Seit Jahren häufen sich Berichte und Statistiken, die belegen, dass Jugendliche immer früher beginnen, Alkohol und Cannabis zu konsumieren. Es stellt sich die Frage, was eigentlich die Ursachen für dieses Phänomen sind. Die vorliegende Arbeit versucht genau das in seiner Essenz zu erfassen, indem sie dabei die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, einer Frage, die in einer rational-wissenschaftlich orientierten und pluralistischen Gesellschaft mehr denn je Antworten bedarf und untersucht werden muss. Es wird dabei ein Überblick über den aktuellen Stand der Lebenssinn-Forschung in der Psychologie gegeben. Außerdem wurden aus einer humanistischen Grundhaltung heraus Persönliche Gespräche mit suchtkranken Jugendlichen geführt, die sich zu diesem Zeitpunkt im COME IN, einer speziellen rehabilitativen Einrichtung in Hamburg befanden. Die Jugendlichen geben einen faszinierenden Einblick in ihre Erlebenswelt und sprechen über Lebenssinn, persönliche Lebensziele und ihre Wertvorstellungen. Vor dem Hintergrund ihrer Biographien bekommt nicht nur der fachkundige Leser eine sehr bewegende Idee davon, wo der eigentliche Kern dieser Problematik liegt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Sinnforschung in der Psychologie
2.1. Theorie
2.2. Qualitative und quantitative Studien
2.3. Empirie der Lebensziele
2.4. Sucht und Adoleszenz
2.5. Das Persönliche Gespräch als alternativer Ausweg
3. Meine persönliche „Nicht-Sinn“ „Nicht-Theorie“ Theorie
4. Methode
4.1. „Stichprobe“
4.1.1. Das COME IN
4.1.2. Die Klienten
4.2. Das Persönliche Gespräch
4.3. Wissenschaftstheoretische Einbettung der Methode
4.4. Persönliche Umsetzung der Metaphysik Sterns im Persönlichen Gespräch
4.5. Entwicklung der Einstiegsfrage
4.6. Hintergrundleitfaden
4.7. Darstellung der Verdichtungen
5. Gesprächsverdichtungen
5.1. Verdichtungsprotokoll Kevin
5.2. Verdichtungsprotokoll Mark
5.3. Verdichtungsprotokoll Uwe
5.4. Verdichtungsprotokoll Patrick
5.5. Verdichtungsprotokoll Karl
5.6. Verdichtungsprotokoll Sina
5.7. Verdichtungsprotokoll Janine
5.8. Verdichtungsprotokoll Igor
6. Auswertung
7. Das Panorama der Lebenswirklichkeiten zum Erleben von Lebenssinn - Aussagen aufgrund aller Gespräche
7.1. Lebenssinn
7.1.1. Angenehme Aktivitäten
7.1.1.1. Aussagen
7.1.1.2. Diskussion der Aussagen
7.1.2. Lebensgeschichtlich bedingte suchtspezifische Sinnorientierungen
7.1.2.1. Aussagen
7.1.2.2. Diskussion der Aussagen
7.1.3. Ziel– und Erfolgsorientierung
7.1.3.1. Aussagen
7.1.3.2. Diskussion der Aussagen
7.1.4. Verantwortung innerhalb der Gesellschaft
7.1.4.1. Aussagen
7.1.4.2. Diskussion der Aussagen
7.1.5. Exkurs: Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage nach Lebenssinn
7.2. Lebensziele
7.2.1. Soziale Beziehungen
7.2.1.1. Aussagen
7.2.1.2. Diskussion der Aussagen
7.2.2. Arbeit
7.2.2.1. Aussagen
7.2.2.2. Diskussion der Aussagen
7.2.3. Geld und materielle Werte
7.2.3.1. Aussagen
7.2.3.2. Diskussion der Aussagen
7.2.4. Urlaub
7.2.4.1. Aussagen
7.2.4.2. Diskussion der Aussagen
7.2.5. Wünsche und Träume
7.2.5.1. Aussagen
7.2.5.2. Diskussion der Aussagen
7.2.6. Alternativen
7.2.6.1. Aussagen
7.2.6.2. Diskussion der Aussagen
7.2.7. Exkurs: Vorstellungen vom Rentenalter
7.2.7.1. Aussagen
7.2.7.2. Diskussion der Aussagen
7.2.8. Diskussion aller Aussagen zum Thema Lebensziele
7.3. Glaube
7.3.1. Aussagen
7.3.2. Diskussion der Aussagen
7.4. Beziehung zu Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen
7.4.1. Aussagen zu strukturellen Merkmalen der familiären Geschichte
7.4.2. Aussagen zu bedeutsamen durch Erzieher vermittelten Werten
7.4.3. Diskussion der Aussagen
7.5. Sucht und Vergangenheit
7.5.1. Aussagen zu Suchtentwicklung und Drogenalltag
7.5.2. Aussagen zu subjektiven Ursachen für die Suchtentwicklung
7.5.3. Aussagen zur Bewertung und Einordnung der Drogenerfahrung aus heutiger Perspektive
7.5.4. Diskussion der Aussagen
7.6. Erleben und Lernen im COME IN
7.6.1. Aussagen zu aktuellem Erleben und Probleme im COME IN
7.6.2. Aussagen zu Gelerntem im COME IN
7.6.3. Diskussion der Aussagen
7.6.4. Exkurs: Geschlechtsunterschiede und Vergleich von Phase 1 und Phase 2- Klienten
7.7. Gesprächsbilanz
7.7.1. Aussagen der Klienten zum Erleben während des Gespräches sowie dessen Bewertung
7.7.2. Diskussion der Aussagen
8. Zusammenfassung
9. Schlussbetrachtung
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Thema Lebenssinn und die daran angeschlossene Frage nach der Wahl entsprechender Lebensziele findet in der „Mainstream“-Psychologie kaum Aufmerksamkeit. Dies ist insofern ein wenig verwunderlich, als dass die Beantwortbarkeit damit zusammenhängender Fragen eigentlich jeden Menschen betreffen:
Was ist der Sinn meines Lebens, der Menschheit, des Kosmos? Was soll das alles? Warum gibt es soviel Leiden auf der Erde? Wer bin ich? Wer war ich vor meiner Geburt? Was wird nach meinem Tod sein? Was bedeuten diese Fragen für mein Leben?
Sicherlich haben die großen Schulen (vor allem das psychoanalytische und das lerntheoretische Paradigma) diese Fragen tendenziell eher anderen Institutionen überlassen, da sie ihnen zu vage und grenzenlos erschienen, um sie theoretisch und empirisch zu erforschen (Debats, 1999). Trotzdem gibt es auch in der Psychologie Richtungen und einzelne Theoretiker die sich explizit damit auseinandersetzten. Als einflussreichster Vertreter wäre hier Viktor Frankl zu nennen, der mit seiner Logotherapie und Existenzanalyse eine Therapie entwickelt hat, in der diese Fragen das Zentrum bilden (vgl. Frankl, 1976). Sehr einflussreich in Sinn-Theorie und Forschung waren zudem Abraham Maslow und Irving Yalom (vgl. Debats, 1996). Aber auch schon bei C.G. Jung‘s analytischer Psychologie ist die Sinnfindung im Rahmen des Individuationsprozesses ein wichtiges Element (vgl. Jung, 1932). Weiterhin zu nennen wäre hier noch Jacques Lacan und seine strukturalistische Psychoanalyse, die letztendlich auch zum Kernproblem des Menschen vordringen möchte, dem Nicht-Erfassen-Können der Dinge (vgl. Widmer, 2004). Lacan verstand sich zwar als reiner Freudianer, der dessen Theorie und Methode nur konsequent weiter gedacht habe, er lässt sich inhaltlich aber doch davon abgrenzen. Auch die von Seligmann begründete positive Psychologie, die sich vorwiegend mit den guten Aspekten des menschlichen Miteinander beschäftigt (vgl. Seligman & Csikszentmihalyi, 2000) steht der Beschäftigung mit Lebenssinn und Lebenszielen sehr nahe. Schließlich sollte noch Ken Wilber als wichtiger Vertreter der transpersonalen Psychologie Erwähnung finden (vgl. Wilber, 1983), wobei wir uns hier schon sehr an den Randbereichen der Psychologie bewegen. Die subjektiv wichtigsten dieser genannten Ansätze sollen überblicksmäßig im theoretischen Teil dieser Arbeit angerissen und dann im Ergebnisteil diskutiert werden.
In der Literatur beziehen sich die meisten empirischen Arbeiten auf Frankls Konzept der Sinnleere als mögliche Ursache für psychische Störungen. Er nimmt an, dass insbesondere bei vielen Menschen der jüngeren Generationen unserer Zeit ein sogenanntes existentielles Vakuum, also eine Sinnleere, besteht. Als Ursache sieht er dafür die Diskrepanz zwischen den unzähligen Möglichkeiten der Lebensgestaltung und Planung und einem gleichzeitigen Verlust an Traditionen und Ritualen, die einem den Weg weisen und Struktur geben (z.B. Frankl, 1997). Diese Diskrepanz scheint sich durch den Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse von Generation zu Generation noch zu vergrößern.
Sucht betrachtet Frankl als Versuch dieses Vakuum mit Hilfe der Droge zu füllen. Da die Stimulanz allerdings kein adäquater Ersatz für Sinn ist, muss dieser Versuch misslingen.
Sieht man sich nun die Stichprobe der suchtkranken Jugendlichen an, so erscheint einem diese in dem Zusammenhang besonders interessant. Einerseits als Vertreter der jüngeren Generation mit einem vermeintlichen Aufwachsen in einer haltlosen Welt und andererseits das (zumindest theoretische) Leiden an einer Sinnleere mit dem Versuch des Ausgleichs durch Drogenkonsum.
Empirische Untersuchungen zu dieser Population sind im Vergleich zur Menge an wissenschaftlichen Daten, die sich allgemein mit der Thematik Lebenssinn und Lebensziele beschäftigen, relativ gering. Die Masse bilden dabei entweder rein theoretische Arbeiten oder quantitative Befunde mittels Fragebögen. Qualitative Ansätze sind (zumindest nach Literatursichtung des Autors) eher selten und nicht anhand Interviews oder Gesprächen durchgeführt worden. Insbesondere humanistisch orientierte qualitative Untersuchungs-Methoden werden komplett vermisst. Da der Mensch aber immer in Beziehung zu anderen Menschen steht und somit auch Sinnfindung und das sich Auseinandersetzen mit der Sinn-Thematik wahrscheinlich nicht als autistischer Prozess stattfindet, wäre es besonders wichtig mit der untersuchten Person in Beziehung zu treten, um gehaltreiche Informationen zu erhalten. Das Persönliche Gespräch nach Inghard Langer (2000) ist eine Methode qualitativer Forschung, die genau hier ansetzt. In diesem Sinne versucht diese Arbeit mit Hilfe des Persönlichen Gespräches die besagte Lücke zu füllen. Sinn wird dabei von mir als sich im Moment, entweder in der tatsächlichen oder imaginären Beziehung mit anderen Menschen, konstituierend verstanden. Hierbei führte ich Gespräche mit 6 männlichen und 2 weiblichen Jugendlichen des „COME IN“ (im Folgenden ohne Anführungsstriche), einer Einrichtung zur Rehabilitation suchtkranker Jugendlicher. Ich versuchte eine wertschätzende, empathische und authentische Grundhaltung gegenüber den Klienten einzuhalten, um mich so auf ihren inneren Bezugsrahmen einzustellen und intensiv mit ihnen in Beziehung zu treten. Dieses In-Beziehung-Treten hat selbst dynamischen Charakter und entwickelt und verändert sich von Gespräch zu Gespräch. Um dem gerecht zu werden versuche ich auch diese prozesshaften Aspekte meiner Gespräche zu der Thematik Lebenssinn und Lebensziele in dieser Arbeit darzustellen. Die Gespräche werden in verdichteter Form präsentiert mit einer anschließenden persönlichen Beschreibung meiner Eindrücke und Ideen, die das jeweilige Gespräch bei mir ausgelöst hat.
Persönlicher Bezugspunkt. Weiterhin wichtig für das Verständnis und die Einordnung der Gespräche, als auch der ganzen Arbeit, ist mein persönlicher Bezugspunkt. Als Mensch bin ich in der prekären Situation ein Bewusstsein meiner selbst zu haben. Viel mehr noch, ein Bewusstsein über mein Bewusstsein meiner selbst (und so weiter). Mit dieser Möglichkeit taucht nun auch die Fähigkeit zur Sinnfrage auf. Mit anderen Worten: Auch ich stelle mir die Frage nach dem Sinn des Lebens und muss versuchen entsprechende Lebensziele, verbunden mit den passenden Wertvorstellungen, zu verwirklichen. Insofern bin ich als Mitglied der Gattung Mensch ein Betroffener. Was mich vielleicht von einigen anderen unterscheidet ist die Tatsache, dass ich mich bewusst für das bewusste Suchen nach Antworten auf diese Frage als primäres Lebensziel entschieden habe. Der Weg, den ich mir hierzu ausgesucht habe, ist der Zen-Buddhismus. Zu meiner Lebenspraxis gehören also das Zazen, die Meditation oder das Sitzen in Stille, das Beschäftigen mit entsprechender Philosophie und Ethik und der Versuch diese in meinem täglichen Handeln zu verwirklichen.
Meinen Bezug zu dem Thema Sucht möchte ich auf andere Art und Weise darstellen. Da ich meinen Klienten in den Gesprächen offen als Person mit eigener Historie gegenübertreten wollte und nicht als neutraler „Schwingungskörper“ oder dergleichen, entschied ich mich vor jedem Gespräch einen kurzen Abriss meiner eigenen Geschichte zu geben, um meine Beweggründe für dieses Gespräch aufzuzeigen. Damit der Leser einen Eindruck gewinnt, wie ich also in diese Gespräche „eingestiegen“ bin, im Folgenden beispielhaft ein Ausschnitt aus dem Gespräch mit Uwe:
„Wie komm ich überhaupt dazu, dass ich jetzt hier im COME IN das mache und dass ich euch Klienten dann befrage? Meine eigene Geschichte: Jetzt bin ich Psychologie-Student. Das ist sozusagen meine Diplomarbeit. Es ist aber so, dass ich selber sozusagen Spätaussiedler-Kind bin. Ich bin in einem Viertel groß geworden in Süddeutschland, wo 80% Russen waren. Das ist die höchste Dichte in ganz Deutschland. Wie Du dir vorstellen kannst, da geht halt einiges ab auch. Das heißt ich hab auch so eine entsprechende Vergangenheit, hatte auch Kontakt denn mit Drogen usw. Ich hatte vielleicht Glück, dass ich nicht zu doll abgerutscht bin, süchtig geworden bin oder so, aber ich hatte viele Freunde gehabt, viele Bekannte, die hatten vielleicht nicht so dieses Glück. Was ich mich dann so gefragt hab oder frage ist in diesem Zusammenhang das Thema Lebenssinn. Was hab ich für einen Sinn im Leben?...“
Hinweise für den Leser. Als Hauptteil dieser Arbeit werden die sogenannten Verdichtungen der Gespräche mit den Klienten betrachtet. Hier kommen die Klienten selbst zu Wort und treten mit mir, aber auch mit dem Leser in Kontakt. Das Lesen dieser Gespräche soll und wird zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Thematik „Lebenssinn“ anregen. Man bekommt einen Eindruck von der Lebenswelt dieser Jugendlichen und wird Sympathien, Verwunderung aber vielleicht auch Befremden empfinden. Das Lesen dieser Verdichtungen stellt somit die Essenz dieser Arbeit dar.
Der theoretisch interessierte Leser sei trotzdem auch auf die Kapitel zu Theorie, Empirie, Methode und selbstverständlich den Ergebnisteil verwiesen. Die Theorie kann einem dabei die passende Brille aufsetzen, um die Gespräche zu lesen. Diese Brille vermag es unter Umständen ein schärferes Lesen zu ermöglichen. Möglicherweise kann es aber auch lohnenswert sein erstmal gewisse Unschärfen auf sich wirken zu lassen, bevor man entstandene Brüche und Fragezeichen gleich in theoretischer Konsistenz erstickt.
In der Regel wird eine wissenschaftliche Arbeit eher selten mit Muße vor dem Einschlafen gelesen werden, so wie man dies bspw. mit Belletristik macht. Das möglichst rasche Herausziehen der gewonnenen Erkenntnisse zur eventuellen Verwendung für die eigene wissenschaftliche Arbeit ist dabei elementar. Diese Art des Lesens wird zwar dem Wert der Gespräche und der hier praktizierten humanistischen Vorgehensweise eher weniger gerecht, trotzdem sei es auch diesem Leser freigestellt die interessanten Ergebnisse mit Einbettung in den wissenschaftlichen Diskurs sofort zu rezipieren. Ich kann ihn sowieso nicht daran hindern. Es empfiehlt sich nichts desto trotz wenigstens eine Gesprächsverdichtung zu lesen. Hierfür würde ich das Gespräch mit Karl empfehlen, oder Janine, oder doch besser Mark…?
2. Sinnforschung in der Psychologie
2.1. Theorie
Eine etymologische Betrachtung der Wurzeln des Sinnbegriffes ist bereits sehr aufschlussreich. „Weg“, „Gang“ oder „Reise“ werden als ursprüngliche Bedeutung angesehen (Schnell, 2004), wobei die germanische Wortgruppe um Sinn auf der indogermanischen Wurzel „sent-“ beruht, deren ursprüngliche Bedeutung wiederum „eine Fährte suchen, eine Richtung nehmen“ war (Duden Etymologie, 1989). Die Suche an sich scheint also ein zentrales Element zu sein.
Der umgangssprachliche Gebrauch von Sinn gestaltet sich bereits etwas schwieriger. „ Wir wissen, was wir meinen, aber wir können es nicht erklären und kaum beschreiben“ (Schnell, 2004, S.41), wobei Glück oder Schönheit im Gebrauch nahe liegende Assoziationen sind. Schnell (ebd.) gibt hierzu folgende Zusammenfassung: „Der lebensweltliche Gebrauch des Begriffs Sinn umfasst also die folgenden Aspekte: emotionale Stimmigkeit, Nachvollzug von Kohärenz und Affirmation einer Richtung auf ein bestimmtes Ziel hin.“ Wenn es um den Sinn des Lebens geht, befindet man sich auf einer relativ abstrakten Ebene des Sinnbegriffs, die zudem die eigene Person mit einschließt und somit kognitive (bspw. in Form bestimmter Einstellungen), affektive, aber auch Handlungsaspekte beinhaltet, die alle als eine Ausdrucksform des Selbst- und Weltbild betrachtet werden können.
Sobald es also um den Sinn des Lebens geht, wird das Feld unserer Betrachtung sehr viel breiter. Es mag einem möglicherweise geradezu grenzenlos erscheinen. Wahrscheinlich ist es dieser Umstand, der dazu geführt hat, dass die Beschäftigung mit dem Thema Lebenssinn niemals in der „Mainstream“-Psychologie ihren Eingang gefunden hat.
Unter denen die dies trotzdem gewagt haben, waren Viktor E. Frankl, Abraham Maslow und Irvin Yalom wahrscheinlich die Einflussreichsten in der klinischen Psychologie. Aus diesem Grunde wird im Folgenden ein kurzer Abriss ihrer Theorien folgen. Weniger einflussreich, auf die heutige Psychologie bezogen, dafür aber zeitlich früher als die drei genannten, waren C.G. Jungs Überlegungen zu der Thematik. Auch sie sollen hier kurz gewürdigt werden.
Nach Viktor Frankl verfügt der Mensch nicht nur über die körperliche (somatische, physische) und seelische (psychische) Dimension, sondern es ist vielmehr die geistige (noetische) Dimension entscheidend (Riedel, Deckart & Noyon, 2002), so „dass das eigentlich Menschliche erst aufscheinen kann, sobald wir uns in die Dimension des Geistigen hineinwagen. Als Mensch wird der Mensch erst sichtbar, wofern wir diese ‘dritte‘ Dimension in seine Betrachtung einbeziehen“ (Frankl, 1994, S.65). Zu den Bestandteilen des Geistes gehört unter anderem der sogenannte „Wille zum Sinn“. Dabei konstituiert sich Sinnerleben aus drei Arten von Werten:
- Schöpferische Werte: inspirieren Menschen zum Produzieren, Schaffen und Erreichen, üblicherweise durch Arbeit.
- Erlebniswerte: beinhalten positive menschliche Erfahrungen wie bspw. die Liebe oder die Wertschätzung des Schönen.
- Einstellungswerte: eine bedeutungsvolle Haltung gegenüber dem Schicksal, insbesondere im Angesicht unvermeidbarer negativer Bedingungen.
Jede Situation beinhaltet ihren eigenen wahren Sinn, den es für das Individuum, mittels seines Bewusstseins und seiner intuitiven Fähigkeiten, zu finden gilt. Findet der Mensch keinen übergeordneten Sinn im Leben, fehlt ihm etwas Notwendiges. Dieser Mangel, bzw. diese Frustration des Willens zum Sinn, kann sich dann in einem „existentiellen Vakuum“ oder einer noogenen (von griech. noos: Sinn, Verstand) Neurose äußern, die typischerweise von den Symptomen der Langeweile und Apathie begleitet ist. Sie kann sich aber auch auf andere Weise psychopathologisch zeigen: „Es gibt auch maskierte Formen der existentiellen Frustration. Ich erwähne nur die sich namentlich in der akademischen Jugend häufenden Fälle von Selbstmord, die Drogenabhängigkeit, den so verbreiteten Alkoholismus und die zunehmende (Jugend-) Kriminalität“ (Frankl, 1999, S.11). Wie man sieht, wird hier bereits die theoretische Relevanz des Themas „Lebenssinn“ für die in dieser Studie untersuchten Klienten deutlich.
