Der klangliche Unterschied zwischen den Posaunen der verschiedenen Jahrhunderte ist offensichtlich, aber worin liegt er begründet? Die Konstruktion der Instrumente bietet eine Erklärung. Die Herstellungsmethoden und das verwandte Rohmaterial sind jedoch ebenfalls entscheidend. So wurden Renaissanceposaunen zum Beispiel in aller Regel nicht gelötet, sondern meist nur mit Harz verklebt, was ein Stimmen der Instrumente durch eine leichte Erwärmung der Klebestellen ermöglichte. Zudem waren die Instrumente reich mit meist silbernen Verzierungen versehen.
Auf dem ersten Blick gibt es Unterschiede, aber sind die eben genannten für den Klang entscheidend? Es bleibt also zu untersuchen, wo die genauen baulichen Differenzierungen liegen und wie sie sich auf den Klang des Instruments auswirken.
Mit Beginn der neuen Epoche, dem Barock, setzte sich eine allmähliche Spezialisierung der Musiker auf einzelnen Instrumenten durch. Wurde noch im 16. Jahrhundert von einem Musiker das Beherrschen mehrerer Instrumente verschiedener Instrumentenfamilien und -gattungen verlangt, so hob sich dies mit Beginn des 17. Jahrhunderts auf. Lediglich von den Stadtpfeifern wurde ein Beherrschen eines breiten Instrumentariums noch bis ins 20. Jahrhundert gefordert. Es stellt sich daraus die Frage, welche Fähigkeiten die Musik der Renaissance den Posaunisten ihrer Zeit abverlangte. Da der U-förmige Zug die erste Erfindung war, die einem Blechblasinstrument zu einem chromatischen Spiel in sämtlichen Lagen verhalf, ist ein reger Einsatz dieses Instruments in sämtlichen Gebieten der Musik anzunehmen. In welchen Ensembles hielt aber die Posaune erstmalig Einzug, wo durfte sie wirken oder gab es gar eine strenge Reglementierung ähnlich zu den Trompeten, die ihren Einsatz dem gemeinen Volk vorenthielt?
Schalmeien war es in der Kirche untersagt, mit der Gemeinde zusammen zu erklingen. Gab es solche Beschränkungen auch für Posaunen? In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, in die ersten Jahrzehnte der Posaune etwas Licht zu bringen. Ihre Entstehung, ihre klangentscheidenden Merkmale und ihr Vorkommen in den verschiedenen Ensembles der Renaissance sollen dazu näher betrachtet werden. Auch die Frage nach dem Reifegrad der Spieltechnik der ausübenden Musiker soll dabei tangiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DIE ENTSTEHUNG DER POSAUNE
2.1 Frühe Vorformen und Entwicklungsschritte
2.2 Die Zugtrompete
2.3 Die Erfindung des U-förmigen Zuges
2.3.1 Der mögliche Entstehungsort Burgund
2.3.2 Der mögliche Entstehungsort Nürnberg
3. DIE POSAUNEN DER RENAISSANCE
3.1 Die Posaunenfamilie
3.2 Klangbestimmende Faktoren
3.2.1 Das Schallstück
3.2.2 Die Mensur
3.2.3 Das Mundstück
3.2.4 Die Verwendeten Materialien und ihre Verarbeitung
4. DER EINSATZ DER RENAISSANCEPOSAUNE
4.1 Instrumentale Besetzungen mit Posaune
4.1.1 Das Zusammenspiel mit dem Zink
4.1.2 Die alta capella
4.2 Die Turmmusik
4.3 Die Posaune in der Kirchenmusik der Reformationszeit
4.4 Giovanni Gabrielis Verwendung der Posaune
4.4.1 Gabrielis instrumentale Mehrchörigkeit am Beispiel der „Sonata pian e forte“ aus der Sammlung „sacrae symphoniae“
4.4.2 Gabrielis Canzonen am Beispiel der Canzon IV (C198) aus der Sammlung „canzoni et sonate“
5. DAS POSAUNENSPIEL IN DER RENAISSANCE
6. ZUSAMMENFASSUNG
ANHANG
NOTENANHANG.
LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts wird trotz abweichender Vorschläge als eine eigene Epoche in der Musikgeschichte geführt. Die Zäsur, die immer außer Frage stand, ist die des Jahres 1600. Obwohl eine Rückbesinnung mittels der Oper und der Monodie auf die Antike stattfand, die als Wesensmerkmal eher der Renaissance ge- recht werden würde, werden diese Neuerungen als so entscheidend angesehen, dass mit ihnen ein neuer Zeitgeist zu betiteln ist.1 Zwar beginnt somit 1600 der Barock, aber die Grenzen sind nicht starr und vereinzelte Werke, die nach diesem Datum erschienen sind, werden noch der Renaissance zugesprochen. Eine Sammlung sol- cher Werke ist 1615 unter dem Titel „canzoni et sonate“ in Venedig erschienen. Sie stammt von dem bereits 1612 verstorbenen Meister Giovanni Gabrieli, der in dieser und in einer weiteren berühmten Sammlung namens „sacrae symphoniae“ erstmalig zu konkreten Besetzungsangaben greift, womit er die venezianische Musik seiner Zeit geprägt hat. Sollte man diese schlagwortartig kennzeichnen, so stünde sie unter dem Titel: „Die Entdeckung des Klangs“.2 Gabrieli wollte mit seiner Besetzungsan- gabe nicht nur die Musik festschreiben, sondern auch ihren Klang. Eines der bekann- testen Beispiele ist die „Sonata pian e forte“, die nicht nur eine exakte Besetzungs- angabe aufweist, sondern auch mit Dynamik arbeitet, um den vom Komponisten vorgesehenen Klang zu realisieren. Gabrieli greift bei diesen Besetzungsangaben gerne auf ein in der Renaissance neuartiges Instrument zurück, die Posaune. In der erwähnten achtstimmigen Sonata verlangt er sogar sechs Posaunen, die somit eine Übermacht gegenüber den anderen Instrumenten darstellen. Woher aber kommt die- ses Instrument, was scheinbar in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts plötzlich auftaucht und bis heute keiner wirklichen Überarbeitung bedurfte? Sollte diese Er- findung einen Geburtsort haben so sollte es dort Spuren geben, die auf ihr Entstehen hinweisen.
