Die Wahrnehmung und Verortung der deutschen Dialekträume durch linguistische Laien


Hausarbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Präzisierung der Fragestellung
1.2. Forschungslage

2. Wahrnehmungsdialektologie
2.1. Folk Linguistics vs. Laien-Linguistik
2.2. Perceptual Dialectology
2.3. Beispielbefragungen der Linguistik

3. Laienbefragung
3.1. Ziel, Art und Umfang der Befragung
3.2. Präsentation der Ergebnisse

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

1.1. Präzisierung der Fragestellung

In dieser Hausarbeit soll es um die Frage gehen, ob und inwieweit linguistische Laien die deutschen Sprachräume wahrnehmen. Vor dem Hintergrund der grundlegendsten Begrifflichkeiten und Analysen von schon vorhandenen Studien, die im zweiten Teil näher beleuchtet werden, wird es im dritten Teil um die Vorstellung, Auswertung und Einschätzung einer Beispielbefragung mit linguistischen Laien gehen.

Die Existenz der Dialekte scheint durch die tendenzielle Durchsetzung des Hochdeutschen gefährdet. Die Hausarbeit soll nun zum einen ihren Teil dazu beitragen, und dies bezieht sich vor allem auf die Umfrage, dass sich linguistische Laien mit dem Thema „Dialektologie“ auseinandersetzten. Zum anderen erhält man einen Eindruck über die „mental maps“[1] von linguistischen Laien.

1.2. Forschungslage

Die Wahrnehmungsdialektologie ist in der deutschsprachigen Forschung noch nicht so häufig vertreten, wie beispielsweise in der nordamerikanischen Forschung. Hier gibt es schon zahlreiche Studien zur Thematik und alle verweisen auf den Pionier in diesem Fach schlechthin: Dennis R. Preston.

In dieser Hausarbeit soll es vorrangig um die Bearbeitung des deutschen Dialektraums gehen und deshalb wird im weiteren Verlauf eher auf deutschsprachige Forschungsliteratur zurückgegriffen. Untersuchungen liegen beispielsweise von Christina Ada Anders[2], Willy Diercks und Peter Auer[3] vor.

Dennoch soll auch auf zahlreiche internationale Untersuchungen verwiesen werden, wie sie etwa über Japan, England, Frankreich, Korea, Türkei, Norwegen, Niederlande, Mali, Ungarn, Ungarn, Canada, Spanien, Italien u.a. vorliegen[4].

Bezugnehmend auf die durchgeführte Umfrage habe ich mich sowohl an den schon angesprochenen Studien orientiert, als auch an Alberts „Empirie in Linguistik und Sprachlehrforschung“[5].

2. Wahrnehmungsdialektologie

2.1. Folk Linguistics vs. Laien-Linguistik

An dieser Stelle muss nun zunächst geklärt werden, wo der Unterschied zwischen Folk Linguistics und Laien-Linguistik liegt. Als Vertreter stehen sich hierbei Dennis R. Preston und Gerd Antos[6] stellvertretend gegenüber. Bei Antos geht es um die elaborierte Darstellung sprachlicher bzw. kommunikativer Phänomene durch Experten für Laien, so zusagen die „Grammatik für das Volk“. Man geht hier von einer präskriptiv-normativen Linguistik aus, wie sie beispielsweise durch Sprachratgeber oder Stilfibeln repräsentiert wird. Bei der Folk Linguistics hingegen geht man von einer deskriptiven Linguistik aus. Die Beschreibung und Analyse laien-linguistischer Vorstellungen über Sprache erfolgt hier auf allen Systemebenen, sowohl auf der Expliziten, als auch auf der Impliziten.

2.2. Perceptual Dialectology

Die Perceptual Dialectology repräsentiert nun den Teil der Folk Linguistics, der sich mit Dialekten beschäftigt und kann damit als moderne Richtung der Dialektologie gesehen werden. Dieser recht junge Teil der Folk Linguistics ist bislang in der deutschsprachigen Forschung nur wenig verbreitet.