Abraham Maslow (1968; 1971) erklärt den Einfluss von Lebenssinn und Werten auf die menschliche Motivation aus seiner bekannten Bedürfnishierarchie heraus. Erst wenn die niederen Bedürfnisse befriedigt sind, können Werte ihre motivationale Funktion übernehmen und Individuen zur Hingabe an eine Mission oder einen Zweck führen. Lebenssinn ist ein sogenanntes Wachstumsbedürfnis und unterliegt anderen Regeln als die unteren Mangelbedürfnisse (vgl. Debats, 1996). Die Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse ist Voraussetzung für ein gesundes Funktionieren. Deren Frustration führt zu Krankheit. Im Gegensatz zu Mangelbedürfnissen besteht die Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse aber nicht nur in der Abwesenheit von Krankheit, sondern führt zu Wachstum. Allerdings können diese Bedürfnisse auch nicht voll befriedigt werden. Lebenssinn kann also entsprechend keine totale Erfüllung erhalten, da er ideellen Charakter hat (und solche Ideale wie bspw. Schönheit niemals Perfektion erreichen können). Sinninhalte können frei gewählt werden, wobei nur solche Inhalte zur Gesundheit führen, die der eigenen inneren Natur entsprechen (Debats, 1996). Ausgewählte Aktivitäten sollten also den intrinsischen Werten so nahe wie möglich kommen. Werterfüllung ist eine notwendige Bedingung für Gesundheit: „The state of being without a system of values is psychopathogenic, we are learning. The human being needs a framework of values, a philosophy of life, a religion or religion surrogate to live by and understand by, in about the same sense that he needs sunlight, calcium or love" (1968, S.206).
Irvin Yalom (1980) betrachtet Lebenssinn aus einer existentialistischen Perspektive. Das Individuum sieht sich konfrontiert mit den vier existentiellen Sorgen, Tod, Freiheit, Isolation und Sinnlosigkeit. Psychopathologie resultiert aus einem ineffektiven Umgang mit diesen Gegebenheiten (vgl. Debats, 1996). Lebenssinn wird als kreative Antwort auf die absolute Sinnlosigkeit der Welt gesehen. Menschen wählen und schaffen ihre eigenen Umstände. Sinn existiert nicht außerhalb des Menschen, sondern wird individuell geschaffen. Der Kosmos hat somit keinen inhärenten Sinn. Sinn kann auf verschiedenem Wege erreicht werden, bspw. über altruistisches Handeln, indem man sich einer guten Sache widmet, durch Kreativität oder Hedonismus. Da die meisten Menschen sich aber der selbstgeschaffenen Natur des Sinns bewusst sind, bedarf es noch des Engagements („commitment“) für diese selbstgewählten Sinninhalte. Auf diese Weise können sie eine Angst vor Sinnlosigkeit und die damit verbundene größere Bewusstheit der Unausweichlichkeit des Todes, also ihrer eigenen Endlichkeit, vermeiden. Sinn ist notwendig für geistige Gesundheit: „ The human being seems to require meaning. To live without meaning, goals, values or ideals seems to provoke considerable distress. In severe form it may lead to the decision to end one’s life [...] We apparently need absolutes, firm ideals to which we can aspire and guidelines by which to steer our lives" (Yalom 1980, S.422). Nach Yalom kann die Zuschreibung von Sinn dem menschlichen Leben also ein beträchtliches Ausmaß an Stabilität und Sicherheit geben (Debats, 1996).
Auch in der von Carl Gustav Jung konzipierten analytischen Psychologie spielt „Sinn“ eine zentrale Rolle, was sich an folgendem Zitat unschwer erkennen lässt: „Die Psychoneurose ist im letzten Verstande ein Leiden der Seele, die ihren Sinn nicht gefunden hat“ (Jung, 1932, S.497). Jung selbst hat den Sinnbegriff nicht definiert, womöglich weil er ihn nicht als wissenschaftliches Konzept sah: „Jung sah, dass der Mensch für den Heilungsprozess auf ein sinnorientiertes Verständnis seines Leidens und ein sinnvolles Ziel angewiesen ist, deren Inhalte sich dem naturwissenschaftlichen Verständnis entziehen“ (Schlegel, 2005, S.461).
Die Jung’sche Therapie möchte eine sinnmachende Ganzheit wiederherstellen. Dabei kann „Sinn“ Ziele setzen, die das Leben wieder in den Fluss bringen können (Schlegel, 2005).
Jung merkt hierzu an: „Die Wirkung auf die ich hinziele, ist die Hervorbringung eines seelischen Zustandes, in welchem mein Patient anfängt, mit seinem Wesen zu experimentieren, wo nichts mehr für immer gegeben und hoffnungslos versteinert ist, ein Zustand der Flüssigkeit, der Veränderung und des Werdens“ (Jung, 1929, S.99).
Jungs Konzept der Archetypen, bei denen es sich um „universale, identische Strukturen der Psyche“ (Jung, 1952, S.224) handelt, sind für das Sinnerleben von besonderer Bedeutung. Sie regulieren die Triebsphäre und manifestieren sich bei Eintritt ins Bewusstsein als Bilder, dessen Erleben „eine bis dahin für unmöglich gehaltene Sinnerfülltheit mit sich bringt“ (Jung, 1954b, S.405). Viele der Archetypen finden sich als Hauptmotive in Märchen (der Held, der Erlöser, der Drache, das Meer, der Weise, etc.). „Zwei der wichtigsten Archetypen sind Animus und Anima. Es handelt sich hierbei um die gesamtgeschlechtliche Erfahrung am Gegengeschlechtlichen; d.h. im Unbewussten des Mannes findet sich das Bild der Anima, das alles Weibliche, Erdhafte, Gefühlvolle, Schöpferische enthält und im Traum meist als Frau verkörpert wird, während das Bild vom Animus im Unbewussten der Frau alles Männliche, Logische, Sprachlich-Rationale enthält und als Mann verkörpert wird“ (Kriz, 2001, S.62).
Das Gemeinsame aller vier vorgestellten Theorien ist die Feststellung, dass der Sinn des Lebens eine klinisch relevante Rolle spielt, mit sowohl negativen als auch positiven Aspekten bezüglich der geistigen Gesundheit. Frankl, Maslow, Yalom und Jung stimmen weiterhin darin überein, dass ein existentielles Vakuum sich in Psychopathologie äußern kann. Allerdings gibt es auch theoretische Unterschiede. Frankl betont den dem Leben inhärenten Sinn und beschreibt ihn als Entdeckungsprozess. Maslow hat einen mehr entwicklungspsychologischen Ansatz, der den Schwerpunkt auf die Selbstaktualisierung und Sinnschaffung legt. Yalom hingegen geht von der Sinnlosigkeit des Lebens aus. Die Hingabe an selbstgewählte Werte bewahrt vor einem schädigenden Nihilismus (Debats, 1996). Für Frankl können diese nur selbst-transzendente Werte sein. Selbsttranszendenz als handelnder Ausdruck eines über sein selbst hinaussteigenden Individuums, bspw. in Form gesellschaftlichen Engagements oder in der Hingabe an eine Tätigkeit, die mit einem „Vergessen“ des Selbst verbunden ist. Religiöse Aktivitäten böten eine solche Möglichkeit der Selbsttranszendenz. Bei Yalom hingegen wäre der Glaube an einen persönlichen Gott lediglich eine Abwehr gegenüber der Sinnlosigkeit des Lebens und müsste entsprechend überwunden werden. Jungs Ansatz unterscheidet sich von den anderen genannten Theorien darin, dass Sinn letztendlich gerade nicht in einer dualistischen Vorstellung von Innen oder Außen in dem einen oder anderen gefunden werden kann (wenn diese Vorstellungen auch durchaus ein Hilfsmittel auf dem Weg dorthin sein können, dessen sich auch die analytische Psychologie bedient). Der stärkste symbolische Ausdruck von Sinn kann entsprechend im sogenannten Synchronizitätserleben gefunden werden. Einem Erleben von Phänomenen, in denen vermeintlich unabhängige Phänomene des Außen das Innere Erleben bedeutungsschaffend widerspiegeln, in der Umgangssprache als sogenannte paranormale Phänomene bezeichnet und von Kritikern Jungs als okkult, unwissenschaftlich und spiritistisch abgewertet. Nach Jung sind diese keineswegs als paranormal, im Sinne von übernatürlich zu verstehen, sondern lediglich als sich vom Alltag abhebend, aber in ihrer Existenz genauso natürlich wie dieses Alltagserleben auch. Das Synchronizitätserleben ist ein sehr starker Ausdruck dessen, dass es keinen Unterschied zwischen Geist und äußerer Realität gibt. „Wirklichkeit ist nur das, was in der menschlichen Seele wirkt, und nicht das, was von gewissen Leuten als wirkend angenommen und in voreingenommener Weise verallgemeinert wird“ (Jung, 1921/1960, S.60).
2.2. Qualitative und quantitative Studien
Qualitative Studien , die auf einem phänomenologischen Ansatz basieren, setzten ihren Schwerpunkt auf Sinninhalte. Diese Studien analysierten die Aussagen von Menschen über deren Sinnquellen und zielten darauf ab, zuverlässige Sinn-Kategorien zu identifizieren. Dabei variiert die Anzahl der genannten Sinnquellen in der Regel zwischen sechs und neun (z.B. Kaufman, 1986). Battista und Almond (1973) boten diesbezüglich eine der ersten Klassifizierungen an. Sie unterschieden sechs Haupt-Lebensorientierungen:
- Interpersonell („interpersonal“): betont Beziehungen, Liebe, Freigebigkeit
- Helfend („service“): betont das Helfen und sich kümmern um Benachteiligte
- Verstehend („obtaining“): betont abstraktes theoretisches Denken
- Selbstausdrückend („expression“): betont den Ausdruck des Selbst durch Gefühle, Kunst und Sport
- Ethisch („ethical“): betont das Leben nach persönlichen Glaubensvorstellungen (politisch, religiös oder sozial)
De Vogler und Ebersole (1980; 1983) arbeiteten diese Klassifikation noch weiter aus und fügten außerdem vier Kategorien hinzu:
- Wachstum/Zielorientierung: („growth“): ein Streben nach Potentialentfaltung und Zielverwirklichung
- Genuss/Hedonismus („existential-hedonistic“): Spaß und das alltägliche Leben
- Lebensarbeit („life work“): Sinn, der aus dem Beruf oder Arbeit gewonnen wird
- Gesundheit („health“): die körperliche und geistige Gesundheit aufrechterhalten
Dabei haben sich bei De Vogler und Ebersole, als auch bei anderen Studien (z.B. Ebersole & De Paola, 1987; Hedlund, 1987; Debats, 1996) Beziehungen über viele Gruppen und Altersspannen hinweg immer wieder als die wichtigste Sinnquelle erwiesen.
Auf Grundlage früherer Forschung fassten Reker und Wong (1988) verschiedene Sinnquellen zusammen: a) Grundlegenden Bedürfnissen wie Essen, Schutz und Sicherheit begegnen; b) Freizeitaktivitäten und Hobbies; c) kreative Arbeit; d) persönliche Beziehungen (Familie oder Freunde); e) persönliche Leistung (Bildung oder Karriere); f) persönliches Wachstum (Weisheit oder Reife), soziale und politische Aktivitäten (wie die Friedensbewegung oder Umweltschutz-Kampagnen); g) Altruismus; h) beständige Werte und Ideale (Wahrheit, Güte, Schönheit und Gerechtigkeit); i) Traditionen und Kultur wie bspw. Erbe oder ethnische Zugehörigkeit; j) Vermächtnis (der Nachwelt etwas überlassen); und k) Religion.
Nach Wong (1998, S. 368) kann Religion die zufriedenstellendsten Antworten auf die Frage nach einem ultimativen Sinn geben und dabei folgende Funktionen übernehmen: „[…]religion brings a sense of coherence, hope, and significance to people’s existence, and enables them to transcend the banality of everyday living. As a shared system of rituals and symbols, religion also provides a sense of community” (Wong, 1998b, S.363).
Viele Forscher fanden einen positiven Zusammenhang zwischen religiösem Engagement und geistiger oder physischer Gesundheit (z.B. Batson, Schoenrade, & Ventis, 1993; Koenig, Kvale, & Ferrel, 1988; Koenig, Smiley, & Gonzales, 1988; Levin, 1994a, 1994b; McFadden, 1995).
Durch Sichtung und Verdichtung einer großen Menge an theoretischer und empirischer Literatur zur Lebenssinn-Problematik sowie Ergebnissen aus eigener qualitativer Forschung mittels narrativer Interviews zu wichtigen Lebensereignissen schafft Baumeister (1991) ein theoretisch sehr konsistentes Werk mit vielen interessanten Erkenntnissen. Dabei beschreibt er vier notwendig zu befriedigende Grundbedürfnisse des Sinns (ebd., S.29):
„Four basic needs for meaning can be suggested: purpose, value, efficacy, and self-worth. A person who is able to satisfy these four needs probably will feel that his or her life has sufficient meaning. A person who has not satisfied them is likely to feel a lack of meaning.“
Das erste Bedürfnis nach Zweck („purpose“) ist ein zukunftsorientiertes Bedürfnis das in Ziele („goals“) und Erfüllung („fulfillment“) untergliedert werden kann (extrinsisch und intrinsisch), wobei Erfüllung eher in einem Ideal und weniger in einem tatsächlichen Zustand besteht. Das zweite Bedürfnis nach Wert („value“) beinhaltet den Wunsch das eigene vergangene und jetzige Handeln als richtig und gut betrachten zu können, es gewissermaßen rechtfertigen zu können (Baumeister, 1991). Weiterhin brauchen Menschen Wirksamkeit („efficacy“), also das Gefühl etwas bewirken zu können. Schließlich benötigen Menschen eine Basis an Selbstwert, die sowohl Selbstrespekt als auch das Respektieren anderer beinhaltet. Selbstwert basiert hauptsächlich auf dem Gefühl anderen überlegen zu sein. Wenn diese Bedürfnisse nicht befriedigt werden, kommt es zu Leid und Frustration. Deprivation einer dieser Sinnquellen führt in einer ersten Reaktion zu einer Ausweitung der übrigen Quellen um dieses Defizit auszugleichen. Nur bei einem Fehlschlag dieses Versuches kommt es zu einer Suche nach komplett neuen Sinnquellen (ebd.).
Die Entwicklung des „Purpose in Life Test“ (PIL) von Crumbaugh und Maholick (1964) war Teil der ersten Quantitativen Studien auf dem Gebiet der Lebenssinn-Forschung. Seine theoretische Basis ist die von Frankl konzipierte Logotherapie (vgl. Kapitel 2.1). Der PIL misst das Ausmaß des Sinnerlebens eines Individuums und ist das international am häufigsten eingesetzte Verfahren. Allerdings werden insbesondere die Validität des PIL kritisiert. Problematisch sind eine Konfundierung von Sinn, Angst vor dem Tod und Freiheit sowie eine hohe soziale Erwünschtheit und eine mangelnde diskriminative Validität in Bezug auf das Konstrukt Depression. Trotzdem gibt es eine Menge damit durchgeführter Studien, die größtenteils zeigen können, dass Patienten einen geringeren PIL-Wert aufweisen als Nicht-Patienten (z.B. Crumbaugh, 1968, 1971; Padelford, 1974; Sheffield & Pearson, 1974).
Zu den untersuchten Stichproben gehörten Drogensüchtige, Alkoholiker, neurotische und psychotische Patienten.
Battista und Almond (1973) entwickelten mit ihrem Life Regard Index (LRI) eine Methode Sinn zu messen, die unabhängig von einer speziellen Theorie sein sollte. Folgende zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt des Forschungsinteresses: „What is the nature of an individual’s experience of his life as meaningful?“ und „What are the conditions under which an individual will experience his life as meaningful?” (Battista & Almond, 1973, S.409). Der LRI stellt einen relativen Ansatz dar, der im Gegensatz zu philosophischen Ansätzen unabhängig von den Inhalten verschiedener möglicher persönlicher Glaubenssysteme (bspw. religiös, humanistisch, etc.), die Erfassung von Sinn ermöglichen sollte. Der entscheidende Faktor für Sinnerleben wird dabei im Ausmaß der Hingabe („commitment“) an das Glaubenssystem und nicht in bestimmten Inhalten gesehen. Die Autoren analysierten Gemeinsamkeiten verschiedener Sinn-Theorien und entwickelten daraus das Konzept des „Positive life regard“, ein Terminus der sich, um Konfusion zu vermeiden, bewusst vom Begriff „Lebenssinn“ unterscheiden sollte. In seiner Originalversion bestand der Test aus 28 Items mit einer 5-Punkt Skala und war in zwei Subskalen eingeteilt: „Framework“ und „Fulfillment“. Die „Framework“-Skala misst die Fähigkeit einer Person, ihr Leben innerhalb einer Perspektive oder eines Kontextes zu betrachten, aus denen sie bestimmte Lebensziele oder einen Lebenszweck ableitet. Die „Fulfillment“-Skala misst das Ausmaß, in dem eine Person diese Ziele als erfüllt oder im Prozess der Erfüllung betrachtet (ebd.).
Zur jüngeren Sinnforschung muss auch das Konzept des Kohärenzsinns („Sense of Coherence“, SOC) von Antonovsky (1983) gezählt werden. Er beinhaltet die Dimensionen Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit, und Handhabbarkeit, die als Coping-Funktion im Umgang mit Lebensproblemen verstanden werden können. Der SOC wurde durch einen eigenen Fragebogen operationalisiert und es konnten Zusammenhänge zwischen SOC-Werten und verschiedenen Gesundheitsaspekten gefunden werden (z.B. ebd.).
Aus dem englischsprachigen Raum wäre schließlich noch das „Personal Meaning Profile“ (PMP) von Wong (1998a) zu nennen. Es soll eine prototypische Sinnstruktur erfassen und beinhaltet sieben zentrale Inhalte: Beziehung, Leistung, Selbst-Transzendenz, Religion, Selbst-Akzeptanz, Intimität und faire Behandlung.
Im Gegensatz zu den USA steckt in Deutschland die Sinnforschung noch in den Anfängen (Schnell, 2004). Trotzdem gibt es immerhin zwei deutschsprachige Verfahren zur psychometrischen Erfassung von Sinn, Lukas‘ Logo-Test (1986a) und die Existenzskala (ESK) von Längle, Orgler und Kundi (2000). Beide Tests beziehen sich auf Frankl und sind mit psychometrischen Schwierigkeiten bzgl. der Gütekriterien behaftet. Die ESK misst dabei die Fähigkeit zu Selbst-Distanzierung, Selbst-Transzendenz, Freiheit und Verantwortung als Lebenskompetenzen. Diese vier Skalen konnten allerdings faktorenanalytisch nicht nachgewiesen werden. Der Logo-Test von Lukas misst Sinninhalte, existentielle Frustration und beinhaltet im dritten Teil zudem ein Verfahren mit projektivem Hintergrund. In diesem dritten Teil soll man eine von drei vorgelesenen Lebensgeschichten anhand des geschätzten Glückes des Protagonisten auswählen und im Anschluss die eigene Geschichte erzählen. Der Logo-Test wurde bisher nur anhand eines durch den Rorschach-Test ermittelten Wertes validiert.
In den letzten Jahren gewannen in der Sinnforschung kombiniert qualitativ-quantitative Ansätze an Bedeutung. Exemplarisch sollen hier drei Studien vorgestellt werden, davon zwei (Pöhlmann, Gruss & Joraschky, 2006; Schnell, 2004) aus dem deutschsprachigen Raum (erstere allerdings in englischer Sprache publiziert). Pöhlmann, Gruss und Joraschky (2006) untersuchten den Zusammenhang zwischen strukturellen Merkmalen persönlicher Sinnsysteme sowie Gesundheit und Wohlbefinden. Dabei wurde zwischen vier verschiedenen strukturellen Merkmalen unterschieden:
1. „accessibility“: Leichtigkeit des persönlichen kognitiven Zugangs zu sinnrelevanten Quellen; gemessen über die Anzahl der genannten Sinnkategorien.
2. „differentiation“: Unterschiedlichkeit der persönlichen Sinnquellen; Erhebung: Sinnquellen werden in Netzwerk-Form dargestellt und die Anzahl der Quellen, die in Verbindung mit anderen Quellen stehen, werden gezählt.
3. „elaboration“: wie eng ist das Sinn-Netzwerk gewoben?; gemessen über die Anzahl der Verbindungen im Netzwerk.
4. „coherence“: wie gut passen die einzelnen Teile des Sinn-Netzwerkes zusammen? Bilden sie ein kohärentes Ganzes; gemessen über zwei unabhängige Rater, die an Hand des Textes die Kohärenz auf einer fünfstufigen Skala bewerten.
Messungen der Unterschiedlichkeit, Elaboration und Kohärenz korrelierten mit Gesundheits–und Wohlbefindensmaßen und konnten die Lebenszufriedenheit vorhersagen. Es zeigte sich, dass die bloße Anzahl an Sinnquellen nicht mit Gesundheit und Wohlbefinden korrelierte: „But deriving meaning from different sources and being able to build an elaborate network of meaning by connecting these different elements contributed significantly to physical and mental health and subjective well-being“ (ebd. S. 114).
