Strategieentwicklung als mikropolitischer Prozess in der kommunalen Verwaltung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kennzeichen gesellschaftlicher Differenzierung

3. Politikwissenschaft und Organisationstheorie
3.1 Macht und Organisation

4. Zum Verhältnis von Strategie und Taktik in Organisationen
4.1. Grundmuster der Zukunftsbewältigung in Organisationen
4.1.1 Intuitive Entscheidungsfindung
4.1.2. Inkrementale / Evolutionäre Strategiefindung
4.1.3. Expertenorientierte Ansätze
4.1.4. Rekursive Strategiereflexion als gemeinschaftliche Führungsleistung

5. Rahmenbedingungen der kommunalen Verwaltung
5.1. Strategisches Entscheiden in der kommunalen Verwaltung

6. Zur Managementfunktion in der kommunalen Verwaltung
6.1. Personal als Machtfaktor
6.2. Macht als Wissen um soziale Steuerung im kommunikativem Veränderungsmanagement

7. Schlussbetrachtung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„In Zeiten, in denen sich ökonomische und politische Institutionen weiterentwickeln, in denen neuen Bedürfnissen begegnet wird, neue Möglichkeiten erkannt und realisiert werden müsse, erlangen auch jene Fertigkeiten, die der Auslösung und der Bewältigung von Veränderungsprozessen dienen, einen entsprechenden Stellenwert“ (Gattermeyer (2001): 7). Diese Feststellung kann auch für politische Organisationen, wie der kommunalen Verwaltung, in Anspruch genommen werden. Für diese wird es zunehmend wichtiger, dass sie sich an ihre veränderte Umwelt anzupassen kann. Es scheint jedoch, dass das Wissen, wie diese Anpassungsleistung erfolgreich realisiert werden kann, verloren gegangen ist. Zunächst soll die, für Organisationen relevante, Umwelt in den Blick dieser Untersuchung geraten. Dazu wird im zweiten Kapitel der gesellschaftliche Differenzierungsprozesses, der als Vorgabe von gesamtgesellschaftlichen Trends den erfolgkritischen Rahmen für die nachfolgende organisationstheoretische Betrachtung der kommunalen Verwaltung bilden soll, dargestellt. In Kapitel drei wird das Verhältnis von Politikwissenschaft und Organisationstheorie sowie von Macht und Organisation bestimmt werden. Im vierten Kapitel erfolgt eine Untersuchung des Verhältnisses der Begriffe Strategie und Taktik, wenn diese auf Organisationen bezogen werden. Im Anschluss daran werden in Kapitel vier allgemeine und aus der Praxis von Organisationen stammende Muster strategischer Entscheidungsfindung vorgestellt. Im fünften Kapitel sollen die konkreten Rahmenbedingungen der kommunalen Verwaltung dargestellt werden, um im Anschluss daran auf die Bedingungen strategischen Entscheidens innerhalb der kommunalen Verwaltung einzugehen. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit den Funktionen des kommunalen Managements in Modernisierungsprozessen sowie mit dem Phänomen der Macht als Wissen darum, wie Veränderungsprozesse in der kommunalen Verwaltung erfolgreich realisiert werden können.