Preston ist als Pionier der nordamerikanischen Alltagsdialektologie zu verstehen. In seiner Einführung in die „Perceptual Dialectology“[7] hat er folgende Methoden zur Befragungen von linguistischen Laien festgehalten: „Draw-a-map“, „Degree of difference“, „Correct“ and „pleasant“, „Dialect identification“ und „Qualitive data“[8]. An dieser Stelle soll ein kurzer Einblick in die Methoden erfolgen. Hierbei wurde sich an Christina Ada Anders passender Zusammenfassung orientiert:

1) Draw-a-map: „Die Informanten werden gebeten, auf einer Blanko-Karte, auf der bestenfalls einige Flüsse und Städte, jedoch keine politischen oder gar Sprachgrenzen eingezeichnet sind, die ihnen bekannten Dialektregionen einzuzeichnen. Diese mentalen Landkarten werden computativ ausgewertet, so dass in sich geschlossene alltagslinguistisch strukturierte Dialekträume entstehen.“
2) Degree of difference: „Die eingezeichneten Dialekträume werden mittels Ratingskalen in Bezug auf ihre Ähnlichkeit untereinander eingeschätzt.“
3) „Correct“ and „pleasant“: „Die eingezeichneten Dialekträume werden mittels Ratingskalen auf ihre Nähe zum Standard und auf Sympathie/ Gefallen eingeschätzt.“
4) Dialect identification: „Den Informanten werden Sprechproben des Untersuchungsraums vorgespielt, die dann jeweils regional identifiziert werden sollen. Von Bedeutung sind hier die linguistischen Marker, die eine Identifizierung hervorrufen (Triggermerkmale).“
5) Qualitative data: „Allgemeine Spracheinstellungen, Bewertungen oder andere Themen werden im unstrukturiertem direktem Interview mit den Informanten besprochen.“[9]

Diese Methoden sind in sofern relevant, als dass sie in vielen Studien verwendet werden. So zum Beispiel auch in den Folgenden.

2.3. Beispielbefragungen der Linguistik

Im Folgenden sollen die oben schon erwähnten Studien von Peter Auer und Willy Diercks vorgestellt werden, da sie als Grundlage für das Verständnis und als Legitimation für die Vorgehensweise in der Befragung, die im 3. Teil thematisiert wird, dienen.

„Sprache ist an den geographischen Raum gebunden.“[10] So beginnt Peter Auer seinen Aufsatz und macht im Folgenden auch klar, was für ihn die Aufgabe der Dialektologie ist, nämlich „die Erforschung der arealen Distribution sprachlicher Merkmale“[11]. Er legt in seinem Aufsatz nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der „Nationalstaatlichen Idee“ und der Dialektologie gibt. Er führt als Beispiel die Grenzsituation nach dem 1. Weltkrieg an, wo eben die Staatsgrenzen nicht strikt, im Sinne der nationalstaatlichen Idee, einheitlich getrennt waren. Die Dialektologie, die noch in ihren Anfängen steckte, hat versucht, sich die nationalstaatliche Idealvorstellung des zentimetergenauen Abgrenzens, anzunehmen. Man hat aber sehr schnell gemerkt, dass klare Dialektgrenzen aufgrund von Verwischung oder beispielsweise Akkommodation schwer zu definieren sind. Obwohl man sich dessen bewusst ist, sind auch heute noch populäre Darstellungen im Sinn der nationalstaatlichen Idee aufgebaut[12].

„Ethnodialektologische Raumvorstellungen von der Gliederung des deutschen Dialektgebiets“ verwenden meist „Zentrum/Peripherie-Modelle“. In diesen strukturieren die Probanden „den dialektgeographischen Raum innerhalb eines Staatsgebiets in der Regel um Kernregionen und lassen undefinierte Zwischenräume frei“[13].