Unter den kombiniert qualitativ-quantitativen Ansätzen ist derjenige von Debats der wahrscheinlich am meisten rezipierte. Debats (1995) wertete schriftliche Antworten seiner Probanden (150 Psychologie-Studenten) auf offene Fragen zu sinnreichen und sinnlosen Erlebnissen in ihrem Leben inhaltsanalytisch aus. Eine Expertengruppe kreierte dabei ein Kategoriensystem, das sowohl den Antworten der Probanden als auch der rezipierten Literatur gerecht werden sollte. Es bestand aus den zwei Hauptkategorien „Situation“ und „Prozess“, die wiederum in mehrere Unterkategorien eingeteilt wurden (s. Tabelle 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Kategoriensystem zur Kodierung der Lebenssinn-Aussagen nach Debats (1995, S.365)
Die Kodierung der Probanden-Aussagen innerhalb dieses Kategoriensystem erlaubte eine quantitative Auswertung der selbigen, in Form von Häufigkeiten und Korrelationen. Die Probanden bearbeiteten zusätzlich den bereits beschriebenen LRI. Es zeigte sich dass Kontakt zu sich selbst, zu den anderen und der Welt einen starken Zusammenhang mit Sinnerfülltheit aufwies. Der LRI stand zudem in einem starken Zusammenhang mit der interpersonellen Dimension des Wohlbefindens, was abermals die Wichtigkeit von Beziehungen für das Erleben von Sinn bestätigte. Außerdem ergab sich ein Zusammenhang zwischen Sinnerfülltheit (mit dem LRI erhoben) und einem effektiven Umgang mit kritischen Lebensereignissen. In einer späteren Studie verglich Debats (1999), mit einer ähnlichen Vorgehensweise (diesmal mit einem an De Voglers orientierten Kategoriensystem), Patienten mit Nicht-Patienten. Es zeigte sich erneut, dass Beziehungen die häufigsten Sinnquellen darstellten. Weiterhin bestätigte sich, dass Patienten weniger Hingabe an ihre persönlichen Sinninhalte zeigten als Nicht-Patienten. In beiden Stichproben wurde Glaube erstaunlich wenig als Sinnquelle genannt (im einstelligen Prozentbereich). Debats sieht die Ergebnisse dieser Studie als Beweis für die Fehlerhaftigkeit von Frankls Konzept der Selbsttranszendenz als Kernaspekt des Lebenssinns: „Overall, these phenomenal findings disconfirm Frankl’s (1955, 1963) postulate that the core of each persons‘ search for meaning in life involves a process of self-transcendence. Personal meanings expressing some other- directed mission or calling were typically absent in our subjects“ (Debats, 1995, S.48).
Diese Schlussfolgerung Debats‘ geht von der Annahme der Bewusstheit persönlicher Sinninhalte aus. Hier wäre sicherlich einer der größten Kritik-Punkte an Debats Vorgehen anzumerken. Erstens gibt es keine Hinweise dafür, dass Sinnkonstituierende psychodynamische Elemente dem vollen Zugang zum Bewusstsein unterliegen. Dass dies in einem solchen unpersönlichen Fragebogen-Kontext (die Versuchspersonen hatten pro Sinnquelle 3.5cm * 14.5 cm Platz zum Schreiben) erfolgen muss, widerspricht Debats eigener Erkenntnis, dass ein wichtiges Sinnelement der Kontakt sei. Weiterhin fragt Debats in seinen Studien nie nach den Bedeutungen genannter Aspekte und Erlebnisse. Er bleibt phänomenologisch praktisch an der deskriptiven Oberfläche hängen. Das Konzept der Selbsttranszendenz ließe sich allerdings nur über solche Bedeutungen berühren. Was bedeutet mir Familie, Arbeit, etc.?
Kritisieren lässt sich außerdem die Vorgehensweise zur Gewinnung des Kategoriensystems. Dieses wurde nicht komplett induktiv gewonnen, sondern mit Hilfe der Literatursichtung, was zwar Vergleiche mit anderen Kategoriensystemen begünstigt, aber letztendlich nur wieder zu einer Bestätigung bereits vorhandener Hypothesen führen kann. Die Versuchspersonen werden quasi in das Kategoriensystem hineingepresst, was wissenschaftlich zwar durchaus legitim ist und auch zu Erkenntnissen führen kann, aber eigentlich nicht das Label „qualitativ“ verdient. In der von Glaser und Strauss (1998) entwickelten Grounded Theory wird bspw. jegliche theoretische Vorbereitung einer Untersuchung abgelehnt, da sie potenziell zu Verzerrungen führt. Es gibt zwar auch andere nicht so extreme qualitative Ansätze, allerdings bezieht sich Debats in der Begründung seines qualitativen Vorgehens explizit auf eben diese Autoren. Debats Studien zum Thema Lebenssinn lieferten zwar durchaus einige interessante Erkenntnisse und waren für den psychologischen Diskurs zu diesem Thema wichtig, trotzdem ist das von ihm gepriesene kombiniert qualitativ-quantitative Vorgehen eigentlich ein quantitativ-quantitatives. Als letzter Kritikpunkt sei am Rande noch die Repräsentativität der Stichproben erwähnt. Der übergroße Anteil an untersuchten Psychologie-Studenten kann als generelles Problem in der empirischen Psychologie betrachtet werden.
Schnell (2004) verfolgte auch einen Ansatz, der qualitative und quantitative Elemente zu vereinen versuchte. Sie geht davon aus, dass Sinnstiftung eng mit dem von ihr konzipierten Konstrukt der impliziten Religiösität verbunden ist. Dieses ist als universalreligiöse Struktur zu verstehen, die unabhängig von Konfession und tatsächlich religiöser Praxis ein individuelle Tendenz zu religiösem Erleben und Handeln erfassen kann, ohne dass diese bewusst gelebt werden muss. Bewusst ist entsprechenden Personen lediglich eine vage Selbstwahrnehmung als in irgendeiner Form religiös. Implizite Religiösität besteht dabei aus drei Kernelementen:
1. Der persönliche Mythos: „ Er stellt das Selbst- und Weltbild in einen größeren Gesamtzusammenhang und bindet es so an einen übergeordneten Sinn an“ (ebd., S.140). Dabei beinhaltet er folgende strukturelle Merkmale: „[…] eine bestimmte Entwicklungsrichtung, Lebensthemen, Archetypen, Lebensaufgabe, Lebensphilosophie/Lebensmotto, transzendente Weltlenkung, allgemeingültige Wahrheit, klare Dichotomie von gut und böse, eschatologische Dimension“ (ebd., S.27).
2. Das persönliche Ritual: „ Handlungsmuster, die wiederholt und stilisiert durchgeführt werden, die in ihrer Bedeutung über sich hinaus auf subjektiv Bedeutungsvolles hin-weisen[…]“ (ebd., S.140).
3. Transzendierungserlebnisse: „ Sie ermöglichen Einblicke in eine andere Wirklichkeit, sei sie immanenter oder übernatürlicher Art“ (ebd., S.140).
Schnell ermittelte Sinninhalte, indem sie Personen in Interviews nach den subjektiven Bedeutungen der entsprechenden drei Aspekte fragte. Dabei benutzte sie die sogenannte Leitertechnik, fragte also immer weiter nach tieferliegenden Bedeutungen bis keine weitere Antwort mehr gegeben werden konnte. Über eine anschließende inhaltsanalytische Auswertung gelangte sie zu Inhalten, die als Bedeutungsträger genannter Strukturen dienen: „Zu den wiederkehrenden Inhalten gehören Liebe, Familie und Freundschaft, die in Gemeinschaftsritualen gewürdigt werden; Spaß und Genuss, Zentrum der Wellnessrituale, aber auch Altruismus und Fürsorge, und dementsprechend Rituale sozialen Engagements. Der von den Medien propagierte ‚Glücksbringer-Gott, der einen komfortabel durch die Welt bringt’, ist somit nicht als dominante Motivation idiosynkratischer Religiosität zu bezeichnen“ (ebd., S.141).
Die gewonnenen Inhalte wurden in einem Fragebogen operationalisiert, den Fragebogen zu Lebensbedeutungen (LeBe). Mit ihm können 26 Lebensbedeutungen und das Ausmaß der Sinnerfüllung objektiv und reliabel erfasst werden. Der Fragebogen wies eine zufriedenstellende Konstrukt-, konvergente-, diskriminative-, Kriteriums- und kommunikative Validität auf. Er zeigte einen Zusammenhang mit der SOC-Skala (s.o.), so dass seine konzeptuelle Verbundenheit mit dem Sinnkonstrukt bestätigt werden konnte. Eine Faktorenanalyse ergab fünf Sinndimensionen: Transzendenzbezug, Verantwortung, Selbstverwirklichung, Ordnung und Wir- und Wohlgefühl.
„Diese Sinndimensionen können als die fünf Hauptrichtungen betrachtet werden, die heute auf dem Weg zur Sinnfindung eingeschlagen werden. In mehreren Stichproben zeigte sich, dass Wir- und Wohlgefühl durchschnittlich am höchsten ausgeprägt ist, Transzendenzbezug hingegen am geringsten. Dieser Befund spiegelt den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft wider, in der die Wellness- Bewegung eine weit verbreitete Zustimmung erfährt: In Bereichen wie Freizeit, Gesundheit, Ernährung, Körperpflege finden sich vielfältige Angebote zur Befriedigung der Sehnsucht nach körperlich-seelischem Wohlgefühl. Die existentielle Ausrichtung ist diesseitig; Transzendenzbezug spielt eine weit geringere Rolle. Eben diese Dimension ist es aber, die den engsten Zusammenhang zur erlebten Sinnerfüllung aufweist, gefolgt von Verantwortung, Wir- und Wohlgefühl, Selbstverwirklichung und Ordnung “ (ebd., S.143).
Die beschriebene Studie von Schnell (2004) ist ein positives Beispiel dafür wie hochwertige qualitative Arbeit (bspw. in Form von Interviews) mit klassischen quantitativen Methoden in der Sinnforschung erfolgreich verknüpft werden kann. Sie zeichnet sich durch eine hohe theoretische Konsistenz aus, ohne dabei die untersuchten Personen bereits im Vorfeld zu stark in ihren Aussagemöglichkeiten zu beschränken.
2.3. Empirie der Lebensziele
„When asked what makes for a happy, fulfilling and meaningful life, people spontaneously discuss their life goals, wishes and dreams for the future” (Emmons, 2003, S. 106).
Emmons betont in seinen empirischen Arbeiten die Wichtigkeit von Lebenszielen für die Konstitution von Sinn:
“Goals are essential components of a person’s experience of his or her life as meaningful and contribute to the process by which people construe their lives as meaningful or worthwile[…] Goals are signals that orient a person to what is valuable, meaningful, and purposeful” (ebd., S.107).
Er unterscheidet drei Typen von Zielen, die einen positiven Einfluss auf das subjektive
Wohlbefinden haben und das Leben sinnvoll werden lassen:
- Intimität: Ziele die ein Bedürfnis nach engen reziproken Beziehungen ausdrücken.
- Spiritualität: Ziele, die sich an Selbsttranszendenz orientieren
- Generativität: Engagement für zukünftige Generationen.
Das Ziel „Macht“, ein Bedürfnis andere zu beeinflussen, wirkt sich hingegen negativ auf das subjektive Wohlbefinden aus.
Kasser und Ryan (1993; 1996) unterscheiden intrinsische und extrinsische Zielorientierungen. Intrinsische Ziele, wie persönliches Wachstum und gesellschaftliches Engagement drückten sich in einem größeren subjektiven Wohlbefinden aus. Extrinsische Ziele wie bspw. finanzieller Erfolg, soziale Anerkennung und physische Attraktivität standen hingegen in einem negativen Zusammenhang mit diversen Aspekten des Wohlbefindens (ebd.). Schmuck und Wendt (2000) konnten die Ergebnisse von Kasser und Ryan für eine deutsche Stichprobe replizieren und zudem zeigen, dass jüngeren Personen extrinsische Ziele wichtiger sind als älteren. Dieser Kohorteneffekt ließe sich damit erklären, dass in den westlichen Industrienationen im Laufe der letzten Jahrzehnte bei den nachwachsenden Generationen eine relativ starke Betonung von Wohlstandszielen, bzw. sogar deren Zunahme, empirisch aufgezeigt werden konnte (Köcher, 1988; Billig, 1994; Fischer & Münchmeyer, 1997; Astin, 1998; Cohen & Cohen, 2000). All diese Befunde können natürlich die heute in TV und Medien propagierten Werte in ein zweifelhaftes Licht rücken lassen: „[…]diese Ergebnisse stärken die Zweifel daran, daß der „american way of life“ mit seiner Orientierung an Geld, Ruhm und Attraktivität die Chancen für ein glückliches Leben erhöht“ (Schmuck und Wendt, 2000, S.178). Da Einkommen nur mäßig mit Wohlbefinden korreliert ist, kann man annehmen, dass Steigerungen des Einkommens über eine bestimmte Grundhöhe hinaus das Wohlbefinden nicht mehr verbessern können (Myers, 2000).
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass eine Orientierung an positiven Zielen im Gegensatz zur Vermeidung negativer, aversiver Ziele einen positiven Einfluss auf das subjektive Wohlbefinden hat (Cochran & Tesser, 1996; Elliot & Sheldon, 1998; Elliot, Sheldon & Church, 1997; Emmons & Kaiser, 1996).
Emmons (2003) schlägt drei Tugenden vor, die für eine erfolgreiche Zielorientierung unterstützend wirken: Besonnenheit, Geduld und Ausdauer. Diese Tugenden sind Teil der Selbstregulation und können zu einem erfolgreichen Festhalten an Zielen im Angesicht von Rückschritten und Fehlschlägen, beitragen (Baumeister, Leith, Muraven & Bratslavsky, 1998).
Es wird deutlich, dass Lebensziele ein zentrales Element bei der Betrachtung von Lebenssinn sein müssen.
Dass die Beachtung von und Arbeit mit Lebenszielen auch in der klinischen Tätigkeit fruchtbar sein kann, lässt sich bspw. bei Nair (2003) nachlesen. Er konnte in einer Metaanalyse empirischer Studien über Lebensziele zeigen, dass eine Übereinstimmung der Therapieziele mit den persönlichen Lebenszielen positive Auswirkungen auf die Partizipation eines Patienten an einem Rehabilitationsprogramm haben kann.
2.4. Sucht und Adoleszenz
Nach Lukas (1986b) ist die Jugend generell eine Phase des kontinuierlichen Suchens nach Sinn. Im Gegensatz zu Erwachsenen, die teilweise bereits erfolgreich waren, besteht die Jugendliche Existenz aus einer Fülle noch ungelebter Möglichkeiten.
Lukas glaubt, dass die heutige Jugend in besonderem Ausmaß an einem Sinnverlust leidet:
„Youth today is breathing in a skeptical nihilism that results in psychological illness[…]“ (Lukas, 1986b, S. 71).
Dieser Sinnverlust zeigt sich auch in einem generationalen Konflikt, den Lukas als Kluft des Schweigens zwischen Eltern und Kinder bezeichnet, ein nicht-kommunizieren beider Seiten, die ein Gefühl der Resignation gemeinsam haben.
Mitverantwortlich hierfür ist eine körperliche Frühreife der Jugendlichen sowie eine verlängerte Adoleszenz. Die Jugendlichen sind psychologischen Schwierigkeiten schon früher ausgesetzt, können mit diesen aber noch nicht umgehen. Da die Reifung der Psyche aber der Reifung des Geistes vorrausgehen muss, kann sich dieser nicht adäquat entwickeln. Hinzu kommt eine zunehmende Orientierung an Peers, so dass das elterliche Wirken als Rollenmodell seine Funktion verliert. Die Konsequenz sind familiäre Konflikte, die die Jugendlichen noch stärker in Richtung der Peers treiben. Diese sind aufgrund mangelnder Erfahrung allerdings nicht imstande, zuverlässige und nützliche Werte zu vermitteln. Auf gesellschaftlicher Ebene kommt hinzu, dass eine ständige Bedürfnisbefriedigung die Kinder in ihrer Entwicklung verweichlicht, so dass sie nicht mehr die nötige Stärke haben, auftretende Schwierigkeiten im Leben zu meistern (Lukas, 1986b).
Fry (1998) schlussfolgert aufgrund ihrer qualitativen Auswertung von Erzählungen und Lebensgeschichten Jugendlicher, dass allen Jugendlichen eine Tendenz innewohnt, in unterschiedlichem Ausmaß nach Sinn und Weisheit zu suchen, die sich in einem Bedürfnis nach Wissen über das Selbst, die eigene Biographie, persönlichem Sinn, Selbstwirksamkeit, Selbstwertgefühl und dem Wunsch menschliche Bedingungen zu verbessern, ausdrücken. Das Erreichen und der Reifegrad jugendlicher Weisheit und Sinn hängt von einigen moderierenden Faktoren ab. Dabei wird vor allem sozialen Interaktionen mit erwachsenen Bezugspersonen eine zentrale Bedeutung zugewiesen, insofern diese als Tutor oder Mentor fungieren. Deren Ermunterung sich mit ihren existentiellen Fragen und Unsicherheiten auseinanderzusetzen, können unterstützend im Umgang mit ontologischen Ängsten wirken.
Es besteht zudem eine Notwendigkeit, Widerstandsfähigkeit („hardiness“) zu trainieren. Diese kann durch Wort und Tat der Mentoren erlernt werden, die die Wichtigkeit, schmerzhafte Zweifel, Unsicherheiten und Angst nicht zu vermeiden, aufzeigen (ebd.).
Auch De Vogler und Ebersole (1983) führten Studien zu Lebenssinn-Inhalten bei Jugendlichen durch. Bei jüngeren Adoleszenten (13-14 Jahre) fanden sich zusätzlich zu den bereits beschriebenen Kategorien (s. Kapitel 2.2) folgende drei Kategorien (ebd.):
- Aktivitäten („activities“): Sport, Hobbies
- Schule („school“): Fokus auf Zensuren und Fortschritte
- Erscheinung („appearance“): Aussehen und Kleidungsstil
Aktivitäten wurden nach Beziehungen am zweithäufigsten genannt. Die Erwachsenenkategorie „life work“ wurde von keinem Adoleszenten genannt. Es zeigte sich, dass bereits in diesem jungen Alter Aussagen über den Sinn des Lebens gemacht werden konnten. Allport (1961, S.277) merkt zu dieser Thematik Folgendes an: „Maturity of personality does not have any necessary relation to chronological age. A well-balanced lad of eleven[…] may have more signs of maturity than many self-centered and neurotic adults.”
Dittmann-Kohli (2000) untersucht in ihren Studien Sinn aus verschiedenen Altersperspektiven. Sie konnte zeigen, dass jüngere Menschen besorgter über ihre Leistungen, Arbeitsstress und Kompetenzdefizite sind. Freizeit, Urlaub, angenehme Aktivitäten und Spaß sind ihnen wichtiger als den älteren Erwachsenen.
Da Sucht aus logotherapeutischer Perspektive als missglückter Versuch ein existentielles Vakuum zu füllen, betrachtet werden kann, gab es bereits recht früh empirische Studien zu diesem Thema. So konnten Crumbaugh und Maholick (1964) zeigen, dass Alkoholiker und ambulante Patienten weniger Sinn im Leben hatten als Nicht-Patienten.
Coleman (1986) fand bei Heroinsüchtigen einen geringer ausgeprägten Lebenssinn als bei einer Vergleichsgruppe. Auch Sarah Katz (1988) untersuchte die Bedeutung von Frankls Konzept des Lebenssinns im Rahmen der Diagnose und Therapie von Heroinsüchtigen. Sie konnte zeigen, dass die schwer Süchtigen keine in die Zukunft reichenden Lebensperspektiven hatten und ein existentielles Vakuum empfanden, wohingegen die leicht Süchtigen sowohl Zukunftsperspektiven als auch Vorstellungen über den Sinn ihres Lebens aufwiesen. Es ergaben sich zudem Hinweise, auf einen Zusammenhang zwischen dem Ausgangsniveau des Lebenssinns der Probanden, dem Ausmaß ihrer Sucht nach der Behandlung und dem Nutzen einer logotherapeutischen Behandlung. Katz (ebd.) zieht den Schluss, dass das Konzept des Lebenssinns in der Diagnose und Behandlung von Drogensüchtigen fruchtbar eingesetzt werden kann.
Quantitative Studien, die Zusammenhänge zwischen Adoleszenz, Sucht und der Thematik Lebenssinn und Lebensziele untersuchen, sind sehr rar.
Williams, Cox, Hedberg und Deci (2000) konnten zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen einer extrinsischen Zielorientierung und gesundheitsgefährdendem Verhalten bei Adoleszenten gibt. Der Konsum von Tabak, Alkohol und Marihuana konnte durch eine extrinsische Orientierung an Wohlstand, Ruhm und „Image“ signifikant vorhergesagt werden.
