In allen frühen Industriegesellschaften seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Auswirkungen der Presse sowie eine Verbindung zu Parteien vermutet und dementsprechend erforscht. Einer der ersten Wissenschaftler war der Soziologe Max Weber. Er schlug im Geschäftsbericht der ersten Zusammenkunft der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine „Soziologie des Zeitungswesens“ und eine „Soziologie des Vereinswesens“ (vgl. Weber 1911, S. 39ff.) vor. „Weber interessiert, welche Motive bestimmen das Handeln der einzelnen Funktionsträger in den verschiedenen Gemeinschaften und Vergesellschaftungsformen“ (OESTERDIEKHOFF 2001, S. 700).
Ausgangspunkt des soziologischen Interesses war die Erforschung von Nachrichtenquellen der damaligen Printmedien. Prägend war Harold D. Lasswell durch die Aufstellung der nach ihm benannten Formel im Jahr 1948. Diese besagt sinngemäß: Wer sagt was mit Hilfe welches Medium zu wem mit welcher Wirkung.Durch Erfindungen medialer Technik, wie Radio- und TV-Geräte, entstand neuer Forschungsstoff, da die Reaktion auf diese Entwicklungen unklar war. Von den Unternehmen wurden die Neuerungen schnell als Werbemittel erkannt. Daher beinhaltete der Forschungsantrieb die Erstellung gerichteter Prognosen über Wissens-, Einstellungs- und Verhaltenseffekte.
Die Medienwirkungsforschung entstand in den Vereinigten Staaten, enthält aber aufgrund vieler europäischer Emigranten sehr relevante Importelemente. Die Emigrationswelle in Europa fand in den 1930ern statt und war begründet durch den verstärkten Einfluss der Nationalsozialisten und zunehmende Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch diese.
In der Weiterentwicklung der Medienwirkungsforschung entstanden dann zwei differenzierte Forschungsrichtungen. Die Erste war allgemeiner und administrativ. Sie orientierte sich an neopositivistischen, naturwissenschaftlichen Tendenzen. Ein Hauptvertreter dieser Forschungsrichtung war Paul F. Lazarsfeld. Eine zweite Entwicklungstendenz verbreitete sich unter dem Begriff der „kritischen Kommunikationsforschung“. Sie entstand vor allem durch die zunehmende Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts und deren starke beeinflussende Wirkung. Von großem Interesse waren die Aufnahmefähigkeit und –gründe innerhalb der Bevölkerung.
Inhalt
1. Ursprünge der Medienwirkungsforschung
2. Entstehung
2.1 Forschungsmethoden
2.2 Wahlstudien und Forschungsergebnisse
2.2.1 Die „People’s Choice“-Studie
2.2.2 Die Rovere-Studie
2.2.3 Die Decatur-Studie
2.2.4 Die Elmira-Studie
2.2.5 Die Drug-Studie
3. Der Zwei-Stufen-Fluss der Kommunikation
3.1 Spezifische Eigenschaften der „Opinion Leader“
3.2 Im Gegensatz: die „Opinion Follower”
4. Der aktuelle Forschungsstand
4.1 Das Opinion Sharing
5. Kritik und Weiterführung einiger Ansätze
6. Fazit
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Ursprünge der Medienwirkungsforschung
In allen frühen Industriegesellschaften seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Auswirkungen der Presse sowie eine Verbindung zu Parteien vermutet und dementsprechend erforscht. Einer der ersten Wissenschaftler war der Soziologe Max Weber. Er schlug im Geschäftsbericht der ersten Zusammenkunft der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine „Soziologie des Zeitungswesens“ und eine „Soziologie des Vereinswesens“ (vgl. Weber 1911, S. 39ff.) vor. „Weber interessiert, welche Motive bestimmen das Handeln der einzelnen Funktionsträger in den verschiedenen Gemeinschaften und Vergesellschaftungsformen“ (OESTERDIEKHOFF 2001, S. 700).
