Marktbeherrschung ist einer der zentralen Begriffe des (europäischen) Kartellrechts. Er ist Ausgangspunkt kartellrechtlicher Missbrauchsaufsicht und Zusammenschlusskontrolle, dessen Subsumtion in einem dynamischen Wirtschaftsprozess stattfindet und der interdisziplinären Synthese aus wirtschaftswissenschaftlichen Lösungsmodellen und juristischer Normierung verpflichtet ist. Marktbeherrschung kann nur einzelfallbezogen auf der Grundlage einer richtigen Marktabgrenzung erfolgen und auf einer Gesamtbetrachtung aus einer Vielzahl von Indikatoren und Faktoren allgemeiner und spezifischer Art interpretiert werden. In den letzten Jahren hielt ein neuer Begriff in die kartellrechtliche Diskussion und Anwendung Einzug und stand auch auf dem 13. St. Galler Internationalen Kartellrechtsforum im Mittelpunkt: der „more economic approach“. Zentraler Aspekt ist die Ökonomisierung zur besseren Erfassung von Wettbewerbsprozessen und des Gefahrenpotentials von fehlgehenden Aktionsparametern; damit einhergehend entsteht ein Spannungsfeld zwischen formaljuristischer Einordnung und ökonomischer Einzelfallanalyse.
Die vorliegende Arbeit beschreibt und beurteilt vor diesem Hintergrund die entwickelten Rechtsgrundsätze, die möglichen ökonomischen Ansatzpunkte eines „more economic approach“ und dessen systematische Grenzen und deren Umsetzungsprobleme. Die Arbeit konzentriert sich hierbei auf den Begriff der marktbeherrschenden Stellung und vermeidet die Überdehnung der Arbeit durch eine Untersuchung vor- und nachgelagerter Prüfungsstufen. Beginnend mit der Missbrauchsaufsicht aus Art. 82 EG kommt es zu einer Einordnung des Begriffs der Marktbeherrschung und einer Problematisierung oligopolistischer Marktsituationen und Reaktionsinterdependenzen, die insb. unter dem Einfluss eines wirtschaftswissenschaftlichen Berichts und dem Kommissions-Diskussionspapier zu Art. 82 EG im Kontext der „more economic approach“-Diskussion zu subsumieren ist. Daran schließt sich im zweiten Teil die Einordnung des Begriffs der marktbeherrschenden Stellung in den Kontext der Zusammenschlusskontrolle, bei der der neue Ansatz besonders ins Gewicht fällt und die Neuerung durch den SIEC-Test zur Feststellung von Marktbeherrschung abwägt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung und Zielsetzung
- B. Unternehmen als Normadressaten.
- C. Die marktbeherrschende Stellung im europäischen Kartellrecht.
- I. Das System unverfälschten Wettbewerbs und historische Betrachtung.
- 1. Marktabgrenzung..
- 2. Neuere Entwicklungen durch den „more economic approach“
- II. Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung in Kontext des Art. 82 EG.
- 1. Das Konzept der Einzelmarktbeherrschung i.S. des Art. 82 EG..
- a) Formen der Einzelmarktbeherrschung..
- aa) Monopol und Quasi-Monopol.
- bb) Sonstige Formen der Einzelmarktbeherrschung . .
- cc) Indikatoren zur Identifizierung von Einzelmarktbeherrschung.
- aaa) Marktanteil
- bbb) Relativer Abstand zu Wettbewerbern..
- ccc) Marktzutrittsschranken und potentieller Wettbewerb.
- ddd) Entwicklungsstand des Marktes..
- eee) Unternehmensstrukturanalyse
- fff) Marktverhaltensanalyse
- ggg) Chiquita Fall und Ergebnis
- dd) Ergebnis....
- b) Auswirkungen auf nicht beherrschten Drittmärkte
- 2. Konzept der kollektive Marktbeherrschung i.R. der Missbrauchsaufsicht
- a) Die Marktform des Oligopols..
- aa) Abgrenzung zum Konzern
- bb) Abgrenzung zum Kartell
- b) Wettbewerbspolitische Notwendigkeit der Kontrolle von Oligopolen ..
- c) Kriterien zur Feststellung,,kollektiver Einheit“.
- d) Kollektive Marktbeherrschung aus oligopolistischer Reaktionsverbundenheit..
- aa) Sicht der KOM..
- bb) Sicht der Rspr.
- e) Allg. Marktstruktur- und Unternehmensstrukturindikatoren
- f) Nachfragermärkte
- g) Konkurrenz zu Art. 81 EG
- a) Die Marktform des Oligopols..
- 3. Die neuere Entwicklung in der Missbrauchsaufsicht
- 4. „More economic approach\" in Art. 82 EG? ...
- a) Formen der Einzelmarktbeherrschung..
- III. Die marktbeherrschende Stellung in der Zusammenschlusskontrolle.
- 1. Marktbeherrschungstest gem. Art. 2 III FKVO a.F. und dessen Kritik.
- II2. Einzelmarktbeherrschung
- 3. Kollektive Marktbeherrschung und Erfassung koordinierter Effekte .