Weiterhin fanden sie einen negativen Zusammenhang zwischen riskantem Gesundheitsverhalten, extrinsischer Zielorientierung und der wahrgenommenen Autonomie-Unterstützung in der elterlichen Erziehung. Newberry und Duncan (2001) entdeckten, dass Langeweile und eine negative Sichtweise der eigenen Zukunft eine signifikante Rolle bei delinquentem Verhalten von Adoleszenten spielt: „[…]delinquent activities are likely the result of an inability to focus on future goals. Without the ability to plan to achieve these goals, individuals may impulsively act on stimuli that are currently present in order to end feelings of boredom“ (ebd., S. 538). Palfai und Weafer (2006) konnten zeigen, dass es bei College-Schülern einen Zusammenhang zwischen dem alltäglichen Erleben beim Verfolgen der eigenen Lebensziele und riskantem Trinkverhalten gibt. Schüler, die weniger Sinn in ihren Lebenszielen sahen, waren mit einer größeren Wahrscheinlichkeit an Trinkgelagen beteiligt und berichteten über mehr alkoholbedingte Konsequenzen.
Man kann sehen, dass suchtkranke Jugendliche eine wichtige und unbedingt zu untersuchende Population in der Lebenssinn-Forschung sind. Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen, dass sowohl zwischen Sucht als auch zwischen Adoleszenz und der Lebenssinn-Problematik vielfältige und interessante Zusammenhänge zu finden sind.
2.5. Das Persönliche Gespräch als alternativer Ausweg
Es gibt bereits eine beachtliche, wenn im Vergleich zu anderen psychologischen Forschungsfeldern auch sehr überschaubare Anzahl an Studien, die sich mit der Lebenssinn-Problematik im Allgemeinen beschäftigen. Die vielen klinischen Studien haben mehrfach Zusammenhänge zwischen Sinnerleben und Psychopathologie aufzeigen können. Dies kann zwar die Wichtigkeit des Forschungsgebietes auch für den klinischen Bereich aufzeigen, ist aber aus Perspektive eines gesunden Menschenverstandes (welcher in der empirischen Psychologie nicht definiert ist und somit wohlwissend eigentlich nicht zur wissenschaftlichen Argumentation verwendet werden darf) etwa so überraschend, wie wenn man einem unterernährten Slum-Bewohner eines Entwicklungslandes diagnostiziert, er leide an Hunger.
Das Lebenssinn, trotz der vielen Versuche allgemeine Kategorien zu finden, letztendlich eine sehr subjektive Angelegenheit bleibt, kann man nicht zuletzt daran sehen, dass fast jede qualitative Studie, egal ob sie in einer Meta-Analyse vorhandener Literatur oder der direkten Auswertung von individuellen Aussagen bestand, ein eigenes Kategoriensystem gefunden hat.
Beziehungen werden immer wieder als wichtigste Sinnquelle genannt, und es ist vor allem das „im Kontakt sein“, das es vermag Sinn zu konstituieren. Hier würde es also nahe liegen, Sinn auch entsprechend aus seinem eigenen Nährboden heraus zu untersuchen, d.h. aus einer persönlichen Beziehung des Forschers mit der zu untersuchenden Person. Der klientenzentrierte Ansatz von Rogers legt seinen Schwerpunkt auf die Qualität dieser Beziehung zwischen zwei Personen. Im therapeutischen Kontext bedeutet dies den Versuch des Therapeuten sich um echtes, bedingungsfrei akzeptierendes und einfühlendes Verstehen des Klienten zu bemühen. Das Persönliche Gespräch nach Langer, bezieht sich genau auf diese von Rogers propagierte Haltung, in diesem Fall, des Gesprächsführenden. Es scheint also in besonderem Maße geeignet, gerade auch bei dieser existentiellen Thematik dieser Arbeit als Forschungsmethode zum Einsatz zu gelangen. Um die geforderte Grundhaltung im Gespräch einnehmen zu können, wird nach dieser Methode auf eine literarisch-theoretische Auseinandersetzung mit der Thematik normalerweise weitestgehend verzichtet. Dass diese hier trotzdem stattfindet kann als Tribut an den wissenschaftlichen Diskurs verstanden werden. Allerdings sollte sich der Leser bewusst sein, dass dieser Literaturteil nachträglich entstand und sich somit im Prozess der Arbeit eigentlich erst am Ende befand.
Er soll auch als Anregung für denjenigen verstanden werden, der sich gerne theoretisch mit der Thematik Lebenssinn in der Psychologie beschäftigen möchte.
Trotzdem sei hier abermals auf das Eigentliche verwiesen, die Gespräche mit den Jugendlichen. Sie sind Lebenssinn.
3. Meine persönliche „Nicht-Sinn“ „Nicht-Theorie“ Theorie
Die bisher vorgestellten Theorien, Konzepte und empirischen Befunde wurden hauptsächlich vorgestellt, damit die vorliegende Arbeit wenigstens den Anschein wahren kann, sich in einen wissenschaftlichen Kontext und Diskurs einzubetten. Sie haben sicherlich alle ihre zulässige Gültigkeit und können dem einzelnen Praktiker oder Forscher als Heuristik dienlich sein. Aus diesem Grunde wird die Auswertung der Gespräche, um eben in besagtem Diskurs zu bleiben und entsprechende Normen zu erfüllen, auch in deren Kontext diskutiert werden, obwohl sie zugegebenermaßen nur bedingt zu meinem persönlichen Erleben und Verstehen der Frage nach Sinn beigetragen haben. Als praktizierender Zen-Buddhist bin ich diesbezüglich stark von meinem Erleben und entsprechender Philosophie beeinflusst. Um eine Idee davon zu vermitteln, worum es im Zen geht, werde ich den Zen-Meister Kyo-Un Roshi (alias Willigis Jäger) hier zu Wort kommen lassen (Jäger, 2003). Er ist auch Benediktiner-Mönch, so dass er es vermag seine Erklärungen für einen westlichen und christlich orientierten Geist verständlich zu machen. Willigis spricht im Folgenden über die mystische Erfahrung:
„Das mystische Bewusstsein könnte beschrieben werden als eine Region des Erfahrens, in der alles so ist, wie es ist, und so wie es ist, auch vollkommen ist. Dort ist man nicht glücklich und nicht unglücklich, nicht zufrieden oder unzufrieden, nicht froh und nicht traurig. Frohsein wäre bereits ein Weniger, genauso Traurigsein. Angenommensein und Liebe gehören bereits zu einer untergeordneten Region. Es gibt keine Seligkeit, kein Glück im Sinne eines Gefühles. Alle anderen Bewusstseinsebenen erscheinen daneben relativ, während jener Zustand in sich geschlossen und vollkommen ist und bis aufs äußerste erfüllt. Die anderen Bewusstseinszustände sind vorläufig und unerfüllt.
In diesem Bewusstsein sind Form und Formlosigkeit eins. Es ist die Erfüllung all unserer Sehnsüchte. Es gibt dort nicht Subjekt und Objekt, sondern nur Sein. Dort erfährt der Mensch seinen göttlichen Ursprung, und er ist geneigt zu sagen ‘Ich bin Gott‘. Dieses Wort enthält jedoch keinerlei Arroganz. Es ist vielmehr getragen von einer ungeheuren Demut und begleitet vom Bedürfnis, allen Lebewesen zu dieser Erfahrung zu verhelfen. Hier hat das erste Gelübde des Buddhismus seinen Grund: ‘Die Lebewesen sind zahllos, ich gelobe, sie alle zu retten‘. Im mystischen Bewusstsein erkennt der Mensch, dass sein Ego-Verständnis dieser Welt nur wie der Blick durch eine Röhre zum Himmel ist, also ein sehr begrenzter Teilausschnitt. Unser konzeptionelles Verständnis des Kosmos, mag es noch so wissenschaftlich sein, ist ein erbärmliches Teilverständnis. […] Wir haben auch zu lernen, dass Mystik sich nicht unbedingt in pietistisch frommen Vokabular ausdrücken muss, als ob mystische Zustände etwas mit Bigotterie oder Betschwesterntum zu tun hätten. Mystik ist vielmehr die Erfahrung des Alltäglichen, des Hier und Jetzt. Diese Erfahrung kann sehr banal sein. Sie kann im Misthaufen genauso gemacht werden wie in einer Blume, dem Wind oder einer religiösen Zeremonie“ (Jäger, 2003, S. 41-42).
Um den Prozess dieser Arbeit besser verständlich zu machen, möchte ich an dieser Stelle gerne noch meine eigenen Gedanken zu der Thematik vorausschicken:
Aus zen-buddhistischer Sicht gibt es weder Sinn, noch nicht Sinn. Diese Kategorien resultieren aus einem dualistischen Denken – so der Buddhismus. In diesem Sinne geht auch die klare Antwort auf die Frage „Gibt es einen Sinn des Lebens?“ mit „Ja“, wie es Frankl bspw. tut, möglicherweise an der Sache vorbei, wenn sie auch eine vorläufige Hilfestellung auf dem Pilgerweg des Lebens sein kann und insofern durchaus ihre Berechtigung hat.
Es gibt lediglich eine mehr oder weniger befriedigende Positionierung eines Individuums zu der Frage nach Sinn (eigentlich gibt es auch diese nicht, aber hier würden wir zu tief in schwer verständliche Zen-Mystik einsteigen). Diese wiederum geht möglicherweise mit dem Erleben dieses „Weder-noch“ einher. Im Zen zeigt sich die Absolutheit dieses Erlebens in der Erleuchtung (Satori), der Verwirklichung der Leerheit:
„Alle Phänomene sind Manifestationen des Geistes. Der Geist selber aber ist nicht vorhanden - er ist leer von Entität, leer von sich selbst, er ist leer und gibt doch ständig Erscheinung Raum. […] Die Eigenerscheinung, welche niemals existiert hat, wird irrtümlich zum Objekt. Die sich selbst erkennende Bewusstheit, die niemals existiert hat, wird durch Unwissenheit zum Ich. Getrieben vom dualistischen Erfassen durchwandert man die Einöde der Existenzen. […] Es ist nicht Sein, denn selbst von den Buddhas wird es nicht gesehen. Es ist nicht Nicht-Sein, denn es ist die Basis von allem, Samsara wie Nirvana. Nicht beide zugleich und nichts anderes ist es - Vereinigung- der Weg der Mitte- Madhyamaka" (Mahamudra Gesang des dritten Karmapa. In: Rei Shin Sensei, 1998; vgl. auch Dalai Lama, 1993; Huntington und Geshe Namgyal Wangchen, 1989; Cheng, 1991).
In unserem Alltagserleben kommt möglicherweise das von Czikszentmihalyi beschriebene Flow-Erleben, oder die von Frankl beschriebene Selbst-Transzendenz, also die Selbstvergessenheit während einer „erfüllenden“ Tätigkeit der Sache am nächsten. Bei Lacan wäre es das Erleben der Kastration (z.B. Lacan, 1998; Adam, 2006), also des ständigen vergeblichen Begehrens nach dem verlorenen „Objekt a“ (einer Idee, die im übrigen der buddhistischen Philosophie durchaus auch sehr nahe steht). Etwas einfacher ausgedrückt: das bewusste Erleben des frustrierenden Erlebnisses, dass uns die Dinge, immer wenn wir gerade kurz davor sind sie zu begreifen (bzw. sie zu ergreifen), durch die Finger flutschen. Das lebenslange Begehren irgendwelcher Dinge und Ziele, die uns mit dem Erreichen, wenn überhaupt, dann nur sehr kurzfristig zufriedenstellen, da sogleich wieder das nächste auftaucht (Job, Geld, Haus, Auto, Familie, Kinder, oder einfach nur die nächste Zigarette, bei einem Süchtigen vielleicht der nächste Joint. Sie sind die Qualen des Tantalus, wie sie in der griechischen Mythologie beschrieben wurden). Selbstverständlich ist dieses Begehren der Grundantrieb unseres menschlichen Tuns und entzieht sich insofern einer Wertung. Nach Lacan wäre es lediglich dem persönlichen Wohlergehen zuträglich, zumindest den Versuch zu starten, es bewusst werden zu lassen (er empfiehlt hier eine Psychoanalyse). Auch im Buddhismus würde man dieses Begehren nicht abwerten und verneinen, sondern den Versuch starten nicht an den Dingen anzuhaften, sich also nicht von ihnen abhängig zu machen.
Versucht man die zu beobachtende Sinnkrise der westlichen Konsumgesellschaft mit eben diesem Konsum in Zusammenhang zu bringen, so liegt es nahe hier zu vermuten, dass diese heute allgegenwärtige Stimulation auf allen Sinneskanälen einen grundsätzlichen Mangel zu tilgen versucht. Dabei ist es gerade dieser Mangel und das dem Menschen innewohnende ständige Begehren, dieses seit dem Auftauchen des Ich-Bewusstseins vorhandene Gefühl der Unvollständigkeit zu füllen, der notwendig ist um zumindest eine Ahnung von Sinn zu erhaschen. Der Versuch, den Sinn des Lebens zu verwirklichen, muss im endlosen Strom der Gedankenketten, bei welchen immer der letzte Gedanke (nach Lacan: der letzte Signifikant) zur Vollständigkeit fehlt, von vornherein für verloren erklärt werden. Nach Lacan liegt das Eigentliche in den Leerstellen zwischen den Signifikanten. Insofern ist es notwendig sich auf diese Leerstellen zu konzentrieren, um darüber zum Erleben des eigenen, nie aufhörenden Begehrens zu kommen. Mit diesem Erleben dieses ursprünglichen Verlustes ist zumindest eine partielle Freiheit wiedergewonnen, möglicherweise so etwas wie Sinn.
Im Zen versucht man dies mit Hilfe der Methode des Zazen, des Sitzens bzw. der Meditation in Stille zu verwirklichen. Die Anhaftung an den Stimulus gilt hier als ursächlich für menschliches Leiden.
Diese für das Sinnerleben so wichtige Stille (hiermit ist nicht nur die akustische Stille gemeint), wird heute zu den größten Teilen unseres Tages durch ein permanentes Reiz-Vorhandensein gefüllt. Insbesondere jüngere Generationen wurden mit einer Reizflutwelle ungeheuren Ausmaßes sozialisiert, so dass die Abwesenheit dieses Stimuli-Stromes als geradezu beängstigend und bedrohlich erlebt wird, was in Anbetracht seiner Unbekanntheit nicht schwer verwunderlich ist. Tragischerweise ist diese Injektion, vor allem an akustischer (man denke bspw. an die allgegenwärtigen „Stöpsel“ im Ohr), visueller (hier zu nennen der immense Zeitaufwand für TV und Computerspiele) und oraler Stimulation (das „Koma-Saufen“, aber auch das inzwischen gesellschaftsfähig gewordene Rauchen von Marihuana mit THC-Gehalten, die im Vergleich zu vor 30 Jahren „jenseits von gut und böse“ sind) nicht nur kein adäquater Ersatz für Sinnerleben, sondern vergrößert sich im Sinne eines circulus vitiosus (vgl. Grünewald, 2006). Ein Aufhören der Betäubung wird immer bedrohlicher und der betäubte Mensch ist nur schwer fähig dazu, einen Einstieg in den Prozess der Sinnsuche zu finden.
Weitere Implikationen. Als Zen-Praktizierender verspüre ich eine natürliche Abneigung gegenüber einem Zuviel an Philosophie und Theorie und insofern auch gegenüber den übermäßig spekulativ-theoretischen Teilen dieser Arbeit. Da beides auf Sprache und begrifflichem Denken beruht, schafft es eine Trennung von Subjekt und Objekt und erhält die Dualität aufrecht, ist sozusagen in gewisser Hinsicht mit verantwortlich für Leiden. Natürlich befinde ich mich hier in einem Dilemma, da ich mich notwendigerweise für diese Arbeit begrifflichen Wissens bedienen muss.
Die von mir gewählte Methode des persönlichen Gespräches nach Langer bietet mir hier zumindest einen partiellen Ausweg (bzw. einen mittleren Weg um in buddhistischer Terminologie zu bleiben). Der Klient / die Klientin selbst soll in meiner Arbeit zu Wort kommen und ich möchte dem Leser das Angebot der Identifikation mit den Jugendlichen machen. Sie wird in jedem Fall sehr bereichernd sein und Akzente in der individuellen Auseinandersetzung mit der Thematik Lebenssinn und Lebensziele setzen.
In diesem Sinne verstehe ich Lebenssinn als das „Verstehen-Können“ des Lebenssinns der jungen Menschen in den Gesprächen sowie das Abgleichen mit eigenen Erfahrungen, Ideen und Theorien (auch durch diese und andere Arbeiten vermittelte Theorien), also als einen transindividuellen Prozess.
4. Methode
4.1. „Stichprobe“
4.1.1. Das COME IN
Die Institution beschreibt sich folgendermaßen selbst:
„Das COME IN! ist eine Fachklinik und Therapeutische Gemeinschaft zur Entwöhnung, Rehabilitation und Reintegration von suchtkranken Kindern und Jugendlichen. Umgeben von einem großen parkähnlichen Garten wohnen die Jugendlichen in Zweibettzimmern. Frei von Drogen und Gewalt, bietet das Haus Schutz und Geborgenheit.
Aufgenommen werden 12-18 jährige DrogenkonsumentInnen, (Alkohol, Cannabis, Crack, XTC, Heroin, Koks usw.) aus allen Bundesländern, auch mit zusätzlichen anderen psychischen oder physischen Störungen. (Ausgenommen sind nur akut behandlungsbedürftige oder schwer körperlich behinderte Jugendliche).
Das COME IN! ist nach § 35 und § 36 BTMG anerkannt“ (website: www.come-in-hamburg.de).
„Die Behandlung zur Entwöhnung, Rehabilitation und Reintegration gliedert sich in eine medizinische Rehabilitation (sog. 1.Phase) und eine anschließende Reintegrationsphase (sog. 2.Phase).
Die medizinisch-therapeutische Behandlung in der 1.Phase konzentriert sich primär auf die Behandlung der Abhängigkeitserkrankung. In diesem Klinikbereich stehen 20 Plätze zur Verfügung, Kostenträger sind überwiegend Krankenkassen und Rentenversicherungen auf der Grundlage eines Versorgungsvertrages nach §111, SGB V.
Die sich anschließende Reintegrationsphase hat die frühestmögliche Wiedereingliederung in gesellschaftliche Bezugsrahmen zum Ziel. Hier stehen zehn Plätze zur Verfügung, die Kosten werden von den Jugend- und Sozialämtern getragen.
Unsere Klienten
Die behandelten Kinder und Jugendlichen, unsere sogenannten Klienten, weisen schwerwiegende Störungen und Defizite in ihrer psychischen, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung auf, sind zumeist bereits mehrfach auffällig geworden und von Hilfsangeboten bisher kaum erreicht worden:
Sie leiden unter geringer Frustrationstoleranz, mangelnder Konfliktfähigkeit, geringwertiger Selbst- und Fremdeinschätzung, hoher Aggressivität, destruktivem Verhalten und Autoaggressivität bis hin zur Suizidgefährdung. In der Regel ist die Wahrnehmung des eigenen Körpers deutlich gestört, es besteht eine weitgehende Ahnungslosigkeit von Körpervorgängen, Ernährung, Hygiene, etc.. Diese Dysfunktionen spiegeln sich in massiven Störungen des Sozial-, Lern- und Arbeitsverhaltens wider, verschärft und zementiert durch das Fehlen eines drogenfrei funktionierenden sozialen Umfeldes.
Im Vorwege eingeleitete Interventionen durch Erziehungsberatungsstellen, Jugendämter usw. konnten Problem- und Krankheitseinsichtsprozesse meist nur sehr indifferent und instabil in Gang setzen.
Therapieziele
sind entsprechend die körperliche, psychische und soziale Rehabilitation, Entwicklung und Stabilisierung von Krankheitseinsicht und Abstinenzmotivation, Restitution sowie Neu- bzw. Weiterentwicklung von Werten und Normen, Wiederherstellen der Lern- und Konzentrationsfähigkeit, Reintegration in einen normalen schulischen Ablauf, Neu- bzw. Wiederaufbau der Arbeitsfähigkeit und Integration in die Arbeitswelt,
Erlernen und Umsetzen sozialer Kompetenzen, Aktivierung und Pflege bestehender bzw. neu aufgenommener Beziehungen zu Familie und drogenfreien Bezugspersonen, Aufbau von aktivem, drogenfreiem Freizeitverhalten, Klärung materieller und juristischer Probleme.
Prozess und Methoden
Die Betreuung findet in Kleingruppen von maximal zehn Klienten rund um die Uhr statt. Das therapeutische Mitarbeiterteam besteht aus Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten, Sozialpädagogen, Soziotherapeuten und Erziehern mit suchtspezifischer Zusatzausbildung, Ökotrophologen, Lehrern und Handwerkern.
Auf der Grundlage tiefenpsychologisch orientierter Gestalt-, Familien- und Verhaltenstherapie finden zweimal wöchentlich Intensivtherapien statt. Nach Bedarf werden Einzelgespräche geführt. In der therapeutischen Wohn- und Lebensgemeinschaft werden die Kinder und Jugendlichen in eine entwicklungsorientierte Gruppe aufgenommen und von ihr unterstützt. Aus einem größtenteils vorgegebenen, klar strukturierten Tagesablauf heraus sollen sie zu Selbstversorgung und Selbstverantwortung finden. Hierfür bietet ein umfassendes Regelsystem Orientierung und die Möglichkeit zu lernen, durch das geforderte hohe Maß an Selbstorganisation. Zur Bewältigung von kleineren und größeren Krisen ist Hilfe jederzeit einzufordern.