Ausgangspunkt des soziologischen Interesses war die Erforschung von Nachrichtenquellen der damaligen Printmedien. Prägend war Harold D. Lasswell durch die Aufstellung der nach ihm benannten Formel im Jahr 1948. Diese besagt sinngemäß: Wer (1) sagt was (2) mit Hilfe welches Mediums (3) zu wem (4) mit welcher Wirkung (5)? Daraus ergaben sich einzelne Forschungsgebiete, die sich wie folgt darstellen lassen:
(1) die Kommunikatorforschung
(2) die Aussagenforschung, speziell die Erforschung der Kommuni-kationsinhalte (Inhaltsanalyse)
(3) die Medienerforschung
(4) die Publikums- beziehungsweise Rezipientenforschung
(5) die Wirkungsforschung
(vgl. LASSWELL 1948, S. 48).
Durch Erfindungen medialer Technik, wie Radio- und TV-Geräte, entstand neuer Forschungsstoff, da die Reaktion auf diese Entwicklungen unklar war. Von den Unternehmen wurden die Neuerungen schnell als Werbemittel erkannt. Daher beinhaltete der Forschungsantrieb die Erstellung gerichteter Prognosen über Wissens-, Einstellungs- und Verhaltenseffekte.
Die Medienwirkungsforschung entstand in den Vereinigten Staaten, enthält aber aufgrund vieler europäischer Emigranten sehr relevante Importelemente. Die Emigrationswelle in Europa fand in den 1930ern statt und war begründet durch den verstärkten Einfluss der Nationalsozialisten und zunehmende Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch diese.
In der neueren Medienwirkungsforschung wurde eine Unterteilung in drei Phasen der ursprünglichen Medienwirkungsforschung vorgenommen.
1.) ca. 1910-1945 die Phase der starken Medienwirkungen
2.) ca. 1946-1970 die Phase der schwachen Medienwirkungen
3.) ab ca. 1971 die Phase der moderaten Medienwirkungen
(vgl. DONSBACH 1991, S. 19).
Interpretatorisch heißt dies, dass in der ersten Phase die Massenmedien noch über eine Omnipotenz verfügten und starke Effekte in der Beeinflussung der Bevölkerung erzielen konnten. Prägend waren die Propagandawirkung des Ersten Weltkrieges und die Beeinflussungsmaschinerie der Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg. Die Verbreitung des Radios in den 20er Jahren leistete auch einen Anteil zur massenmedialen Allmacht.
Die zweite Phase war die für den Themenschwerpunkt dieser Arbeit wichtigste Zeit, denn hier entstanden die meisten Studien und Hypothesen des Zweistufenflusses der Kommunikation. Das Zeitintervall beinhaltete eine nur bestätigende Massenmediennutzung. Der Terminus der Verstärker‑Hypothese wurde geprägt. Dieser besagt, dass sich die Rezipienten nur noch den Informationen aussetzen, die ihrer Prädisposition entsprechen. Die Meinungsbeeinflussung erfolgte vermehrt durch interpersonale Kommunikation.
„Die dritte Phase begann mit Maxwell E. McCombs’ und Donald E. Shaws Studie zur ‚Agenda-Setting Function of Mass Media’ … und mit Elisabeth Noelle-Neumanns Forschungsbericht ‚Return to the Concept of Powerful Mass Media’“ (NOELLE-NEUMANN 2002, S. 601). Bis zu Anfang der 70er konzentrierte sich die Massenkommunikationsforschung auf den Sektor der öffentlichen Kommunikation. „Nicht nur Inhaltsanalysen, sondern auch Befragungen und Experimente standen im Vordergrund der neuen Massenkommunikationsforschung“ (SCHENK 2002, S. 5). Diese Entwicklung zeichnete sich ab, da durch die Studien der zweiten Phase eine getrennte Erforschung der massenmedialen und der interpersonalen Kommunikation notwendig geworden war. Es verkürzten sich die Wechsel zwischen massenmedialer und interpersonaler Kommunikation. Heute weiß man, dass der Erklärungsansatz der schwachen Medienwirkungen aus der zeit von 1946-1970 korrekt ist.
