Politische Talkshows

Bühne frei für moderne Politikvermittlung oder Politikerinszenierung?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. FRAGESTELLUNG

2. POLITISCHE TALKSHOWS
2.1 Die Entwicklung der politischen Talkshow
2.2 Merkmale einer politischen Talkshow
2.3 Mediale Inszenierung von Gesprächen
2.4 „Stammtischrunde“ für den Zuschauer?

3. POLITIKVERMITTLUNG ÜBER DIE MEDIEN
3.1 Vermittlerrolle der Medien in der Politik
3.2 Fernsehen als Quelle politischer Information
3.3 Veränderung der Politikvermittlung

4. POLITIKERINSZENIERUNG
4.1 Regeln beim Auftritt
4.2 Personalisierung und Privatisierung
4.3 Visualisierungsmöglichkeiten des Fernsehens
4.4 Parasoziale Beziehung zum Zuschauer

5. FAZIT

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. FRAGESTELLUNG

„Entreview“, das bedeutet so viel wie „verabredete Zusammenkunft“. In diesem französischen Wort liegt der Ursprung dessen, was heute als Interview bezeichnet wird. Es gibt nicht das Interview und so lassen sich verschiedene Definitionen finden. Einstimmigkeit besteht darin, dass ein Interview ein gerichteter Dialog ist, ein Ziel verfolgt und für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Solch ein Dialog kann unterschiedliche Formen, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen annehmen.

Eine ganz spezielle Interviewsituation ergibt sich bei einer Fernseh-Talkshow. Ein Moderator unterhält sich mit mehreren eingeladenen Gästen; die Themen können zum Gast, zentriert auf eine Sache oder eine Verknüpfung von Beidem sein. In jedem Fall aber ist es ein für das Publikum mediengerecht inszeniertes Gespräch, das mehr transportieren kann als den Inhalt bzw. die Information des Dialogs.

Diese Arbeit beschränkt sich auf das Format politischer Talkshows. Es liegt die Frage zugrunde, wie weit eine politische Talkshow politische Inhalte vermittelt, also die Gesprächssituation des Interviews im Mittelpunkt steht oder ob sie Politikern zu einer Darstellungsplattform verhilft, auf der sie sich selbst inszenieren und verkaufen können, um die Öffentlichkeit der Zuschauer für ihre Gunst zu gewinnen.

Dafür wird die Verfasserin im 2. Kapitel das Wesen politischer Talkshows betrachten. Wie hat sich dieses Format entwickelt und herausgebildet, was sind die Merkmale und wie wird ein Gespräch im Fernsehen inszeniert? Das Kapitel endet mit einer Betrachtung, wie der Zuschauer politische Talkshows wahrnimmt.

Im folgenden Kapitel 3 widmet sich die Arbeit dem Aspekt der Politikvermittlung durch die Medien. Die Vermittlerrolle zur Weitergabe von politischen Informationen wird hier herausgearbeitet sowie speziell die Stellung des Fernsehens als Quelle der Information. Am Ende des Kapitels zeigt die Verfasserin die Veränderung der Politikvermittlung vor dem Hintergrund des sozialen und medialen Wandels auf.

Kapitel 4 untersucht die Inszenierung(-smöglichkeiten) der geladenen Politiker. Welchen Regeln folgt ein Auftritt, wie weit spielen die Gäste mit Privatisierung und Personalisierung rund um die politische Information, welche medienspezifischen Visualisierungsmöglichkeiten z.B. durch Kameradramaturgie gibt es? Dieses Kapitel schließt mit einem Blick auf die Rezipienten: Welche parasozialen Beziehungen können Politiker herstellen, was bewirken sie emotional bei den Zuschauern?