- 4. Nicht-koordinierte (unilaterale) Effekte.
- 5. Versagen des MB-Test bei nicht-koordinierten Effekten?
- 6. Der SLC-Test.
- 7. Der Baby-Food-Fall
- 8. Die Ablösung durch den SIEC-Test gem. Art. 2 III FKVO n.F. und der „more economic approach“ in der Zusammenschlusskontrolle
- a) Kritik am SIEC-Test..
- b) Kritik am MEA i.R. der Zusammenschlusskontrolle - Gefahr eines „soft law\"?...
- 9. Die Abkehr der KOM im Fall Oracle/PeopleSoft..
- 10. Die Leitlinien zur neuen FKVO.
- 11. Horizontale Zusammenschlüsse
- aa) Ausgiebige Untersuchung vs. Zeitbeschränkung
- bb) Gefährdung der Rechtssicherheit .
- cc) Einzelfallgerechtigkeit und Operationalität der Kriterien..
- dd) Wirtschaftswissenschaftliche Anwendungsprobleme..
- c) Berücksichtigung von Effizienzvorteilen (efficiency defense).
- d) Sanierungsfunktionen (failing company defense) ..
- e) Abschmelzungseffekte (shrinking effects) ..
- 12. Vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse unter dem Einfluss der Leitentscheidungen Tetra Laval/Sidel und GE/Honeywell. . .
- 13. Aktuelles auf der Grundlage der neuen FKVO...
- a) Das Impala-Urteil des EuG..
- b) Die KOM-Entscheidung T-Mobile/tele.ring..
- 14. Endergebnisse und Bewertung
- D. Endergebnis und Stellungnahme
- 1. Das Konzept der Einzelmarktbeherrschung i.S. des Art. 82 EG..
- I. Das System unverfälschten Wettbewerbs und historische Betrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit analysiert den Begriff der „marktbeherrschenden Stellung“ im europäischen Kartellrecht. Dabei werden sowohl die Grundlagen als auch die neueren Entwicklungen im Kontext der Missbrauchsaufsicht und Zusammenschlusskontrolle beleuchtet.
- Das System des unverfälschten Wettbewerbs und die historische Entwicklung des Begriffs
- Die Unterscheidung zwischen Einzelmarktbeherrschung und kollektiver Marktbeherrschung
- Die Bedeutung des „more economic approach“ für die Beurteilung marktbeherrschender Stellungen
- Die Herausforderungen bei der Anwendung der Marktbeherrschungskriterien in der Praxis
- Die rechtlichen und ökonomischen Implikationen der neueren Entwicklungen im europäischen Kartellrecht
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel A: Die Einleitung stellt die Zielsetzung der Arbeit dar und gibt einen Überblick über die behandelten Themen.
- Kapitel B: Dieses Kapitel widmet sich den Unternehmen als Normadressaten des europäischen Kartellrechts.
- Kapitel C.I: Dieses Kapitel beleuchtet das System des unverfälschten Wettbewerbs und die historische Entwicklung des Begriffs der marktbeherrschenden Stellung im europäischen Kartellrecht. Es werden wichtige Eckpfeiler des Wettbewerbsrechts, insbesondere die Marktabgrenzung, und die Entwicklung des „more economic approach“ behandelt.
- Kapitel C.II.1: Dieses Kapitel behandelt die Einzelmarktbeherrschung. Es wird die Bedeutung des Art. 82 EG und die Formen der Einzelmarktbeherrschung, wie Monopol und Quasi-Monopol, erläutert.
- Kapitel C.II.2: Dieses Kapitel analysiert das Konzept der kollektiven Marktbeherrschung im Rahmen der Missbrauchsaufsicht, wobei das Oligopol als wichtige Marktform im Vordergrund steht.
- Kapitel C.II.3: Dieses Kapitel befasst sich mit der neueren Entwicklung in der Missbrauchsaufsicht im europäischen Kartellrecht.
- Kapitel C.II.4: Dieses Kapitel untersucht die Anwendung des „more economic approach“ in Art. 82 EG und diskutiert die Relevanz dieses Ansatzes für die Beurteilung marktbeherrschender Stellungen.
- Kapitel C.III: Dieses Kapitel widmet sich der marktbeherrschenden Stellung in der Zusammenschlusskontrolle. Es werden verschiedene Tests zur Beurteilung von Marktbeherrschung, wie der Marktbeherrschungstest, der SLC-Test und der SIEC-Test, sowie deren Kritik diskutiert.
Schlüsselwörter
Marktbeherrschende Stellung, europäisches Kartellrecht, Missbrauchsaufsicht, Zusammenschlusskontrolle, Einzelmarktbeherrschung, kollektive Marktbeherrschung, Oligopol, „more economic approach“, Marktabgrenzung, SIEC-Test, SLC-Test.
- Arbeit zitieren
- Thomas Hellmich (Autor:in), 2007, Der Begriff der "marktbeherrschenden Stellung" - Grundlagen und neuere Entwicklungen im europäischen Kartellrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86578