Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

21 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Die Informationsgesellschaft nach Daniel Bell

3.Die Informationsgesellschaft als sozialwissenschaftliches Modell

4. Informationsgesellschaft heute

5. Informationsgesellschaft: Daten und Informationen

6. Probleme der Informationsgesellschaft

7. Chancen der Informationsgesellschaft

8. Risiken der Informationsgesellschaft

9. Das Problem der Pseudoinformation

10. Fazit

11. Literatur

1. Vorwort

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der Informationsgesellschaft und versucht, ein Bild über die Probleme, Risiken, aber auch Chancen zu geben, die mit diesem Gesellschaftsbegriff verbunden sind.

Da der Begriff Informationsgesellschaft schon seit fast 30 Jahren existiert und bis heute ein enormer Bedeutungswandel stattgefunden hat, ist es unmöglich, eine für alle Zeiten verbindliche Definition zu leisten. Deshalb beginnt die vorliegende Arbeit mit der Definition Daniel Bells (der diesen Begriff als erster prägte) und endet nach kurzen sozialwissenschaftlichen Modellbeschreibungen zunächst bei zeitgenössischen Definitionsversuchen. Es folgen Daten und Informationen über die deutsche Informationsgesellschaft, um deutlich zu machen, daß es hier nicht um ein abstraktes Gebilde fernab der Realität handelt. Danach werden Probleme, Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft dargestellt und anschließend in einer persönlichen Stellungnahme bewertet.

2. Die Informationsgesellschaft nach Daniel Bell

Der Begriff der Informationsgesellschaft taucht in der wissenschaftlichen Literatur zum ersten mal im Jahre 1973 auf. Daniel Bell publizierte in diesem Zeitraum das Buch „The Coming of Post-Industrial Society“[1], in dem er systematisch die Geschichte der Menschheit zurückverfolgt und seine Theorie der postindustriellen Gesellschaft begründet.

Nach Bell entwickeln sich alle menschliche Gesellschaften universell nach dem gleichen Schema weiter: Es findet zunächst ein Wandel von der vorindustriellen Gesellschaft zur industriellen Gesellschaft statt; später erfolgt ein weiterer Wandel hin zur postindustriellen Gesellschaft.

Tabelle 1: Allgemeines Schema des sozialen Wandels[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. In der vorindustriellen Gesellschaft sind die Menschen vorwiegend in der Agrarwirtschaft tätig. Das Leben ist in erster Linie ein „Spiel gegen die Natur“, da sich die Menschen gegen die natürlichen Bedingungen behaupten müssen und der Natur im wesentlichen ausgeliefert sind. Die Produktivität ist aufgrund der Beschränkung auf Muskelkraft gering und ist zudem noch jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt. Hauptziel ist die Versorgung der Menschen mit Rohstoffen bzw. Nahrung, zu diesem Zweck werden die ersten Handelswege gebaut.
2. In der industriellen Gesellschaft sind die Menschen vorwiegend in der Güterproduktion tätig. Das Leben ist in erster Linie ein „Spiel gegen die technisierte Natur“, da die Welt sehr technisiert und rationalisiert ist. Um eine maximale Güterproduktion zu sichern, müssen Menschen, Rohstoffe, Märkte und Energie optimal koordiniert werden, im Gegensatz zu den vorindustriellen Gesellschaften ist deshalb die Produktivität ungleich höher. Hauptziel ist die Maximierung und Optimierung der Produktion; erreicht wird dieses Ziel u.a. mit einem ausreichenden Austausch von Energie.
3. In der nachindustriellen Gesellschaft sind die Menschen vorwiegend in Dienst-leistungen tätig. Das Leben ist in dieser Gesellschaftsform ein „Spiel zwischen Personen“, da sich die Dienstleistungen am Menschen ausrichten. Um die Menschen optimal zu versorgen, müssen sie ausreichend mit Informationen versorgt werden, damit mögliche Probleme beim Waren- und Energietransport effizient gelöst werden können. Anders als in der vorindustriellen bzw. der industriellen Gesellschaft wird in der nachindustriellen Gesellschaft primär mit Informationen gehandelt: „In ihr zählt weniger Muskelkraft oder Energie als Information.“[3] Die Information wird als ein knappes, handelbares Gut angesehen, das eine zentrale Rolle innerhalb der Gesellschaft spielt; aus diesem Grunde verwendet Bell dafür den Begriff der Informationsgesellschaft.