Erhaltene Literatur, Bilder und Schriften belegen das Zusammenspiel von Posaunen und Geigen, Flöten, Schalmeien und Zinken. In der „Sonata pian e forte“ setzt Gab- rieli sogar neben den sechs Posaunen und einem Zink eine Viola ein. Diese sonder- bare Instrumentation erscheint mit den heutigen Posaunen undenkbar. Die Viola würde gerade in den Fortepassagen kaum mehr zu hören sein. Erklärbar wird diese Klangvorstellung Gabrielis jedoch mit der näheren Betrachtung der Renaissancepo- saune.
Fritz Stein schrieb im Vorwort zu seiner Bearbeitung der „Sonata pian e forte“:
„Bei der Problematik der alten Aufführungspraxis verzichtet die vorliegende Bearbeitung von vornherein darauf, die Klangverhältnisse der Originalbeset- zung anzustreben. Da wir das Cornetto, den alten Zink, nicht mehr besitzen und auch der Klang unserer modernen Posaune sich wesentlich verändert hat, wird es bis auf weiteres kaum möglich sein, das historische Klangbild stilecht zu realisieren.“3
Dr. Fritz Stein
Der klangliche Unterschied zwischen den Posaunen der verschiedenen Jahrhunderte ist offensichtlich, aber worin liegt er begründet? Die Konstruktion der Instrumente bietet eine Erklärung. Die Herstellungsmethoden und das verwandte Rohmaterial sind jedoch ebenfalls entscheidend. So wurden Renaissanceposaunen zum Beispiel in aller Regel nicht gelötet, sondern meist nur mit Harz verklebt, was ein Stimmen der Instrumente durch eine leichte Erwärmung der Klebestellen ermöglichte. Zudem waren die Instrumente reich mit meist silbernen Verzierungen versehen. Auf dem ersten Blick gibt es Unterschiede, aber sind die eben genannten für den Klang ent- scheidend? Es bleibt also zu untersuchen, wo die genauen baulichen Differenzierun- gen liegen und wie sie sich auf den Klang des Instruments auswirken.
Mit Beginn der neuen Epoche, dem Barock, setzte sich eine allmähliche Spezialisie- rung der Musiker auf einzelnen Instrumenten durch. Wurde noch im 16. Jahrhundert von einem Musiker das Beherrschen mehrerer Instrumente verschiedener Instrumen- tenfamilien und -gattungen verlangt, so hob sich dies mit Beginn des 17. Jahrhun- derts auf. Lediglich von den Stadtpfeifern wurde ein Beherrschen eines breiten In- strumentariums noch bis ins 20. Jahrhundert gefordert. Es stellt sich daraus die Fra- ge, welche Fähigkeiten die Musik der Renaissance den Posaunisten ihrer Zeit abver- langte. Da der U-förmige Zug die erste Erfindung war, die einem Blechblasinstru- ment zu einem chromatischen Spiel in sämtlichen Lagen verhalf, ist ein reger Einsatz dieses Instruments in sämtlichen Gebieten der Musik anzunehmen. In welchen En- sembles hielt aber die Posaune erstmalig Einzug, wo durfte sie wirken oder gab es gar eine strenge Reglementierung ähnlich zu den Trompeten, die ihren Einsatz dem gemeinen Volk vorenthielt?4 Schalmeien war es in der Kirche untersagt, mit der Gemeinde zusammen zu erklingen. Gab es solche Beschränkungen auch für Posaunen? In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, in die ersten Jahrzehnte der Posaune etwas Licht zu bringen. Ihre Entstehung, ihre klangentscheidenden Merkmale und ihr Vorkommen in den verschiedenen Ensembles der Renaissance sollen dazu näher betrachtet werden. Auch die Frage nach dem Reifegrad der Spieltechnik der ausübenden Musiker soll dabei tangiert werden.
2. Die Entstehung der Posaune
2.1 Frühe Vorformen und Entwicklungsschritte
Die Posaune als ein Hauptinstrument der niederländischen Epoche und dann der gesamten europäischen Musik erscheint erstmalig im 15. Jahrhundert. Nahezu 550 Jahre sind vergangen, und dennoch kann man bei diesem Instrument nicht von gravierenden Entwicklungen berichten. Das Wesen der Posaune, der U-förmige Zug, ist in seiner ursprünglichen Funktionsweise noch genauso erhalten, wie die ersten Abbildungen im Quattrocento erkennen lassen.
Woher stammt diese zweifellos geniale Erfindung, die seit ihrer Entstehung kaum einer Veränderung unterworfen war? Welcher Instrumentenbauer hatte eine solche Idee und wie kam es zu einem solchen Schritt? Eine Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten, bietet scheinbar der Begriff der Posaune selbst.
Die mitteleuropäische Bezeichnung Posaune (ndl. bazuin, dän. basun, poln. puzon, tschech. pozoun) findet ihren Ursprung im lateinischen Wort bucina. Über den altfranzösischen Begriff buisine wurde daraus das mittelhochdeutsche busûne = busine,5 was als Stammwort des neuhochdeutschen Begriffs busaune6 diente, der unseren heutigen Ausdruck begründet.
Anhand dieser Begriffe könnte man die Entstehung der Posaune auf die Jahre um 1200 datieren. In dieser Zeit hält der altfranzösische Name buisine an den Höfen Europas Einzug7, allerdings zeigen ikonographische Belege eindeutig, dass damit nicht die Posaune, sondern stets verhältnismäßig lange gestreckte, aber auch wenig geschwungene Blechtrompeten gemeint waren. Eine Zuordnung der frühen Begriffe bucina oder buisine zu den Trompeten oder Posaunen und eine darauf beruhende Datierung des Erscheinens der Posaune ist also zu verwerfen. Ein Grund für die Vermischung der Begriffe ist in der Entstehungsgeschichte zu finden. Diese stellt sich folgendermaßen dar.