Ziel ist es, mit dem Klienten seine zentralen Selbstdefekte und Störungen zu sichten, deren Ursprünge biographisch zu orten und im therapeutischen Prozeß die erstarrten Fixierungen seiner psychischen Entwicklung zu überwinden. Diese therapeutische Arbeit ist mühevoll, das Ins-Bewußtsein-Heben verdrängter oder verleugneter Erinnerungen und Emotionen von Widerstand des Klienten begleitet. Dies gilt in besonderem Maße für jugendliche Abhängige, die gewohnt sind, allen psychischen und physischen Bedrängnissen mit Hilfe der Droge auszuweichen bzw. früh gelernt haben, sich durch emotionale Isolation und autistisches Verhalten in Lebenskrisen der Realität zu entziehen. So kommt es auch zu durchschnittlich 3 Abbrüchen bis sich die Entscheidung des Klienten für die Therapie als endgültig erweist. Auch Rückfälligkeit bedeutet dabei häufig einen entscheidenden Fortschritt im therapeutischen Prozeß.
Weitere Schwierigkeiten in der Behandlung unserer Klienten ergeben sich aus ihren Defiziten an innerer Struktur, ihrer Entgrenzung und überhöhten Anspruchshaltung, aus ihrer großen, schwer einzugestehenden Bedürftigkeit, Ängstlichkeit und Hilflosigkeit.
Den Erfolg der Behandlung sehen wir in der wachsenden Fähigkeit zum Erkennen und Bearbeiten der eigenen Defizite und Suchtstrukturen und nicht nur in der Anzahl drogenfrei gelebter Monate“ (ltd. Arzt Norbert Mahringer, website: www.therapiehilfe.de/SEITEN/come_in.htm).
Mein Einblick in die Alltagsrealität der Institution war begrenzt auf meine kurzen „Besuche“ zu den Gesprächen, die ich dort führte sowie auf die von den Klienten gelieferten Gesprächsinhalte. Dieser Eindruck war allerdings durchweg positiv. So hatte ich den Eindruck einer guten Teamarbeit mit kompetenten und freundlichen „Teamern“. Die schöne und grüne Anlage selber ist etwas Abseits im Osten Hamburgs gelegen. Die Hin– und Rückfahrtsstrecke verläuft entlang eines Deiches und wurde von mir mit meinem Motorroller geleistet, so dass alleine schon die Fahrt Erlebnischarakter hatte und zur Entspannung meinerseits beitrug.
4.1.2. Die Klienten
Ich führte Gespräche mit insgesamt acht Klienten:
Kevin (16 Jahre, seit ca. 2 ½ Monaten im COME IN),
Mark (19 Jahre, seit ca. 2 Jahren im COME IN),
Uwe (19 Jahre, seit 1 ½ Jahren im COME IN),
Patrick (19 Jahre, seit ca. 1 ½ Jahren im COME IN),
Karl (17 Jahre, seit 20 Monaten im COME IN),
Sina (17 Jahre, seit 3 Monaten im COME IN),
Janine (18 Jahre, seit 3 Monaten im COME IN),
Igor (18 Jahre, seit 4 Monaten im COME IN).
Kevin, Sina, Janine und Igor befinden sich noch in Phase 1, die anderen bereits in Phase 2 der COME IN- Therapie. Eine Beschreibung des sozioökonomischen Hintergrundes, des vergangenen Suchtverhaltens sowie des Suchtverlaufs der Klienten befindet sich im Ergebnisteil dieser Studie in den Kapitel 7.4 und 7.5.
Eine kurze Beschreibung der Klienten kann man im einführenden Teil der Gesprächs-Verdichtungen finden.
Alle Klienten erklärten sich freiwillig für das Gespräch bereit, wobei das Gespräch mit Mark und Igor spontan zustande kam, da der ursprüngliche angedachte Gesprächspartner nicht zur Verfügung stand. Alle Klienten stimmten einer Aufzeichnung und weiteren Verwendung der Gesprächsinhalte zu. Ein Klient machte dabei von der Möglichkeit der Verwendung eines Pseudonyms gebrauch, wobei ich mich später entschied auch die anderen Klienten mittels Pseudonyme zu anonymisieren.
Die hier „untersuchte“ Stichprobe von Klienten hat keinen Anspruch auf Repräsentativität, da diese aufgrund des für diese Studie ausgesuchten methodischen Ansatzes, bei dem verallgemeinerbare Ergebnisse im Hintergrund stehen, keine große Relevanz hat. Trotzdem sind die Gesprächspartner als Klienten des COME IN eine sehr spezielle Personengruppe, der auch eine gewisse Homogenität nicht abgesprochen werden kann.
4.2. Das Persönliche Gespräch
Die von mir ausgewählte Methode zur Durchführung und Auswertung meiner qualitativen Studie ist das Persönliche Gespräch nach Inghard Langer (2000). Dieses lässt sich innerhalb der Tradition der humanistischen Psychologie lokalisieren und beruht in seinem Vorgehen im Wesentlichen auf dem von Karl Rogers konzipierten Menschenbild. Der Mensch wird dabei als ganzheitlicher Organismus betrachtet, dem eine ständige Tendenz zu Wachstum und Entwicklung innewohnt, die sogenannte Aktualisierungstendenz (Rogers, 2004). Die innere
Haltung eines Therapeuten, sowie die der gesprächsführenden Person im Persönlichen Gespräch, sollte dabei von einem Streben nach folgenden drei Aspekten gekennzeichnet sein:
- Empathie, also dem präzisen sich Einfühlen in den inneren Bezugsrahmen des Klienten
- Bedingungsfreies Akzeptieren und absolute Wertschätzung des Klienten
- Echtheit: Ein authentisches, kongruentes Verhalten der gesprächsführenden Person
Langer unterscheidet dabei zwei Ebenen, wie Wissen in Bezug auf Menschen und ihre Lebensthemen geschaffen werden kann. Einerseits das sogenannte „Wissen über Personen“, der traditionelle Forschungsbereich in der empirischen Psychologie. Dieses bezeichnet abstrahierendes, durch Quantifizierung (Fragebögen, etc.) erhaltenes Wissen, welches allgemein gültige Aussagen über bestimmte möglichst repräsentative Bevölkerungsgruppen machen möchte.
Die zweite Form wird „Wissen voneinander“ genannt, eine Wissensform die unserem Alltagserleben inne wohnt. Ergebnisse sollen das Kennenlernen persönlicher Lebenswege und Umgangsformen im Zusammenhang mit zentralen Lebensfragen ermöglichen. Es geht nicht um das Herausarbeiten einer objektiven wissenschaftlichen Wahrheit, sondern um die Schaffung einer breiten Palette unterschiedlicher persönlicher Wahrheiten und unterschiedlicher Möglichkeiten mit bestimmten Lebensfragen innerlich und äußerlich umzugehen. Dabei darf es sowohl Gemeinsamkeiten, als auch Unterschiede geben. Der Leser ist dazu eingeladen das Erzählte mit seiner eigenen Erfahrungs– und Erlebenswelt abzugleichen, Sympathien oder Antipathien zu empfinden. Die Ergebnisse können somit einen Ermöglichungsgrund schaffen eine Orientierung (oder Desorientierung) für die eigene innere Welt bei entsprechenden Lebensfragen zu bilden.
Gewonnene Aussagen sind nur auf die untersuchten Personen zu beziehen und somit subjektive Wirklichkeiten, die aufzeigen, was für diese Person wichtig und wesentlich bei einem bestimmten Lebensthema ist.
Bereits C.G. Jungs Überlegungen zum wissenschaftlichen Verstehen weisen in die gleiche Richtung: „Wir reden zwar von ‘objektivem‘ Verstehen, wenn wir nach dem Kausalitätsprinzip erklärt haben. Im Grunde genommen ist aber das Verstehen ein subjektiver Vorgang, dem wir die Qualität ‘objektiv‘ beilegen, eigentlich bloß um ihn zu unterscheiden von einer anderen Art des Verstehens, die auch ein psychologischer und subjektiver Prozess ist, dem wir aber ohne weiteres die Qualität ‘subjektiv‘ zuerkennen. Wir sind heutzutage allgemein so eingestellt, dass wir nur dem ‘objektiven‘ Verstehen den Wert der Wissenschaftlichkeit beimessen, eben um seiner Allgemeingültigkeit willen. Dieser Standpunkt ist überall da unbestreitbar richtig, wo es sich nicht gerade um den seelischen Prozess selber handelt, also in allen Wissenschaften, die nicht Psychologie selber sind“ (Jung, 1914, S.395). „Wirklichkeit ist nur das, was in der menschlichen Seele wirkt, und nicht das, was von gewissen Leuten als wirkend angenommen und in voreingenommener Weise verallgemeinert wird“ (Jung, 1921/1960, S.60). „Wir haben das Bedürfnis nach Weltanschauung […]. Wenn wir uns aber nicht rückwärts entwickeln wollen, so muss eine neue Weltanschauung jeden Aberglauben an ihre objektive Gültigkeit von sich abtun, sie muss sich zugeben können, dass sie nur ein Bild ist, das wir unserer Seele zuliebe hinmalen, und nicht ein Zaubername, mit dem wir objektive Dinge setzen“ (Jung, 1931, S.737).
4.3. Wissenschaftstheoretische Einbettung der Methode
Folgende Ausführungen sind aufgrund des begrenzten Rahmens der Arbeit sehr knapp und verdichtet gehalten und dadurch zugebenermaßen schwer verständlich. In diesem Punkt sei auf die angegebenen Autoren verwiesen. Trotzdem finde ich wichtig, dass entsprechende Punkte hier Erwähnung finden. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass die von mir gewählte Methode, auch in ihrer durch mich (im Folgenden auch noch beschriebenen) erfahrenen Modifikation, innerhalb einer philosophischen Historie besser zu verstehen ist:
Die Zulässigkeit des Persönlichen Gespräches als wissenschaftliche Methode, die zu gültigen Aussagen führt, lässt sich aus der Wissenschaftsphilosophie von William Stern heraus begründen (Stern, 1950). Stern geht ebenso wie Rogers von der Person als unzerlegbare Einheit aus. Die Person bildet den Kontext für die von ihr gewonnenen Informationen.
Sterns Betonung der individuellen Historie als Voraussetzung für ein tieferes psychologisches Verständnis desselbigen Individuums lässt sich historisch wiederum innerhalb der Debatte zwischen dem „Nomothetischen“ und dem „Idiographischen“ verorten. Diese geht auf Wilhelm Windelband (1848-1915) zurück:
„ So dürfen wir sagen: die Erfahrungswissenschaften suchen in der Erkenntnis des Wirklichen entweder das Allgemeine in der Form des Naturgesetzes oder das Einzelne in der geschichtlich bestimmten Gestalt; sie betrachten zu einem Teil die immer sich gleichbleibende Form, zum anderen Teil den einmaligen, in sich bestimmten Inhalt des wirklichen Geschehens. Die einen sind Gesetzeswissenschaften, die anderen Ereigniswissenschaften; jene lehren, was immer ist, diese, was einmal war. Das wissenschaftliche Denken ist - wenn man neue Kunstausdrücke bilden darf - in dem einen Falle nomothetisch, in dem andern idiographisch“ (Windelband, 1894, S. 10).
Für Stern sind beide Ansätze gleichwertig und notwendig:
Denn Individualität bedeutet stets Singularität […] An ihm betätigen sich sowohl gewisse Gesetzmäßigkeiten, in ihm verkörpern sich sowohl gewisse Typen, es ist in vielen Hinsichten mit anderen Individuen vergleichbar - aber es geht nicht restlos auf in diesen Gesetzmäßigkeiten, Typen und Gleichungen, stets bleibt ein Plus, durch welches es sich von anderen Individuen unterscheidet[…] So ist die Individualität die Asymptote der Gesetze suchenden Wissenschaft (Stern, 1911, S. 3).
Aus Stern’s Philosophie heraus lässt sich auch die statistische experimentelle Methode (die sozusagen den heutigen Mainstream in der psychologischen Forschung darstellt), also das sogenannte neogaltonische Paradigma kritisieren (Lamiell, 2003). In dem Versuch ein allgemeingültiges Gesetz zu finden, setzt sie genau dieses voraus. Solange allerdings so ein Gesetz noch nicht gefunden ist oder noch nicht versucht wurde es zu finden, kann die gesamte neogaltonische Methode nur als reine Metaphysik entlarvt werden (Kirschenmann, 2007). Um verifizierbar oder falsifizierbar zu sein, sollte sich eine Metaphysik allerdings der „theoretischen“ Empirie stellen, was nie geschehen ist. Dies führt zu folgendem fatalen Schluss: „ In der modernen Psychologie gibt es ein Paradigma, es ist aber nicht wissenschaftlich.“ (Kirschenmann, 2007, S.31).
Um dem Problem der Entkoppelung von Metaphysik und Methode entgegenzuwirken fordert Kirschenmann (ebd.) den psychologischen Empiristen auf in der Philosophie zu arbeiten und seine Methode metaphysisch zu begründen.
Diese metaphysische Begründung muss an dieser Stelle leider unvollständig bleiben, da eine ausführliche Darstellung der selbigen leider den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Im großen und ganzen geht die hier praktizierte Methode allerdings konform mit Sterns System des Kritischen Personalismus. Von besonderer Relevanz scheint dabei die dialektische Wechselwirkung von Autotelie und Heterotelie zu sein. Ersteres wird als Selbstzwecklichkeit der Person verstanden (Stern, 1918) und lässt sich in Selbsterhaltung und Selbstentfaltung untergliedern (die Parallelen zu Rogers sind hier wirklich erstaunlich).
Heterotelie sind die Fremdzwecke, die als Forderungen an die Person herangetragen werden. Sie unterteilen sich in Hypertelie (Familie, Volk, Menschheit; übergeordnete Personalzwecke), Syntelie (Mitmensch; untergeordnete Personalzwecke) und Ideotelie (Ideale von Gut, Recht, usw.; übergeordnete Sachzwecke). Die unüberwindbar erscheinende Konfrontation der Selbstzwecke mit den Fremdzwecken kann dabei durch den Versuch der Introzeption doch gelöst werden. Es ist der durch Krisen, Kämpfe und Überwindung von Hindernissen gekennzeichnete Versuch, die Heterotelie in die Autotelie aufzunehmen:
„Fürwahr daß ich Ich bleibe und doch zugleich Glied bin einer Familie, eines Volkes, der Menschheit, der Gottheit -, daß ich meine Dienstbarkeit für alle diese als größten Reichtum meines Ich erlebe und daß ich meinen Beziehungen zu jenen Wertkreisen die besondere einzigartige Färbung gebe, die meiner Individualität entspricht -, das scheinbar fremde Du des anderen, der mir gegenübersteht, mein Ich ergänzt und steigert-, daß die objektiven Werte von mir nicht nur blinde Befolgung verlangen, sondern auch durch die freie Tat der Anerkennung und Verpflichtung von meinem Ich und für mein Ich erobert werden - das macht mich zum Mikrokosmos, in dem Autotelie und Heterotelie keine Gegensätze mehr sind“ (Stern, 1918, S. 60).
4.4. Persönliche Umsetzung der Metaphysik Sterns im Persönlichen Gespräch
Im Verhältnis von Klient und Gesprächsführenden könnte Introzeption in dem Versuch des Gesprächsführenden bestehen eben diese Dualität von Innen und Außen aufzulösen. Eine Identifikation mit dem Klienten erscheint dazu notwendig. Diese wiederum kann nur geschehen auf Basis einer angestrebten Konzeptlosigkeit. Es ist also von Vorteil sich möglichst frei von persönlichen Theorien zu machen. Langer (2000) empfiehlt hier im Vorfeld ein sogenanntes „Hebammengespräch“. Man wird sozusagen selber zum Klienten und bittet eine Person, die Gesprächsführung in einem Gespräch zu entsprechender Thematik zu führen. Dieses Gespräch kann genauso wie die anderen Gespräche ausgewertet werden und erleichtert es einem, den persönlichen Standpunkt zu reflektieren und etwas zu verflüssigen, so dass man selber freier in die Gespräche mit den Klienten gehen kann. Ein solches „Hebammengespräch“ führte auch ich durch (an dieser Stelle möchte ich dir lieber Uwe hierfür herzlich danken). Der Identifikation kann sicherlich auch eine gewisse Achtsamkeit dienlich sein, ein im Hier- und Jetzt konzentriertes Zuhören.
Trotz der vielen Übereinstimmungen mit der von Langer empfohlenen Vorgehensweise bei der Durchführung Persönlicher Gespräche wurden auch einige konkrete Modifikationen als notwendig erachtet. So wurde eine strenge Non-Direktivität aufgegeben zu Gunsten der Verwendung eines „flexiblen“ Hintergrundleitfadens (zur Begründung s. Kapitel 4.6).
Weiterhin erlebte ich es als hilfreich, den Klienten meinen persönlichen Bezugspunkt im Vorfeld des Gespräches offen zu legen. Ich versuchte also, mich als selbsterfahrende sich im Prozess befindende Person noch stärker einzubringen. Nach meinem Erleben schaffte diese Vorgehensweise von Beginn an eine sehr vertrauliche Atmosphäre, in der auch die Klienten mit ihrer Geschichte sein durften. Das passierte nicht nur theoretisch sondern real, da die Klienten selbst einer Person mit ihrer eigenen Geschichte gegenüber saßen. Ich war also kein leidfreies Neutrum mehr, dass aus irgendeiner elitären, wenn auch freundlich humanistischen Perspektive gerne möglichst persönliche Informationen ergattern möchte, um sie dann in irgendeiner Form der Allgemeinheit zu präsentieren, sondern es war ersichtlich, warum ich mich ausgerechnet für diese Thematik und diese Klienten interessierte. Die Darlegung des persönlichen Bezugspunktes, auch den Klienten gegenüber, fordert zwar auch Langer, in den konkreten Forschungsarbeiten bleibt sie aber, nach meinen subjektiven Eindruck, eher an der Oberfläche und lässt eine nötige existentielle Tiefe vermissen. So reicht es nicht aus, im persönlichen Bezugspunkt zu einem Thema zu bemerken, dass dieses oder jenes Gefühl im Leben bei einem auch schon mal aufgetaucht sei und es für gesellschaftlich relevant gehalten wird. Vielmehr sollten auch die Klienten erfahren, warum ausgerechnet dieses Thema bei mir zu diesem Zeitpunkt eine solche Bedeutung hatte, dass ich mich für den längeren Zeitraum einer Arbeit damit auseinandersetzen wollte. Dies hat natürlich zur Konsequenz, dass hier keine Halbherzigkeit zulässig ist. Nur persönlich existentiell wichtige Themen versprechen auch bei den Klienten in den Gesprächen eine existentielle Tiefe zu erreichen. Eine solche Herangehensweise verspricht zudem, die aus besagten Gründen geforderte Identifikation mit den Klienten zu erleichtern.
4.5. Entwicklung der Einstiegsfrage
Die gewählte Einstiegsfrage für die Gespräche ist stark abhängig von der jeweiligen Definition von Lebenssinn. Da dieser sowohl im operationalisierten wissenschaftlichen Kontext, als auch in meinem subjektiven Konstrukt verschiedene Aspekte beinhaltet, kann diese Einstiegsfrage natürlich nicht alles abdecken. Vielmehr hoffe ich mit der Ganzheit der Gespräche der im Gesprächsfluss beantworteten Fragen einen großen Teil der Bedeutung „Lebenssinn“ für meine Gesprächspartner zu erhalten. Da das Gespräch in seiner Totalität einen Einblick in die Thematik schaffen soll, bestehen hier Freiheitsgrade bezüglich der Einstiegsfrage, die von mir genutzt wurden.
So hat sich die Einstiegsfrage im Laufe der Gespräche immer ein wenig geändert. Diese Entwicklung basierte auf den Reflektionen und Erfahrungen, die ich nach jedem Gespräch mit der Frage gemacht habe. Aus Diskussionen mit meinen Diplomarbeitsbetreuern sowie mit Kommilitonen zog ich zu Beginn den Schluss, dass möglicherweise die direkte Frage nach dem Lebenssinn zu schwierig für die Klienten sei. Ich entschloss mich bei meinem ersten Gesprächspartner nach Lebenszielen zu fragen, da diese zum Einstieg vermeintlich leichter zu beantworten wären. Dahinter verbarg sich die Idee, dass die konkreten Lebensziele mit der Thematik Lebenssinn durchaus nicht unerheblich verbunden sind (s.a. Kapitel 2.3) und man über diesen Einstieg auch diesbezüglich etwas erfahren könnte. Das erste Gespräch veranlasste mich dann allerdings zu einer Modifikation der Einstiegsfrage. Ich hatte den Eindruck, dass diese sehr prägend für das ganze Gespräch ist und sich dieses entsprechend mehr um Lebensziele als um Lebenssinn drehte. Dieser Eindruck hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass die Vorstellungen des Klienten zum Thema Lebenssinn sehr stark an das Thema Lebensziele gekoppelt sind und einfach wenig „Metakonzepte“ vorhanden sein könnten. Natürlich gibt es noch viele andere Erklärungsmöglichkeiten für diese Beobachtung. Die volle Bandbreite der Deutungen soll aber nicht Teil dieses Kapitels sein.
