Der Fußball nahm zwischen 1954 und 1970 eine rasante Entwicklung. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1963 der erste Spieltag der Bundesliga ausgetragen , die brasilianische Nationalmannschaft gewann bis 1970 dreimal die Weltmeisterschaft und durfte somit als erste Fußballnation überhaupt den Coupe Jules Rimet auf ewig behalten. Italienische Vereine errangen zahlreiche Triumphe in den europäischen Vereinswettbewerben und in England begeisterte die Generation Golden Sixties die Zuschauer in den Stadien.
Doch welche Ursachen hatte etwa die dominante Stellung der brasilianischen Mannschaft bei den Weltmeisterschaften? Warum war das „Mutterland des Fußballs“ im gleichen Zeitraum während der Turniere um den Coupe Jules Rimet erfolglos? Inwiefern war es gerechtfertigt, die erfolgreiche, wenngleich unansehnliche Spielanlage in Italien als „Anti-Fußball“ zu bezeichnen? Die Erörterung jener Fragen liegt der vorliegenden Ausarbeitung zugrunde und soll klären, welche taktische Ausrichtung zwischen 1954 und 1970 die erfolgreichste Prägung besaß. Darüber hinaus wird im Folgenden die Situation und der Status des Fußballs innerhalb der – bezogen auf die Weltmeisterschaftsturniere bis einschließlich Mexiko 1970 – vier führenden Nationen analysiert und interpretiert. Gleichsam wird die Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz in den nachfolgenden Betrachtungen in geringem Maße in das Resultat der Arbeit einfließen – vielmehr soll angestrebt werden, die Auswirkungen des „Wunders von Bern“ auf den westdeutschen Fußball und im Speziellen auf die Internalisierung von Professionalität sowie Spielanlage zu klären. Führte also der unerwartete Erfolg gegen die favorisierten Ungarn letztlich zu der manifestierten Stellung als Volks- und Massensport in der Bundesrepublik Deutschland?
Weiterhin bedarf es zur ergebnisorientierten Analyse der zentralen Fragestellung der vorliegenden Ausarbeitung einer gesonderten Betrachtung der Gründe der Dominanz italienischer Vereine in den europäischen Mannschaftswettbewerben, die in einem erheblichen Widerspruch zu den gleichzeitig schwachen Ergebnissen der Azzuri bei Weltmeisterschaften stand. Gleiches gilt im Verlaufe der Darstellung der Entwicklung des Fußballs für die Umsetzung innovativer Spielanlagen in England. An dieser Stelle soll im Weiteren vor allem die Rolle der Generation Golden Sixties bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die großen Vier von 1954 bis 1970
2.1 Brasilien – Der Fußball als staatstragendes Element
2.2 Bundesrepublik Deutschland – Die Ära nach dem „Wunder von Bern“
2.3 England – Der Aufstieg des „Mutterlandes des Fußballs“
2.4 Italien – Die erste Liga der Ausländer
3. Die Geburt neuer taktischer Spielanlagen
3.1 Der Catenaccio – Italiens „Anti-Fußball“
3.2 Das brasilianische System – Offensive und Technik
3.3 Die Geburt des Liberos – Die Systeme in der Bundesrepublik und in England
4. Schlussteil
5. Literaturverzeichnis
5.1 Literaturen
5.2 Internetquelle
6. Schematische Darstellungen und Verzeichnis
6.1 Abbildungen
6.2 Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Der Fußball nahm zwischen 1954 und 1970 eine rasante Entwicklung. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1963 der erste Spieltag der Bundesliga ausgetragen[1], die brasilianische Nationalmannschaft gewann bis 1970 dreimal die Weltmeisterschaft[2] und durfte somit als erste Fußballnation überhaupt den Coupe Jules Rimet[3] auf ewig behalten. Italienische Vereine errangen zahlreiche Triumphe in den europäischen Vereinswettbewerben[4] und in England begeisterte die Generation Golden Sixties[5] die Zuschauer in den Stadien.
