es, die Entstehungsbedingungen der russischen Avantgarde im Kontext politischer und gesellschaftlicher Umbrüche zu beleuchten, die Entwicklung des Suprematismus als ästhetisches Konzept zu analysieren und den Einfluss Malewitschs auf die Kunstgeschichte zu bewerten.
- Politische und soziale Situation im vorrevolutionären Russland
- Die Entstehung der russischen Avantgarde und ihre Verknüpfung mit dem politischen Kontext
- Malewitschs Beitrag zur Avantgarde und die Entwicklung des Suprematismus
- Theoretische und philosophische Grundlagen des Suprematismus
- Der Niedergang der russischen Avantgarde und das Vermächtnis von Malewitsch
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die politische und soziale Situation im vorrevolutionären Russland. Es werden die Ursachen für die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Zarenregime und die Entstehung der Intelligenzija als geistige Elite beschrieben.
Das zweite Kapitel widmet sich der Herausbildung der russischen Avantgarde. Es werden die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche im Zusammenhang mit der Revolution von 1905/07 und die Entwicklungen in der russischen Avantgardekunst, insbesondere die Bestrebungen und Aussagen der Avantgardisten, behandelt.
Das dritte Kapitel stellt den Künstler Kasimir Malewitsch vor. Es werden seine biographischen Angaben und die wichtigsten Stationen seines künstlerischen Schaffens zusammengefasst.
Das vierte Kapitel analysiert Malewitschs ästhetisches Konzept des Suprematismus. Es werden die künstlerischen Elemente suprematistischer Malerei und der theoretische und philosophische Rahmen des Suprematismus beleuchtet.
Schlüsselwörter
Russische Avantgarde, Kasimir Malewitsch, Suprematismus, Revolution, Politik, Kunst, Moderne, Gesellschaft, Philosophie, Theorie.
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- Anne Kaiser (Author), 2007, Russlands Avantgarde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86453