Meine Arbeit gliedert sich in drei große Abschnitte: es wird die Gewaltforschung der letzten Jahre analysiert und sich dann ausführlich mit den Theorien von Norbert Elias´und seines Schülers Eric Dunning über den Hooliganismus und der Zivilisationsprozess auseinander gesetzt und diese Theorien sodann empirisch überprüft. Die Übertragung der Zivilisationstheorie von Dunning auf das Phänomen Hooliganismus ist noch immer der international bekannteste und zugleich umstrittenste Erklärungsversuch der Gewalt beim Fußball. Man kann Dunning zustimmen in der Feststellung, dass das Phänomen des Hooliganismus als folge der kommunikativen Verdichtung und der staatlichen Kontrolle entstand. Aber diese Gewalt war, wie kein Phänomen des Zivilisationsprozesses.
Für mich stellte sich immer die Frage, die eigentümlicherweise bisher stets umgangen wurde: was denn nun eigentlich bei einem Kampf passiert und warum bisher noch niemand darüber geschrieben hatte. Gerade die Erforschung und die dichte Beschreibung von Gewalthandlungen, so der Tenor in der neueren Gewaltforschung, helfen besser zu verstehen, was Menschen tun. Für die Darstellung eines Kampfes wird auf die Methode der Dichten Beschreibung zurückgegriffen, deren Problematik reflektiert wird. Am Beispiel der Erinnerungen eines ehemaligen Hooligans aus der Berliner Fußballszene der Wendezeit wird beschrieben, wie man sich eine Auseinandersetzung vorstellen muss: als Kampf, der keinen Regeln folgt und in dem jeder Beteiligte mit dem Schlimmsten rechnen muss. Das ist auch der Grund für die hemmungslose Gewalt, die die Hooligans einander antun, denn sie müssen damit rechnen, dass die Gegner ihnen Schmerzen zufügen oder sie schwer verletzen. Das allein bestimmt den Ablauf der Gewalt, der weder vorhersehbar noch steuerbar ist.
Im dritten Teil der Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob es diese Gewaltform auch in früheren Gesellschaften gab und man in ihr eine anthropologische Konstante erkennen kann. Hierfür greife ich auf Beispiele aus der Antike zurück und gehe auf gewalttätige Jugendgruppen in der Frühen Neuzeit auf dem Land und in der Stadt ein. Zu jeder Zeit hätten Menschen anlässlich von Sportereignissen Gewalt ausgeübt, hätten Jugendliche verschiedener Dörfer, ethnischer Gruppen oder Berufe Schlachten gegeneinander ausgetragen. In diesem Sinn unterscheidet sich, was in der Antike oder in der frühen Neuzeit geschah, nicht von den Auseinandersetzungen zwischen Hooligans unserer Tage.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Arbeit von Eric Dunning
- Die Soziogenese des Hooliganismus
- Die Psychogenese der Hooligans
- Kritik
- Ein neuer Ansatzpunkt in der Hooliganforschung
- Dichte Beschreibung der Hooligangewalt
- Vergleich der untersuchten Gewaltform
- Olympia und Delphi
- Tacitus und Pompeji
- Factiones
- Gewalttätige Jugendgruppen in der Frühen Neuzeit
- Auf dem Land
- In der Stadt
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Phänomen des Hooliganismus und analysiert die Gewalt von Fußballfans im Kontext der Zivilisationstheorie. Sie untersucht die Entstehung und Entwicklung von Hooliganismus und setzt diese in Beziehung zu historischen und sozialen Veränderungen. Die Arbeit stellt die Theorien von Eric Dunning und Norbert Elias in den Mittelpunkt und diskutiert die Relevanz ihres Ansatzes für die Erforschung von Gewalt im Fußball.
- Der Zivilisationsprozess und seine Auswirkungen auf Fußball und Gewalt
- Die Soziogenese des Hooliganismus und seine historischen Wurzeln
- Die Psychogenese der Hooligans und die Ursachen ihrer Gewaltbereitschaft
- Kritik an bestehenden Erklärungsansätzen und die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes
- Dichte Beschreibung von Hooligangewalt und ihre Bedeutung für die Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema Hooliganismus ein und erläutert die Forschungsmotivation. Es wird die Bedeutung des Themas, die Forschungslücke und die Relevanz des Ansatzes von Eric Dunning hervorgehoben. Die Arbeit von Eric Dunning wird im ersten Kapitel detailliert dargestellt, wobei seine Theorie des Zivilisationsprozesses und seine Anwendung auf Fußball und Gewalt im Vordergrund stehen. Das zweite Kapitel befasst sich mit der soziologischen Analyse des Hooliganismus, während das dritte Kapitel die psychosozialen Aspekte von Hooligans beleuchtet. Kapitel vier widmet sich der Kritik an bestehenden Erklärungsansätzen und präsentiert einen neuen Ansatz für die Hooliganforschung. Kapitel fünf beschreibt die Hooligangewalt anhand von Fallbeispielen und bietet eine detaillierte Analyse ihrer Ausprägungen. Kapitel sechs vergleicht die untersuchte Gewaltform mit historischen Gewaltformen, wobei die Beispiele Olympia und Delphi, Tacitus und Pompeji sowie Factiones vorgestellt werden. Das Kapitel sieben beleuchtet die Entwicklung von gewalttätigen Jugendgruppen in der Frühen Neuzeit und unterscheidet zwischen ländlichen und städtischen Kontexten. Das Fazit bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und diskutiert die Bedeutung der Arbeit für die Hooliganforschung.
Schlüsselwörter
Hooliganismus, Fußballgewalt, Zivilisationstheorie, Norbert Elias, Eric Dunning, Soziogenese, Psychogenese, Gewaltforschung, Dichte Beschreibung, historische Gewaltformen, Jugendgruppen, Frühneuzeit.
- Arbeit zitieren
- David Holzheimer (Autor:in), 2007, Hooliganismus und der Prozess der Zivilisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86756