Trompetenartige Aerophone wurden schon in vorgeschichtlichen Epochen als Kriegs- oder Tempelinstrumente verwandt, dabei wurden diese nicht aus Tierhörnern oder -zähnen gefertigt, die einen konischen Rohrverlauf vorschreiben würden, son- dern Holz oder Bambusrohr diente zur Fertigung der Instrumente. Diese sind daher ohne Knickung oder Biegung also völlig gerade. Die Instrumentenkunde spricht hier von der Tubaform, wobei bei diesem Begriff nicht an die moderne Basstuba gedacht werden darf. Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Posaune ist durch einen Befehl von Kaiser Friedrich II. zu Arezzo aus dem Jahre 1240 belegt. Dieser ordnete an, es sollten „aus Silber vier tubae und eine tubecta angefertigt“8 werden. Mit dem Wortstamm tuba sind Trompeten gemeint. Die mittellateinische Verkleinerungsform dürfte schon damals dem italienischen Diminutivum trombetta entsprochen haben. Da Michael Praetorius in seinem Werk Syntagma Musicum von 1619 die „gemeine rechte Posaun“ auch als „Trombetta“ anführt9, kann man hier von einem Trompe- teninstrument für die Basslage ausgehen, was ein Beleg über die Differenzierung der Trompeten in unterschiedliche Größen, also in Diskant - und Basstrompeten dar- stellt. Dies wird durch eine weitere Quelle aus dem Jahre 1308 bekräftigt. Nach die- ser besaß die Stadt Lucca einen Trombetta und zwei Tubatores.10 Ebenso kannte auch schon die französische Sprache des 13. Jahrhunderts das Wort trompette, das wohl aus dem Italienischen stammte, da zu dieser Zeit noch in Frankreich buisine und nicht trompe das vorherrschende Wort für Trompete war. Diese Belege weisen eindeutig darauf hin, dass die Ausdifferenzierung in hohe und tiefe Trompeten spä- testens vor 1240 stattfand. Hier schon von der Erfindung der Posaune zu sprechen, scheitert aus Mangel an Beweisen, die belegen, dass diese Instrumente einen U- förmigen Zug besaßen.
Der wohl wichtigste Schritt zur Erfindung dieser markanten Eigenschaft der Posaune ist die Abkehr von geraden Röhren hin zu einer S-förmigen Windung des Rohrver- laufs. Diese Veränderung wurde mit dem Bau von langen Blechtuben notwendig. Das extreme Übergewicht des unteren Teils der Röhre und des Schalltrichters ma- chen ein Verbiegen des Instruments ohne künstliche Stütze unvermeidbar. Diesem physikalischen Hindernis konnte nur begegnet werden, indem man die Röhre küns- tlich bog und ihr somit einen mehrfach gewundenen Verlauf gab (siehe Abbildung
1). Eine genaue Datierung dieser baulichen Veränderung ist nicht möglich, allerdings muss diese vor 1394 stattgefunden haben. Aus dieser Zeit stammt eine geschnitzte Turnierdarstellung auf dem Chorgestühl der Kathedrale zu Worcester, von dem Curt Sachs berichtet. Diese Darstellung zeigt Trompeten in einer gewundenen Form. Für den U-förmigen Posaunenzug ist vor allem die S-Form der Trompete entscheidend, da diese erst seine Erfindung ermöglicht.
Die Frage nach der Entstehung ist eng mit der gesellschaftlichen Stellung verknüpft. Die Posaune und der ausübende Musiker nehmen hier eine Sonderstellung zwischen den ritterlichen Trompeten und den niederen Musikern und Spielleuten ein. Wenn die Posaune sich aus der Trompete entwickelte, warum behielt sie dann nicht ihren ritterlichen Status?
2.2 Die Zugtrompete
Ein Instrument, das sich einer ähnlichen Technik bedient wie die Posaune und somit eine Schlüsselstellung für eine Antwort oder für die Erfindung des U-förmigen Zuges geben kann, ist die Zugtrompete. Die Datierung ihres Entstehens ist durch ein Bild- zeugnis möglich. Die Bibel, die Herzog Borso von Ferrara in den Jahren 1455 bis 1461 anfertigen ließ,11 enthält eine Darstellung einer Tanzkapelle, die durch drei Musiker besetzt ist. Man erkennt in der Abbildung 2 (siehe Anhang) eindeutig eine Schalmei, einen Bombart und ein Trompeteninstrument. Dieses Trompeteninstru- ment besitzt ein langes Mundrohr, das vom Spieler mit der linken Hand gegen die Lippen gedrückt wird, während seine rechte Hand den S-förmigen Korpus hält. Da sich am Mundrohr unterhalb des Mundstücks zwei Ringe befinden, die ein Ineinan- dergreifen von getrennten Gliedern ermöglichen, und die Haltung des Spielers einer Zugtechnik entspricht, ist von einem Zuginstrument auszugehen. Auffällig ist, dass diese Trompete von ihrer Größe her einem Tenorinstrument entspricht. Die Spielwei- se dürfte sehr unbequem gewesen sein, da der Hauptteil des Instruments nebst Schallbecher zur Verlängerung der Luftsäule bewegt werden musste. Ob dieses In- strument einen Tenor - Bassbereich diatonisch ausfüllen konnte, ist zu bezweifeln. Die Länge des Einzelrohres kann nicht ausreichen, um ein diatonisches Spiel zu be- werkstelligen. Aber es war immerhin möglich, Lücken zwischen den Naturtönen teilweise auszufüllen. Es war also vor 1461 eine Großtrompete mit einer Zugvorrich- tung bekannt. Um hier schon von einer Posaune zu sprechen, fehlt allerdings der U- förmige Zug. Es bleibt aber nun zu vermuten, dass für die Entstehung der Posaune zwei Entwicklungsschritte im Instrumentenbau notwendig waren. Der erste Schritt ist die S-förmige Windung des Blasrohres, die einen U-förmigen Zug erst ermög- licht. Schritt zwei ist die Idee, das Verlängern des Blasrohres und die damit verbun- dene Veränderung des Grundtons der Obertonreihe mittels einer Zugvorrichtung während des Spielens zu ermöglichen. Damit diese Vermutung gefestigt wird, muss die Idee einer Zugvorrichtung älter sein als der U-förmige Zug und damit älter als die Posaune selbst. Dass dies bei der S-förmigen Windung des Blasrohres der Fall ist, beruht auf den Schriften von Curt Sachs, die keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdig- keit zulassen. Der Nachweis einer Zugvorrichtung vor dem Auftreten der Posaune ist eng an die Zugtrompete geknüpft, so dass eine Datierung ihres Entstehens allein durch ein Bildzeugnis für die Untersuchung der Posaune zu dürftig ist. Eine weitere Möglichkeit bieten Kompositionen, deren Besetzungsfrage durch den Einsatz eines Blechblasinstruments mit Zugvorrichtung beantwortet werden kann. Für diese Unter- suchung zieht Heinrich Besseler 6 geistige Sätze von Grossim, Franchois und Arnold de Lantins heran, die durch ihre Titel eine Trompetenstimme vorschreiben, jedoch ist diese nicht in der zu vermutenden Diskantlage, sondern in Alt-Tenorlage mit einem Ambitus von c - a’ zu finden. Es muss sich in diesen Kompositionen also um ein Großinstrument gehandelt haben. Interessant ist, dass die Nachahmungen von Trom- peten nicht im Diskant, sondern in den Unterstimmen erfolgt.12
Es ist also offensichtlich, dass bei Tuba und Trompettastücken nicht ritterliche Trompeten beschäftigt waren, ansonsten wäre ihr Fehlen in der Diskant und Klarin- lage unbegreiflich. Es kann sich als ausführendes Instrument nur um ein Großinstru- ment handeln, das allerdings nicht mehr den ritterlichen Status der Trompeten inne hatte sondern schon in den Bezirk der Figuralmusik übergetreten war. Damit ist die Frage nach dem unterschiedlichen Status von Trompete und Posaune geklärt. Schon die Zugtrompete war ein Großinstrument, das nicht mehr den Rang einer Trompete entsprach, somit bleibt anzunehmen, dass die Posaune diesen Status nie besaß.
Nun könnte man vermuten, dass diese 6 Stücke, die um das Jahr 1430 entstanden, schon eine Posaune vorschrieben. Bei genauer Betrachtung sprechen allerdings meh- rere Fakten für die Zugtrompete als ausführendes Instrument. Ein Beleg für ihren Einsatz findet sich im Sanctus aus der Trompetta Messe von Grossim. Der Kompo- nist beschränkt sich bei der Trompettastimme nicht nur auf Naturtöne, er verwendet auch benachbarte Töne und Dreiklangsbrechungen, für die eine Zugvorrichtung not- wendig ist.13 Hätte Grossim allerdings eine Posaune mit ihrem chromatischen Tonvorrat gehabt, hätte sich dieser sicherlich nicht auf Natur- und benachbarte Töne beschränkt. Diese kompositorische Beschränkung spricht eindeutig für die Zugtrompete, die somit nachweisbar um 1430 in Italien benutzt wurde. Laut Heinrich Besseler muss dieses Instrument jedoch noch älter sein, da sich ihr zugehöriger Stimmtypus bis in Motetten von Ciconia zurückverfolgen lässt, also bis 1400. Er datiert somit die Entstehung der Zugtrompete für das 14. Jahrhundert.14
2.3 Die Erfindung des U-förmigen Zuges
2.3.1 Der mögliche Entstehungsort Burgund
Die Erfindung des U-förmigen Zuges und somit die der Posaune muss sich nach heu- tiger Sachlage zwischen 1421 und 1468 ereignet haben. Ein Beweis dieser Behaup- tung bietet die Untersuchung der französischen Bezeichnung für die Posaune saque- boute. Als saqueboute wurde schon im 14. Jahrhundert ein Spieß mit Widerhaken bezeichnet, der als Kampfmittel von Fußsoldaten gegen berittene Ritter verwandt wurde. Zweck der Waffe war es, vom Boden aus den Ritter erst an sich zu ziehen (franz. saquer), um ihn anschließend vom Pferd zu stoßen (franz. bouter).
Dieses Wort besteht also aus zwei Verben in Imperativform und wird von Fritz Brückner als eine Art Hakenlanze verstanden.15 Nun erhält dieser etymologische Ausflug in das Waffenarsenal des Mittelalters erst durch eine Schilderung aus der burgundischen Chronik von Oliver de la Marche für die Entstehung der Posaune eine Bedeutung.
Dieser berichtete 1468 von Karls des Kühnen Hochzeit mit Margarete von York in Brügge:
„Le bouc jouoit d´une trompette saicqueboute, et les trois chevres jouoient de schalmayes; et en celle maniere juerent ung motet, et puis sén retournerent comme ilz estoient venuz.“16
Heinrich Besseler schlussfolgert aus diesen Ausschnitt der Chronik, dass 1468 am burgundischen Hof die Zugposaune unter dem Begriff trompette saicqueboute be- kannt war.
Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier auch um eine Zugtrompete handeln könnte, allerdings existieren hier Hinweise, die eindeutig dagegen sprechen. Untersucht man weitere veröffentlichte Dokumente des burgundischen Hofs, so fällt auf, dass der Begriff saqueboute nur ein Beiname war.17 Die Spieler der Blechblasin- strumente werden mit trompette oder menestrel bezeichnet und in folgender Rang- ordnung erwähnt. An der Spitze stehen die „trompette der guerre“, die ritterlichen Trompeter. Der burgundische Hof beschäftigte vier bis sieben ritterliche Trompeter. Es folgen die menestrels ohne weitere Bezeichnungen. In der Regel wurden diese als „hauts menestrels“ bezeichnet, was die Spieler von „starken“ beziehungsweise lau- ten Blasinstrumenten betitelt.18 Als dritter Rang werden die „joueurs de bas instru- ments“, Vertreter der „stillen“ Kammerkunst, genannt. Am interessantesten ist aller- dings eine Mittelfigur der ersten beiden Gruppen mit der Amtsbezeichnung „trom- pette des menestrels“, also der „Menestreltrompeter“.19
Sein Instrument erscheint auf zwei Rechnungen von 1423 und 1425 neben gleichzeitig bestellten chalemies und bombardes, die nach einem Vermerk dazubestellt wurden. Laut Heinrich Besseler ist dieser Menestreltrompeter am burgundischen Hof schon ab 1421 nachweisbar.20
Auch wenn noch zu klären ist, was die Menestreltrompete für ein Instrument genau darstellt, so kann man aus der Sachlage diverse Erkenntnisse ziehen. Es muss sich der Stellung in der Rangfolge nach um ein trompetenartiges Instrument gehandelt haben, was aber keine reine Trompete mehr war. Es könnte sich also schon um eine Posaune gehandelt haben, deren Bezeichnung sich bis 1468 in trompette saicquebou- te wandelte, es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass sich an einem Hof in einem so kurzen Zeitraum der Name eines Instrumentes so grundlegend ändert. Wahrscheinli- cher ist es, dass die Menestreltrompete ein Bindeglied zwischen der ritterlichen Trompete und der Spielmannsposaune war, aus der bis 1468 die Posaune wurde. Ob es sich dabei um eine Art Zugtrompete handelte, ist nicht zu belegen, aber auch nicht abwegig. Die Vermutung, dass mit trompette saicqueboute eine Zugtrompete ge- meint sein könnte, ist durch die Existenz der Menesteltrompete zu verwerfen.
Nach den Aufzeichnungen des burgundischen Hofs kann man also die Entstehung der Posaune in der Zeit von 1421 bis 1468 dort vermuten. Das burgundische Reich erstreckte sich über die heutige Niederlande, Belgien, Luxemburg und Teile Ost- frankreichs. Die Herzöge dieser Gebiete wirkten in der Hauptstadt Dijon, die auch die Stammresidenz Burgunds war. Einer dieser war wie oben erwähnt Karl der Küh- ne, der von 1467 bis 1477 die Geschicke des Kleinstaates lenkte. Es ist nicht wahr- scheinlich, dass im ersten Jahr seiner Amtszeit die Posaune erfunden wurde, eher ist dafür Philipp der Gute zu nennen, der ab 1419 bis zu Karls Regierungsantritt das Oberhaupt des Landes war.21 Eine solche Erfindung wie die Posaune wurde zwar regional unterschiedlich angenommen, aber dennoch verbreitet. Ein Beispiel hierfür bietet ein Bildzeugnis aus Florenz (siehe Abbildung 3): die sogenannte Adimari- Hochzeit auf einem Florentiner Truhenbild aus dem Jahre 1450. Diese Truhe ist in der Galleria d´Arte antica e moderna zu besichtigen. Dargestellt ist der Tanz der florentinischen Hochzeitsgesellschaft, die sich zur Vermählung des wohlhabenden Bürgers Boccaccio di Silvestro degli Adimari mit Lisa d´Albertaccio zusammenge- funden hat. Diese Hochzeit kann man genau datieren, und zwar fand sie am 22. Juni 1420 statt.22 Zum Tanz dieser Hochzeitsgesellschaft spielen vier Bläser, die für eine Freiluftmusik entsprechend mit lauten Instrumenten besetzt waren. Es sind eindeutig drei Schalmeien und eine Art Posaune zu erkennen, zumindest entsprechen die Län- genmaße und die Haltung des Bläsers der einer Posaune. Ebenfalls ist die S-förmige Windung des Rohres vorhanden, was einen U-förmigen Zug vermuten lässt. Ob die- ser aber bewegt wird ist nicht zu erkennen. Kann man die Entstehung der Posaune aufgrund dieser Darstellung auf 1420 datieren?
Es ist wahrscheinlicher, dass die Posaune zwischen 1421 und 1468 in Burgund ent- stand und durch die Bekanntschaft von Dufay zu dem Italiener Piero de´ Medici nach Florenz gelangte. Das Entstehungsjahr der Truhe wird nicht auf 1420 angesetzt son- dern erst auf 1450, womit die Vermutung der Existenz einer Posaune um 1420 nicht haltbar ist. Aber man kann sagen, dass es eine Posaune vor 1450 gegeben haben muss. Zur weiteren Eingrenzung kann man Dufays Heimaturlaub am burgundischen Hof heranziehen. Aus den darauf folgenden Kompositionen kann man einen weiteren Nachweis des Menesreltrompeters ableiten23, dessen Instrument erst von der Posaune abgelöst wird. Dieser Urlaub ist von 1434 bis 1435 nachweisbar, wodurch nun die Entstehung der Posaune zwischen 1435 und 1468 beziehungsweise zwischen 1435 und 1450, sollte man die Florentiner Truhe als Beweis ansehen, festzusetzen ist. Al- lerdings stützen sich diese Vermutungen auf den Entstehungsort Burgund.
2.3.2 Der mögliche Entstehungsort Nürnberg
Seit dem 15. Jahrhundert blüht Nürnberg als Blechblasinstrumentenschmiede auf. Ursprünglich war es der Spieler selbst, der sich sein Instrument nach persönlichen Vorlieben und handwerklichem Fähigkeiten fertigte.24 Ende des 13. Jahrhunderts etablierten sich die ersten Instrumentenbauer in Frankreich. Warum wurde aber nicht Frankreich oder spezieller Burgund, sondern Nürnberg zur wichtigsten Blechblasin- strumentenschmiede Europas?
Könnte diese beispiellose Karriere einer Stadt mit der Erfindung der Posaune zusammenhängen? Schon Curt Sachs zog Nürnberg als Entstehungsort des U-förmigen Zuges in Betracht.25
1440 forderte die Stadt Frankfurt „9 bosunen“ aus Nürnberg an, die man „den wech- tern uff den durchgeenden porten und thoren hie geben sal, do uff zu lernen und zu blasen.“26 Da das Spiel auf diesen Instrumenten für die Türmer noch zu lernen war, muss es sich entweder um neuartige Instrumente handeln oder die Türmer der Stadt Frankfurt besaßen noch keine Signalinstrumente und erhielten eine frühe Form der Posaune beziehungsweise Trompete, auch als bucina bekannt. Letzteres ist sehr un- wahrscheinlich, da die Anfänge der Turmmusik bis ins Mittelalter hinein reichen und die Türmer vor allem vor Gefahren warnen sollten. Dass eine solche Schutzfunktion erst 1440 in einer Stadt installiert wurde, ist zu verwerfen. Wahrscheinlicher ist die Anschaffung von neuartigen Instrumenten, da die Türmer mit diesen auch eine Re- präsentationsfunktion für die Stadt ausfüllten. So ist es seit dem 15. Jahrhundert in Frankfurt am Main üblich gewesen, anreisende Fremde mit dem Anblasen zu emp- fangen. Ihre Ankunft wurde für die Stadt mit einem bestimmten Signal oder einer besonderen Melodie angekündigt, bevor sie bis ins Stadtinnere hinein musikalisch begleitet wurden, was zur Ehrung der Gäste diente.27 Auch diese nachweisliche Auf- gabe der Frankfurter Türmer wurde höchstwahrscheinlich nicht mit einer Art bucina gestaltet.
Eine Klage von Hans (II) Neuschel, dem ersten nachweisbaren Virtuosen auf der Posaune und Trompeten- und Posaunenmacher, vor dem Nürnberger Rat im Jahre 1515 belegt, dass schon sein 1503 verstorbener Vater Hans (I) Neuschel, der 1479 den ersten nachweisbaren Meisterbrief als Trompetenmacher erhielt, Posaunen bau- te.28
Er erhielt das Meisterrecht mit folgender Begründung:
„Item Hannsen Neuschel, ratsmiddrechsel, ist vergont durch einen rat, das meisterrecht alleyn auff dem ratsmiddrechselhantwerck ze arbeiten auß ursach, daz er in seinem haubt durch verwunden vast geprechlich, auch arm ist und vil kinder hat.“29
Es wird explizit auf seinen schlechten Gesundheitszustand und auf seine finanzielle Notlage hingewiesen. Bis zum Jahre 1497 gelangt er allerdings zu beträchtlichen Wohlstand, so sind mehrfacher Hausbesitz und größere Finanzgeschäfte belegt.30 Auch eine Würdigung des Kaisers Maximilian, deren Schutz Anlass der oben erwähnten Klage darstellte, fand durch das verliehene Recht, Neuschels Instrumente mit der Kaiserkrone zu verzieren, statt.31
Es ist nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich, dass Hans (I) Neuschels überraschender Wohlstand und die herausragende Würdigung im Zusammenhang mit der Speziali- sierung auf die neuartigen Instrumente, die 1440 von Frankfurt bestellt wurden, steht.
Seit 1491 war sein Sohn Hans (II) Neuschel, auch als Neuschl oder Meuschel bekannt,32 als Stadtpfeifer der Stadt Nürnberg angestellt33. Noch heute erinnert die Meuschelstraße an den auch als Erfinder bekannten Instrumentenbauer. Er war zweifelsohne ebenfalls ein Posaunenvirtuose, was darauf hinweist, das diese neuartigen Instrumente Posaunen darstellten.
Neuschel ist über seine Zeit hinaus immer noch ein sehr berühmter Posaunist und Instrumentenbauer.
Ist es möglich, dass sein Vater Hans (I) Neuschel mit der Erfindung des U-förmigen Zuges in Zusammenhang zu bringen ist? Wenn ihn 1503 der Tod ereilte und 1440 diese neue Erfindung schon Frankfurt erreichte, so müsste Hans (I) Neuschel eine solche Erfindung sehr früh in seinem Leben getätigt haben. Unter der Annahme, dass die neuartigen Instrumente 1440 von dem vielleicht 16jährigen Hans (I) Neuschel erfunden wurden und im gleichen Jahr nach Frankfurt kamen, muss Hans (I) ein Le- bensalter von 79 Jahren erreicht haben, für einen zerbrechlichen und von Krankhei- ten geschundenen Mann war dies zu seiner Zeit ein biblisches Alter. Es wird bei nä- herer Betrachtung also sehr unwahrscheinlich, dass es Hans (I) Neuschel selbst war, der die Posaune erfand. Er und vor allem sein Sohn machten sie aber berühmt, und erfuhren für ihre Instrumente große Ehren. Hans (II) Neuschel war Hoflieferant für Kaiser Maximilian I., der ihn so hoch schätzte, dass er Albrecht Dürer 1512 mit dem Zusatz „Und der Neuschel solle der Maister sein.“ die berühmte Darstellung seines Triumphzuges (Abbildung 4, siehe Anhang) in Auftrag gab.34 Auch Papst Leo X. forderte von Neuschel silberne Posaunen an, die Hans (II) persönlich überbrachte.35 Warum sind solche Erscheinungen nicht in Burgund zu finden? Wenn dort die Po- saune entstand, welcher Instrumentenbauer steckt hinter dieser Erfindung? Und war- um verhalf sie nicht den dortigen Instrumentenmachern zu Ansehen und Wohlstand? Eine Posaune kostete um 1600 8 bis 20 Gulden, Nürnberger Posaunen erhielt man aber erst bei einer größeren Investition von bis zu 32 Gulden, was eine beachtliche Summe darstellte. Ein Jahresverdienst eines Leipziger Musikers betrug 26 Gulden. Also war eine Nürnberger Posaune sehr teuer, wenn man bedenkt, dass 1580 nach der Dresdner Markt- und Polizeiordnung ein Ochse oder 32 Schweine für 20 Gulden gehandelt wurden.36 Nürnberg spielte für die Posaune der Renaissancemusik eine übergeordnete Rolle, vielleicht auch für ihre Entstehung.
Als letzter wirklich unumstößlicher Beweis fehlen allerdings erhaltene Instrumente dieser Zeit. Leider ist das Finden dieser unmöglich, da im 15. Jahrhundert nachweis- lich Blechblasinstrumente recycled wurden. Eine Bestellung der Stadt Nürnberg be- stätigt, dass zur Zahlung neuer Instrumente nicht nur Gulden, sondern auch alte Blechblasinstrumente dienten.37 Eine nähere Untersuchung der Entstehung der Po- saune unter der Vermutung, dass Nürnberg ihr als Entstehungsort dient, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Heinrich Besseler stützt seine Entstehungstheorie auf die gefundenen Schriften, die ein Instrument mit einer Zieh-Stoß-Vorrichtung, also einem Zug, beinhalten. Zudem nutzt er Musikstücke als Beweis, die für ein sol- ches Instrument geschrieben sein könnten.