3. Die Informationsgesellschaft als sozialwissenschaftliches Modell

Die Soziologie kennt heute nicht nur eine stattliche Anzahl von Bindestrichsoziologien, sondern auch mehrere Bindestrichgesellschaften, wie z.B. die postmoderne Gesellschaft, multikulturelle Gesellschaft, postindustrielle Gesellschaft, individualisierte Gesellschaft, Risikogesellschaft usw. - die Liste ließe sich noch lange fortsetzen (Vgl. Kneer/Nassehi/Schroer 1997).[4] Der Begriff der Informationsgesellschaft ist in der neueren Primär- und Sekundärliteratur weit verbreitet und ist zu einem soziologischen Grundbegriff geworden. Näher definiert wird die Informationsgesellschaft durch zwei sozialwissenschaftliche Modelle: das Sektorenmodel l und das Achsenmodell.

3.1 Das Sektorenmodell:

Die industrielle Gesellschaft besteht in ökonomischer Hinsicht aus drei wirtschaftlichen Sektoren (primärer, sekundärer und tertiärer Sektor). Gliedert man nun die Informationsaktivitäten aus dem tertiären Sektor aus, entsteht ein selbständiger vierter Sektor: der Informationssektor. Von einer Informationsgesellschaft kann in diesem Zusammenhang gesprochen werden, wenn die Mehrzahl der Beschäftigten einer Gesellschaft in dem Informationssektor tätig ist. Das Sektorenmodell ist allerdings in wissenschaftlicher Hinsicht inhaltlich schlecht faßbar, da alle Berufe, die auch nur rudimentär etwas mit Informationen zu tun haben unter, die Kategorie des Informationssektors fallen. Informationsbeschäftigte sind nach dieser extensiven Definition sogar „ ... Briefträger oder Hausfrauen, weil die einen Informationen per Post befördern, die anderen [Informationen] per Erziehung an die Nachkommen weitergeben.“[5]

Das Sektorenmodell ist in wissenschaftlicher Hinsicht zu unzuverlässig um die Informationsgesellschaft eindeutig definieren zu können, da durch symbolische Verschiebungen ein Rechenwerk entsteht, das wenig glaubwürdig ist.

3.2 Das Achsenmodell

Das soziologisch-politologische Achsenmodell geht davon aus, daß es ein zentrales Prinzip bzw. eine zentrale Achse gibt, um die sich eine Gesellschaft bewegt. Nach Bell ist die Zentralität und die Kodifikation des theoretischen Wissens das bestimmende axiale Prinzip der postindustriellen Gesellschaft (Vgl. Tabelle 1). Der Fortschritt ist im höchsten Maße abhängig von bekannten Daten und von vorausgehenden theoretischen Arbeiten, mit anderen Worten: Fortschritt ist nicht möglich ohne Information, da Informationen die Quelle von Innovationen sowie auch „Ausgangspunkt der gesellschaftlich-politischen Programmatik“[6] sind.

Prinzipiell scheint dieses Modell logisch aufgebaut zu sein, bei näherem Hinsehen ergeben sich dennoch mehrere Kritikpunkte (Vgl. Spinner 1991[7] ):

1. Neue Wissenslagen des Informationszeitalters entstehen nicht primär durch wissenschaftliches Theoriewissen.
2. Die Informationsgesellschaft ist weniger post- als superindustriell.
3. Theoretisches Wissen führt teilweise zu einer zunehmenden Technisierung, wirklich neu jedoch ist die zunehmende Technisierung des Wissens.
4. Die Macht dreht sich nicht um eine neue Wissensklasse, sondern um die, die das Wissen adäquat anwenden.

Aufgrund dieser vier Kritikpunkte ist das Achsenmodell wie schon das Sektorenmodell nicht geeignet, den Begriff der Informationsgesellschaft näher zu umschreiben, da das Achsenmodell im Kern von einer postindustriellen Gesellschaftsform ausgeht, deren Ursprung sich in den 60er Jahren (in den USA) ausbildete; das axiale Prinzip der „Dienstleistungsgesellschaft“ muß nicht identisch mit dem Prinzip der Informationsgesellschaft sein.