Meinen nächsten Gesprächspartner fragte ich zum Einstieg, was es denn für ihn bedeute, wenn jemand sage, er habe keinen Sinn mehr im Leben. Damit wollte ich etwas näher an das Thema Lebenssinn herankommen und gleichzeitig die Schwierigkeit der Reflektion über den Sinn des Lebens etwas erleichtern, in dem ich ein lebenspraktisches Beispiel vorgab. Ich nahm an, dass die Aussage „ich habe keinen Sinn mehr im Leben“ jedem Menschen in irgendeinem Kontext schon einmal begegnet ist. Diese Frage führte meinem Eindruck nach auch zu dem erhofften Ergebnis und brachte mich näher an die Thematik heran, was allerdings auch hier viel mit der Persönlichkeit des Klienten zu tun hatte. Ein Aspekt dieser Frage war nun aber, dass mein Gesprächspartner erstmal über eine andere Person sprach, wobei die Überleitung auf das eigene Sinnerleben recht schnell erfolgte und auch das Sprechen über die dritte Person brachte Interessantes mit sich. Trotzdem entschloss ich mich abermals meine Einstiegsfrage zu modifizieren, um auch diese Problematik zu umgehen.
Bei meinem dritten Gesprächspartner fragte ich direkt nach seinem Sinn im Leben und ging damit das zu Beginn befürchtete Risiko der zu hohen Schwierigkeit der Frage ein. Wie erwartet wurde diese Frage als schwierig empfunden und erstmal mit Lebenszielen beantwortet. Meine Befürchtung, mit einer zu schweren Frage gleich eine Hemmung bei meinem Gesprächspartner zu erzeugen, bestätigte sich allerdings nicht, und ich erhielt trotzdem eine Menge vertraulicher und wertvoller Informationen.
Nach weiteren Reflektionen über die Einstiegsfrage entstand für das vierte Gespräch folgende Frage: „Wofür/Wozu lohnt es sich für dich/mich zu leben?“. Auch diese Frage kann mit ihrer Zweckgerichtetheit erhebliche Anteile eines Konzeptes Lebenssinn abdecken und wäre somit geeignet. Diese Einstiegsfrage erwies sich für mich, trotz anderweitiger Schwierigkeiten im entsprechenden Gespräch, als zufriedenstellend. Bei allen anderen Gesprächen blieb es somit bei dieser Einstiegsfrage. Für die Klienten fünf, sechs und sieben konnte ich zudem veranlassen, dass sie im Vorfeld, unter anderem mit Nennung genau dieser Frage, über das Thema unseres Gespräches Informationen erhielten. So war es ihnen ermöglicht, im Vorfeld des Gespräches zu reflektieren. Außerdem versuchte ich, in der Gesprächseinleitung bei allen Klienten meinen persönlichen Bezugspunkt darzustellen und das Thema Lebenssinn und Lebensziele mit verschiedenen möglichen Fragen exemplarisch zu umreißen: „Was ist mir wichtig im Leben? Was brauche ich um glücklich zu sein? Was hab ich für Lebensziele? Wozu lohnt es sich für mich zu leben? Was bedeutet für mich Sinn im Leben/Lebenssinn?“
Trotzdem erwähnte ich als letzte Frage für den Einstieg in das Gespräch immer die von mir vorher ausgesuchte, hier in ihrer Entwicklung dargestellte, besagte Frage. Dabei bot ich den Klienten immer an, sich auf Wunsch auch gerne erstmal eine Denkpause zu nehmen. Diese wurde interessanterweise nie genutzt, obwohl die Beantwortung zum Teil als schwierig empfunden wurde. Es könnte sein, dass sie diese Pause als unangenehm empfunden hätten, oder (die favorisierte Hypothese des Autors) sie fühlten sich trotzdem frei und vertraut genug einfach „loszulegen“.
4.6. Hintergrundleitfaden
Aufgrund meiner besonderen Stichprobe an Gesprächspartnern entschied ich mich, entgegen der üblichen Vorgehensweise bei der Methode des persönlichen Gespräches, einen Hintergrundleitfaden zu verwenden. Eine vollständig non-direktive Haltung gegenüber den Jugendlichen erschien mir für die Klienten nicht stimmig, da es die Jugendlichen in ihrer üblichen Kommunikation mit Erwachsenen eher gewöhnt sind, gelenkt zu werden und somit einen komplett freien Raum über das ganze Gespräch als befremdlich und verunsichernd hätten empfinden können. Diese Sorge bestätigte sich bereits bei dem ersten Gespräch mit Kevin, der nach Beantwortung der Einstiegsfrage, trotz klientenzentrierter Haltung meinerseits (die natürlich nur subjektiv befriedigend sein kann und der Kritik von außen offen steht), in erwartungsvolles Schweigen geriet. Eine Spiegelung dieses Schweigens empfand ich als nicht angemessen, so dass ich froh war, auf meinen Hintergrundleitfaden zurückgreifen zu können. Die Fragen dieses Leitfadens sollten dabei nicht als notwendig abzufragende Punkte eingesetzt werden, sondern flexibel in den Gesprächsfluss mit eingebracht werden. Damit konnte der Non-Direktivität und der klassischen Haltung noch Rechnung getragen werden, und das Gespräch entwickelte sich nicht zu einem Frage-Antwort-Reigen. Da das Thema „Lebenssinn“ allerdings mit einigermaßen voraussagbaren Lebensbereichen verknüpft ist und die Fragen des Leitfadens konzeptionell gut gelungen schienen, hatte ich wenig Schwierigkeiten die meisten Fragen bei allen Klienten einfließen zu lassen.
Der Hintergrundleitfaden selber war, wie die Einstiegsfrage (s. Kapitel 4.5) auch, für eine Entwicklung von Gespräch zu Gespräch offen gehalten. Trotz dieser Option bestand die einzige substantielle Änderung, abgesehen von den Änderungen der Einstiegsfrage, im Weglassen der Frage nach besonderen Schlüsselerlebnissen im Leben, da diese Frage sich als zu weitschweifig in Bezug auf das Thema dieser Arbeit erwies. Die Fragen selber waren dabei nicht an den genauen Wortlaut gebunden, sondern wurden dem Sinn nach und in einer Art und Weise gestellt, die an das vorher von den Klienten Gesagte anknüpfte. Wenn ich es nach subjektiven Empfinden für relevant empfand fragte ich zudem nach Bedeutungen einzelner Aspekte für die Klienten oder nach Beispielen zur Illustration.
Folgende Fragen beinhaltete der Leitfaden:
1. Wofür lohnt es sich zu leben? Würdest Du auch sagen „das ist mein Lebenssinn“?
2. Wie sieht ein Tag bei dir in der Zukunft, bspw. in 5, 10,
20 Jahren oder im Rentenalter aus? (meistens nach 10 Jahren und in Rente gefragt)
3. Was wäre wenn dies nicht eintritt?
4. Was wurden Dir von Deinen Eltern für Werte/Ziele mit auf den Weg gegeben?
5. Was hat Dir die Therapie im COME IN für Werte vermittelt? Was könnte man besser
machen (allgemein und auf das Thema bezogen)?
6. Was bedeutet Dir Glauben/Spiritualität im Zusammenhang mit Lebenssinn?
7. Was bedeutet Dir die Erfahrung mit Drogen auf Dein Leben bezogen?
8. Hat sich Dein Lebenssinn im Laufe Deines Lebens verändert, war er bspw. früher ein
anderer als heute?
9. Erste Gesprächsbilanz
Da die Entwicklung der Einstiegsfrage bereits in Kapitel 4.5 erörtert wurde, wird an dieser Stelle darauf verzichtet.
Die zweite Frage nach der Darstellung eines Tages, wie er sich in zehn Jahren, oder gar in Rente vorgestellt wird, war über dieses Narrativ als Frage nach Lebenszielen gedacht. Da diese, wie man es dem Kapitel 2.3 entnehmen kann, für das Erleben von Sinn sehr wichtig sind, wurde sie bei allen Klienten gestellt. Eine Ziel– und Zukunftsorientierung werden sowohl bei Frankl (s. Kapitel 2.1) als auch bei Baumeister (s. Kapitel 2.2) im Zusammenhang mit dem Grundbedürfniss nach Zweck („purpose“) als elementar für das Erleben von Lebensinn betrachtet.
Die dritte Frage ist eine Frage nach Alternativen. Hinter ihr verbirgt sich das Interesse danach, ob es sich bei den Lebenszielen um eine Anhaftung an bestimmte konkrete Vorstellungen handelt, oder ob auch Alternativen denkbar wären, und wenn ja, welche. Weiterhin versteckt sich in ihr die Vermutung, dass bereits abstraktere lebensphilosophische Aspekte einen Einfluss haben könnten, verbunden mit der Idee, dass es dabei vielleicht um die Verwirklichung bestimmter Glaubens- oder anderer Wertesysteme geht.
Die vierte Frage versucht biographische Zusammenhänge des Themas „Lebenssinn“ aufzuzeigen. Theoretisch steht hinter ihr die Vermutung, dass Lebenssinn ein sehr subjektives Konstrukt ist, das sich nicht nur über allgemeine Kategorien erfassen lässt.
Frage Nummer fünf soll einerseits Auskunft über vom COME IN vermittelte Sinnaspekte geben, andererseits soll sie eine kleine qualitative Evaluation der Therapie ermöglichen, so dass auch das COME IN von dieser empirischen Arbeit profitieren kann.
Die Frage nach Glauben und Spiritualität, welche in den Gesprächen oft durch die Frage nach den Vorstellungen von den Geschehnissen nach dem eigenen Tod spezifiziert wurde, wurde immer extra gestellt. Die gesonderte Frage nach diesem Bereich erweist sich nicht zuletzt aufgrund der besonderen Wichtigkeit, die in der Lebenssinn-Forschung diesem Aspekt zugesprochen wird, als ratsam. In Theorie und Empirie wird Glauben immer wieder als die potenteste Möglichkeit zur Konstitution von Sinn ausgezeichnet (s. Kapitel 2.2). Zudem liegt hier das besondere persönliche Interesse des Autors, welches der Leser in der Beschreibung der persönlichen Eindrücke des Gespräches unschwer erkennen kann. Eine Deprivation dieser inneren Vorgänge meinerseits erschien mir für die Authentizität der Gespräche unratsam. Aus diesem Grunde brachte ich entsprechende Gedanken in meinen reflektorischen Eindrücken des Gespräches zu Papier, so dass sie nicht auf andere vielleicht noch verzerrendere Weise zum Ausdruck kommen würden.
Die siebte Frage nach der Einordnung der Drogenerfahrung, sollte die Möglichkeit ergeben, explizit suchtspezifische Aspekte der Lebenssinn-Problematik zum Ausdruck zu bringen. Dabei fragte ich bei den meisten Klienten zudem nach den subjektiven Ursachen für die Entwicklung der Sucht. Bezüglich der Einordnung und Bewertung im Nachhinein wären verschiedene Möglichkeiten denkbar, die von einer kompletten Verbannung dieser Erfahrung, über das Betrachten der Lebenskrise Sucht als Chance zum Wachstum, bis hin zu einer gezielten Betrachtung des Konsums als Sinnsuche oder zum Induzieren spiritueller Erlebnisse, reichen.
Um Entwicklungsaspekte des Lebenssinns nochmals genauer zu beleuchten fragte ich bei einigen Klienten zudem nach einer Kontrastierung des früheren Lebenssinns (insofern einer vorhanden war, aus heutiger und damaliger Sicht) mit dem heutigen.
Schließlich gab ich den Klienten noch die Möglichkeit zu einer Evaluation des Gespräches (einem Gesprächsrückblick), welches zu einem Reflektieren und einer Weiterentwicklung auf beiden Seiten anregen könnte.
4.7. Darstellung der Verdichtungen
Bei der Darstellung der verdichteten Gespräche wurde versucht, möglichst viel der Authentizität der Klienten zu erhalten, indem diese größtenteils selbst zu Wort kommen. Äußerungen der Klienten werden dabei in kursiv dargestellt. Fragen von meiner Seite, die für das weitere Verständnis als wichtig angesehen wurden, sind mit einem „I:“ gekennzeichnet und nicht-kursiv. Einführung, Erläuterungen und abschließende Betrachtungen sind ebenfalls nicht-kursiv und im Präsens geschrieben, so dass die Aktualität des Erlebens stärker zum Tragen kommen kann. Wenn zwischen zwei gesprochenen Textblöcken für das Verständnis unwichtige Fragen meinerseits oder aber Gesprochenes der Klienten liegt, so wurde dies mit „…“ gekennzeichnet. Der gesprochene Text der Klienten wurde soweit bereinigt, dass er einigermaßen fließend und angenehm zu lesen ist (es wurden bspw. doppelte Sätze gestrichen), aber trotzdem noch einige sprachliche Besonderheiten zum Ausdruck kommen können. Die Darstellung in Mundart beinhaltet auch, dass grammatikalische Fehler wie bspw. das Auslassen von Buchstaben nur dann bereinigt wurden, wenn sie zur Unverständlichkeit für den Leser führen würden.
Pausen, Schweigen, Lachen und sonstige non-verbale Aspekte wurden in der Regel nicht kodiert, um den Leser nicht zu übermäßiger Hermeneutik anzuregen. Die wenigen relativ unsystematischen Ausnahmen dienen hierbei lediglich einer kurzen atmosphärischen Untermalung und dem Versuch, einen Teil der Persönlichkeit doch auch non-verbal durchschimmern zu lassen. Deshalb sollte der Leser an jenen wenigen Stellen mit Deutungen etwas vorsichtig umgehen.
Weiterhin wurde Umgangssprache aufgrund ihrer Häufigkeit nicht in Anführungszeichen und es wurden keine Hochkommas bei ausgelassener Flexion gesetzt (z.B: „ich interessier mich“). Auch wurde darauf verzichtet „derbe“ politisch und ethisch unkorrekte Ausdrücke zu schwärzen. Sie sind Teil der Persönlichkeit und Lebenswelt der Klienten, und der Leser könnte sie sowieso erahnen, weshalb eine Schwärzung sie nur unnötig zusätzlich gewichten würde.
5. Gesprächsverdichtungen
5.1. Verdichtungsprotokoll Kevin
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kevin wurde mir (wie auch einige andere Klienten) von Verwaltungsseite des COME IN vermittelt. Wie sich herausstellt, wusste er im Vorfeld nichts über den Inhalt des Gesprächs, lediglich dass es sich um die Arbeit eines Studenten handelt, der Gesprächspartner sucht. Aufgrund Kevins genereller Offenheit erweist sich dies nicht als Nachteil. Nach der Begrüßung des Klienten, lasse ich mir von ihm die Einrichtung zeigen und wir unterhalten uns ein wenig über sein Befinden hier. Dabei bekomme ich überraschenderweise schon einige sehr persönliche und wichtige Informationen von ihm. Kevin ist 16 Jahre alt, kommt aus Brandenburg und ist seit ca. zweieinhalb Monaten im COME IN. Er erzählt mir, dass er bereits zweimal die Therapie hier abgebrochen hat. Das letzte Mal ist er auf die Autobahn gelaufen, weil er sich umbringen wollte, wurde aber von Helfern gerettet. Mit 10 Jahren hat er angefangen, Alkohol zu trinken und gelegentlich auch Kokain genommen, wobei das Hauptproblem seinem Empfinden nach die Alkohol-Sucht ist. Kevin verkehrte früher in „Nazi“-Kreisen, bezeichnet sich aber als Mitläufer. Dieser Umstand wurde ihm zum Verhängnis, als entsprechende Personen sein Mitläufertum bemerkten und anschließend einer mit dem Messer auf ihn losgegangen ist. Er hatte allerdings zum Glück eine gute Reaktion und zog die Arme hoch, so dass das Messer nur in seine Arme gerammt wurde und nicht in seine Brust. Weiterhin berichtet er mir im Vorfeld auch, dass er sich die Arme ritzt und zeigt mir seine Narben.
Das Gespräch findet in einem kleinen Raum statt, in dem sich normalerweise Gesprächsgruppen treffen. Wir sitzen uns beide jeweils auf einer längeren Sofa-Reihe direkt gegenüber. Die technischen Geräte lassen sich auf einem Tisch aufbauen. Es herrscht eine angenehme gemütliche Atmosphäre, wobei ich in Anbetracht des ersten Gesprächs etwas nervös bin, was sich in der Art der Gesprächsführung sicherlich an einigen Stellen bemerkbar macht. Trotzdem kann ich eine vertrauensvolle Atmosphäre aufbauen und habe das Gefühl, dass Kevin sich von mir akzeptiert fühlt. Er hat einen recht starken Berlinerischen Akzent. Da dieser auch Teil seiner Persönlichkeit ist, wird er hier in etwas reduzierter Form wiedergegeben.
Bevor wir das Gespräch starten, erkläre ich ihm mein Anliegen, d.h. meinen persönlichen Bezug zum Thema und worum es gehen soll. Ich bitte ihn um Einverständnis zur Tonbandaufnahme und der weiteren Verwertung der Information. Während ich die technische Vorrichtung zur Tonbandaufnahme aufbaue, hat er ein wenig Zeit, sich zum Thema Gedanken zu machen.
Kevins momentanes Befinden im COME IN
Hier schildert Kevin sein Befinden im COME IN. Auch allgemeinere Reflexionen, wie z.B. das Befinden in der Schule sind hier angeführt.
Seit zwei Wochen herrscht innerliches Durcheinander bei Kevin. Auf Konflikte eingehen ist da besonders schwer.
„Schon die letzten zwee Wochen so durcheinander so. Kann auf so jut wie nix mehr ne Antwort so richtig geben. Oder eben gar nicht erst mit den Konflikten eingehen. Kann ick allet nicht mehr.“ … „Auf Konflikte müsste ick hier schon eingehen, um zu lernen…“
I: „…Beschreib mal ein bisschen. Wie ist das? Ist das nur durcheinander oder ist das so, dass Du dich leer fühlst, traurig, depressiv, wütend, keine Ahnung?“
„Ick fühle mich schon janz normal, aber eben och im Kopf n bisschen leer und jestresst eben. Weil ick denn immer uff alle aufpassen muss. Ick muss eben so viel machen, wat normalerweise hier auch andere Klienten machen könnten.“… „Meistens, wenn man schon jestresst ist, dann wird man dadurch erstmal sauer, wenn man in so ein Konflikt reingeht.“
Kevin hat mehr Verantwortung als andere, aber eigentlich keine Lust darauf.
„Damit ick auf die janzen Kontaktsperren hier uffpassen muss und die Va`s, Verantwortung übernehme und so jut wie fast alles putzen tue, obwohl mer fünfzehn Klienten sind.“
I: „Wieso hast Du da so viele Dienste?“
„Ne, normalerweise nicht, aber die anderen, entweder machen se`s nicht oder sie machen det zu langsam, fangen zu spät an. Weil ick eher immer pünktlich fertig sein will, dann mach ick det immer.“…
I: „Aber eigentlich hast Du da gar keine Lust soviel zu machen?“
„Ne, so richtig Lust habe ich nicht“.
„…schlechtes Wetter, schlechte Laune, jutet Wetter, jute Laune.“
…I: „Bist Du ganz gern dann zur Schule gegangen?“
„Schon ja. Kommt immer dann druff an, wat für n Lehrer, oder wie gerade der Tach anjefangen hat, so is mer denn och druff. Bei mir is zum Beipiel schlechtes Wetter, schlechte Laune, jutet Wetter jute Laune. So wie heute det Wetter, eben so auch durcheinander ebend. Manchmal sag ich da eben, manchmal ne dat is so bei mir. Entweder brüll ick manchmal dann enen da unten an in der Halle oder ick bin janz nett.“
„…denn hab ick mich nicht mehr unter Kontrolle und hau gleich zu.“
„Aber aggressiv oder so bin ick nich dann. Kann bloß dann passieren, wenn man mich richtig doll verletzen tut, also innerlich verletzen tut. Denn kann et zum Kurzschluss führen sozusagen und denn hab ick mich nicht mehr unter Kontrolle und hau gleich zu.“ … „Mich zum Beispiel als Jude oder sowat beleidigen, so richtig übelst beleidigt. Hatten wir schon mal vorm Monat hatten wir det Thema hier jehabt, Nazi-Thema ebend, da wurden hier viel Nazi-Sprüche jeklopft. Da hat ener zu mir ‘Jude‘ jesagt, ohne zu zögern. Da hab ick ihm gleich n paar aufs Maul jegeben und denn wars vorbei.“
Kevins bisheriges Leben
Kevin erzählt von seinem Leben, sowohl positive als auch negative Erlebnisse. Dabei spricht er über seine Freundin, die Entwicklung seines Alkohol -und Drogenkonsums, die „Nazi-Szene“ und die Beziehung zu seinen Eltern. Kevin wurde mit zwei Jahren von seinen richtigen Eltern getrennt, da diese Alkoholiker waren. Sein zweites bis fünftes Lebensjahr verbrachte er im Heim, bevor er dann zu seinen Pflegeeltern kam.
Nur ein Bild von Mutter
I: „Dann kennst Du Deine richtigen Eltern gar nicht?“
„Hab bloß n Bild zu Hause von meiner Mutter. Und dann bin ick mit fünfe ab und zu mal zu meinen Pflegeeltern jefahren. Und ab sechseinhalb bin ick da hinjezogen. Bin ick ausm Heim rausjekommen und hinjezogen.“
Kevin hat gute und schlechte Kindheitserinnerungen.
„Positiv, negativ. Ab und zu mal wat Jutes, ab und zu och schlecht. Kann ja eben nicht immer alles jut sein.“
Gespräche mit den Eltern gab es selten, dafür viele Streitereien.
