Zur Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen Hochschuldiplomen


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Ausgangslage

II. Sachverhalt

III. Würdigung durch den Europäischen Gerichtshof

IV. Erweiterung der gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen

Zur Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen Hochschuldiplomen

Die Fünfte Kammer des Europäischen Gerichtshofes hat mit Entscheidung 29. April 2004 in der Rechtssache C-102/02, dem Verfahren Ingeborg Beuttenmüller (veröffentlicht unter http://www.curia.eu.int/jurisp) aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichts Stuttgart ein weiteres Urteil aus dem schwierigen Komplex der Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen Hochschuldiplomen erlassen.

I. Ausgangslage

Das der Entscheidung zugrunde liegende Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Stuttgart betrifft die Auslegung der Richtlinien 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, sowie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG. Im Einzelnen geht es um die Frage der Anerkennung der Gleichwertigkeit der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens, einer österreichischen Staatsangehörigen, in Österreich abgelegten Lehramtsprüfung für Volksschullehrer und der Laufbahnbefähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen des Landes Baden-Württemberg. Die allgemeine, in diesem Verfahren anzuwendende EU-rechtliche Bestimmung ist Artikel 39 Absatz 2 EG-Vertrag, wonach die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen umfasst. Zur Umsetzung dieser Bestimmung sieht die zitierte Richtlinie 89/48/EWG in der dritten Begründungserwägung vor, dass durch diese eine Methode zur Anerkennung der Diplome eingeführt werden soll, die den europäischen Bürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten erleichtern soll, die in einem Aufnahmemitgliedstaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluss an einen Sekundarabschnitt abhängig sind, sofern sie solche Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, die einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und die in einem anderem Mitgliedstaat ausgestellt worden sind. Allerdings geht aus der fünften Begründungserwägung hervor, dass den Mitgliedstaaten bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Gemeinschaft kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, die Möglichkeit behalten, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Sie können jedoch nicht, ohne sich über ihre Verpflichtungen nach Artikel 5 des EG-Vertrages hinwegzusetzen, einem Angehörigen eines Mitgliedstaats vorschreiben, dass er Qualifikationen erwirbt, die sie in der Regel im Wege der schlichten Bezugnahme auf die im Rahmen ihres innerstaatlichen Bildungssystems ausgestellten Diplome bestimmen, wenn der Betreffende diese Qualifikationen bereits ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Deshalb hat nach der Begründungserwägung jeder Aufnahmemitgliedstaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen.

Im Einzelnen widmen sich die Artikel 3, 4 und 8 Absatz 1 der Richtlinie 89/48/EWG den Anforderungen an die Anerkennung eines Abschlusses als gleichwertig. Die Richtlinie 92/51/EWG führt eine zusätzliche Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise ein und deckt die Ausbildungsniveaus ab, die durch die von der Richtlinie 89/48/EWG geschaffenen ursprünglichen allgemeinen Regelung, deren Anwendung auf Ausbildungsgänge von höherem Niveau beschränkt ist, nicht erfasst werden. Da in der Bundesrepublik Deutschland die Regelung der Lehrerausbildung und -laufbahn, die für den vorliegenden Streitfall von Bedeutung ist, im Wesentlichen in die Zuständigkeit der Länder fällt, wird der somit vorgegebene gemeinschaftsrechtliche Rahmen durch das Landesrecht, hier des Landes Baden-Württemberg, ergänzt. Die Vorschriften über die Anerkennung der Qualifikationen für den Lehrerberuf finden sich in der Verordnung des Kultusministeriums zur Umsetzung der Richtlinien 89/48/EWG für Lehrerberufe vom 15. August 1996 (GBl. Seite 564, im Folgenden: EU-EWR-LehrerVO). Diese Verordnung wurde auf der Grundlage des § 28 a Absatz 1 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung vom 19. März 1996 (GBl. Seite 286, im Folgenden: LBG) erlassen.