Das Fazit am Ende fasst alle Ergebnisse der Arbeit zusammen und sucht eine Antwort zu finden auf die Frage, welches Ziel das „Entreview“ in politischen Talkshows verfolgt: „Bühne frei für moderne Politikvermittlung oder Politikerinszenierung?“

2. POLITISCHE TALKSHOWS

2.1 Die Entwicklung der politischen Talkshow

Die Geschichte politischer Fernsehdiskussionen in Deutschland beginnt Anfang der 50er Jahre. 1953 bis 1987 moderierte Werner Höfer sonntäglich den „Internationalen Frühschoppen“, zu dem 5 Journalisten verschiedener Länder geladen waren. Als das ZDF 1963 auf Sendung ging, setzte es bis 1991 die Sendung „Journalisten fragen – Politiker antworten“ der ARD entgegen, die bis dahin durch ihre Monopolstellung eine tragende Rolle im politischen Meinungsbildungsprozess einnahm. In der monatlich ausgestrahlten ZDF-Gesprächsrunde trafen prominente Politiker auf 2 fragende Journalisten. 1971 konnten in der Sendung „Jetzt red i“ des Bayrischen Rundfunks (BR) auch Bürger in eine Frageposition treten, wodurch das Format mitunter als früher Vorreiter heutiger politischer Talkshows gilt, da es wesentliche Merkmale, wie sie eine politische Talkshow heute auszeichnet, enthält (à siehe Kapitel 2.1. Merkmale einer politischen Talkshow).

Nachdem der Markt 1984 auch für private Rundfunkanbieter geöffnet wurde, entwickelte sich in den 90er Jahren wieder eine große Nachfrage nach Talkshows. So differenzierte sich neben neuen Formaten wie Bekenntnis- oder Late-Night-Talkshows, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, auch das politische Fernsehgespräch weiter aus.[1] Insgesamt lassen sich drei Grundtypen von Gesprächssendungen unterscheiden:

- politische Diskussions- und Interviewsendungen (z.B. „Was nun…?“, (ZDF oder „Vorsicht! Friedman“ (ARD))
- politische Talkshows (z.B. „Sabine Christiansen“ (ARD) oder „Berlin Mitte“ (ZDF))
- nicht politische Talk- und Unterhaltungsshows (z.B. „Beckmann“ (ARD) oder „Johannes B. Kerner“ (ZDF))[2]

Durch die starke Konkurrenz der an Unterhaltung orientierten Informations- und Politikvermittlung auf den privaten Kanälen haben auch die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Formate und Themenstrukturen an das Zuschauerinteresse anpassen müssen. Sie suchen einen Mittelweg zwischen ihrem Auftrag, dem Bürger eine Grundversorgung an Information zu liefern und seinem Wunsch nach unterhaltenden Elementen im Fernsehen nachzukommen.[3]

2.2 Merkmale einer politischen Talkshow

Das Format der politischen Talkshows ist gekennzeichnet durch

- Vermischung sachlich-rationaler und emotional-unterhaltsamer Elemente

d.h. die Gespräche sollen nicht nur informieren, sondern dem Zuschauer auch das Bedürfnis nach Unterhaltung befriedigen. Die Gespräche drehen sich um aktuelle politische und gesellschaftliche Themen.

- eine heterogene Teilnehmerstruktur

d.h. die geladenen Gäste kommen aus verschiedenen Bereichen. So treffen nicht nur Journalisten und Politiker aufeinander; die Gesprächsrunde beinhaltet auch prominente Teilnehmer und Durchschnittsbürger.

- periodische Ausstrahlung

d.h. die Live-Ausstrahlung von einem bestimmten Ort findet in regelmäßigen Abständen statt. Meist wird die Sendung wöchentlich produziert.

- Anwesenheit eines Studiopublikums

d.h. im Studio befindet sich ein kleines Publikum, das jedoch meist nicht in

die Gesprächsrunde einbezogen wird, sondern eine passive zuhörende Funktion innehat.