„…, ick hatte also eher nicht viel mit meinen Eltern (hier sind die Pflegeeltern gemeint) zu tun jehabt, die Jahre über jetze. Ick kann mich nicht mehr so richtig eben erinnern, weil ick ab zehne anjefangen hab mit Alkohol, kann ick mich nicht mehr daran erinnern und da haben wir auch nicht viel jeredet immer, weil gab denn immer Streitereien, weil ick von der Schule eben schon anjetrunken und auch besoffen nach Hause jekommen bin. Denn gab es bloß Streitereien, da gab es nie wat jutes oder so. Ab und zu mal, wenn ick mal n Tach hatte, wo ick nich zur Schule jegangen bin, wo ick gleich zu Hause jeblieben bin.“ … „Meistens war es immer frühs, wenn ick uffjestanden bin, kam denn immer meine Mutter und hat mit mir jeredet über den Tach davor noch, wo ick besoffen nach Hause jekommen bin, warum ick det jemacht hab und so.“ … „Streitereien und Diskussionen.“
Ausnahmezustand Weihnachten: „Da war ja dann schon Ruhe.“
„Ausser denn eben zu Weihnachten, da war denn eben och sense sozusagen mit dem Alkohol. Da war ick auch zu Hause, da bin ick denn och nicht mehr an Alkohol rangekommen. Da hab ick denn och zum Beispiel meinem Vater hab ick wat jeschenkt, so ein Salzkristall oder wie die heissen, wo man ne Kerze rinstellen kann. Meiner Mutter hab ick ne Uhr jeschenkt. Also Einfälle hab ick schon, was ick so schenken kann und so.“ … „Also diese Weihnachten, war ja komplett Ruhe eben, weil ick da vorher schon, im Oktober schon, in Entgiftung gegangen bin. Da war ja dann schon Ruhe. Denn sind wir besuchen gekommen. Und ab da war dann auch in Ordnung so zu Hause. Konnten wir besser miteinander reden.“
Kevin bewertet seine Drogenzeit nicht nur negativ.
… „Hab ick eigentlich etliche negative Dinge. Weil vom Alkohol war eigentlich alles fast negativ. Da hab ick ja bloss noch Straftaten begangen. Aber det gibt och positive Dinge. Zum Beispiel meine erste Freundin hatte ich jefunden mit zwölf, bin mit ihr jetzt immer noch zusammen. Vier Jahre.“
Seine Freundin ist immer bei ihm geblieben, aber momentan schreibt sie immer seltener Briefe.
…„Also, sie hat es trocken versucht, mich vom Alkohol runter zu holen, ohne Therapie und Entgiftung, aber hat se nich jeschafft.“
I: „Aber ist trotzdem bei dir geblieben. Wie habt ihr euch kennengelernt?“
„Grundschule, in der sechsten Klasse. Seit dem sind wir auch immer auf die gleiche Schule jegangen. Siebente, achte.“
I: „Und ihr seid immer noch zusammen.“
„ Schreiben uns ab und zu jetzt mal. Is nich mehr so fülle. Da hab ick schon komische Jedanken, weil eben kaum noch Briefe von ihr kommen, werden immer weniger und weniger. Der letzte Brief ist vor zwei Wochen gekommen.“
I: „Und davor waren die Abstände kürzer gewesen? Da machst Du dir Sorgen, dass da irgendwas anderes geht oder sie kein Bock mehr hat. Telefoniert ihr auch?“
„Ne, dürfen wir hier gar nicht. Dürfen ja bloß Briefe schreiben. Erst, wenn man die dritte Stufe ist, darf man telefonieren, ein oder zweimal im Monat.“
I: „Aber Du liebst sie schon noch doll?“
„Ja!“
I: „Sozusagen Deine Zukunftspläne, da wäre sie momentan noch mit drin, wahrscheinlich.“
„Ja.“
Ansonsten nur negative Dinge
„Sonst waren eigentlich nur negative Dinge, richtig. So Anzeigen, Straftaten, so was alles. Von A bis Z sozusagen, allet durchjemacht in zwei Jahren.“
Alkohol
„Mit zehn hab ick anjefangen, und gleich eben heftig, also gleich bis hoch auf de Alkoholvergiftung. Hab ja gleich mit zehn anjefangen, det war kurz nach Sylvester oder so, da war`n wer irgendwie auf Trinkerstimmung und da wollten mal allet kosten. Da hat mein Kumpel so`n tschechischen Pflaumenschnaps mitjebracht und den hab ick wegjekippt sozusagen, also in mir rinjekippt, uff ex, komplette Flasche ausjetrunken, mit 1,7 ins Krankenhaus jekommen, fast tot.“… „Null auf hundert rinne und seitdem kann ick jede Menge vertragen. Über die Jahre hat sich denn bis hoch uff zwei fünf jesteigert.“
Anfangs aus Neugierde und Langeweile konsumiert, später auch gegen den Stress.
„Mit zehn und elf Jahren, da war et einfach bloß so, weil wir es ausprobieren wollten.“
I: „Neugierde.“
„Ja, und haben dann einfach weiterjetrunken und ab zwölf fingen es dann an, weil ich denn öfters och kleine Streitereien hatte, mit meiner Freundin… und ab vierzehn hat ick richtig großen Streit mit meiner Freundin. Da ham mir irgendwelche wat erzählt, wo ick besoffen war und da bin ich richtig sauer jeworden. Da ham wer richtig großen Streit jehabt und seitdem hab ick immer mehr jetrunken, det hat sich immer weiter jesteigert.“
Kokain-Nächte
„Koks. Immer am Wochenende, abends kurz vorm einschlafen, hab ick Koks jenommen. So gegen elfe abends. Det merkt man jetzt och hier, also det merk ich hier, weil ick kann ab halb elfe elfe nicht schlafen. Schlafe meistens immer erst um zweie die Nacht ein, weil ick da eben früher noch dran jewöhnt war wach zu sein, weil ich da zujekokst war.“… „ Entweder Nächte zu Hause durchjemacht oder erst jar nicht nach Hause jegangen, war ich eben von zu Hause abjehauen ne Woche.“ … „Det war einmal, bin ick ne janze Woche von zu Hause weggeblieben und sonst waren‘s immer die Nächte. Hab tagsüber in der Schule sozusagen jeschlafen, mich ausjeruht und nachts jing es dann los. Nachts bin ick denn immer von zu Hause abjehauen und denn ham wer auch anjefangen immer.“
Auswirkungen auf die Schule
„Also ick hab denn och anjefangen in der Schule zu trinken. Vor der Schule anjefangen zu trinken eben, denn in der Schule jetrunken und det is dann irgendwann rausjekommen. Dann ham se mir jedemenge Alkohol aus meiner Mappe abjezogen, also sie wollten meine Mappe kontrollieren und da war dann eben nichts weiter, ausser bloss Bierflaschen und Schnapsflaschen. Ick hatte keene Hefter, jar nischt bei. Hatte bloß Flaschen in meinem Rucksack. Denn musst ick och zum Direktor und der hat mit mir det jeklärt und denn bin ick och nicht mehr zur Schule.“… „Achte hab ick richtig dolle jeschwänzt und neunte bin ick erst gar nicht mehr hinjegangen.“… „In der neunten Klasse konnte ick denn nicht mehr zur Schule gehen, weil da ja eben och der Überfall war beziehungsweise der versuchte Mord an mich, wo se mich versucht haben umzubringen.“
Versuchter Mord
„Da hat ick mich mit meinem Kumpel frühs abjesprochen und der meinte, dass er Zeit hat eben zum Saufen. Na ja, denn hab ick och jesagt, damit ick vorbei komme. Hab ick denn och jemacht. Bin dann zu ihm dann, zu seinem Haus, er hat ja ein eigenes Haus. Jo und denn ham wer uns immer enen nach‘m anderen hinterjekippt, bis ick richtig voll war und och auf Klo jegangen bin, kotzen gehen. Dann irgendwie meinte er, ick soll wohl ne Wette einjegangen sein. Wenn ick noch zwee Bier uff ex austrinke, damit ick die Handwaffen jesamte Munition alles kriege und meine Jacke behalten kann und so, aber denn irgendwie hat er mich rausjeschmissen. Hat er mich eben bis zum Dorfende jebracht und da standen och jedemenge Leute von mir sozusagen, oder von ihm. Und die haben mich dann zugetextet damit ick n Mitläufer bin und so und denn hab ick och schon langsam Schiss jekriegt, weil die alle da bewaffnet waren, Baseballschläger alle beijehabt haben, wie eben die Skinnheads und Nazis alle druff sind. Denn haben se jesagt, ick soll det Handy geben, denn hab ick det Handy jegeben. Denn ging et los, denn ham se mich zusammenjetreten, denn wollte mich ener abstechen und dann kam die Reaktion mit den Armen und denn is det Messer in den Arm reingejangen. Denn sind se och gleich abjehauen, weil denn Autos vorbeijefahren sind und so. Die ham dann angehalten. Dann hab ick och gleich Anzeige jemacht und allet.“
Einstieg in die „Nazi“-Szene
„Mein Nachbar, is och n Kumpel von mir, dem sein Bruder, der is von seinen Pflegeeltern rausjeschmissen worden und der is dann irgendwo da als Nazi uffjetaucht, bei der NPD drin. Denn hat er Kontakt mit seinem Bruder aufjenommen, meinem Kumpel und denn kam da alles so immer weiter. Da kamen dann die ersten paar Sprüche und Fragen, wat neunzehnhundert-dann-und-dann war. Denn fing ick och langsam mit an mich reinzuklinken, weil ick wissen wollte wie det is, wenn man so als Nazi rumrennt. Ja, und denn sind auch jede Menge Straftaten deswegen.“
Abhängen mit „Nazis“ war nur gut im „Suff“.
… „Wenn ick besoffen war, war es schon in Ordnung, fand ick det. Als ick betrunken war, war es richtig jut.“
I: „War das so gemeinschaftsmäßig, das da auch ein Gemeinschaftsgefühl aufkam?“
„Ja, ein bisschen. Aber im Nüchternen, wenn ick nüchtern war, zum Beispiel, und die eben schon wieder voll waren und denn rumgebrüllt ham, dann hab ick mich meistens immer vom Staub jemacht. Det fand ick denn überhaupt nit jut, was sie denn ablassen für Sprüche. Wenn man nüchtern is, kann man so was jar nicht ab, kann ick och nich.“
I: „So die Nazisprüche?“
„Kann ick denn überhaupt nicht ab, krieg ick meistens ne Macke.“
Zusammenhänge zwischen Kevins „rechter Meinung“ und seinem geschichtlichen Interesse.
„Also eigentlich hatten wer da alles vertreten, von Ausländerfeindlichkeit bis hoch uff alles, Juden und Vergasung und so, weil ick mich eben dafür interessiere. Ick interessiere mich sehr doll für Geschichte. Daher wees ick eben och so vülle über’n zweeten Weltkrieg und ersten Weltkrieg wees ick nich so vülle, weil ick da noch nie wat so richtig jefunden habe, so Bücher und sowat, aber im zweeten Weltkrieg wees ick eigentlich so jut wie fast allet. Daher fand ick och, damit ick da rin passe.“
I: „Da konntest Du auch gut argumentieren bestimmt.“
„Haben se auch immer denn jesagt, damit ick jut reden kann, dadrüber reden kann, weil ick eben so jut wie allet wees. Weil ick allet mögliche eben lese, ins Internet jehe.“
„Rechte Meinung hab ick überhaupt nicht mehr.“
„Find det schlimm einfach. Rechte Meinung hab ick überhaupt nicht mehr. Bin eben nüchtern und so, überhaupt keene rechte Meinung.“ … „ Heute haben wer zum Beispiel och wieder. Wir haben ja hier ne Jungs-Runde und da haben wer heute mal mit de Mädchen zusammen jemacht und haben nen Film jekuckt über Kinder in Afrika, wo se ausjebildet werden um ihre Eltern zu erschiessen und so, wie se kämpfen müssen.“ … „Wie se uff de Strasse leben. Det war schon richtig hart. Wenn man sich da noch vorstellt, damit da noch n paar Nazis rumrennen und die da och noch umbringen und so. Des is schon ziemlich hart jewesen.“
Lebensziele –und Vorstellungen
Lebensziele der nächsten Jahre: Arbeit und Wohnung in Hamburg.
„Also wenn ich auf jeden Fall die zwei Jahre hier gemacht habe, denn will ick schon mir ne Lehre suchen, als Maurer, oder Fließenleger oder sowat eben. Denn noch eventuell, wenn det nicht funktioniert, bei meinem Vater anfangen zu arbeiten.“ … „Mein Vater ist Hausmeister von Beruf. Also im Winter schiebt er Schnee und im Sommer Grünanlagen und sowat alles.“ … „Ja, der hat guten Kontakt zu seinem Chef. Jo, natürlich so Wohnung, eventuell bleibe ick denn auch hier und ziehe hier irgendwo ein.“
I: „In Hamburg?“
„In Hamburg, ja. In Brandenburg verdient man nicht mehr so gut.“
Vorstellungen über den Tagesablauf in 10 Jahren: „ziemlich stressig denne“.
„Ick glob mal schon, ziemlich stressig denne, in 10 Jahren. Jeden Morgen dann frühes Uffstehen, erst abends auch wieder nach Hause kommen. Den janzen Tach über arbeiten, kommt eben druff an, wat ich mache. Ja vielleicht auch, wenn ich später Frau habe und Kinder, vielleicht dann auch auf die Kinder aufpassen und so. Kann schon stressig werden.“
Für Kinder muss man stark bleiben.
I: „Hast Du Lust auf Kinder? Möchtest Du gerne Kinder haben?“
„Zweie, mindestens. Höchstens drei, aber da müsste man schon ganz stark bleiben. Ja und denn auf die uffpassen, det is dann auch schon…, wenn man jestresst von der Arbeit kommt.“
Der Verdienst sollte Auto, Möbel und Wohnung abdecken.
Bei der Beantwortung der folgenden Frage wurde wahrscheinlich die Frage nicht richtig verstanden weil sie zu lang und zu komplex war. Das Wort „Wertvorstellungen“ war zu abstrakt. Trotzdem gab Kevin eine spannende Antwort, die aber aus besagten Gründen nur sehr vorsichtig interpretiert werden darf.
I: „Gibt es da irgendwie so, sag ich mal, so ne Ideale die Du auch hast unabhängig davon? So sollte man ein Leben führen oder so sollte man sein? Für mich ein guter Mensch muss das und das und das haben zum Beispiel, so ne Wertvorstellungen und so was?“
„Det ist eigentlich egal. Kommt immer drauf an wie man denn verdient. Wat man sich da von dem verdienten Geld denn eben leisten kann. Zum Beispiel so Auto oder sowat. Auto und n paar Möbel. Also, so richtig teure Sachen oder so, is mir eigentlich egal. Hauptsache ick hab wat zum fahren, womit ick zur Arbeit fahren kann denn, den Führerschein und eben auch Möbel denn in der Wohnung.“
Im Falle eines Scheiterns
Auch hier ist die Frage leider zu lang und zu komplex gestellt, die Antwort deswegen aber nicht minder spannend. Ich frage Kevin nach seinen Vorstellungen im Falle eines Scheiterns seiner Zukunftspläne. Es bleibt unklar, ob Kevin dachte, er solle jetzt bewusst ein Negativ-Szenario konstruieren oder ob er tatsächlich momentan keine Alternative hat.
I: „Du sagtest ja, dass es gut wäre, wenn Du ne Maurerlehre machst, ein geregelten Job, vielleicht Haus oder Wohnung oder so was, Frau, Kinder. Hast Du noch so Alternativvorstellungen? Manchmal funktionieren die Dinge ja leider nicht so, wie man das gerne hätte. Was wäre, wenn es aus irgendeinem Grunde nicht klappt oder so?“
„Ja, wenn ick die zwee Jahre nicht aushalten würde. Wenn ick nach diesen zwee Jahren Therapie wieder rückfällig werden würde, wieder auf Alkohol und dann vielleicht wieder Kokain oder so. Dann würde ick och entweder von Hartz IV, jar nicht mehr leben oder auf der Strasse leben und irgendwann sterben, weil ick denn die Jehirnzellen weggetrunken habe.“
Vorstellungen von der Zeit als Rentner
„Wenn ick in der Rente bin, denn bin ick eben zu Hause, mache irgendwat uff unserem Grundstück, in der Wohnung. Da fällt immer wieder irgendwann mal wat neuet uff, vielleicht mal neue Möbel wieder, neu streichen oder tapezieren, irjendwat neuet einbauen im Haus, wat eben mal interessant is, weil man muss ja irgendwann mal im Leben irgendwat ausprobieren, und wenn`s jefällt ne…Angeln gehen eben, weil denn hab ick Rente, brauch ich nicht mehr arbeiten, kann ick angeln gehen.“
Glauben
Glauben und Spiritualität
Abermals mache ich als Interviewer den Fehler eine zu lange und zu schwierige Frage zu stellen, so dass die Antwort eher knapp ausfällt. Im Gespräch hatte ich das Gefühl, dass einfach wenig Vorstellungen und Meinungen diesbezüglich vorhanden waren, so dass die knappe Antwort in ihrer Knappheit auch die Aussage sein könnte.
I: „…wenn es ums Thema Lebenssinn geht, was man so für Vorstellungen hat, wie das Leben aussieht, da ist ja bei vielen auch das Thema wichtig Glauben, Spiritualität und so. Spielt das irgendwie ne Rolle bei dir? …weiss nicht, glaubst Du an irgendwas oder hast Du da irgendwelche Ideen?“
„Also, wenn man mir sowat erzählt, sowat glob ick eben manchmal, wenn man es och globen kann, wenn es sich anhört wie ne Wahrheit oder so. So jetze Kirchen-Glauben habe ick nicht.“
I: „Auch nicht irgendwie selber eigene Ideen, wie das so alles sein könnte?“
(Schweigen)
I: „Glaubst Du, dass das irgendwie wichtig ist?“
„Weiss ick nich. Für manche vielleicht.“
Glauben in der Familie
„In meiner richtigen Familie war mein Vater jüdischen Glaubens. Det hab ick vom Jugendamt erfahren. Da hab ick mich mal vom Jugendamt mit so ner Frau hinjesetzt, die für mich da zuständig ist. Die hat mir denn über meine Familie erzählt.“
COME IN-Besuch im KZ-Neuengamme
„Mein Opa war Jude, weil wir waren letztes Mal hier in Neuengamme in diesem KZ. Und da sind ja diese Tafeln und da stand och mein Opa. Opa‘s Name, stand denn ‘K. X.‘“ … „War schon komisch. Ick war och janz ruhig im Gegensatz zu die anderen eben, weil es mich n bisschen och berührt hat. Die Bilder und sowat alles.“
Interessen und Dinge, die Freude bereiten
Kevin liest sehr gerne. Besonderes Interesse zeigt er dabei für Bücher über den zweiten Weltkrieg. Er spielt sogar mit dem Gedanken selbst ein Buch zu schreiben. Dies wäre allerdings kein so leichtes Anliegen, da bei ihm in der siebten Klasse eine Lese-Rechtschreib-Schwäche diagnostiziert wurde, so dass er in Deutsch-Rechtschreibung auch keine Zensuren bekommt. In der Schule gibt es durchaus Fächer die ihm Spaß machen, so z.B. Sport, Kunst, Musik, Geschichte, Biologie und Geographie. Außerdem geht Kevin sehr gerne angeln und zeigt allgemein Interesse für Tiere.