II. Sachverhalt

Die im Jahr 1958 geborene Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte an der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien in Österreich ein viersemestriges Studium mit den Schwerpunkten fremdsprachliche Vorschulung und bildnerische Erziehung absolviert. Am 06. Juni 1978 bestand sie die Lehramtsprüfung für Volksschulen. In Österreich war sie von 1978 bis 1988 als Vorschullehrerin tätig. Seit dem 01. Februar 1981 war sie in einem als Maßnahme des Mutterschutzes gewährten so genannten Karenzurlaub. Seit 1991 übt sie die Tätigkeit einer Lehrkraft im Land Baden-Württemberg aus. Sie war zunächst an einer Fördereinrichtung in kirchlicher Trägerschaft für jugendliche Aussiedler tätig. Seit dem 06. Dezember 1993 wird sie vom Land Baden-Württemberg beschäftigt und übt die Tätigkeit einer Lehrerin in dessen öffentlichen Schulen aus. Sie war gemäß den Richtlinien des Finanzministeriums Baden-Württemberg über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte des Landes bis zum 30. Juni 1996 in die Vergütungsgruppe Vb des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) eingruppiert. Mit Wirkung von diesem Zeitpunkt wurde sie in die Vergütungsgruppe IVb BAT höhergruppiert. Mit Schreiben vom 16. März 1998 stellte sie beim Oberschulamt Stuttgart einen Antrag auf Gleichstellung ihrer in Österreich abgelegten Lehramtsprüfung für Volksschullehrer mit einer in Baden-Württemberg abgelegten Lehramtsprüfung sowie auf eine Höhergruppierung nach der Vergütungsgruppe III des BAT. Das Oberschulamt Stuttgart wies diesen Antrag mit am 26. August 1999 zugestellten Bescheid ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Klägerin am 20. Dezember 2000 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage, die im Wesentlichen auf Herstellung der Gleichstellung für die in Österreich nach zweijähriger Ausbildung erworbene Lehrbefähigung mit der Befähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in Baden-Württemberg gerichtet war. Das vorlegende Verwaltungsgericht Stuttgart ist der Auffassung, die Ablehnung des Antrages der Klägerin stehe im Einklang mit dem innerstaatlichen Vorschriften. Die Klägerin erfülle nämlich das nach der EU-EWR-LehrerVO unabdingbare Erfordernis, eine mindestens dreijährige Ausbildung zu besitzen, nicht. Es könne sogar dahingestellt bleiben, ob die Pädagogische Akademie der Erzdiözese in Wien als Hochschule oder doch als Ausbildungsstätte mit gleichwertigem Niveau im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 89/48/EWG angesehen werden könne. Danach gelten als Diplome alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Prüfungsnachweise insgesamt, aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und ggf. die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, wenn die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde oder wenn dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis eines Drittlandes anerkannt hat.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält jedoch für möglich, dass ein Anspruch auf Anerkennung bzw. Gleichstellung der von der Klägerin in Österreich erworbenen Qualifikation unmittelbar auf die Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG gestützt werden könnte. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Richtlinie 92/51/EWG bis zum Tag der Verkündigung des Vorlagebeschlusses in der innerstaatlichen Rechtsordnung nicht umgesetzt worden sei. Infolgedessen ergeben sich für das Verwaltungsgericht Stuttgart Auslegungsfragen, die die Aussetzung des Verfahrens bewirkten, wobei dem Europäischen Gerichtshof sechs Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden.

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Details

Titel
Zur Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen Hochschuldiplomen
Hochschule
Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Sozialversicherung Berlin  (Fachbereich Sozialversicherung)
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V87325
ISBN (eBook)
9783638908467
ISBN (Buch)
9783638908498
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anerkennung, EU-Ausland, Hochschuldiplomen
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Jürgen Beschorner (Autor:in), 2008, Zur Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen Hochschuldiplomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87325

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