Doch welche Ursachen hatte etwa die dominante Stellung der brasilianischen Mannschaft bei den Weltmeisterschaften? Warum war das „Mutterland des Fußballs“[6] im gleichen Zeitraum während der Turniere um den Coupe Jules Rimet erfolglos? Inwiefern war es gerechtfertigt, die erfolgreiche, wenngleich unansehnliche Spielanlage in Italien als „Anti-Fußball“[7] zu bezeichnen? Die Erörterung jener Fragen liegt der vorliegenden Ausarbeitung zugrunde und soll klären, welche taktische Ausrichtung zwischen 1954 und 1970 die erfolgreichste Prägung besaß. Darüber hinaus wird im Folgenden die Situation und der Status des Fußballs innerhalb der – bezogen auf die Weltmeisterschaftsturniere bis einschließlich Mexiko 1970 – vier führenden Nationen analysiert und interpretiert.[8] Gleichsam wird die Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz in den nachfolgenden Betrachtungen in geringem Maße in das Resultat der Arbeit einfließen – vielmehr soll angestrebt werden, die Auswirkungen des „Wunders von Bern“[9] auf den westdeutschen Fußball und im Speziellen auf die Internalisierung von Professionalität sowie Spielanlage zu klären. Führte also der unerwartete Erfolg gegen die favorisierten Ungarn letztlich zu der manifestierten Stellung als Volks- und Massensport in der Bundesrepublik Deutschland?[10]
Weiterhin bedarf es zur ergebnisorientierten Analyse der zentralen Fragestellung der vorliegenden Ausarbeitung einer gesonderten Betrachtung der Gründe der Dominanz italienischer Vereine in den europäischen Mannschaftswettbewerben, die in einem erheblichen Widerspruch zu den gleichzeitig schwachen Ergebnissen der Azzuri[11] bei Weltmeisterschaften stand.[12] Gleiches gilt im Verlaufe der Darstellung der Entwicklung des Fußballs für die Umsetzung innovativer Spielanlagen in England. An dieser Stelle soll im Weiteren vor allem die Rolle der Generation Golden Sixties bewertet werden.[13]
Eine besondere Stellung wird im Folgenden dem brasilianischen Fußball zukommen, da an diesem Beispiel en detail die Einflüsse der Politik auf den Sport im Allgemeinen betrachtet werden können.[14] Dabei bedarf es der Klärung der Frage, inwiefern die Freiheit der sportlichen Betätigung aufgrund von politischen Maßnahmen und Eingriffen in deren Abläufe tatsächlich beschränkt wurde bzw. noch immer bestimmt wird.[15]
Da vor allem für die Historie des südamerikanischen Fußballs kaum sportwissenschaftliche oder historiographische Publikationen vorliegen, erwies sich dies in der Erschließung und abschließenden Bewertung[16] als besonders schwierig.
Um den zentralen Aspekt des Vergleiches und die Ausprägung eventueller Divergenzen zwischen den betrachteten Nationen zusätzlich zu verstärken, liegen der Ausarbeitung sowohl journalistische[17] als auch sportwissenschaftliche[18] und historische[19] Arbeits- und Forschungsergebnisse zugrunde. Dies führt zu einer Mannigfaltigkeit an Interpretationsansätzen, die in Abhängigkeit der Intentionen der jeweiligen Autoren kritisch bewertet und vergleichend dargestellt werden.[20] Im besonderen Fokus musste diesbezüglich das italienische System[21] stehen, das nicht zuletzt aufgrund der spezifischen Betonung der Defensive äußerst kontrovers betrachtet wurde und wird; ähnliche Diskussionen bedingen die Arbeitsergebnisse um die englische Spielanlage. Vor dem Hintergrund der Dichte und Art der erzielten Erfolge in der Anwendung unterschiedlicher taktischer Systeme galt es deshalb als unabdingbar, ebenso Literatur der Taktikausbildung zur praktischen Umsetzung in Trainingseinheiten früherer Systeme zu bearbeiten, um die Neuerungen in der Taktik en detail darstellen zu können. Aufgrund dieser Tatsache versteht sich die vorliegende Ausarbeitung nicht ausschließlich als klassische historische Arbeit, sondern vielmehr als Hybrid der Sport- und Geschichtswissenschaft. Jener Ansatz lässt sich in zahlreichen Publikationen des endenden 20. und frühen 21. Jahrhunderts erkennen.[22] Allerdings sind einige Themenbereiche – etwa in der frühen Entwicklungsphase des Catenaccio – noch immer unzureichend erschlossen worden. Dies gilt im Speziellen für die Frage nach den Gründen für die scheinbar widersprüchliche Ausdehnung der besonders ausgeprägten Betonung des defensiven Spiels im traditionell eher temperamentvollen Südeuropa. Sowohl die sportwissenschaftliche als auch historische Forschung konnte hier bis dato keinen eindeutigen Erklärungsansatz herausstellen.