4. Informationsgesellschaft heute

Weder das Sektoren- noch das Achsenmodell können eine für die heutige Zeit passende Definition der Informationsgesellschaft liefern, da die digitale Revolution zeitlich nach Bell stattfand - beispielsweise hatte der PC erst in den 80er Jahren seinen Durchbruch. Heutige Modelle berücksichtigen weit mehr multikausale Aspekte und erscheinen deshalb relativ unspektakulär. Beispielsweise sind für den kanadischen Kommunikationswissenschaftler William H. Melody „ ... solche Formationen Informationsgesellschaften, die abhängig geworden sind von komplexen elektronischen Informations- und Kommunikationsnetzen und welche einen wesentlichen Teil ihrer Ressourcen Informations- und Kommunikationsaktivitäten zuwenden.“[8] Der Akzent liegt hier nicht wie bei dem Achsenmodell auf einer Ausweitung des theoretischen Wissens, sondern auf der Verbindung von fortgeschrittener Informationstechnik mit Kommunikationstechnik: „In diesem Modell der Informationsgesellschaft wird das Modell der postindustriellen Gesellschaft sozusagen generalüberholt und neu adjustiert.“[9] Der Fokus liegt hier auf dem Einsatz moderner Schlüsseltechnologien, um Innovationsengpässe zu vermeiden.

Wenn man in Deutschland von der Informationsgesellschaft spricht, ist genau dieses „generalüberholte“ Gesellschaftsmodell gemeint; da der Begriff der Informations-gesellschaft hierzulande erst Anfang der 80er Jahre bekannt wurde, ging der Bezug zu früheren ausländischen Definitionen weitgehend verloren, mehr noch: der Begriff der Informationsgesellschaft wurde zu einem politischen Schlagwort ersten Ranges. Die Bundesregierung druckt Programme mit klangvollen Titeln wie „INFO 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“[10] oder „Information als Rohstoff für Innovation“[11] Wenn auf politischer Ebene von der Informationsgesellschaft gesprochen wird, immer geht es um die Verbindung zwischen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien oder ganz allgemein: um Schlüsseltechnologien. Diese fast schon nachrichtentechnische Sichtweise kommt auch in dem Definitionsversuch des Technologierates der Bundesregierung aus dem Jahre 1995 zu Vorschein; demnach ist die Informationsgesellschaft „eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung, Vermittlung, Verbreitung und Nutzung von Informationen und Wissen einschließlich wachsender technischer Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation eine entscheidende Rolle spielen.“[12]

[...]


[1] Deutsche Übersetzung: Bell, Daniel: Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt am Main: Campus Verlag 1985

[2] Bell, Daniel: Ebd., S.117 (Auszüge)

[3] Bell, Daniel: Ebd.,

[4] Kneer, Georg / Nassehi, Armin / Schroer, Markus (Hrsg.): Soziologische Gesellschaftsbegriffe. Konzepte moderner Zeitdiagnosen. München: Fink 1997

[5] Spinner, Helmut: Informationsgesellschaft oder neue Wissensordnung? Soziologische Probleme des Informationszeitalters. In: Gegenwartskunde, 40 (1991), Heft 1,

[6] Bell, Daniel: A. a. O.,

[7] Spinner, Helmut: A. a. O.,

[8] Kleinsteuber, Hans: Informationsgesellschaft: Entstehung und Wandlung eines politischen Leitbegriffs der neunziger Jahre. In: Gegenwartskunde, 46 (1997), Heft 1,

[9] Korte, Hermann / Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen: Leske + Budrich 1995,

[10] Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.): INFO 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. Bericht der Bundesregierung. Bonn 1996

[11] Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.): Information als Rohstoff für Innovation. Programm der Bundesregierung. Wessenling: Welzel + Hardt 1996

[12] Hier zitiert nach: Kleinsteuber, Hans: A. a. O.,

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Fachbereich I)
Veranstaltung
Seminar: Kultur und Alltag
Note
bestanden
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V866
ISBN (eBook)
9783638105538
ISBN (Buch)
9783656457657
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Informationsgesellschaft, Chance, Risiko, Seminar, Kultur, Alltag
Arbeit zitieren
Michael Schönfelder (Autor:in), 2000, Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/866

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