2. Kennzeichen gesellschaftlicher Differenzierung

Da die Umwelt von Organisationen eine erfolgskritische Rahmenbedingung für die Organisationsentwicklung darstellt, soll an dieser Stelle zuerst die differenzierungstheoretische Perspektive vorgestellt werden. Diese bildet, nach Schimank (1996), zweifellos die Hauptströmung innerhalb der modernen Soziologie. Jedoch hat diese Form der gesellschaftlichen Analyse keinen theoretischen Mittelpunkt. Der Fokus dieser wissenschaftlichen Betrachtungsweise hat sich innerhalb dieser Strömung wissenschaftlicher Gesellschaftsanalyse von den Klassikern, wie Marx und Weber, bis zu den modernen differenzierungstheoretischen Theorien von Talcott Parsons und Niklas Luhmann mehrfach verschoben. Dennoch bietet sie, nach Schimank, in analytischer, integrativer und komparativer Hinsicht ein erhebliches realitätserschließendes Potential, wenn es um die Beschreibung der Charakteristika moderner Gesellschaften, geht (vgl. Schimank (1996): 277f.). Im Folgenden sollen vier allgemeine Merkmale vorgestellt werden, welche den gesellschaftstheoretischen Hintergrund für die folgende Untersuchung bilden. Das erste Charakteristikum ist die, für diese Perspektive konstitutive, These Gesellschaft als funktional differenziert zu beschreiben. Gesellschaft besteht demnach aus ungleichartigen Teilsystemen, wie Wirtschaft und Politik, welche allerdings gleichrangig nebeneinander existieren. Dabei hat jedes Teilsystem im Zuge seiner Entwicklung einen je eigenen Sinnhorizont und damit ein spezifisches Orientierungsmuster herausgebildet (vgl. Schimank (1996): 274). Zweitens ist nach Schimank festzustellen, dass moderne Gesellschaften Wachstumsgesellschaften sind. Obwohl die einzelnen Teilsysteme nicht zwangsläufig synchron wachsen, lässt sich doch feststellen, dass sie sich in drei Perspektiven enorm entwickelt haben. So ist eine wachsende Mobilisierung von Finanzen und Personal zu beobachten, während gleichzeitig die Menge der erzeugten Leistungen, welche gleichzeitig einem größeren Adressatenkreis zu Verfügung gestellt werden können, zunimmt. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend des Wachstums und der damit einhergehenden weiteren Ausdifferenzierung der Teilsysteme sowie deren organisationale Einheiten, auch in Zukunft die Entwicklung moderner Gesellschaften bestimmt (vgl. Schimank (1996): 274). Drittens sind moderne Gesellschaften, wenigstens vom Anspruch ihrer Akteure her gesehen, gesteuerte Gesellschaften. Die Idee der Steuerung, welche sich häufig in Maßnahmen politischer Gesellschaftsteuerung realisiert, hat den Anspruch gestalterisch auf den Aufbau, die Entwicklung oder die Veränderung schon bestehender gesellschaftlicher Strukturen einwirken zu wollen (vgl. Schimank (1996): 274). Viertens können moderne Gesellschaften als Organisationsgesellschaften bezeichnet werden, denn „Organisationen sind in fast allen gesellschaftlichen Teilsystemen nicht nur zu faktisch unverzichtbaren und unübergehbahren Komponenten geworden“ (Schimank (1996): 274). Wird der Steuerungsanspruch auch auf die organisationalen Teileinheiten von Gesellschaft erweitert und auf die oben genannten Wachstumsbedingungen ausgeweitet, stellt sich die Frage, wie eine wirksame Steuerung von Organisationen realisiert werden kann und welchen Einfluss die organisationale Umwelt auf die Organisation hat. Doch zuerst soll gefragt werden, welchen Beitrag die Politikwissenschaft zur Organisationsforschung liefern kann.

3. Politikwissenschaft und Organisationstheorie

Wie schon aufgezeigt wurde, ist es sinnvoll, moderne Gesellschaften als Organisationsgesellschaften zu beschreiben (vgl. auch Lange (2001): 121). Der Begriff der Organisation wird erst im Zuge der industriellen Revolution auf, von Menschen geschaffene Institutionen der Gesellschaft, wie etwa die öffentliche Verwaltung, Parteien oder Verbände angewendet (vgl. Bogumil (2001): 22). Durch die immer weiter fortschreitende Differenzierung von Politik und Organisation ist die wissenschaftliche Betrachtung und Reflexion dieser zwei Phänomene jedoch getrennt worden (vgl. Bogumil (2001): 22). Während die Klassiker der Soziologie, wie Marx und Weber, gleichzeitig Organisations- und Politikwissenschaft betrieben haben, ist die aktuelle politikwissenschaftliche Verbände- und Parteienforschung, neben der Organisationssoziologie, noch weit vom „state of the art“ der modernen Organisationsforschung entfernt (vgl. Bogumil (2001): 23). Dagegen nimmt die Beschäftigung mit organisationsinternen Vorgängen in anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie Betriebwirtschaft und Psychologie, einen hohen Stellenwert ein, während die moderne Politikwissenschaft diesen wichtigen Aspekt vernachlässigt (vgl. Bogumil (2001): 23). Ausgehend von der oben dargestellten Beschreibung von Gesellschaft als einer differenzierten Organisationsgesellschaft ist es daher konsequent, wenn Organisationen und ihre organisationsinternen Prozesse in den Mittelpunkt dieser politikwissenschaftlichen Analyse gestellt werden. Organisationen erscheinen in dieser Perspektive als soziale Systeme, die im Unterschied zu ganzen Teilsystemen von Gesellschaften, wie etwa Wirtschaft oder Politik, eine besondere Qualität besitzen. Diese lässt sich dahingehend beschreiben, dass „[...] Kommunikation in Organisationen die Form der Entscheidung besitzen“ (vgl. Lange 2001:121). In Organisationen muss laufend entschieden werden, um sich an die veränderte Umwelt anzupassen. Entscheidungsprozesse scheinen aus dieser Perspektive als mikropolitischer Prozess und wo immer entschieden wird, geht es um Macht. Luhmanns Annahme folgend, dass es Sinn macht, innerhalb des gesellschaftlichen Teilbereiches Politik eine weitere Differenzierung in Politik, Verwaltung und Publikum vorzunehmen, lässt sich die Organisationsform der Partei mit dem Bereich der Politik verknüpfen, während Verbände und neue soziale Bewegungen diesem Schema folgend im Publikum angesiedelt werden können. Dagegen ist die öffentliche Verwaltung in der mittleren Position zwischen Politik und Publikum zu verorten (vgl. Luhmann (2000): 253 u. 266). Wird die moderne Verwaltung als Organisation begriffen, ist auch sie von den im Kapitel 2 dargestellten Rahmenbedingungen betroffen.