Letztlich bewertet die vorliegende Ausarbeitung eine Neuerung in der Fußballentwicklung zwischen 1954 und 1970, die im 21. Jahrhundert eine unabdingbare Voraussetzung für Erfolg und spielerische Überlegenheit ist: die Schaffung und Auswertung von Informationen und neuartigen Trainingsmethoden, die die Grenzen zwischen dem Fußball und anderen (Ball-)Sportarten verschwinden und die Abläufe auf dem Spielfeld zu einem Automatismus werden lassen.[23]
Gerade vor diesem Hintergrund ist die Frage nach den Gründen für die unterschiedlichen Ergebnisse der vier großen Fußballnationen jener Zeit noch in diesem Jahrhundert aktuell: filigrane Technik, Catenaccio oder Körpereinsatz? Existiert eine Spielanlage, die im engen Verbund mit mannschaftlicher Geschlossenheit den anderen Taktiken und methodischen Trainingsabläufen überlegen zu sein scheint? Wie kann es gleichsam – aus dem Betrachtungsbereich der gegnerischen Mannschaft – gelingen, jenen Vorteil durch Kampf und Willenskraft einzudämmen? Denn seit jeher waren es eben diese Tugenden, die Ergebnisse verschiedener Fußballspiele entscheidend zu beeinflussen vermochten.
2. Die großen Vier von 1954 bis 1970
2.1 Brasilien – Der Fußball als staatstragendes Element
In Brasilien stellt sich der Fußball seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als staatstragendes Politikum und Machtinstrument zur Stützung der Stabilität der Regierung dar.[24] Der Effekt eines erfolgreichen Abschneidens der brasilianischen Nationalmannschaft wie auch der Vereinsmannschaften in internationalen Vergleichen steigert demnach die Identifikation der Bevölkerung mit der Politik des Landes. Aufgrund dieser Tatsache wird der Fußball in Brasilien mehr noch als in anderen Nationen, in denen dieser Sport einen vergleichbaren Status besitzt, gefördert. Der Ursprung des politisierten Fußballs liegt in der Phase der Militärdiktatur unter Emilio Garrastazu Medici.[25] Nach dem Scheitern der brasilianischen Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft in England 1966[26] erkannten die Verantwortlichen des Fußballverbandes, dass als Voraussetzung zukünftiger Erfolge die Internalisierung und Weiterentwicklung der taktischen Systeme der europäischen Mannschaften unabdingbar war und damit verbunden das vormals erfolgreich praktizierte 4-2-4[27] überwunden werden musste. Daraus resultierend wurden politische Vertreter als sportliche Beobachter in das Trainingskonzept der Nationalmannschaft integriert.[28]
Dies wurde aufgrund des angestrebten Orientierungswechsels in der Politik der späten 70er Jahre unter Medici durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich erstmals eine nationale Regierung auf die positive Wirkung des Fußballs, um den Anstieg der Unzufriedenheit sozial Benachteiligter – vor allem in den Favelas[29] – entgegenwirken zu können. Folglich wurde zur Umsetzung der Reformpläne[30] der (Erfolgs-)Druck auf die brasilianische Nationalmannschaft erhöht. Vor allem die Selbstüberschätzung sowie das kaum hinterfragte Vertrauen in die eigenen fußballerischen Fähigkeiten zwischen dem Gewinn der Weltmeisterschaft in Chile 1962 und 1966 wurden von der Regierung heftig kritisiert; Medici sah sich darüber hinaus gezwungen, mit Hilfe der Implementierung der genannten politischen Beobachter zur Erarbeitung neuer Trainingsmethoden die taktische Weiterentwicklung voranzutreiben. Gleichsam wurde unter der Militärdiktatur die starke Frequentierung von Freundschaftsspielen als finanzieller Anreiz ausgesetzt[31] und die Steigerung der Athletik der brasilianischen Spieler gefordert, um der körperbetonten Spielweise der europäischen Nationen ebenbürtig zu sein. Auf diese Weise wurde der Fußballverband Brasiliens zu einem Primat der Politik – ein Machtinstrument zur Stabilitätssicherung der Agenda der Regierung.
