Die Praktikalitäts-Forderung - eine plausible Prämisse des Handelnden-Relativismus?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Streiffersche Verteidigung der Praktikalitäts- Forderung ( „practicality requirement“)
2.1 Die erste problematische Folge der Negation der Praktikalitäts- Forderung
2.2 Eigene Einwände gegen die genannte These Streiffers
2.3 Die zweite Konsequenz der Negation der Praktikalitäts- Forderung
2.4 Argumente, die gegen diese These sprechen

3. Alternativerklärungen zur sowie Kritik an der Praktikalitäts- Forderung
3. 1 Die Kritik Copps an der von Smith postulierten Praktikalitäts- Forderung
3.2 Die erste Erklärung als Alternative zur Praktikalitäts- Forderung
3.3 Eine weitere Alternativerklärung zur Praktikalitäts- Forderung
3.4 Die Argumentation Copps gegen die Praktikalitäts- Forderung
3.5 Smiths Erwiderung auf die Kritik Copps
3.6 Smiths Einwände gegen die Alternativerklärung zur Praktikalitäts- Forderung
3.7 Eigene Überlegungen zur Kritik Smiths

4. Das Amoralistenproblem: Brinks Angriff auf die Praktikalitätsforderung
4.1 Die begriffliche Unmöglichkeit des Amoralisten für den Internalismus
4.2 Die internalistische Verteidigung gegen die amoralistische Herausforderung
4.3 Die Forderung Brinks, das Amoralistenproblem ernst zu nehmen
4.4 Smiths Erwiderung auf das „Amoralistenproblem“
4.5 Eigene Kritik an dieser Analogie

5. Die Praktikalitäts- Forderung- eine plausible Prämisse des Handelnden- Relativismus?

6. Schlußwort

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Das Thema meiner Hausarbeit ist die Frage nach der Plausibilität der „Praktikalitäts- Forderung“ („Practicality Requirement“).

Im Zuge dieser Hausarbeit werde ich folgende Fragen zu beantworten versuchen:

1. Inwiefern ist die Argumentation Streiffers für die „Praktikalitäts- Forderung“ („Practicality Requirement“) einleuchtend?
2. Aufgrund welcher Argumente wird die „Praktikalitäts- Forderung“ innerhalb der philosophischen Forschung verteidigt bzw. zurückgewiesen? Wie sind diese zu bewerten und aufgrund welcher Überlegungen ist die „Praktikalitäts- Forderung“ als nicht plausibel zurückzuweisen?

Die Praktikalitäts-Forderung, wie Streiffer sie formuliert, lautet folgendermaßen: Wenn jemand moralisch verpflichtet ist eine Handlung zu vollziehen, dann gibt es für den Handelnden einen Grund diese auszuführen.

Die Frage nach der Plausibilität der Praktikalitäts- Forderung fügt sich insofern in den Kontext des Seminars „Moralischer Relativismus“, als jene die erste Prämisse des Handelnden-Relativismus („Agent Relativism“), darstellt. Der Handelnden- Relativismus gehört zur Gattung des metaethischen Relativismus. Denn der metaethische Relativismus vertritt die These, es gebe keine objektiv richtigen oder wahren moralischen Urteile oder Standards. Der Handelnden- Relativismus behauptet, es gebe im Falle jeder Handlung einen Handelnden, der in moralischer Hinsicht nicht verpflichtet ist, diese zu vollführen. Und insofern dieser damit ja zugleich postuliert, dass es keine objektiv (allgemeingültig) richtigen moralischen Standards für Handlungen gibt, ist er der Gattung des metaethischen Relatvismus zuzurechnen.

Es scheint mir deswegen interessant zu sein, die Praktikalitäts- Forderung in Bezug auf ihre Plausibilität zu untersuchen, weil Streiffer diese im Rahmen seiner Argumentation gegen den Handelnden- Relativismus überhaupt nicht kritisch prüft. Denn erst auf diese Weise wird eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Überlegungen Streiffers möglich. Die Widerlegung der zweiten Prämisse des Handelnden- Relativismus durch Streiffer ist meiner Ansicht nach schlüssig, so dass ich weder deren Schlüssigkeit noch deren Plausibilität untersuchen werde.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, anhand von Argumenten aus der philosophischen Forschung sowie eigenen Überlegungen zu zeigen, dass die Praktikalitäts-Forderung nicht plausibel und somit auch der Handelnden-Relativismus zu verwerfen ist (wenn auch nur eine Prämisse eines Arguments falsch ist, wird notwendigerweise dessen Konklusion falsch).

Der Aufbau meiner Arbeit erklärt sich folgendermaßen:

Zuerst behandle ich die Frage danach, inwiefern die Streiffersche Verteidigung für der Praktikalitäts- Forderung nachvollziehbar ist, um anhand dieser deutlich zu machen, welche angreifbaren Punkte die Streifferschen Überlegungen sowie die Praktikalitäts- Forderung selbst aufweisen.