Ähnlich stichhaltig sind die Nürnberger Hinterlassenschaften und das Aufblühen dieser Stadt als Zentrum der Blechblasindustrie vom 16. bis in das 19. Jahrhundert hinein.
3. Die Posaunen der Renaissance
Das Klangideal der Renaissance war, im Gegensatz zum Mittelalter, der Schmelz- klang.38 Ein Mittel, ein Ensemble von klanglich verschmelzenden Instrumenten zu- sammenzustellen, war, sämtliche Stimmen eines mehrstimmigen Werkes mit ein und derselben Klangfarbe zu besetzen. Die einfachste Möglichkeit, dies zu verwirklichen liegt in der Ausbildung ganzer Chöre einer Instrumentengattung. In Anlehnung an die menschliche Stimme findet man immer noch Instrumentenfamilien von der Dis- kantlage bis in den Bassbereich. Einen solchen Chor bilden zum Beispiel die Griff- lochhörner oder die Krummen Zinken mit gebogenem konischem Rohr aus meist lederüberzogenem Holz. Diese Instrumente wurden mit Kesselmundstücken auf die gleiche Weise wie Trompeten zum Klingen gebracht. Trotz ihrer besonderen Klang- farbe wurden diese Instrumente oft in Verbindung mit Posaunen genutzt, was mit dem Klang einer modernen Posaune schwer vorstellbar ist. Aber die Posaunen der Renaissancemusik entsprechen in ihrer Bauart nicht den modernen Instrumenten von heute. Oberflächlich betrachtet hat die Posaune seit der Renaissance keine gravieren- den Entwicklungen erlebt, jedoch haben Veränderungen im Detail ihren Klang stark abgewandelt.
Welche Posaunen hatte die Renaissancemusik und wo liegen ihre Unterschiede zu den heutigen Modellen?
3.1 Die Posaunenfamilie
Die erste deutschsprachige Erwähnung der Posaune in einem musiktheoretischen Traktat stammt von Sebastian Virdung und trägt den Titel „Musica getuscht“, was soviel heißt wie „Musik verdeutscht“. Auf vier Seiten sind 22 Blasinstrumente abge- bildet und benannt. Eine Sortierung des Instrumentariums geschieht nach heute unüblichen Kriterien. Virdung bestimmte ihre Wertigkeit anhand der Grifflochzahl, je höher diese war, desto größer war der Wert des Instruments.39 Die Posaune ist als Busaun aufgeführt, wird allerdings als Familie nicht weiter behandelt. Auch Stimm- lagen wie Tenor, Alt oder Bass sind nicht erwähnt.40 Wesentlich ausführlicher be- handelte Michael Praetorius in seiner Schrift, „syntagma musicum“ aus dem Jahre 1619 die Posaunen. Nach seinen Angaben kann man entnehmen, dass die Posaune sehr schnell chorisch gebaut und verwendet wurde. Er beschreibt vier verschiedene Stimmungen, wobei die heutzutage unbedeutende Sopranposaune keine Erwähnung findet. Es gibt auch keine Belege, dass dieses Instrument schon zu Praetorius’ Zeiten bekannt war. Zwar schreibt Hans Kunitz, dass es in der Zeit Palestrinas und Gabrie- lis die Sopranposaune schon gab.41 Dies scheint er allerdings aus dem „syntagma musicum“ herzuleiten, was er nicht explizit erwähnt, dessen heute unüblich gewor- denen Wortschatz er aber nutzt. Ergänzt werden die Ausführungen von Michael Praetorius durch die Darstellung der erwähnten Instrumente. So zeigt Abbildung 5 eine Alt-, eine Tenor- und zwei Quartposaunen und Abbildung 6 enthält sogar eine Illustration der Oktavposaune. Praetorius erwähnt als höchste Instrumente der Po- saunenfamilie die „Alt oder Discant Posaun: Trombino, Trompetta picciola“42, mit denen die Chorstimme, die ihr den Namen gaben, geblasen werden konnte, wobei dies auch laut Praetorius auf der „rechten gemeinen Posaun“ durch guten Ansatz und Übung geleistet werden kann.43 Man könnte vermuten, dass Praetorius mit der Bezeichnung „Discant Posaun“ die Sopranposaune meint, es wäre allerdings völlig absurd zu behaupten, ihre Stimme mit der Tenorposaune ersetzen zu können.
Der Grundton einer Sopranposaune ist im Gegensatz zur Altposaune genau eine Ok- tave höher als der der Tenorposaune und entspricht somit der Trompetenstimmung. Eine Lage, die für die „gemeine rechte Posaun“ laut Praetorius selbst unspielbar ist. Allem Anschein nach hat Hans Kunitz das „syntagma musicum“ falsch verstanden, mit „Alt- oder Discantposaun“ ist eindeutig ein Instrument gemeint, das heute als Altposaune bekannt ist und um 1600 in seiner Bezeichnungsweise noch nicht gefes- tigt war. Die Sopranposaune trat erst im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts in Er- scheinung. Michael Praetorius hat sie entgegen den Behauptungen von Hans Kunitz nie erwähnt.44 Auch die Verwendung der Sopranposaune durch Heinrich Schütz, Jo- hann Sebastian Bach, Gluck oder Mozart kann nicht nachgewiesen werden,45 so dass dieses Instrument das einzige Mitglied der Posaunenfamilie ist, das in dieser Arbeit keine weitere Erwähnung findet.
Eindeutiger kann man bestimmen, was Praetorius unter der „gemeinen rechten Posaun: Tuba minor, Trombetta, Trombone piccolo“46 verstand.