In der Weiterentwicklung der Medienwirkungsforschung entstanden dann zwei differenzierte Forschungsrichtungen. Die Erste war allgemeiner und administrativ. Sie orientierte sich an neopositivistischen, naturwissenschaftlichen Tendenzen. Ein Hauptvertreter dieser Forschungsrichtung war Paul F. Lazarsfeld. Eine zweite Entwicklungstendenz verbreitete sich unter dem Begriff der „kritischen Kommunikationsforschung“. Sie entstand vor allem durch die zunehmende Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts und deren starke beeinflussende Wirkung. Von großem Interesse waren die Aufnahmefähigkeit und –gründe innerhalb der Bevölkerung.
2. Entstehung
Die gesamte Entwicklung betrachtend lässt sich festhalten, dass das Modell des „Two-Step-Flow of Communication“ eine häufig kommentierte und kritisierte Theorie der Medienwirkungsforschung ist.
Die Hypothese des Zweistufenflusses der Kommunikation ist ein Teil der klassischen Medienwirkungsforschung. Letztere entstand im Kontext der Entstehung des Wirkungsbegriffes, welcher sich aus Ursachen ergibt. Die gebräuchlichsten Bezeichnungen lauten:
- Stimulus-Response-Modell
- Reiz-Reaktions-Modell
- Hypodermic-Needle-Modell
- Transmission Belt-Theorie
- Magic Bullet-Theorie
(vgl. JÄCKEL 2005, S. 60).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Theorien behaupten, dass jedes Individuum der Gesellschaft über die Massenmedien (Stimulusaussendung) gleichermaßen erreichbar ist. Jedes Gemeinschaftsmitglied erhält die gleichen Stimuli, woraus sich bei allen ähnliche Reaktionen erklären würden. Mit der Annahme dieser Theorie war der Glauben an eine massenmediale Omnipotenz geboren.
In Abbildung 1 habe ich das Stimulus-Response-Modell um die massenmediale Kommunikation erweitert. Die Massenmedien senden akustische Reize (Nachricht) aus, die von den Rezipienten aufgenommen werden. Diese Reize rufen bei den Nachrichtenkonsumenten Reaktionen hervor. Da die Ursache der Reaktionen die Reizaussendung der Massenmedien war, erfolgte eine Beeinflussung (initiierte Verhaltensänderung) der Gefolgschaft. „Für diese Theorie der ‚omnipotenten’ Medien lieferten die damaligen psychologischen und soziologischen Theorien die entsprechenden Annahmen“ (SCHENK 1978, S. 17).
Erste Forschungen zu Medienwirkungen fanden in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts statt. In dieser Wissenschaft unterscheidet man soziopsychologische und soziologische Untersuchungen, wobei sich erstere auf die Einstellungen und den Intellekt einzelner Individuen beziehen. Zweitere behandeln diese Fakten gruppenbezogen, das heißt in Anwendung auf die Gesellschaft.
Konkrete Fragen nach der Erreichbarkeit der Rezipienten durch die Medien und deren Handeln aufgrund der konsumierten Botschaft traten auf. Nach anfänglichen Erkenntnissen erfolgte eine Meinungsänderung nur durch Gratifikationsaussicht oder rationelle Einsicht. Die Akademiker gelangten zu dem Ergebnis, dass die Gesprächsinhalte weniger relevant sind, als das Ausführen der Kommunikation. Auf dieser Erkenntnis beruhen auch das Anerkennungsbedürfnis im Kollegenkreis und der Konformitätsdruck. Das bedeutet, der zwischenmenschliche Aspekt wird von den Rezipienten subjektiv höher gestellt und die Beeinflussung durch interpersonale Kontakte wird ermöglicht (vgl. 2.2.1).