Der zweite Teil meiner Arbeit steht insofern in Zusammenhang mit dem ersten Teil, als ich in diesem einige der Argumente sowohl für als auch gegen die Praktikalitäts- Forderung erörtere, um mittels dieser meine Annahme, dass diese angreifbar ist, zu bestätigen. Abschließend werde ich meine eigene Sicht auf die Diskussion um die Praktikalitäts- Forderung darstellen, um somit auch zu einer Antwort auf die Frage zu gelangen, ob diese haltbar ist oder nicht. Denn es wäre ja sinnlos und somit auch die Arbeit meines Erachtens unvollständig, wenn nur die Diskussion um die erste Prämisse des Handelnden- Relativismus dargestellt werden würde, ohne aus dieser entsprechende Schlüsse abzuleiten.

In Zusammenhang mit der Frage danach, aufgrund welcher Überlegungen die Praktikalitäts- Forderung innerhalb der philosophischen Forschung verteidigt bzw. kritisiert wird, beziehe ich mich auf die Texte: „ The Moral Problem“ und „In Defense of „The Moral Problem“: A Reply to Brink, Copp, and Sayre-McCord von Michael Smith, David Copps „Belief, Reason and Motivation: Michael Smiths The Moral Problem“, sowie David Brinks „ Externalist Moral Realism.“ Diese waren insofern interessant für mich zu lesen, als sie ganz unterschiedliche Positionen im Hinblick auf die Praktikalitäts- Forderung darstellen.

2. Die Streiffersche Verteidigung der Praktikalitäts- Forderung ( „practicality requirement“)

2.1 Die erste problematische Folge der Negation der Praktikalitäts- Forderung

Anhand des folgenden Arguments versucht Streiffer seine These zu untermauern, dass es sich im Fall der Praktikalitäts- Forderung um eine plausible Prämisse handelt:

Wenn die Praktikalitäts- Forderung falsch wäre, dann wäre es in moralischer Hinsicht möglich von einem Handelnden zu verlangen, eine Handlung zu vollziehen, auch wenn es keinen Grund für diesen gebe, die jeweilige Handlung auszuführen. Aber aus der Behauptung, es gebe keinen Grund für einen Handelnden etwas zu tun, folge, dass es nicht der Fall sei, dass der Handelnde die Handlung ausführen sollte.[1]

2.2 Eigene Einwände gegen die genannte These Streiffers

Meiner Ansicht nach hängt dies davon ab, wie der Ausdruck, „es gebe einen Grund für jemanden, etwas zu tun“ zu verstehen ist. Wenn ein allgemeines moralisches Gebot von jemandem etwas zu tun verlangt, dann heißt dies mit anderen Worten, in moralischer Hinsicht sollte die Person dies tun. Daraus folgt aber nicht, dass es für die Person einen Grund gibt, die Handlung zu vollziehen. Denn dass es für eine Person einen Grund gibt, etwas zu tun, heißt ja, dass aus der Sicht der Person ein Grund vorhanden ist, der dafür spricht, eine Handlung zu vollziehen. Ansonsten würde der zweite Teil der Prämisse ja lauten, dass es einen Grund gibt, eine Handlung auszuführen, wenn jemand in moralischer Hinsicht verpflichtet ist, diese zu vollziehen, und nicht, dass es für die Person einen Grund gibt, eine Handlung zu vollführen. Und daraus, dass jemand aufgrund eines moralischen Gebots verpflichtet ist, etwas zu tun, folgt nicht notwendigerweise, dass es deswegen für ihn auch einen Grund gibt, dies zu tun. Diesen gibt es nämlich nur dann, wenn die Person, die Forderung der Moralität an sich schon als Grund dafür ansieht, eine bestimmte Handlung auszuführen. Wenn sie dies aber nicht tut, dann stellt die moralische Forderung für sie auch keinen Grund dar. Schließlich ist es denkbar, dass es in moralischer Hinsicht einen bestimmten Grund gibt, eine Handlung zu vollziehen, aber die Person aufgrund anderer, nicht genuin moralischer Überlegungen, nicht motiviert ist, dies zu tun. Im Übrigen muss bedacht werden, dass es unterschiedliche Arten von Gründen für Handlungen gibt. So trifft Smith in seinem Buch „The Moral Problem“ die grundlegende Unterscheidung zwischen einerseits normativen und andrerseits motivierenden Gründen.[2] Ein normativer Grund ist der Definition Smiths gemäß ein Grund, der sich aus der normativen Forderung, eine Person solle eine bestimmte Handlung vollziehen, ergibt. Wenn behauptet wird, es gebe für eine Person einen normativen Grund eine Handlung zu vollziehen, dann bedeutet dies, dass die Handlung aus der Perspektive des normativen Systems, von dem sich die normative Forderung herleitet, gerechtfertigt ist.