Auer macht im Folgenden auf einen Aufsatz von Georg Simmel[14] aufmerksam, der behauptet, dass „Raum kein physisches, sondern ein mentales Phänomen ist. Nicht die Länder […] begrenzen einander; sondern die Einwohner […].“[15] Aber was heißt das nun für die Dialektologie? „Nicht die Struktur des Raums schafft sprachliche Unterschiede, sondern unsere dialektalen kognitiven Landkarten sind Ordnungsstrategien, mit denen wir das `Chaos´ der Heteroglossie bewältigen.“[16] Die Ordnungsmuster, die in unseren Köpfen sind, schaffen sprachliche Unterschiede. Demgegenüber steht die Lehrmeinung der Dialektgeographie klassischer Prägung, wie sie beispielsweise durch Adolf Bach[17] vertreten wird. Ihm zufolge sind es die außerlinguistischen Grenzen, die in direkter Kausalität die Divergenz der Sprache auslösen. Er unterscheidet hier nochmals die Art der Grenzen in Natürliche, wie Flüsse oder Bergzüge und Politische, wie zum Beispiel Staatsgrenzen. Bach geht davon aus, dass sich sprachlicher Wandel nur auswirken kann, wenn die Kommunikationskanäle gut funktionieren. Innovationen könnten also nicht weitergetragen werden, wenn diese behindert werden. Er bezieht sich bei seinen Darlegungen meist auf mittelalterliche Territorien und gerade an dieser Stelle wird deutlich, dass sein Modell veraltet ist und heute keine Relevanz mehr haben sollte. Die Infrastruktur verbessert sich stetig und ich denke, dass sich sprachliche Unterschiede nicht in Folge einer solchen Behinderung ausbreiten[18].

[...]


[1] Vgl. Diercks, Willy: Mental Maps. Linguistisch-geografische Konzepte. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. 1988/3: 280-305. Hier S. 281:„Die von Erfahrungen geprägte Vorstellung von einem Ort, einer Landschaft, von einem Raum, dieses erworbene Konzept […]“, bezeichnet man als „mental map“.

[2] Siehe Anders, C.A. (i. Dr.): Mental Maps linguistischer Laien zum Sächsischen. In: Christen, H./ Ziegler, E. (Hgg.): Sprechen, Schreiben, Hören – Zur Produktion und Perzeption von Dialekt und Standartsprache zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wien.

[3] Siehe Auer, Peter: Sprache, Grenze, Raum. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft. 2004/23: S.149-179.

[4] Siehe hierzu: Preston, Dennis, R.: Handbook of Perceptual Dialectology Vol. 1+2. Amsterdam / Philadelphia 1999.

[5] Albert, R./ Koster, C.J.: Empirie in Linguistik und Sprachlehrforschung. Ein methodologisches Arbeitsbuch. Tübingen 2002.

[6] Niedzielski, N./ Preston, D.R.: Folk Linguistics. Berlin / New York 2003. vs. Antos, G.: Laien-Linguistik. Studien zu Sprach- und Kommunikationsproblemen im Alltag. Am Beispiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings. Tübingen 1996.

[7] Preston, D.R.: Introduction. In: Handbook of Perceptual Dialectology Vol.1. Amsterdam / Philadelphia 1999.

[8] Vgl. ebd. S. xxxiv.

[9] Vgl. Anders, C.A./ Hundt, M.: Die deutschen Dialekträume aus der Sicht linguistischer Laien. Sektionsbeitrag auf dem 41. Linguistischen Kolloquium in Mannheim, 07. September 2006. S.4.

[10] AUER (2004). S.149.

[11] Ebd.

[12] Siehe zum Beispiel: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundart-Karten. München 1994.

[13] Diese Annahme von Auer bestätigen auch eigene Umfragen, in denen die Probanden gebeten wurden in einer Karte die ihnen bekannten Dialekte des Deutschen einzuzeichnen. Hierzu mehr im dritten Teil der Hausarbeit.

[14] Simmel, G.: Soziologie des Raums. In: Gesamtausgabe (Bd.7), Otthein Rammstedt (Hg.). Frankfurt am Main 1995. S. 132-184.

[15] Ebd. S. 141.

[16] AUER (2004). S. 160.

[17] Bach, A.: Deutsche Mundartforschung. Ihre Wege, Ergebnisse und Aufgaben. Heidelberg 1969.

[18] In kaum erschlossenen Gebieten, die eventuell auch durch natürliche Grenzen geprägt sind, würde Bachs Modell möglicherweise noch funktionieren. Ich denke da vor allem an „unberührte“ Regionen, wie sie beispielsweise im Amazonas-Gebiet noch vorhanden sind.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Wahrnehmung und Verortung der deutschen Dialekträume durch linguistische Laien
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Alltagslinguistik
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V86690
ISBN (eBook)
9783638051163
Dateigröße
1401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahrnehmung, Verortung, Dialekträume, Laien, Alltagslinguistik
Arbeit zitieren
Désirée Borchert (Autor:in), 2007, Die Wahrnehmung und Verortung der deutschen Dialekträume durch linguistische Laien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86690

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