Gleichwohl besaß und besitzt der Fußball in Brasilien ein weiteres, wenngleich ebenso ökonomisch geprägtes Bild: mit der einsetzenden Popularität dieses Sports galt das Spiel mit dem Ball als Möglichkeit, der Armut der Favelas zu entkommen. Folglich ist es kaum verwunderlich, dass zahlreiche brasilianische Galionsfiguren wie Didi, Pelé oder Vavá[32] Schwarze oder Indios – die Ureinwohner Brasiliens – waren. Die Tatsache, dass ein Gros der Spieler im Vereinsfußball einfachsten Verhältnissen entstammte und Symbole der Illusion des Reichtums wurden, steigerte die Identifikation der Bevölkerung mit dem Fußball zusätzlich. So wird bis in das 21. jahrhundert auf den Tribünen der Stadien der brasilianische Nationalsport gelebt und glorifiziert. In vielen Vergleichen mit Mannschaften aus Brasilien ist daher erkennbar, „(…) wie Brasilianer vor oder nach einem Fußballspiel den Heiligen jenes mystischen Glaubens huldigen (…), und wie dieser Glaube mit den Stars des Fußballs, diesen für Brasilianer Beinahe-Heiligen, in Beziehung gebracht wird.“[33] Das Charakteristikum dieser quasi-religiösen Implementierung in der Bevölkerung stützt den Status des Fußballs als staatstragendes Element zusätzlich.
Allerdings ergeben sich aufgrund dieser spezifisch brasilianischen Eigenschaft einige Probleme, die in ihrer Komplexität nicht zu vernachlässigen sind: die scheinbar positive Relation zwischen dem Fußball und der Bevölkerung bleibt lediglich vorhanden, wenn die Nationalmannschaft auch erfolgreich ist.
Dies belegt die Situation Brasiliens nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft 1966 in England, die de facto zu einer Abhängigkeit der Spieler von der Regierung geführt hatte. So waren professionelle Fußballer de jure den Berufssoldaten des Landes gleichgestellt, besaßen jedoch faktisch keinen staatlichen Schutz vor Lebensrisiken.[34] Daraus resultierend ist erkennbar, dass es sich bei dem Streben nach Reichtum in enger Verknüpfung mit dem Fußballspiel tatsächlich wie oben beschrieben oftmals um eine Illusion handelte, denn der gesteigerte Erfolgsdruck einerseits und die strikten staatlichen Kontrollen andererseits führten zu zahlreichen gescheiterten Karrieren ambitionierter Spieler. Jene Erfahrung mussten selbst brasilianische Stars dieser Zeit machen: Pelé revidierte 1975 seinen Rücktritt vom aktiven Spiel, nachdem dessen Kapital- und Immobiliengesellschaft in den Konkurs gegangen war.[35] Der brasilianische Stürmer wechselte für drei Jahre zu New York Cosmos, bei dem „Rei Pelé“[36] am 1. Oktober 1977 endgültig Abschied vom aktiven Fußball nahm.[37] Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der sportliche Kapitalismus auch Brasilien und den gesamten südamerikanischen Raum erreicht.
Die Entwicklung des brasilianischen Fußballs von 1954 bis 1970 war folglich in erheblichem Maße von den Einflüssen durch die Politik geprägt. Der hohe Erfolgsdruck sowie der Traum von Wohlstand und Anerkennung bestimmten den Werdegang des Sports in Brasilien. Der Positivismus der erfolgreichen Teilnahmen an den Weltmeisterschaften 1958 in Schweden und 1962 in Chile sowie acht Jahre später in Mexiko begünstigte dies. Gleichfalls stürzte das schwache Abschneiden der brasilianischen Nationalmannschaft während des Turniers 1966 in England die gesamte Nation in eine Krise, die als eine der Gründe für die sich 1969 verfestigende Militärregierung unter Medici betrachtet werden kann. De facto führten jedoch gerade die negativen Erfahrungen von der Weltmeisterschaft drei Jahre zuvor zu einer Europäisierung der Spielanlage im brasilianischen Fußball, die bereits 1970 in Mexiko durch die enge Verknüpfung von filigraner Technik und Individualleistungen den neuerlichen Titelgewinn möglich machte.
2.2 Bundesrepublik Deutschland – Die Ära nach dem „Wunder von Bern“
Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten die Wiederaufnahme des Deutschen Fußballbundes in die FIFA im Herbst 1950 und im besonderen Maße der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz durch einen 3:2-Erfolg gegen die favorisierten Ungarn die weitere Entwicklung des Fußballs zum Massen- und Volkssport in der Bundesrepublik Deutschland.[38] Dies war nicht zuletzt den Symbolfiguren jener Zeit – Josef „Sepp“ Herberger und Fritz Walter[39] - zu verdanken, die in ihren Tätigkeiten als Bundestrainer bzw. Kapitän der westdeutschen Nationalmannschaft den Aufschwung greifbar machten. Die frühen Erfolge nach dem Krieg stellten demnach einen Teil der Fundamente des positiven Blickes in die Zukunft für einen Großteil der westdeutschen Bevölkerung dar und galten daher als unterstützende Faktoren des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren.[40]
Der Fußball als Identifikationssport der begeisterten Massen hatte sich allerdings noch nicht vollends etabliert. Gleichwohl besaßen die Erfolge der Nationalmannschaft auch in den folgenden Weltmeisterschaften[41] einen Signalcharakter, der die Entwicklung starker nationaler Vereine wie Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund oder den 1. FC Köln prägten. Trotz der zunehmenden Dichte der positiven Errungenschaften im Bereich Fußball besaß die Bundesrepublik 1962 noch keinen einheitlichen Ligabetrieb.[42] Darüber hinaus gab es nach 1945 keine professionellen Fußballspieler. Nach der Interpretation des Deutschen Fußballbundes spielten für die Vereine so genannte Vertragsspieler als Hybrid zwischen Amateur und Profifußballer; dabei war es jedoch offensichtlich, dass es sich bei dieser Regelung nur um eine Kompromisslösung auf Zeit handeln konnte – schließlich bewiesen die Ergebnisse der deutschen Vereine auf internationaler Ebene, dass andere europäische Nationen deutlich überlegen waren.[43] Eine Lösung zur Wiedererlangung der Konkurrenzfähigkeit im Vereinsfußball konnte in den 60er Jahren gefunden werden: die seit der Weimarer Republik kritisierte Professionalisierung im Fußballsport setzte ein, obgleich erst im Frühjahr 1972 der Typus des Profifußballers vom Deutschen Fußball-Bund anerkannt wurde.[44]
[...]
[1] S. Meisel, H.; Winkler, H.J.: Fußball 66. Weltmeisterschaft, Bundesliga, Europa-Pokale. München 1966. Vgl. Gerhardt, W.: 100 Jahre DFB. Die Geschichte des Deutschen Fussball-Bundes. Berlin 1999.
[2] 1958 gewann Brasilien das Turnier in Schweden. Vier Jahre später konnte der Titel des Weltmeisters in Chile erfolgreich verteidigt werden. Im Jahre 1970 folgte der dritte Triumph in Mexiko. S. dazu Kap. 2.1: „Brasilien – Der Fußball als staatstragendes Element.“
[3] Dem Gewinner der Fußball-Weltmeisterschaften zwischen 1930 und 1970 wurde der Coupe Jules Rimet überreicht. Die Trophäe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ehren des von 1921 bis 1954 amtierenden FIFA-Präsidenten Jules Rimet umbenannt – vormals wurde der Pokal als Coupe du Monde bezeichnet. Im Zuge der Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland bekam die Trophäe ein neues Aussehen und wird seitdem offiziell FIFA-WM-Pokal genannt. S. dazu Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990, S. 486.
[4] In dem betrachteten Zeitraum wurden der Europapokal der Landesmeister – der Vorläufer der heutigen Champions League, der Messepokal als Vorgänger des UEFA-Cups sowie der heute nicht mehr existenten Europapokal der Pokalsieger unter den besten Vereinsmannschaften Europas ausgespielt.