Die Annerkennung zwischen Kollegen sowie das Bedürfnis den Konformitätsdruck zu befriedigen, bezeichnen eine Verhaltensabstimmung und –orientierung anhand der persönlichen Umwelt. Die Relevanz der Kommunikation wurde schon in früheren Gesellschaften festgestellt. Der österreichische Psychologe Paul Watzlawick formulierte auf dieser Basis: „[Man] kann nicht nicht kommunizieren“ (WATZLAWICK 2003, S. 51). Er bezeichnete diese Tatsache als ein metakommunikatives Axiom. „Die Unmöglichkeit nicht zu kommunizieren ... ist ... ein wesentlicher Teil des schizophrenen Dilemmas“ (WATZLAWICK 2003, S. 52). Schizophrenes Verhalten wirkt für Außenstehende häufig als der Versuch jegliche Kommunikation zu vermeiden. Da Schweigen oder Regungslosigkeit eine Ablehnung widerspiegeln, kann dieser Versuch nicht gelingen.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass, sofern sich die Bevölkerung den Massenmedien aussetzte, sie dies nur selektiv ausführt. Mit anderen Worten: die Befragten nahmen nur Rundfunksendungen wahr, die dem eigenen Meinungsbild entsprachen und dieses bestätigten. Der damit beschriebene Verstärkereffekt beinhaltet zusätzlich die Tatsache einer Gruppenabstimmung. Das bedeutet, die Wähler sind sozial homogenen Einheiten, beispielsweise in einer gleichen Kirchengemeinde oder Vereinsmitgliedschaft organisiert, und gegenüber konformen Gruppenmeinungen eher empfänglich (vgl. SCHENK 2002, S. 320). Der Unterschied liegt in der Intensität der Informationsverarbeitung. Menschen informieren sich mit höherem Bildungsstand anhand mehrerer verschiedener Medien. Das Ergebnis formulieren Paul F. Lazarsfeld und Herbert Menzel treffend: „Eine paradoxe Folge dieses Tatbestandes ist, daß [sic] diejenigen, die über ein Problem am meisten lesen und hören, die geringste Wahrscheinlichkeit bieten, daß [sic] ihre Meinungen und Absichten verändert werden“ (LAZARSFELD 1973, S. 119).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit Abbildung 2 verdeutliche ich zum Abschluss dieses Kapitels vereinfacht die wichtigsten Einwirkungen der Einstellungsbeeinflussung. Es wird eine Nachricht herausgegeben, welche den Zweck hat die Meinung des Rezipienten zu ändern. Je nach Stärke der Prädisposition beim Nachrichtenkonsumenten können die Informationen eine Änderung erreichen oder nicht. Ist keine Prädisposition vorhanden, stellt sich die Frage, ob der Rezipient die Botschaft versteht. Wenn der Rezipient die Nachricht verstanden hat, entscheidet die Überzeugungskraft der in der Mitteilung enthaltenen Elemente über eine Veränderung der Rezipienteneinstellung. Bei Nichteintreten der Bedingungen in den einzelnen Teilschritten erfolgt als Gesamtergebnis keine Meinungsänderung. Sind alle Bedingungen erfüllt, wird eine veränderte Einstellung eintreten. Diese kann positiv, heißt dem Persuasionszweck entsprechend, oder negativ, also entgegengesetzt der angestrebten Meinung ausgerichtet sein.
2.1 Forschungsmethoden
Zur Erforschung der Meinungsführer und der intragesellschaftlichen Kommunikation werden heute drei grundlegende Techniken verwandt:
1. die soziometrische, auch netzwerkanalytische, Methode,
2. die Anfrage bei Schlüsselinformanten der jeweiligen Gesellschaft,
3. die Selbsteinschätzung
(vgl. SCHENK 2002, S. 345).