Angeln gehen, „immer schön ruhig“
„…Hochseeangeln in Norwegen war ick jedes Jahr mit meinem Vater. Der ist jetzt wieder oben in Norwegen. Daher können se och morgen nicht zu Besuch kommen, aber dafür kommen se am fünften.“ … „Hier kann ick nicht angeln. Da würd ick irgendwie mal nachfragen, ob ick hier angeln kann. Det würd ick noch fragen.“
I: „Aber sonst, so ein Tag, wo Du angeln warst?“
„War schon cool, hat man rundrum eben die Vögel und so jehört, die janzen Tiere und so. Und am Wasser eben immer schön ruhig. Hat man dajesessen und jelauert bis die Pose runterjeht oder die Angel wackelt. Da hat man sich schön jefreut, wenn da n schöner großer Fisch dran hängt. Meistens gleich wieder rinjeschmissen und denn filetiert, sauber jemacht gleich, damit wenn ick zu Hause war einfach nurmehr rin in de Bratpfanne und fertig. War immer schon cool. Kam eben manchmal mein Vater dazu, hat sich mit hinjesetzt und dann wird jequatscht noch.“ … „War interessant. Also bei uns is ja so. Da ist der Kanal, dann kommt Wiese und denn kommt die Oder, und da sind eben viele Rehe und so. Rehe und Kühe und sowat allet. Manchmal noch Pferdekoppel.“
Interesse für Tiere
„Ick kieck denn immer so die Tiere an, ick interessier’ mich auch n bisschen so für Tiere, für Bio und so, interessier’ ick mich. Meistens bin ick denn auch so, wenn n großer Fisch is, lass ick ihn och wieder rin, ist unterschiedlich.“
I: „Manchmal bist Du da sehr weichherzig?“
„Manchmal wenn ick bloß so aus Spaß angeln jeh und sie nich essen möchte, denn angel ich sie eben und setz se wieder rin. Meistens hängen se dann nach ne bestimmten Zeit wieder dran, die gleichen. Erkennt man dann irgendwann, wenn die Lücke nicht mehr dranne is, da erkennt man die,…“
Über Kevins Lernerfahrungen im COME IN
Lernen zu arbeiten
„Da drüber reden wer schon, in der Abend-Runde und so. Reden wer ebend drüber, wat wer werden wollen und so, oder denn fangen wer och an zu arbeiten, also gehen zum Beispiel In Touch. Is so ne Behindertenwerkstatt und da wird denn och jearbeitet, aber für kein Geld, also wird man nicht bezahlt. Da arbeitet man umsonst, um det schon mal zu lernen. Frühs aufzustehen, Frühstücken und sich fertig machen, in Ruhe im Bad und dann eben mit dem Bus loszufahren und dann da arbeiten. So ist dann eigentlich fast jeder Tag.“ … „Also ich bin nicht da in dieser Behindertenwerkstatt. Wir haben hier Berufsorientierung. Da fangen wer erst an zu lernen, wie man mit Holz umgeht und da kann man denn och sich aussuchen sozusagen, ob man davon was später machen möchte als Arbeit, zum Beispiel Tischler oder Stühle bauen und sowat alles, Schränke kann man da aussuchen sich.“
„…ick arbeite jerne“
I: „Findest Du das hilfreich für dich?“
„Schon also, macht mir Spass und ick find diese Arbeiten och jut, weil ick arbeite jerne eigentlich. Holzarbeit finde ich och jut, aber da is mir noch nie so richtig n Beruf einjefallen, wat man aus Holz so machen kann, wat es für Holzberufe gibt und so, weil ick hab immer, zu Hause hab ick immer jestrichen oder jemalert.“
Spaß am Arbeiten
Wunschberuf Fließenleger
„Fließen jelegt hab ick och schon.“
I: „Könntest Du dir auch vorstellen, dass dir das Spaß machen würde, wenn Du das beruflich machst jeden Tag?“
„Denn bin ick denn eben och auch übern Tach beschäftigt, glob ich mal, so mit Fließenlegen. Würde schon Spaß machen, Fließenlegen später mal, als Arbeiter, dann eben verdienen. Eben sich och zu ernähren, mich und die Familie zu ernähren.“
Unterstützung durch die Eltern bei der Berufsfindung
„Det machen wer öfters zu Hause. Bei uns wird öfters jemalert, det Haus jestrichen, oder eben Fließen jelegt. Jemauert ham wer auch schon. Okay, wir haben auch aus Holz schon Kanickel-Stall jebaut, Hühner-Stall, Stroh-Häuschen, haben wer schon jemacht, sowat alles eben. Mein Vater und meine Mütter haben mich vülle unterstützt, um zu gucken, wat ick am liebsten mache an Arbeiten, an Berufen und so.“
Berufsorientierung auf der Arbeitsstelle der Mutter
„Die letzten zwee Jahre ham se anjefangen. Konnt ick bei meiner Mutter mal uff Arbeit mitmachen. Also die arbeitet ja im Edeka-Aktiv-Markt, so eben Obst einsortieren und sowat. Det hat mir eigentlich och Spass jemacht, konnt ick ab und zu mal naschen vom Obst, wenn es eben wat jutet hat. Ne, aber och so is jut, denn kennt man eben auch viele, dann erzählt man mal mit denen und so. Hat man och übern Tach zu tun.“
Die Beziehung zum Pflegevater: Zwischen Streit und gemeinsamen Aktivitäten
„Also mit meinem Vater hab ick mir öfters nicht jezofftet. Und wenn wir uns jezankt ham, da gab`s och gleich enen vorn Kopf sozusagen. Hat jeder ebend ene jekriegt und denn war et och jut, für ne Viertelstunde ham wer uns eben nicht mehr angesprochen und denn hat er mich och eben wieder zur Seite jenommen. Denn kam ick och irgendwann, abends kam ich denn immer wieder zu mir, und hab mich denn och dafür entschuldigt, und denn hat er auch immer mit mir an Fahrrädern jebaut, Auto, und eben am Haus, entweder am Dach, oder jestrichen, oder eben Hühner ausjemistet.“
Hausarbeit und Pflege der Tiere zur Entlastung der Eltern
„Ick hab och zu Hause viel meinen Eltern abgenommen, so im Haus. Staubsaugen, staubwischen, abtrocknen, Müll rausbringen, Hühnerstall ausmisten und füttern und sowat alles eben.“
I: „Habt ihr auf‘m Bauernhof gewohnt?
„Nicht so richtig. Wir haben nicht viele Tiere. Wir hatten mal Hängebauchschweine und Hausschweine. Nen Hund ham wer noch, Kater ham wer, Fische und Hühner eben. Wir wollten normalerweise diese wieder aufs Land nehmen, aber wegen der Vogelpest, die da war, ham wer‘s nicht jemacht. Da hab ick eben viel jemacht. Mein Vater muss ja eben immer von frühs bis abends arbeiten. Meine Mutter bis zum Mittag und da mach ick schon wat, dass sie eben nicht so viel Stress haben denn, damit se och sich entspannen können sozusagen zu Hause.“
Kevins Beschäftigungsbedürfnis
„Ick glob mal, so soll es später och sein, wenn ick arbeiten gehe, hier raus bin, Schulabschluss hab und so, soll es so später denn auch. Damit ick och immer wat zu tun habe, vielleicht denn abends mal meine Ruhe habe, mich eben mit die Kinder beschäftigen kann, Fernsehen kiecken, Fussball oder sowat. Kieck nämlich gerne Sport.“
Erste Gesprächsbilanz
„viele neue Ideen“
„Also, solange kam es mir jetzt auf jeden Fall nicht vor. Fuffzig Minuten, kam mir gar nich lange vor, aber ick hab mitjekriegt, damit ick eben für die Zukunft mehr erzähl als immer in den Abendrunden, da ist mir nicht so viel eingefallen, gerade ist mir noch etliches dazu eingefallen, hatte ick viele neue Ideen. Hab och sozusagen bisschen offener jeredet.“
Über vieles hat Kevin im COME IN noch nicht gesprochen.
„Also, ick hab jetze von meinem zehnten Lebensjahr bis zum sechzehnten Lebensjahr, hab ick eigentlich so jut wie allet eben erzählt, so wat vorjefallen is und wat ick alles jenommen habe. Det hab ick hier noch nicht so richtig erzählt. Also ick hab keine sechs Jahre sozusagen im Kurzformat erzählt. Denn eben mit der Arbeit, wat in fünf oder zehn Jahren is, da mit Wohnung eben und so, alles nich erzählt hier. Damit wat für ne Arbeit und so. Dann eben det mit der Rente hab ick überhopt noch nich anjesprochen, is mir noch nie irjendwie wat einjefallen, nie dran jedacht. Fand ick schon jut, damit ick so druff jekommen bin.“
Zum Abschluss malt Kevin noch ein Bild (s.o.). Er malt das Label der Berliner Hip Hop-Band CKO, die angeblich selber schon im „Knast“ gewesen sind, wegen Drogen-Handel, mittlerweile aber wieder frei sind. Kevin hört gerne verschiedene Musik und erzählt außerdem begeistert von diversen Kontakten zu Berliner Hip-Hop-Größen. Er empfindet Berlin als eine sehr lebendige Stadt.
Persönliche Eindrücke und Vermutungen
Das Gespräch mit Kevin ist sehr lehrreich für mich. Ich muss feststellen, dass
ich allgemein etwas zu aktiv bin, wobei ein gewisser Aktivitätsgrad in diesem Fall sicherlich notwendig ist, da Kevin eher wenig am Stück spricht und sich dann wieder in Erwartung der nächsten Frage an mich wendet. Meine Fragen sind etwas zu komplex gestellt, so dass sie möglicherweise das eine oder andere mal das Verständnis von Kevin etwas übersteigen. Hierzu ist allerdings zu erwähnen, dass das Thema Lebenssinn an sich schon ein sehr schwieriges und abstraktes Thema ist, welches gerade für Jugendliche in diesem Alter und mit diesem Hintergrund sehr schwer zu behandeln ist. Für die nächsten Gespräche habe ich entsprechend meine Frage– und Vorgehensweise hin zu etwas mehr Einfachheit und etwas mehr zeitlichen Antwortfreiraum modifiziert.
Trotzdem gibt es für mich auch inhaltlich und im Kontakt mit Kevin einige spannende Erkenntnisse. Kevin wirkt auf mich hintergründig ein wenig leer und gleichgültig.
Das Erzählte macht teilweise einen Eindruck nihilistischer Beliebigkeit auf mich. Möglicherweise zeigt sich dies inhaltlich auch in dem sehr geringen bis gar nicht vorhandenen Anteil spiritueller und anderer existentiell-geistiger Lebenskonzepte.
Das für mich treffendste Zitat diesbezüglich scheint mir zu sein:
„Bei mir is zum Beipiel schlechtes Wetter, schlechte Laune, jutet Wetter jute Laune. So wie heute det Wetter, eben so auch durcheinander ebend.“
Er gibt an, prinzipiell durchaus bereit zu sein zu glauben, wenn das Gesagte den Eindruck macht wahr zu sein. Es bleibt allerdings unklar, ob er damit den spirituellen Bereich meint, oder eher allgemein Meinungen zu Begebenheiten in der Welt. Er scheint mit der Frage nach seinem Glauben irgendwie nichts anfangen zu können, was sich in seinem Schweigen und den knappen Antworten ausdrückt. Hierfür kann es viele Gründe und Deutungen geben. Es könnte ein allgemeines Unverständnis der Fragen sein, aber auch ein Unwillen über dieses Thema zu sprechen. Möglicherweise spiegeln seine Antworten aber auch einfach die Abwesenheit dieses Themas in seinem Leben wieder.
Es scheint mir anfangs, als geht es ihm in seinem Leben einfach nur darum, irgendwas zu tun zu haben um möglicherweise einer bedrohlichen Langeweile und Leere zu entfliehen. Die Frage nach Alternativen bei Nicht-Eintreten seiner Lebensziele wird von ihm mit Katastrophen-Szenarien beantwortet, wobei es unklar bleibt, ob meine Frage hier nicht verstanden wird und er möglicherweise denkt, er soll jetzt so ein Szenario konstruieren oder ob dies seine tatsächliche Antwort auf die Frage ist. Gerade als dieser Eindruck der Geschäftigkeit aus Angst vor der Leere sich bei mir zu erhärten scheint, widerlegt er dies prompt, als er erzählt, dass er gerne Angeln geht und dabei die Ruhe und die Natur genießt, also durchaus in der Lage ist, Stille im positiven Sinne aushalten zu können. Auch sein großes Pflichtbewusstsein beeindruckt mich positiv und widerspricht eher gegensätzlichen Erwartungen bezüglich des problematischen Klientels im COME IN. Kevins Widersprüchlichkeiten könnten natürlich wiederum Ausdruck einer möglicherweise vorhandenen Spaltung als Abwehr-Mechanismus einer Borderline-Symptomatik sein, die sich allerdings aufgrund der Gesprächsdaten lediglich als Verdacht aussprechen ließe. Unabhängig davon muss man hier zweifelsohne erkennen, dass das Leben voller Widersprüchlichkeiten steckt und nur schwer, mit starken Reduktionen und unter Zuhilfenahme immer weiterer Theorien, in ein Schema zu pressen ist.
Bezüglich des Themas Lebenssinn lassen sich als erste Anhaltspunkte die Wichtigkeit konkreter Lebensziele, der Arbeit sowie allgemein angenehmer Aktivitäten ziehen. Was die Lebensziele angeht, so ist vor allem auch deren Bürgerlichkeit auffallend. Diese würde man (ich) ohne Vorwissen bei einem Jugendlichen in seinem Alter möglicherweise so nicht erwarten, sondern eher einen Hang zu Idealismus und verrückten Träumen. Eine Diskussion dieser Beobachtung soll an späterer Stelle erfolgen.
5.2. Verdichtungsprotokoll Mark
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Gespräch mit dem Klienten Mark wurde vorher nicht geplant. Da meine eigentlich vorhergesehene Klientin leider aufgrund eines wiederholten Heroin-Rückfalls das COME IN endgültig verlassen musste, ist sie somit am besagten Termin gar nicht mehr anwesend. Glücklicherweise erklärt sich Mark, ein anderer Phase2-Klient, spontan für ein Gespräch mit mir bereit. Ich empfinde die Situation im Vorfeld als nicht optimal, da Mark vor dem Gespräch noch ein Abschluss-Gespräch mit seinem, für ihn zuständigen Teamer hat, und ich vermute, dass sein Redebedarf möglicherweise dadurch vermindert ist. Dies erweist sich erfreulicherweise als Fehlschluss und wir haben ein sehr fruchtbares Gespräch. Mark ist 19 Jahre alt, schon seit zwei Jahren im COME IN und wird dieses bereits die darauf folgende Woche, nach bestandener Therapie, verlassen. Während wir an diesem sonnigen und warmen Tag durch den COME IN-Garten zu dem Haus gehen, in dem er sein Zimmer hat, erhalte ich bereits einige Informationen von Mark. Das Wohnen in diesem Teil des COME IN – Komplexes ist für die Klienten vorgesehen, die sich bereits auf dem Weg zur Entlassung befinden und mit einer großen Autonomie und Selbstständigkeit verbunden. Er berichtet mir, früher hauptsächlich Cannabis konsumiert (mehrheitlich in Form von „Joints“) und ab und zu exzessiv Alkohol getrunken zu haben. Er war zwar nicht nach Alkohol süchtig, dieser ist seinem Empfinden nach aber trotzdem für ihn gefährlich. Mark macht von Beginn an einen ruhigen, reflektierten und intelligenten Eindruck auf mich.
In seinem Zimmer angekommen, setzen wir uns an einen Tisch direkt am Fenster und richten uns mit den Stühlen so aus, dass es für ein Gespräch angenehm ist. Ich fange an, meine Aufnahmetechnik aufzubauen und kläre Mark noch über die Verwendung der hier gewonnen Daten auf. Durch das Fenster scheint das Licht der Abendsonne, so dass wir eine sehr warme Atmosphäre im Raum haben. Mit Beginn der Aufnahme erkläre ich ihm meinen persönlichen Bezug zum Thema, die Intention meiner Arbeit und stelle meine Eingangsfrage (s.a. Kapitel 4.5), bei der es darum geht, was eine Person wohl meint, wenn sie äußert keinen Sinn mehr im Leben zu haben.
Bedeutung von Halt und Sinn für Mark
Hier beantwortet Mark meine Einstiegsfrage und geht im Folgenden darauf ein, was Sinn für ihn persönlich bedeutet. Neben sozialen Beziehungen sind Musik und Kunst für ihn sehr wichtig. Mark kommt aus einer Musikerfamilie. Er spielt Klavier, Gitarre, Schlagzeug und singt auch. Außerdem hat er sich eine recht erfolgreiche Band außerhalb des COME IN aufgebaut. Sie spielen eine Mischung aus Rock, Alternative, Indie und Retro mit Jazz-Elementen. Momentan konzentriert sich Mark nur auf Gesang, möchte aber irgendwann auch Gitarre dazu spielen. Mark zeichnet auch gerne, z.B. Menschen in bestimmten Situationen. Meistens zeichnet er mit Bleistift, aber auch Pop-Art, Street-Art oder „irgendwelche“ Plakate.
Wenn jemand keinen Sinn mehr im Leben hat…
I: „Wenn jemand sagt z.B., das hört man ja immer wieder, ist vielleicht auch in dem Kontext dann und wann mal aufgetaucht, er hat keinen Sinn mehr im Leben für sich. Was glaubst Du jetzt persönlich, was meint er damit?“
„Ja, dass für ihn alles schief läuft und es für diese Person keine Hoffnung mehr besteht. Das er die Energie nicht mehr hat oder denkt er hätte die Energie nicht mehr, sich hoch zu rappeln. Da ist nichts im Leben, woran er sich halten kann oder festkrallen kann, was ihm ein Sinn im Leben gibt, was er gut kann oder so.“
I: „Was wäre das für Dich jetzt zum Beispiel?“…
„Auf jeden Fall Kunst, Musik, Freunde oder Freunde suchen. Meine Familie. Ich selbst, halt auch mit Schule und so weiter. Das ich immer Ziele hab, woran ich mich festhalte.“
Musik und Kunst als Ausdruck von Gefühlen
„Kunst und Musik. Das hat mehr mit meinem Gefühlsleben zu tun. Das ist eher bei mir auf ner seelischen Ebene und das brauch ich auch sehr viel um mich irgendwie auszudrücken oder mich mitzukriegen oder irgendwas rauszulassen. Ich merke halt, wenn ich die Gitarre in die Hand nehme, dann weiß ich halt, wie ich irgendwas spiele, dann merk ich direkt sofort was ich fühle.“
„Mein ganzes Leben besteht aus Musik“
„Musik als Ventil oder einfach als irgendwas, was mir Spaß macht. Was auch mit meinem Leben einfach zu tun hat. Das ist nicht trennbar von meinem Leben, weil mein ganzes Leben besteht aus Musik von Geburt an. Mein Vater ist Musikprofessor. Meine Eltern sind Australier, ich bin auch Australier. Drei Jahre dort gewohnt und mein Vater hat dann einen besseren Job in der Schweiz bekommen, in einem Konservatorium und dann in Deutschland ne Professur bekommen, an der Musikhochschule in Aachen. Deswegen hab ich mein ganzes Leben mit Musik zu tun und für meine Eltern gehört Musik zu meiner Erziehung und zur Bildung. Das war für sie sehr wichtig und irgendwann so am Anfang, Klavier hat mir Spaß gemacht und dann hat ich doch keine Lust mehr, aber dann fand ich es eigentlich auch positiv und jetzt hat es mir im Endeffekt nur weitergeholfen die Musik.“… „Dass ich eben was hab. Dass ich mich dadurch identifizieren kann, mich ausdrücken kann. Dass es halt auch für mich das Leben interessanter macht. Wenn ich mir vorstelle ich könnte keine Musik machen…“
I: Was wäre dann, wenn Du keine Musik machen könntest?
„Würde ich Sport machen wahrscheinlich oder irgendwas anderes hätte ich dann als Ventil.“
Berufziel: Grafik-Design, geerbtes Talent
„Darum Berufsziel ist Grafik-Design, in der Richtung Kult-Medien. Ich bin der Meinung, dass ich das auch von meinem Vater hab, weil der auch sehr gut zeichnen kann. Das ist halt auch einfach das Zeichnen oder das, was Du halt lernst, wie Farben zusammengestellt werden oder das man ein bestimmtes Auge für etwas hat, für Farben, für Muster.“
„Ein Bild, da hab ich mein ganzes Gefühlsleben dargestellt, wie ich mich allgemein fühle“
„Das waren halt so verschiedene Stationen auf dem Bild. In einer Ecke war ein toter Baum. Das ist eher meine Vergangenheit. Und die Wurzeln kamen aus meinem Kopf.“… „Und da kam halt eben die ganze Vergangenheit raus, auf der einen Seite. Sex, Drugs and Rock und dann ging‘s weiter in‘s Verderben und so weiter, ins Schlechte. Überall sind ein paar Wörter drauf geschrieben, irgendwie ‘traurig‘, also was ich dazu gefühlt hab. Oder da ist ein Mann, der schwimmt, oder er fällt oder so. Das man keinen Halt hat oder das man sich unsicher fühlt, wie als würde man schwimmen und weiß nicht, wo oben und unten ist. Dann in der anderen Ecke die Zukunft. Beim Baum ist die Vergangenheit und dann in der anderen Ecke die Zukunft, was da wohl kommt. Angst vor der Zukunft vielleicht auch.“
I: „Wie sah die Zukunft aus?“
„Da hab ich nichts Konkretes gehabt. Hab ich einfach nur mich, der sozusagen in die Zukunft kuckt. Ne Welt, weil alles könnte passieren. Ich bin viel rumgereist, vielleicht reise ich noch mehr rum.“… „Auch wieder zurück nach Australien irgendwann. Und ein anderer Teil ist halt die wirklich schlechten Gefühle bei mir. Verzweiflung, Wut, Ärger. Die Gefühle die am deutlichsten waren, in der Therapie für mich. Wo ich mich auch viel mit auseinander gesetzt habe.“
I: „Gab es da auch so ein Hier und Jetzt auf dem Bild, zwischen Vergangenheit und Zukunft?“
„Ne, glaub nicht. Entweder es war alles auch auf dem Bild drauf oder ich bin das halt selbst, das Hier und Jetzt.“
Zukunft
Ein perfekter Tag in 10 Jahren
„In 10 Jahren, 29. Freundin, und die arbeitet auch. Also ich bin selbstständig, hab n eigenes Graphik-Studio. Ich hab mit meiner Freundin zusammen die Firma aufgebaut. Wir stehen auf, fahren dann morgens dahin, zur Firma. Langsam kommen die Angestellten, Freunde von uns, die wir im Studium kennen gelernt haben und meinten ’ja, lass uns mal was aufbauen’. Ja und machen da dann unser Ding. Aufträge erledigen, mit Kunden telefonieren, und das alles regeln, Arbeit halt.“… „Wohnung, Auto, vielleicht ein Hund.“… „...in der Stadt auf jeden Fall. Auf jeden Fall ne schöne Wohnung, schön eingerichtet, wie wir das halt wollen. Muss uns beiden gefallen, meiner Freundin und mir. Musik mach ich immer noch.“
I: „Kinder?“
„Ne, kann ich mir nicht vorstellen, also weiß nicht, mit 29?“
I: „Noch zehn Jahre später?“
[...]
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