- Schlüsselposition des Moderators

d.h. im Zentrum der Show steht der Moderator, dem eine Doppelfunktion als Gastgeber und Interviewer zukommt. Er hat den Gesprächsverlauf zu steuern und erteilt als Interviewer den Gästen das Rederecht. Im Interesse des Zuschauers muss er die relevanten Themen ansprechen. Dabei nimmt er die Funktion eines objektiven Vermittlers ein.[4]

Eine Untersuchung der politischen Talkshows „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“ ergab, dass das Gespräch den Verlauf der Sendungen dominiert, so dass sie den Namen Talk show zu Recht beanspruchen. „Sabine Christiansen“ fällt durch eine hohe Anzahl an Diskurssequenzen auf; im Schnitt werden 21 thematische Sinneinheiten ausgemacht. Die Themen beschränken sich auf Deutschland und stellen Staat, Parteien und Politiker in den Mittelpunkt; finanz-, wirtschaft- und sozialpolitische Themen spielen eine untergeordnete Rolle. Jedoch entspringen bei „Sabine Christiansen“ auch ¼ aller Themen unpolitischer Anlässe. Der Bezeichnung „politische Talkshow“ werden beide aber gerecht.[5]

2.3 Mediale Inszenierung von Gesprächen

Talkshows richten sich an die Öffentlichkeit und sind somit immer Diskurse, die für das Fernsehpublikum inszeniert werden. Es geht, wie schon erwähnt, nicht nur um die Klärung einer Kontroverse, sondern auch um die Unterhaltung der Zuschauer. Politische Talkshows schaffen im Idealfall Beides.[6]

Inszenierung meint die „Herstellung von Kommunikationssituationen im Hinblick auf ein spezifisches Medium“.[7] Das Gespräch muss so inszeniert werden, dass es den Regeln des Fernsehens und den Zuschauererwartungen Rechnung trägt; so wird es zu einer Talkshow. Angefangen dabei, dass schon jedes Sprechen in die Kamera oder jede Auswahl eines Bildausschnittes eine Inszenierung ist, vollzieht sie sich weiter in der Zielsetzung: Soll der Zuschauer jetzt unterhalten oder informiert werden, soll er innerlich zum ‚Einspruch erheben’ bewogen werden? Zudem hat jedes Talk-Show-Format seine eigenen Merkmale. Es ergibt sich, dass Gespräche im Fernsehen nicht vergleichbar sind mit Alltagsgesprächen. Sie sind ein Forum, das spezifische Themen in spezifischen Formen zugänglich macht und dabei spezifische Akteure präsentiert.[8] Und nicht zu vergessen: ohne Zuschauer gäbe es gar keinen politischen Fernseh-Talk.[9]

Wie die Zuschauer die Inszenierung der politischen Talks empfinden, wird im nächsten Kapitel erörtert.

2.4 „Stammtischrunde“ für den Zuschauer?

Politische Talkshows befriedigen unterschiedliche Zuschauerbedürfnisse, wie Informationssuche, Unterhaltung, parasoziale Interaktion (à worauf die Verfasserin noch genauer zu sprechen kommt in Kapitel 4.4. Parasoziale Beziehung zum Zuschauer). Politische Entscheidungsprozesse werden durch die Gäste vermenschlicht. Zudem empfinden die Zuschauer die Talkrunde als eine Anknüpfung an Alltagsgespräche. In wiederkehrenden Abständen treffen sich bekannte Gesichter (Moderatoren, berühmte Politiker…) mit unbekannten Gesprächsteilnehmern und diskutieren und streiten über aktuelle politische Themen. So wird die Talkshow für den Zuschauer zu einer Art „Stammtischrunde“. Ein weiterer Punkt, der das Zuschauerinteresse begründet ist, dass diese organisierte Öffentlichkeit als gesellschaftliche Diskussion erlebt wird;[10] und es herrscht der Glaube, dass demokratische Entscheidungen immer aus Diskussionen hervorgehen.[11]

Hinzu kommt das Bedürfnis, mehr über bestimmte Personen des öffentlichen Lebens zu erfahren oder über aktuelle Themen aus „erster Hand“ von Experten informiert zu werden sowie der Kitzel, bei einer Live-Sendung Überraschungen, vielleicht auch unerwartete Streitgespräche, beobachten zu können.[12]

Politische Talkshows zeigen bei den Zuschauererwartungen eine deutliche Verschiebung in Richtung Unterhaltung: Abwechslung, Unbeschwertheit, Interessantheit und Eingängigkeit sind die damit verbundenen Bedürfnisse. So ist auch nicht allein Gesprächskompetenz ein wichtiges Kriterium, sondern genauso Sach- und Sozialkompetenz. Untersuchungen haben aber auch ergeben, dass ein künstlich konstruiertes mediales Gespräch (z.B. „Der heiße Stuhl“) auf Ablehnung stößt.[13]

[...]


