Das Gefühl des Neids

die Blickwinkel des Genetikers John Medina und der Psychologen Christophe André und François Lelord im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Einführung von John Medinas Am Tor zur Hölle. Die Biologie der sieben Todsünden
2.1. Problematik des Standes der Forschung
2.2. Problematik des Einflusses der Kultur
2.3. Ausbildung eines Arbeitsmodells
2.3.1. Systematische Voraussetzungen
2.3.2. Die biologischen Grundlagen

3. Aus John Medinas Am Tor zur Hölle. Die Biologie der sieben Todsünden: Der biologische Hintergrund des Gefühls „Neid“

4. Neid aus psychologischer Sicht: Christophe Andrés und François Lelords Die Macht der Emotionen und wie sie unseren Alltag bestimmen
4.1. Hypothesen über Emotionen
4.2. Neid

5. Fazit

Literaturangaben

1. Einleitung

In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf einen Aspekt aus John Medinas Am Tor zur Hölle. Die Biologie der sieben Todsünden (Originaltitel: The Genetic Inferno: Inside the Seven Deadly Sins). Medina, Forscher auf dem Gebiet der Genetik, beleuchtet darin 2002 die so genannten sieben Todsünden Wollust, Völlerei, Geiz, Trägheit, Zorn, Neid und Hochmut auf ihren biologischen Hintergrund. Auslöser, wie er im Vorwort schreibt, ist für ihn die Geburt seines Sohnes und die Frage nach der genetischen Ähnlichkeit zu seinen Eltern in Neigungen und Eigenschaften. „Was ist überhaupt erblich? Würde sich seine Veranlagung als ebenso genetisch erweisen wie das gegenwärtige Kobaltblau seiner Augen?“ (Medina 2002: 10) Medina begibt sich auf „Suche nach der biologischen Grundlage menschlichen Verhaltens“ (Medina 2002: 11).

Aufgebaut sind die einzelnen Kapitel nach einem durchgehenden Schema. Jedem Kapitel stellt der Genetiker ein Zitat aus Dante Aligheris Göttlichen Komödie[1] voran. Auch im Text finden sich zahlreiche Zitate dieses Werkes, ebenso Anekdoten aus dem mittelalterlichen Leben im 13. und 14. Jahrhundert und auch viele Abbildungen. Die Kapitel beginnen mit einer Einführung durch einen fiktiven Mediävistik-Professor, der die zum biologischen Thema adäquate Stelle aus der Göttlichen Komödie erläutert. Im Anschluss wird auf die „Gene und biochemischen Substanzen, die an bestimmten Verhaltensweisen beteiligt sind“ (Medina 2002: 12) eingegangen. Darauf folgt ein Abschnitt zur Debatte, „ob ein Geist – und somit ein Mensch – mehr ist als die Summe seiner neurologischen Teile“ (ebd.). Es wird dabei von einem Arbeitsmodell ausgegangen, dass jedes Gefühl in zwei Komponenten aufteilt: das neuronale System und das Bewusstsein, wobei die Bestimmung dessen, was wir Bewusstsein nennen, nur schwer festzulegen ist. In den Kapiteln wird untersucht, welche Bestandteile unser Bild vom Bewusstsein prägen und „was dies möglicherweise über die Biologie der jeweils betrachteten Emotion verrät“ (Medina 2002: 13).

Ich habe mich für den spannenden Abschnitt über „Neid“ entschieden. Diese Entscheidung fiel spontan bei der Einschulung meiner Nichte. Ihr etwa zwei Jahre älterer Bruder hatte sichtlich Probleme mit der Tatsache, dass seine kleine Schwester nun Geschenke bekam, er jedoch nicht, woraufhin seine Eltern auch ihm vorsorglich gekaufte Präsente überreichten. Im anschließenden Großelterngespräch hinter vorgehaltener Hand wurde die Meinung deutlich, dass man so die Kinder „zu Neid erziehe“ und dass die Beiden lernen müssten, sich einfach neidlos mit dem anderen zu freuen. So war mein Interesse geweckt: wo liegen die Ursachen des Neides? Welchen Zweck hat(te) er?

In meiner Vorgehensweise referiere ich zunächst die wichtigsten Punkte aus Medinas Einführung. Es wird um die Komplexität des Themas und biologische Grundlagen gehen. Anschließend werde ich mich dem Kapitel über Neid zuwenden, wobei ich den Dante-Aspekt ignorieren werde.

Dem gegenüber stelle ich die Ansicht zweier französischer Psychologen: Christophe André und François Lelord. In ihrem ebenfalls 2002 veröffentlichten Buch „Die Macht der Emotionen und wie sie unseren Alltag bestimmen“ behandeln sie in einem Kapitel auch das Gefühl des Neides.