Am weitesten verbreitet und somit dem Namen entsprechend war im Frühbarock wie auch heute noch die die Tenorposaune, eine andere Vermutung lässt auch der ange- gebene Tonumfang nicht zu. Laut Praetorius kann auf diesem Instrument ein Ambi- tus vom E bis f ´ bequem erreicht werden. Und durch guten Ansatz sind oben wie auch unten zwei Töne mehr zu Wege zu bringen, so dass auch eine Altstimme auf diesem Instrument spielbar ist. Weiterhin berichtet er von den Münchner Bläsern, die durch vielfältige Übungen auf diesen Instrumenten das D in der tiefe und in der Höhe gar c´´, d´´ oder e´´ spielen konnten.47 Mit dem Tonumfang von E1 bis e´´ (f´´) wird die moderne Tenorposaune in der Regel angegeben,48 was zumindest im Diskantbe- reich sich mit der „gemeinen rechten Posaun“ decken würde. In der Tiefe fehlt eine ganze Oktave zum heutigen Ambitus. Die Erklärung liegt in den kleineren Mensuren der alten Instrumente, die die so genannten Pedaltöne erschweren. Auf diese bauli- chen Besonderheiten ist noch einzugehen. Dass dennoch diese Tiefe bekannt und möglich war berichtet ebenfalls Praetorius. In Dresden habe er einen Bläser Namens Erhardum Borussum mit der Posaune eine Zinkstimme blasen hören, die bis zum g´´ reichte. Dieser Musiker soll ebenfalls die Tiefe einer „Quart-Posaun“ auf der Te- norposaune beherrscht haben. Praetorius berichtet hier vom A1. Dabei geht er nicht auf eine baulich bedingte Besonderheit der Posaune in dieser Tiefe ein. Zwischen dem ersten und zweiten Naturton, also dem Grundton und seinem ersten Oberton, liegt bekanntlich eine reine Oktave, die mittels der Zugtechnik nicht komplett ausge- füllt werden kann, was den Bau von tieferen Posaunen und somit längeren Posaunen notwendig macht. Wenn der beschriebene Musiker auf der Tenorposaune die Tiefe einer Quartposaune bedienen konnte, so muss er eine Spieltechnik beherrscht haben, die ihm dies ermöglichte. Heutzutage sind solche Techniken immer noch bekannt, finden aber auf den Bühnen nur äußerst selten Anwendung. Meist dienen sie zur Übung des tiefen Registers und werden durch Quart-, Quint- und Terzventile unnö- tig.
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1 Vgl. Lütteken, L.: Die Renaissance, Sp.146
2 Vgl. Kunze, S.: Die Instrumentalmusik Giovanni Gabrielis, S.134
3 Stein, F.: Vorwort aus G. Gabrieli - Sonata Pian E Forte aus den „Sacrae Symphoniae“ (Venedig 1597) für 2 Trompeten, 2 Hörner, 4 Posaunen, Basstuba
4 Vgl. Lieberwirth, S.: Fidel oder Posaune? Status und Symbolkraft des RenaissanceInstrumentariums, S. 70
5 Vgl. Besseler H.: Die Entstehung der Posaune, S. 8
6 Vgl. Sachs C.: Handbuch der Musikinstrumente, S.297
7 Vgl. Sachs C.: Handbuch der Musikinstrumente, S. 282
8 Sachs C.: Handbuch der Musikinstrumente, S. 287
9 Vgl. Praetorius, M.: De Organographia aus Syntagma musicum, Band II, S. 31
10 Vgl. Sachs, C.: Handbuch der Musikinstrumente, S. 287
11 Vgl.: A. Bowles, Edmund: Musikleben im 15. Jahrhundert, S.60
12 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 16
13 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 16
14 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 20
15 Vgl. Brückner, F.: Die Blasinstrumente in der altfranzösischen Literatur, S.27
16 de la Marche, Oliver zitiert nach Besseler, Heinrich: Die Entstehung der Posaune, S. 11
17 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 12
18 Vgl. A. Bowles, Edmund: Musikleben im 15. Jahrhundert, S.66
19 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 12
20 Vgl. Ebd.: S. 12
21 Vgl. Eggebrecht, Hans H.: Musik im Abendland, S.281
22 Vgl. A. Bowles, Edmund: Musikleben im 15. Jahrhundert, S.66
23 Vgl. Besseler, H.: Die Entstehung der Posaune, S. 29 und 30
24 Vgl. Wörthmüller, W.: Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts - Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Musikinstrumentenbaus, S. 208
25 Vgl. Sachs, C.: Real - Lexikon der Musikinstrumente, S.304
26 zitiert nach Martin Kirnbauer: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S.24; die originalen Rechnungsbücher sind 1944 verbrannt
27 Vgl. Greve, W.: Turmmusik, Sp. 1083
28 Vgl. Wörthmüller, W.: Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts, S. 211 und 212
29 Nürnberger Stadtarchiv Rep. 60a RV XI 11a (21.10.1479); zitiert nach Martin Kirnbauer: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S.25
30 Vgl. Kirnbauer, M.: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S. 25
31 Vgl. Kirnbauer, M.: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S. 26
32 Vgl. Wörthmüller, W.: Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts, S. 212
33 Vgl. Kirnbauer, M.: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S. 27
34 Vgl. Bambula, A.: Die Posaune, S. 9
35 Vgl. Wörthmüller, W.: Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts, S. 212
36 Vgl. Lieberwirth, S.: Fidel oder Posaune? Status und Symbolkraft des Renaissance - Instrumentariums, S. 65 und 66
37 Vgl. Kirnbauer, M.: Blechblasinstrumentenbau im 15. Jahrhundert, S. 18 und 19
38 Vgl. van der Meer, John H.: Wegweiser durch die Sammlung historischer Musikinstrumente, S. 11
39 Vgl. Bodendorff, W.: Historie der geblasenen Musik, S. 141
40 Vgl. Bodendorff, W.: Historie der geblasenen Musik, S. 142
41 Vgl. Kunitz, H.: Die Instrumentation, Teil 8: Posaune, S. 588
42 Praetorius M.: Syntagma musicum, S. 31
43 Vgl. Praetorius, M.: Syntagma musicum, S. 31
44 Vgl. Weiner, Howard: Der Sopranposaunen-Schwindel, S.71
45 Vgl. Weiner, Howard: Der Sopranposaunen-Schwindel, S.73
46 Praetorius, M.: Syntagma musicum, S. 31
47 Vgl. Praetorius, M.: Syntagma musicum, S. 31
48 Vgl. Kunitz, H.: Instrumenten - Brevier, S.61
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