3.1 Macht und Organisation

Die Auseinandersetzung der politischen Wissenschaft mit dem Begriff „Macht“ hat eine lange Tradition. Jedoch zeigt sich sein höchst ambivalenter Charakter erst bei dem Versuch einer genaueren Bestimmung. Einerseits gilt er als ein Grundbegriff in der Politikwissenschaft, hier insbesondere in der politischen Theorie, andererseits entzieht er sich einer genaueren Konkretisierung, da er nicht nur kontrovers bewertet, sondern aus jeweils höchst unterschiedlichen analytischen Perspektiven entwickelt wird (vgl. hierzu und im folgenden Weiß (2002): 486 und Beyme (2000): 194). Der Begriff der Macht beinhaltet allgemein und unabhängig von ihren Quellen oder ihrer Legitimation die Möglichkeit, dass Personen oder Gruppen auf andere Personen oder Gruppen Einfluss nehmen können (vgl. Reber (1980): 125). Diese allgemeine Definition von Macht eröffnet damit die Perspektive auf den „beziehungsmäßigen Charakter von Macht“ (Reber (1980): 125). Konkret lassen sich nach Weiß zwei Typen zur analytischen Erfassung des Machtbegriffes unterscheiden. Der erste Typ, zu finden bei Thomas Hobbes und Max Weber, erschließt den Machtbegriff aus der handlungstheoretischen Perspektive. Macht wird innerhalb dieses Schemas rein instrumentell und als eine praktisch-technische Wirkungsmöglichkeit, als Kraft oder Ursache verstanden, welche zwischen einzelnen Individuen, Gruppen oder auch ganzen Nationen gegeben sein kann. Ein weiteres Kennzeichen dieses Machtschemas ist, nach Weiß, die explizit unterstellte Asymmetrie zwischen Machthabern und Machtunterworfenen. Dieser Machtbegriff wird allerdings aufgrund seiner Eindimensionalität zunehmend kritisch beurteilt (vgl. Luhmann (2002): 26f.; Janning (1998): 35; Mintzberg (1983): 11). Niklas Luhmann entwickelt, in Anlehnung an die Arbeiten von Talcott Parsons, einen relational-funktionalen Begriff von Macht. Luhmann lehnt den von Weber entwickelten Machtbegriff wegen seiner Referenz auf Kausalität oder bestimmte Absichten des Machthabers ab (vgl. Luhmann (2002): 26). Macht wird bei Luhmann als Kommunikationsmedium verstanden. Die Funktion von Macht wird innerhalb dieses Konzeptes am besten durch die Metapher des Katalysators beschrieben, welcher durch Beschleunigung oder Verlangsamung von Kommunikationsprozessen einen Zeitgewinn bereitstellt. Politische Macht ist deshalb attraktiv, weil „sie in der Lage ist mit Risiken umzugehen“ (Luhmann (2002): 443). Im Bereich der politischen Kommunikation, die dadurch gekennzeichnet ist, kollektive Entscheidungen zu treffen und deren Konsenschancen abzuwägen, verwandelt Macht Zukunftsunsicherheit in Konsens- und Durchsetzungsprobleme (vgl. Luhmann (2002): 443). „In dem Maße als die durch Gegenwart „unterbrochene“ Beziehung zwischen Vergangenheit und Zukunft Entscheidungen erfordert, ist auch Politik mit ihrer Funktion, die Möglichkeit kollektiv bindenden Entscheidens sicherzustellen, stärker gefragt“ (Luhmann (2002): 432). Politik und damit Machtverhältnisse, werden dann zum Problem, wenn es zu Verzögerungen kommt, welche durch zu langes Festhalten an Unsicherheitsabsorptionsgewinnen innerhalb von Organisationen der Politik (Parteiprogramme) oder der Verwaltung (Hierarchie) verursacht werden (Luhmann (2002): 432). In Anlehnung an Bogumil (2001) soll in dieser Arbeit der Versuch unternommen werden, die mikropolitische Perspektive zu nutzen, um Macht und strategische Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse innerhalb von Organisationen, wie der kommunalen Verwaltung näher zu beleuchten. Allerdings soll die schon erwähnte Eindimensionalität dadurch vermieden werden, dass Macht nicht nur als Definitionsmacht, wie etwa bei Bogumil (2001), sondern als Wissen verstanden wird, wie kommunikative Prozesse durch strategische Entscheidungsfindungsprozesse gesteuert werden können. Zunächst sollen allgemeine Grundmuster der strategischen Entscheidungsfindung innerhalb von Organisationen in den Fokus dieser Arbeit gestellt werden, um die Bedeutung strategischen Entscheidens für die Organisation und deren Zukunft sichtbar zu machen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Strategieentwicklung als mikropolitischer Prozess in der kommunalen Verwaltung
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die politische Strategie und Taktik
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V87198
ISBN (eBook)
9783638014021
ISBN (Buch)
9783638917230
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mit ihrer Hausarbeit liefern sie einen grundlegenden Einblick in die Organisationsstrukturen und Entscheidungsmechanismen der kommunalen Verwaltung. Dabei stellen sie in einer ersten Analyse verschiedene theoretische Ansätze gegenüber, um dann auf spezifische Besonderheiten der Kommunalverwaltung und auf das Konzept des "New Public Management" einzugehen.
Schlagworte
Strategieentwicklung, Prozess, Verwaltung, Einführung, Taktik, Strategie, Mikropolitik, Umsetzung, Unternehmensberatung
Arbeit zitieren
Andreas Gotthelf (Autor:in), 2003, Strategieentwicklung als mikropolitischer Prozess in der kommunalen Verwaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87198

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