2. Zur Einführung von John Medinas Am Tor zur Hölle. Die Biologie der sieben Todsünden

2.1. Problematik des Standes der Forschung

Medina geht zunächst auf das Problem ein, dass die Forschung erst am Anfang steht, ein komplexes Thema zu entschlüsseln (vgl. Medina 2002: 19). Will man das menschliche Verhalten untersuchen, muss man sich „mit den verzwickeltsten und fähigsten Zellgruppen des bekannten Universums auseinander setzen – dem menschlichen Gehirn“ (ebd.), und zwar mit einer der kompliziertesten Funktionen des Gehirns. Das Gehirn besteht aus einer Billion als Neuronen bezeichneter Zellen. Jedes Neuron kann mit tausenden anderer Zellen in Verbindung stehen, sogar mit unmittelbar benachbarten Zellen Verbände gründen und so ein Netzwerk aufbauen, das in unregelmäßigem Kontakt zu weit entfernten Gehirnarealen steht (vgl. ebd.). Die Verknüpfungen der Neuronen können unterschiedlichen Charakters sein, einerseits spezifische Verbindungen herstellen, andererseits Verbindungen unterbrechen. „Zudem können einzelne Neuronen diese An/Aus-Muster offenbar in zusammengefasster Form erfassen und intelligente Entscheidungen treffen, die auf Veränderungen in den von ihnen wahrgenommenen Mustern beruhen“ (Medina 2002: 19f.). Neuronen sind in der Lage, mit einer Geschwindigkeit von ca. 900 Metern pro Sekunde untereinander zu kommunizieren und es ist der Wissenschaft bisher noch nicht gelungen, „auch nur einen einzigen winzigen menschlichen neuronalen Schaltkreis im Labor [zu] isolieren […] – von einer Darstellung der Zusammenarbeit von Abermillionen Neuronen ganz zu schweigen“ (Medina 2002: 20). Es sind also erst Grundkenntnisse über einen kleinen Teil der menschlichen Gene bekannt und noch weniger über „das Verarbeitungspotential der Neuronen, die diese Gene benutzen“ (ebd.). Trotzdem führte die Erforschung der Gene zu einer so genannten Anlage-Umwelt-Debatte, in der nach Medinas Ansicht die natürliche Anlage viel zu starke Betonung fand: „Jeder Gefühlsausbruch, jedes brutale Verhalten, jedes sexuelle Vergehen ließ sich nun mit unserer DNA erklären, und die Wahrnehmung von Verhaltensweisen und Motivationen glitt allmählich in eine zu starke Vereinfachung ab“ (Medina 2002:21).

Die Komplexität der biologischen Zusammenhänge menschlichen Verhaltens und die Uneinigkeit darüber, wie sie funktionieren, spiegelt sich auch bei den Fachleuten wider, beispielsweise in der Diskussion, was Gefühle sind und wie sie neuronal arbeiten (vgl. Medina 2002: 21ff). „Ohne verlässliches Hintergrundwissen ist es unmöglich, einzelne Gene einzelnen Verhaltensweisen zuzuordnen, in der Hoffnung, wichtige Tatsachen zu vermitteln“ (Medina 2002: 22).

2.2. Problematik des Einflusses der Kultur

Als zweites Problemfeld führt der Gentechniker die wichtige Rolle der Kultur in der Gestaltung des Verhaltens an. Der Cortex, also die das Gehirn bedeckende Großhirnrinde, ist Ort der Verarbeitung menschlicher Funktionen, z.B. Sprache zu benutzen oder „mit Hilfe unseres nützlichen opponierbaren Daumens unsere Umwelt manipulieren [zu] können“ (Medina 2002: 23). Durch diese und ähnliche Fähigkeiten ist der Mensch in der Lage, soziale Organisation aufzubauen und „das Konzept der Kultur“ (ebd.) in einzelnen Gruppen zu bilden. Das als neuronale Plastizität[2] bekannte Phänomen zeigt, dass die Kultur Einfluss auf das Organ Gehirn und dadurch auf menschliches Verhalten hat. Andersherum hat Kultur aber keinen im engeren Sinne genetischen Ursprung. Medina möchte sich in seinem Buch allerdings auf die Biologie beschränken (vgl. Medina 2002: 24). Er führt an, dass viele Emotionen evolutionären Ursprungs sind, da „das Gehirn vor allem auch als Überlebensorgan funktioniert“ (Medina 2002: 25) und Gefühle hervorruft, die das Überleben sichern und dadurch auch die Möglichkeit, die eigenen Gene weitergeben zu können, indem diese Gefühle zu bestimmten Handlungen motivieren. „Wenn unser Gehirn wirklich spezifische Motivationen entwickelte, um in einer feindlichen Welt zu überleben, dann muss die diese Verhaltensweise vermittelnde neuronale Architektur das Werk unerbittlicher natürlicher Selektion sein“, führt der Forscher den Gedanken weiter (Medina 2002: 26). Gewisse Motivationen sind in ähnlicher Form auch bei Tieren zu beobachten, die sich ja auch bestimmten Umweltbedingungen anpassen müssen, um zu überleben (vgl. ebd.).