[5] An dieser Stelle sei vor allem Robert „Bobby“ Charlton als Symbolfigur der erfolgreichen 60er Jahre des 20. Jahrhunderts für den englischen Fußball genannt. S. Kap. 5.: „Biographischer Anhang – Sir Robert ‚Bobby’ Charlton.“
[6] In der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Fußballs wird noch immer kontrovers die Stellung Chinas in der Entwicklung einer fußball-ähnlichen Sportart diskutiert. So ist etwa bekannt, dass etwa im dritten Jahrhundert vor Christus das so genannte Ts´uh Küh von den Soldaten des chinesischen Kaisers gespielt wurde. Als Ball wurde eine mit Federn und Haaren gefüllte Lederkugel genutzt. Sie musste auf Körbe, ähnlich der heutigen Basketballkörben, mit dem Fuß gespielt werden. Auch im alten Griechenland und im Römischen Reich wurden fußball-ähnliche Sportarten praktiziert. Erst im Rahmen der Feldzüge brachten die Römer diese Spiele nach Britannien mit. Im heutigen England und Schottland entwickelte sich aus diesen zwischen dem 8. und 19. Jahrhundert eine ungeheure Spielleidenschaft. Da der Sport mit dem Ball auf der Insel verfeinert und mit ersten Regeln versehen wurde, gilt England noch im 21. Jahrhundert als „Mutterland des Fußballs“. Vgl. Forester, B.: Fußball in England. In: Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990, S. 77.
[7] Zit. Wagner, D.: Fußball-Taktik. Celle 1995, S. 84.
[8] Dabei wird im Weiteren auf die analytische Betrachtung von Spanien oder Ungarn, jene Nationen, die zwischen 1954 und 1970 ebenfalls erfolgreich den Fußball praktizierten, verzichtet. Dies liegt einerseits in dem begrenzten Umfang der vorliegenden Ausarbeitung und andererseits in der im Bezug auf Weltmeisterschaften relativen Erfolglosigkeit der Nationalmannschaften jener Länder begründet. Zur weiterführenden Bearbeitung von Fußballnationen vgl. insb. Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990.
[9] S. Kap. 2.2: „Bundesrepublik Deutschland – Die Ära nach dem ‚Wunder von Bern’.“
[10] S. Schröder, U.: Fußball in Deutschland. In: Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990, S. 65-77.
[11] Als Azzuri werden in Italien die Sportler, aber auch die Zuschauer bei Sportereignissen bezeichnet.
[12] S. Albonago, G.: Fußball in Italien. In: Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990, S. 88-93.
[13] S. insb. Forester, S. 77-82.
[14] S. Schröder, U.: Fußball in Brasilien. In: Huba, K.-H. (Hrsg.): Fußball-Weltgeschichte. Von 1846 bis heute. München 1990, S. 57-64.
[15] Eine ähnliche Kontroverse wird noch immer in Italien um den Präsidenten des AC Mailand und vormaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ausgetragen.
[16] S. Kap. 2.1: „Brasilien – Der Fußball als staatstragendes Element.“
[17] Gerhardt, W.: 100 Jahre DFB. Vgl. Ders.: Fußball-Weltmeisterschaft Mexico 1970. Frankfurt/Main 1970.
[18] Vgl. Bisanz, G.; Gerisch, G.: Fussball. Training, Technik, Taktik. Reinbek bei Hamburg 1995. Vgl. Wagner.
[19] Breitmeier, F.: Ein Wunder wie es im Drehbuch steht. Die WM 1954 – ein deutscher Erinnerungsfilm. In: Pyta, W. (Hrsg.): Der lange Weg zur Bundesliga. Zum Siegeszug des Fußballs in Deutschland. Münster 2004, S. 127-150.
[20] Gleichwohl bleibt dem Leser der vorliegenden Ausarbeitung Raum, eine individuelle Erkenntnis zu gewinnen.
[21] Vgl. Trapattoni, G.; Cecchini, E.: Konzeption und Entwicklung der Taktik im Fußball. Und die taktische Bildung des Spielers von den ersten Anfängen bis zur höchsten Vollendung. Aus dem Italienischen von Hannes Goschala. Leer 1999.
[22] Biermann, C.: Fuchs, U.: Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann. Wie moderner Fußball funktioniert. Köln 1999. Vgl. Eggers, E.: „Berufsspieler sind Schädlinge des Sports, sie sind auszumerzen…“. Crux und Beginn eines deutschen Sonderwegs im europäischen Fußball. In: Pyta, W. (Hrsg.): Der lange Weg zur Bundesliga. Zum Siegeszug des Fußballs in Deutschland. Münster 2004, S. 91-112. Vgl. Tarras, S.: Die großen Fußballnationen der Welt. München 1989.