Die Netzwerkanalysemethode hat die detaillierte Darstellung und Erklärung sozialer Kontakte und sich daraus ableitender Interaktionen zum Ziel. Es werden alle an der Bildung des Netzwerkes beteiligten Einheiten und deren Relationen zueinander analysiert (Abb.: 3). Einzelne Verflechtungen werden explizit hinterfragt, um private Beziehungen darzulegen. Diese sind vor allem bei Berufspolitikern aufgrund von möglichen Auswirkungen auf Abstimmungen von Interesse. Geringere Problemfelder der Netzwerkanalyse stellt der Ausschluss einzelner Teile durch Beschränkung des Netzwerkes dar. Eine Handhabbarkeit wird so gewährleistet. Ein Zufallsauswahlsystem existiert nicht, so werden bloß Gruppen untersucht, von denen eine Netzwerkbildung vermutet wird. Die Netzwerkanalyse funktioniert nur, wenn alle wichtigen Einheiten des Systems erfasst sind, was aber die Kooperativität der Einheiten voraussetzt. Da die Akteure in direktem Kontakt mit einem Forscher analysiert werden unterliegt die Methode einem subjektiven Faktor (SCHNELL 2005, S. 258f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mehr Effektivität bezüglich der aufgewendeten Zeit und Kosten bietet eine Schlüsselinformantenbefragung. Voraussetzung ist ein detailliertes und systembezogenes Wissen der Befragten. Fehleinschätzungen sind nicht ausgeschlossen (vgl. SCHENK 2002, S. 345).
Am üblichsten und häufigsten praktiziert wird der Weg der Selbst-einschätzung, den auch schon Paul F. Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet anwandten. Anhand von Fragebogenskalen berichten die Probanden über eigene Einstellungen. Irrtumsfrei ist auch diese Technik nicht, weshalb man zu einer Kombination der Selbsteinschätzungsmethode mit soziometrischen Studien gelangte, um die Validität der Kommunikationsforschung zu erhöhen (vgl. SCHENK 2002, S. 346).
2.2 Wahlstudien und Forschungsergebnisse
Ausgangspunkt für die wissenschaftlichen Studien war eine Neuorientierung im Bereich der massenkommunikativen Medien. Von speziellem Interesse kristallisierten sich der interpersonale Einfluss sowie die Erforschung spezifischer Meinungsführereigenschaften heraus.[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die „People’s Choice“-Studie“ (1944), auch Erie-County-Studie, stand im Auftrag der Medienwirkungsforschung und analysierte die Einflussmöglichkeiten der Print- und Sendemedien auf das Wahlverhalten der US-Bevölkerung. In der Rovere-Studie wurden der allgemeine interpersonale Einfluss und die zwischenmenschliche Kommunikation in alltäglichen Problematiken analysiert, daher war sie allgemein gehalten. Das Ziel der Decatur-Studie lag in der Aufdeckung von Einflussfaktoren für Kaufentscheidungen in den Themengebieten Mode, Politik, Kinobesuch und Marketing. In der Elmira-Studie untersuchte man erneut die Wahlpropagandawirkung. Die Drug-Studie analysierte die Risikobereitschaft bei der Verordnung eines neuen Medikaments. James S. Coleman, Elihu Katz und Herbert Menzel differenzierten nach Ärzten und korrelierten die produktspezifische Kommunikation. Vorab gebe ich durch Tabelle 1 einen Überblick der behandelten fünf Studien.
2.2.1 „The People’s Choice“
„The People’s Choice“-Studie hat ihren Ursprung in den Präsidentschaftswahlen 1940, als Wendell L. Willkie für die Republikaner und Franklin D. Roosevelt für die Demokraten kandidierten. Als Instrumentarium wurde die Panel-Analyse, eine auf Zufallsstichproben beruhende Längsschnittuntersuchung, eingesetzt. „Wir interessierten uns nicht dafür, wie die Menschen, sondern warum sie so wählten wie sie es taten“ (LAZARSFELD 1969, S. 44).