Normative Gründe seien daher als Wahrheiten zu verstehen. Das heißt, als Propositionen der allgemeinen Form „ A´ s Handlung x ist wünschenswert oder geboten. Im Gegensatz dazu stellen motivierende Gründe psychologische Zustände des Handelnden dar. Insofern erklären motivierende Gründe das Zustandekommen einer Handlung.[3] Aber diese beiden Arten von Gründen müssen nicht notwendigerweise zusammenkommen.

Meiner Ansicht nach hätte Streiffer diese beiden Arten von Gründen im Zusammenhang mit seiner Verteidigung der Praktikalitätsforderung unterscheiden müssen, weil dies für eine differenzierte Untersuchung der Praktikalitäts- Forderung notwendig gewesen wäre. Schließlich hat Streiffer zwar Recht, dass eine moralische Forderung einen normativen Grund für eine Handlung darstellt, insofern die Forderung aus der Sicht eines bestimmten Moralsystems, die Handlung einer Person rechtfertigt. Aber damit ist noch lange nicht gesagt, dass es für die Person auch einen motivierenden Grund gibt, eine Handlung zu vollziehen. Außerdem ist es gerade für moralische Gebote kennzeichnend, dass diese von einer Person bestimmte Handlungen verlangen, für die die Person selbst keinen oder zumindest keinen guten Grund sieht. Wie sollte sonst die Tatsache erklärt werden, dass es recht vielen Menschen schwer fällt, sich an die Gebote der Moralität zu halten?!

2.3 Die zweite Konsequenz der Negation der Praktikalitäts- Forderung

Zweitens folge aus der Negation der Praktikalitäts- Forderung, selbst wenn es eine Tatsache sei, dass die Moralität von einem Handelnden verlange, etwas Bestimmtes zu tun, gebe es keine Tatsachen, die dafür sprechen, dies zu tun. Diese Annahme stellt eine Erweiterung seiner ersten These dar, insofern sie sich nicht mehr nur auf Gründe, sondern auf Tatsachen, die für eine Handlung sprechen, bezieht.

2.4 Argumente, die gegen diese These sprechen

Aber gegen diese Behauptung könnte eingewendet werden, dass moralische Gebote überhaupt keine Tatsachen darstellen, und moralische Tatsachen überhaupt nicht existieren. Denn sowohl die Moralität als auch moralische Gebote gehören insoweit nicht zu den Tatsachen als sie nicht auf der Grundlage wissenschaftlicher Methoden feststell- oder erkennbar sind- wie z.B. die Tatsache, dass es regnet oder schneit.

Im Übrigen könnte gegen diese These Streiffers noch argumentiert werden, dass die Moralität von jemandem fordern kann, etwas zu tun, und es in moralischer Hinsicht Gründe geben mag, die dafür sprechen, diese zu tun, es aber andere nicht moralische Tatsachen geben kann, aufgrund derer die Handlung nicht vollbracht werden sollte. Daraus folgt, dass die Existenz moralischer Tatsachen nicht notwendigerweise dafür spricht, etwas Bestimmtes zu tun.

Und schließlich kann es auch den Fall geben, dass die Moralität jemandem eine gewisse Handlung gebietet, aber die Person eine andere Art von Moral vertritt und die entsprechenden moralischen Gebote selbst für amoralisch hält. In diesem Fall gibt es auch keine Tatsachen, die dafür sprechen, dass die Person etwas Bestimmtes tut - auch wenn die Moralität es von ihr verlangt ( und in diesem Fall spricht die Tatsache, dass die Moralität ihr eine Handlung gebietet, ja gerade dagegen, dass sie entsprechend den Forderungen dieser handelt, weil sie die moralischen Gebote, und die Moralität auf der diese basieren, selbst für amoralisch hält).

[...]


[1] Robert Streiffer,Agent Relativism and Reasons for Action, p.36.

[2] Michael Smith, The Moral Problem, pp.95-96, siehe auch für das Folgende.

[3] Smith betont aber, dass motivierende und normative Gründe eine Gemeinsamkeit aufweisen, aufgrund derer beide als Gründe zu bezeichnen sind: Denn beide Arten von Gründen machen Handlungen intelligibel(verständlich); vgl. Smith, The Moral Problem, p.95.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Praktikalitäts-Forderung - eine plausible Prämisse des Handelnden-Relativismus?
Hochschule
Universität Hamburg  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Moralischer Relativismus
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V86649
ISBN (eBook)
9783638907002
ISBN (Buch)
9783638907033
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Praktikalitäts-Forderung, Prämisse, Handelnden-Relativismus, Moralischer, Relativismus
Arbeit zitieren
Caroline Boller (Autor:in), 2007, Die Praktikalitäts-Forderung - eine plausible Prämisse des Handelnden-Relativismus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86649

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