[23] S. Kap. 2.4: „Italien – Die erste Liga der Ausländer.“
[24] S. Schröder: Fußball in Brasilien, S. 57.
[25] Zu Emilio Garrastazu Medici: geb. 1905 in Bajé; Nachfahre einer Familie mit italienisch-baskischen Wurzeln; Ausbildung in Militärakademien in Porto Alegre und Rio de Janeiro; 1961 Brigadegeneral; 1964 Militärattaché in den USA; 1969 Präsident der Militärdiktatur; Begründer des brasilianischen Wirtschaftswunders durch Konjunktur und Rückgang der Inflation; Beschneidung der Opposition und Vorgabe der Zensur; gest. 1985 in Rio de Janeiro.
[26] Brasilien gelang zwar ein 2:0-Sieg im ersten Spiel der Gruppe drei gegen Bulgarien, doch wurden die beiden folgenden Partien gegen Ungarn und Portugal jeweils mit 1:3 verloren. Die brasilianische Nationalmannschaft schied als Dritter der Gruppe aus.
[27] S. Kap.3.2: „Das brasilianische System – Offensive und Technik.“
[28] S. Schröder: Fußball in Brasilien, S. 58.
[29] Die äußeren Armenbezirke der brasilianischen Großstädte werden als Favelas bezeichnet.
[30] S. Anm. 25.
[31] S. Schröder: Fußball in Brasilien, S. 64.
[32] S. jeweils Kap. 5: „Biographischer Anhang – Didi“ sowie „Pelé“ und „Vavá“.
[33] Zit. Schröder: Fußball in Brasilien, S. 60. Die Religiösität in Brasilien basiert aufgrund der Geschichte der Schwarzen im Land auf einer Mischform aus afrikanischer Mystik und Katholizismus, der von den weißen Siedlern zu Beginn des 16. Jahrhunderts eingeführt worden war und die Traditionen der Indios verdrängt hatte. Ulfert Schröder bezieht sich in der Ausführung des „(…) mystischen Glaubens (…)“ auf jene Afrikanisierung des Katholizismus.
[34] S. ebd., S. 61.
[35] Vgl. Schröder: Der Fußball und seine Stars, S. 348-350a.
[36] Als „Rei Pelé“ bzw. „König Pelé“ wurde der Stürmer seit der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden von den brasilianischen Zuschauern stilisiert.
[37] S. Kap. 5: „Biographischer Anhang – Pelé.“
[38] S. Breitmeier, S 146f.
[39] S. jeweils Kap. 5: „Biographischer Anhang – Josef „Sepp“ Herberger“ resp. „Fritz Walter“.
[40] S. Schröder: Fußball in Deutschland, S. 76.
[41] Während der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden wurde die Bundesrepublik Deutschland nach einer 3:6-Niederlage gegen Frankreich Vierter. 1962 in Chile schied die Nationalmannschaft zwar aufgrund der 0:1-Niederlage gegen Jugoslawien bereits im Viertelfinale aus, doch 1966 in England erreichte man infolge einer 2:4-Niederlage nach Verlängerung den zweiten Platz. Auch die Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko bestritt die Bundesrepublik erfolgreich – durch einen 1:0-Erfolg gegen Uruguay erreichte die deutsche Mannschaft den dritten Platz.
[42] Die deutsche Meisterschaft wurde in fünf Oberligen – Nord, West, Südwest, Süd sowie der Stadtliga Berlin – ausgetragen. In Finalspielen im Knockout-System wurde schließlich der deutsche Meister ermittelt. Die Bundesrepublik Deutschland ging damit einen anderen Weg als die großen Fußballnationen jener Zeit, die bereits über einen vereinheitlichten Ligabetrieb verfügten.
[43] S. Schröder: Fußball in Deutschland, S. 76.
[44] S. Eggers, S. 112.
- Arbeit zitieren
- Holger Skorupa (Autor:in), 2007, Filigrane Technik, Catenaccio oder Körpereinsatz? Eine Betrachtung der Entwicklung des Fußballs von 1954 bis 1970, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86638
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