Von Mai bis September wurden 600 US-Bürger einmal monatlich befragt. Zusätzlich wurden mit den so genannten „Meinungswechslern“ Sonderinterviews geführt. Die Forscher der Studie Paul F. Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet entdeckten dabei neue soziale Erscheinungen. „Unerwartet war … die Feststellung, … daß [sic] zwischen Stimulus und Reaktion soziale Faktoren als intervenierende Variablen geschaltet waren“ (EURICH 1976, S. 18). Lazarsfeld und Menzel formulierten die gewonnene Erkenntnis wie folgt: „Wir erhielten den Eindruck, daß [sic] Menschen in ihren politischen Entscheidungen mehr durch Kontakte von Mensch zu Mensch beeinflußt [sic] werden – etwa durch Familienmitglieder Bekannte und Nachbarn sowie durch Arbeitskollegen - als unmittelbar durch die Massenmedien“ (LAZARSFELD 1973, S. 120). Die Studie wurde in Lazarsfelds, Berelsons und Gaudets „The People’s Choice“, deutsch: „Wahlen und Wähler“, veröffentlicht.
Als Resultat der gesellschaftlichen Medienwirkungsforschung formulierten die Forscher folgende Fakten. Der Rundfunk und die Printmedien üben nur einen sekundären Einfluss auf die Medienkonsumenten aus und bewirken kaum Meinungsänderungen (Abb.: 4). Persönlicher Einfluss, also eine Meinungsbildung durch soziale Kontakte, ist bei Personen mit später Meinungsbildung („Bandwagon-Effekt“), thematisch schwach Interessierten und Meinungswechslern überzufällig stark ausgeprägt ist. Der Bandwagon-Effekt beinhaltet eine Beeinflussung durch äußere Faktoren, durch Orientierung und Nachahmung von Mitbürgern. Die eigenen Interessen werden dem Gesamtklima angepasst. Dies trifft auf Wähler zu, die regelmäßig eine Bestätigung ihrer eigenen Meinung suchen. Die persönlichen Kontakte können zufällig oder zielgerichtet eintreten. In erstem Fall sind die Zusammentreffen eher zweckentfremdet, in Zweitem beabsichtigen sie eine Meinungsänderung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bezüglich des Einflusses interpersonaler Kommunikation wurden durch Erie-County-Studie Erkenntnisse gewonnen: Es existieren Meinungsführer, auch „Opinion Leader“ oder „Influentials“, die der Wahl eine hohe Beachtung geben. Sie verfügen über spezifische Eigenschaften, wie einer häufigeren Teilnahme an politisch-kommunikativen Auseinandersetzungen oder einer erhöhten Mediennutzung bezogen auf die gesamte Stichprobe. Lazarsfeld, Berelson und Gaudet behaupten, die „Opinion Leader“ seien nicht deckungsgleich mit der Prominenz beziehungsweise den führenden Autoritäten, sondern in allen Berufen verankert. Das heißt, die „Opinion Leader“ wirken sozioökonomisch horizontal, da in jeder Bevölkerungsschicht eigene Meinungsführer existent sind. Im Widerspruch dazu steht, dass die Beeinflusser im Schnitt aus besseren sozialen Verhältnissen stammen, über eine höhere Bildung verfügen, durchschnittlich älter und intellektueller sind, sowie ein besseres Ansehen besitzen. Aufgrund ihrer Untersuchungen teilen die Durchführenden der Studie den Meinungsführern einen transmissiven, filternden und einen persuasiven, überzeugenden Auftrag zu. Dementsprechend werden diese zum „‚Schleusenwärter’ (gatekeeper)“ (EURICH 1976, S. 21).[2] Interpretatorisch heißt dies, die Meinungsführer selektieren die Informationen vor und nur die, welche der eigenen Gesinnung entsprechen geben sie weiter.
[...]
[1] Die hier angeführte Reihenfolge der verdeutlichenden Studien richtet sich nach deren zeitlicher Veröffentlichung, nicht nach deren temporärer Durchführung.
[2] Weitere Details und Vergleiche von Meinungsführereigenschaften werden unter 3.1 angeführt.
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