„Liebe Seele trachte nicht nach dem ewigen Leben, sondern schöpfe
das Mögliche aus“
Der Sinn des Lebens bzw. die „richtige“ Lebensweise auf Erden steht sowohl in dem hier aufgeführten Zitat als auch im Lied 35 des Schweizer Minnesängers Ulrich von Singenberg im Vordergrund.
Im Gegensatz zu Albert Camus, der dieses Zitat an den Anfang seines Essays „Der Mythos des Sisyphos“ stellt, wird im Lied 35 jedoch von einem ewigen Leben nach dem Tod, auf das man sich während seines irdischen Daseins vorbereiten solle ausgegangen. Rund 700 Jahre früher ist also bei Ulrich von Singenberg der Sinn des Lebens keineswegs absurd, sondern einzig auf das Dasein im Jenseits ausgerichtet.
Der konkrete Inhalt, die äußere Form sowie die Darstellungsweise des Liedes eröffnen dem Leser jedoch weitaus mehr Möglichkeiten und Sichtweisen bezüglich einer Einordnung und damit verbundenen Interpretation des Liedes.
So ist dieses Lied ebenfalls ein Zeugnis für die enge Verknüpfung und das wechselseitige Verhältnis zwischen formalen Aufbau, Inhalt, Übersetzung und schließlich der Interpretation eines Textes.
Diesbezüglich soll in dieser Hausarbeit, ausgehend von der Übersetzung des Liedes 35 sowie anhand einer inhaltlichen und formalen Analyse, der Frage nach gegangen werden, inwieweit dieses dem Minnesang des 13. Jahrhundert zuzurechnen ist und aufgrund welcher Merkmale und Interpretationsweisen es auch anderen Genres zugeordnet werden könnte. Die Weltabsage steht im Mittelpunkt des Liedes 35 von Ulrich von Singenberg. In monologischer Form klagt das lyrische Ich des Liedes die Welt als betrügerisch an und preist ein Leben im Sinne Gottes, welches die wahre Freude und Erlösung im Jenseits zur Folge hat. Da das Leben auf Erden und somit auch alle Freuden und Glücke vergänglich sind, sollte man sein irdisches Dasein auf ein Leben im Jenseits ausrichten und bei allen Dingen und Ereignissen stets an das Leben nach dem Tode denken bzw. auf dieses achten.
Bereits in den ersten vier Zeilen der ersten Strophe dieses sieben Strophen umfassenden Liedes, bezichtigt das lyrische Ich die Welt und dementsprechend jegliches irdische Dasein aufgrund seiner Vergänglichkeit als betrügerisch. Die Welt bzw. das Leben auf Erden fesselt den Menschen immer wieder an Dinge, seien sie materieller oder ideeller Art, die ihn blenden oder verführen und ihn von einem Leben im Sinne Gottes abhalten. „Ich hân dur dich mich dem erlogen, der mich mit nôt zuo zim gewan.“
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen
- Ulrich von Singenberg Lied 35 – Versuch einer Übersetzung
- Zum Inhalt des Liedes 35
- Der formale Aufbau
- Der Versuch einer Einordnung des Liedes 35 und dessen Interpretation hinsichtlich der Minnethematik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert das Lied 35 des Schweizer Minnesängers Ulrich von Singenberg. Ziel ist es, das Lied anhand einer Übersetzung, einer inhaltlichen und formalen Analyse zu untersuchen und zu bewerten, inwieweit es dem Minnesang des 13. Jahrhunderts zuzuordnen ist und aufgrund welcher Merkmale und Interpretationsweisen es auch anderen Genres zugeordnet werden könnte.
- Übersetzung des Liedes 35
- Inhaltliche Analyse des Liedes 35
- Formale Analyse des Liedes 35
- Einordnung des Liedes 35 in die Minnethematik
- Mögliche Zuordnung zu anderen Genres
Zusammenfassung der Kapitel
Vorbemerkungen
Die Einleitung stellt das Thema der Hausarbeit und die zentrale Frage nach der Einordnung und Interpretation des Liedes 35 vor. Es wird der Bezug zur Philosophie Albert Camus hergestellt, jedoch betont, dass das Lied 35 im Gegensatz zu Camus' "Der Mythos des Sisyphos" von einem ewigen Leben nach dem Tod ausgeht und den Sinn des Lebens auf das Dasein im Jenseits ausrichtet.
Ulrich von Singenberg Lied 35 – Versuch einer Übersetzung
Dieses Kapitel präsentiert den vollständigen Text des Liedes 35 in Mittelhochdeutsch und eine moderne Übersetzung ins Neuhochdeutsche. Die Übersetzung wird mit Anmerkungen versehen, die die Bedeutung einzelner Worte und sprachlicher Besonderheiten erläutern. Die Übersetzungen wurden durch den Autor der Hausarbeit erstellt.
Zum Inhalt des Liedes 35
Dieser Abschnitt bietet eine inhaltliche Analyse des Liedes 35. Die verschiedenen Themen und Motive des Textes werden beleuchtet, wie beispielsweise die Kritik an der "betrogenen" Welt, die Warnung vor irdischen Freuden und die Betonung eines ewigen Lebens nach dem Tod. Hierbei wird auch die Bedeutung des christlichen Glaubens für die Interpretation des Liedes herausgestellt.
Der formale Aufbau
In diesem Kapitel wird der formale Aufbau des Liedes 35 untersucht. Die Strophenform, der Reimschema und die sprachlichen Mittel werden analysiert und in Bezug zum Inhalt gesetzt. Dieser Abschnitt beleuchtet die formale Gestaltung des Textes und versucht, die Wirkung auf den Leser zu erklären.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselbegriffe dieser Hausarbeit sind: Ulrich von Singenberg, Lied 35, Minnesang, Minnethematik, Übersetzung, Inhaltliche Analyse, Formale Analyse, Interpretation, Ewige Leben, Jenseits, Betrügerische Welt, Irdische Freuden, Christlicher Glaube, Formale Gestaltung, Wirkung.
- Arbeit zitieren
- Studienrätin Sandra Müller (Autor:in), 2002, Ulrich von Singenberg, Lied 35 - Übersetzung und Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87459