[1] TENSCHER, Jens: „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“. Eine Fallanalyse politischer Fernsehtalkshows. Landau, Universität, 1998 (eingereicht bei der Fachzeitschrift Publizistik 15. November 1998) / In: Landauer Arbeitspapiere und Preprints, Heft Nr. 3/98. S. 4-5. [im Folgenden zitiert als TENSCHER, Jens: „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“.]

[2] TENSCHER, Jens: Talkshowisierung als Element moderner Politikvermittlung. In: TENSCHER, Jens / SCHICHA, Christian (Hrsg.): Talk auf allen Kanälen. Angebote, Akteure und Nutzer von Fernsehgesprächssendungen. Wiesbaden : Westdeutscher Verlag, 2002. S. 62-63. [im Folgenden zitiert als TENSCHER, Jens: Talkshowisierung. ]

[3] KUSEBAUCH, Claudia: Die politische Talkshow in Deutschland. Eine exemplarische Analyse der Talkshows Sabine Christiansen, Berlin Mitte und Talk in Berlin nach dem 11. September 2001. Halle-Wittenberg, Martin-Luther-Universität, 2003 / In: Studentenwerkstatt I: Fernsehanalysen (2003), S. 3-4. [im Folgenden zitiert als KUSEBAUCH, Claudia: Die politische Talkshow. ]

[4] TENSCHER, Jens: „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“. S. 2-3, 18-19.

[5] ebd. S. 16-20.

[6] ebd. S. 15.

[7] KROTZ, Friedrich: „Unterhaltung, die der Unterhaltung dient?“ In: TENSCHER, Jens / SCHICHA, Christian (Hrsg.): Talk auf allen Kanälen. Angebote, Akteure und Nutzer von Fernsehgesprächssendungen. Wiesbaden : Westdeutscher Verlag, 2002. S. 43. [im Folgenden zitiert als KROTZ, Friedrich: Unterhaltung.]

[8] KROTZ, Friedrich: Unterhaltung. S. 43-48.

[9] TENSCHER, Jens: „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“. S. 21.

[10] KROTZ, Friedrich: Unterhaltung. S. 47.

[11] TENSCHER, Jens: „Sabine Christiansen“ und „Talk im Turm“. S. 21.

[12] Steinbrecher, Michael / Weiske, Martin: Die Talkshow. 20 Jahre zwischen Klatsch und News. Tips und Hintergründe. Reihe Praktischer Journalismus, Bd. 19. Trento : Legoprint, 1992. S. 87. [im Folgenden zitiert als STEINBRECHER / WEISKE: Die Talkshow.]

[13] DIEKMANNSHENKE, Hajo: Unterhaltung contra Information? In: TENSCHER, Jens / SCHICHA, Christian (Hrsg.): Talk auf allen Kanälen. Angebote, Akteure und Nutzer von Fernsehgesprächssendungen. Wiesbaden : Westdeutscher Verlag, 2002. S. 390-391, 395. [im Folgenden zitiert als DIEKMANNSHENKE, Hajo: Unterhaltung contra Information ?]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Politische Talkshows
Untertitel
Bühne frei für moderne Politikvermittlung oder Politikerinszenierung?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar Das Interview im Journalismus und in den Sozialwissenschaften
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V87205
ISBN (eBook)
9783638014762
ISBN (Buch)
9783638918527
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politische, Talkshows, Hauptseminar, Interview, Journalismus, Sozialwissenschaften
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Silvia Stillert (Autor:in), 2007, Politische Talkshows, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87205

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