2.3. Ausbildung eines Arbeitsmodells

2.3.1. Systematische Voraussetzungen

Um sich nun trotz der genannten Komplexitäten „in das genetische Inferno stürzen“ (Medina 2002: 27) zu können, bedarf es eines Arbeitsmodells. Zunächst kann festgehalten werden, dass bestimmte Motivationen als biologisch gesetzte Größen im Gehirn feststehen. Des Weiteren findet „LeDoux´ zweiteiliges Modell von den bewussten emotionalen Erfahrungen, etwa den Gefühlen“ (ebd.) Eingang in das Arbeitsgerüst. LeDoux[3] war davon überzeugt, dass emotionale Erfahrungen ein Resultat der bewusst wahrgenommenen Stimulierung eines „Emotionssystems“ (ebd.) im Gehirn sind. Emotionssysteme sind Verbände aus Geweben, Genen und Neutronen, welche auf Reize mit Reaktionen spezifischer Prägung (Hunger, Furcht, sexuelle Erregung…) antworten. „Diese Emotionssysteme sind verknüpft mit einer Idee, die so kompliziert ist, dass niemand so genau weiß, worum es sich handelt; klar ist nur, dass sie existiert“ (Medina 2002: 28), kündigt Medina an. Es handelt sich um das Konzept des Bewusstseins. Für das Bewusstsein, soweit ist die Forschung im Klaren, sind gewisse biologische Komponenten notwenig, es lässt sich nur noch nicht sagen, in welcher Weise diese Komponenten zusammenarbeiten (vgl. ebd.).

[...]


[1]Die Göttliche Komödie (italienisch: Divina Comedia oder Divina Commedia) ist das bekannteste Werk des italienischen Dichters Dante Alighieri […]. Dante begann mit der Niederschrift im Jahre 1307, und beendete das Werk erst kurz vor seinem Tod im Jahre 1321. Die Commedia gilt als bedeutendste epische Dichtung der italienischen Literatur, und als eines der herausragenden Werke der Weltliteratur. Es ist zudem das erste große Werk in italienischer Sprache, die als Literatursprache von Dante erst aus seinem toskanischen Idiom entwickelt werden musste. Der Zusatz göttlich (italienisch divina) wurde erst 20 Jahre später, also lange nach Dantes Tod, von Giovanni Boccaccio geprägt. […] Die Commedia besteht aus drei Teilen (cantiche, große Abschnitte, die zum Teil auch als 'Bücher' bezeichnet werden): Inferno (Hölle), Purgatorio (Fegefeuer), und Paradiso (Paradies), die wiederum aus 34, 33, und 33 Gesängen bestehen (canti, Kapitel). Die prägnante Zahl 9 ist bei Dante durchgängig in allen Werken zu finden und basiert auf einer theologischen Aussage. Die 3 ist die Zahl Gottes, wobei sich bei der 9 die heilige Trinität mit sich selbst multipliziert. Da alles miteinander verknüpft ist, kann man die Divinia Commedia als göttliches ganzes verstehen. […]“ zitiert aus: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die am 02.09.2006

[2] „Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von einzelnen Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit der Verwendung in ihren Antworteigenschaften zu verändern. In Abhängigkeit des betrachteten Systems spricht man von synaptischer Plastizität oder kortikaler Plastizität.“ zitiert aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Neuronale_Plastizit%C3%A4t am 09.09.2006

[3]Joseph LeDoux (* 1949) ist ein US-amerikanischer Psychologe und Neurowissenschaftler. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Emotionspsychologie insbesondere die nicht-pathologischen Angst. Er ist Professor am Center for Neural Science an der New York University. […] Nach LeDoux lösen emotionsevozierende Reize zwei Prozesse im Zentralnervensystem aus, die beide ihren Ursprung im Thalamus haben und danach jeweils entlang einer eigenständigen Route verlaufen. Das emotionale Prozessieren ist der schnelle Abgleich des Reizes mit groben Reizmustern zur Kategorisierung als gefährlich/ungefährlich. Diesen Weg nennt LeDoux "Quick and Dirty". Er dient zur Vorbereitung schneller Reaktionen (z.B. Flucht) und ist fehleranfällig. Für das emotionale Prozessieren ist hauptsächlich die Amygdala zuständig. Die Kategorisierung findet nicht auf Grundlage angeborener sondern erlernter Reizmuster statt. Die Amygdala habituiert erfahrungsbedingt, also kann man von der Amygdala als emotionalem Gedächtnis sprechen. Den zweiten Prozess nennt LeDoux kognitives Prozessieren. Er dient zur Kontrolle der beim emotionalen Prozesieren gewonnenen Information und ist Zeitaufwändiger. Dieser Prozess beginnt am Thalamus und verläuft über den Präfrontalen Cortex, sowie auf einer Nebenroute über den Hippocampus.“ zitiert aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_LeDoux am 09.09.2006

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Gefühl des Neids
Untertitel
die Blickwinkel des Genetikers John Medina und der Psychologen Christophe André und François Lelord im Vergleich
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Souiologie)
Veranstaltung
Wer oder was bestimmt unser Verhalten?
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V87543
ISBN (eBook)
9783638022590
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gefühl, Neids, Verhalten
Arbeit zitieren
Silke Wellnitz (Autor:in), 2006, Das Gefühl des Neids, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87543

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Gefühl des Neids



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden