„Der Historiker, der mittelalterliche Geschichte darstellt, will er seinen Zeitgenossen verständlich sein, muß mittelalterliche Geschichte mit Begriffen darstellen, die der neueren Zeit entnommen sind.
Mittelalterliche Texte als Quellen für historische Darstellungen zu nutzen, birgt die Versuchung in sich, die für historische Darstellungen erforderlichen Begriffe schon in mittelalterlichen Texten vorzufinden. Die Erforschung der Gelnhäuser Urkunde und ihres Berichtes über den Prozeß gegen Heinrich den Löwen bietet Beispiele für die Wirksamkeit dieser Versuchung. Land- und Lehnrecht sind Begriffe, die Jahrzehnte und Jahrhunderte nach der Gelnhäuser Urkunde die Gestalt annahmen, die denen sie der Geschichtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts vertraut wurden.“
Der Historiker Gerhard Theuerkauf schrieb diese Sätze am Ende seines Aufsatzes über Heinrich den Löwen. Eine grundlegende Problematik benennt er dabei explizit:
In der Forschungsliteratur werden seit Jahrzehnten die Begriffe Landrecht und Lehnrecht verwendet, um ein ganz spezielles Ereignis, nämlich die Absprechung des herzoglichen Grundbesitzes Heinrichs des Löwen und deren Übertragung an den Erzbischof von Köln, zu beschreiben.
Die verwendeten Rechtsbegriffe kamen allerdings zur damaligen Zeit, Ende des 12. Jahrhunderts, nicht in der Art und Weise im Sprachgebrauch vor, wie sie die Historiker in ihren Aufsätzen verwenden. Die Problematik wird außerdem dadurch verschärft, dass die Begriffe zum Teil nicht synonym gebraucht werden und ihre Inhaltsseite, nämlich was es bedeutet nach Landrecht bzw. nach Lehnrecht angeklagt zu werden, nicht eindeutig geklärt ist.
Die nachfolgende Untersuchung soll versuchen aufzuzeigen, was die einzelnen Autoren unter Landrecht bzw. unter Lehnrecht verstehen, welche Argumente sie für die Aufteilung des Verfahrens gegen Heinrich den Löwen in zwei Prozesse (bzw. die Zusammenfassung in ein Verfahren) vorbringen und wie sie die Quellen heranziehen, bzw. deuten um ihre Argumentationsweise abzusichern. Dadei werden in dieser Arbeit sechs wissenschaftliche Aufsätze untersucht. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede die sich in den Aufsätzen ergeben, werden am Ende der Arbeit zusammenfassend dargestellt. Durch diese Schritte soll versucht werden zu zeigen, ob die von den Autoren durchgeführte Aufteilung bzw. Zusammenfügung der Verfahren beim Prozess gegen Heinrich den Löwen sinnvoll erscheint oder ob die Autoren auf der Schritt der Aufteilung bzw.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Historische Tatbestand - Ein Überblick
- Vorstellung der untersuchten Texte
- Untersuchung der wissenschaftlichen Texte
- Carl Erdmann: Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I.
- Karl Jordan: Heinrich der Löwe - Eine Biographie
- Odilo Engels: Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen
- Karl Heinemeyer: Kaiser und Reichsfürst
- Stefan Weinfurter: Erzbischof Philipp von Köln und der Sturz Heinrichs des Löwen
- Gerhard Theuerkauf - Der Prozeß gegen Heinrich den Löwen
- Schlussbetrachtung
- Tabellarische Zusammenfassung
- Wer hat Recht?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Prozess gegen Heinrich den Löwen aus der Perspektive der Rechtsbegriffe „Landrecht“ und „Lehnrecht“. Sie analysiert die Verwendung dieser Begriffe durch verschiedene Historiker und beleuchtet die Unterschiede in deren Interpretation und Argumentation.
- Die Verwendung der Begriffe „Landrecht“ und „Lehnrecht“ im Kontext des Prozesses gegen Heinrich den Löwen
- Die unterschiedlichen Interpretationen und Argumentationen der Historiker
- Die Quellen und ihre Interpretationen
- Die Frage, ob der Prozess als ein oder zwei Verfahren betrachtet werden soll
- Die Frage, ob die Autoren eine sinnvolle Aufteilung oder Zusammenfügung der Verfahren vorgenommen haben
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Dieses Kapitel stellt die Problematik der Verwendung der Begriffe „Landrecht“ und „Lehnrecht“ in der historischen Forschung dar und gibt einen Überblick über die Arbeit.
- Der historische Tatbestand - Ein Überblick: Dieses Kapitel skizziert die Ereignisse, die zum Prozess gegen Heinrich den Löwen geführt haben, und stellt die wichtigsten Punkte dar.
- Untersuchung der wissenschaftlichen Texte: Dieses Kapitel analysiert die Verwendung der Begriffe „Landrecht“ und „Lehnrecht“ durch sechs verschiedene Historiker und untersucht deren Argumente.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Konzepte dieser Arbeit sind „Landrecht“, „Lehnrecht“, „Prozess gegen Heinrich den Löwen“, „historische Forschung“, „Quelleninterpretation“ und „Argumentation“. Die Arbeit untersucht die Anwendung und Interpretation dieser Begriffe in der historischen Forschung und analysiert die unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Historiker.
- Quote paper
- Julian Gedig (Author), 2007, „Wer hat Recht?“ oder: Eine Kontroverse in der Forschung über das Verhältnis von Landrecht und Lehnrecht im Prozess gegen Heinrich den Löwen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87383