Die vorliegende Arbeit untersucht die theologischen Konzepte sowohl des christlichen „heiligen Krieges“ als auch des islamischen „ğihāds“. Beide Konzeptionen erfuhren im Laufe der Jahrhunderte starke inhaltliche Veränderungen, die in Reaktion auf die jeweiligen politischen Realitäten modifiziert und angepasst werden mussten. Bedingt durch die oftmals zweideutigen, mitunter sogar gegensätzlichen Aussagen der Bibel und des Korans hinsichtlich Gewaltanwendung und Friedensausübung, waren und sind dem interpretatorischen Spielraum bei der Auslegung einzelner Textstellen kaum Grenzen gesetzt. Im Gegensatz zum Islam, bei dem der „ğihād-Gedanke“ bereits von den frühesten Anfängen an eine wesentliche Rolle einnahm, wurde innerhalb des Christentums die Idee des „heiligen Krieges“ erst wesentlich später ausformuliert. Unter „heiligem Krieg“ soll – entsprechend der Definition C. Erdmanns – nur diejenige kriegerische Betätigung verstanden werden, deren spezifische Ursache die Religion bildet. D. h., kriegerische Betätigungen, die mit dem Beistand Gottes oder der Heiligen geführt wurden, oder solche, die geweihte Gegenstände mit in die Kampf-handlungen führten, fallen nicht unbedingt in die Kategorie „heiliger Krieg“.
Im nun Folgenden wird zunächst der „heilige Krieg“ aus christlicher Perspektive, daran anschließend das diesbezügliche Verständnis aus islamischer Sicht behandelt, wobei insbesondere die wichtigsten und nachhaltigsten konzeptionellen Veränderungen bzw. Brüche im Mittelpunkt der Ausführungen stehen werden.
Zwei Aussagen Jesu könnten die vermeintlich pazifistische Botschaft des Neuen Testaments bekräftigen: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ In ähnlich starkem Kontrast zur Verständniswelt des Alten Testaments steht die zweite Aussage: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet;“ Darf man diese überlieferten Worte noch als eine rein pazifistische Grundstruktur der Botschaft Jesu auslegen, so lässt folgende Aussage jedoch entgegengesetzte Interpretationen zu: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Idee des „heiligen Krieges“ im Christentum
- Urchristentum
- Vom gerechten zum „,heiligen“ Krieg
- Gratian, Thomas von Aquin und Martin Luther
- Neuzeitliche Konstruktionen vom „heiligen Krieg“
- Die Befreiungskriege von 1813-1815
- Der Erste Weltkrieg
- Das islamische Konzept des „ģihād“
- Klassische „ğihād-Konzeption“ zu Lebzeiten Muhammads
- Klassische,,ģihād-Konzeption“ nach Muhammads Tod
- Verdienst und Lohn beim Kampf gegen Ungläubige
- ,,ğihād“ und Kolonialismus
- Die Antwort der Modernisten auf westliche Domination
- Die Antwort der Fundamentalisten auf westliche Domination
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die theologischen Konzepte des christlichen „heiligen Krieges“ und des islamischen „ğihāds“. Die Arbeit analysiert die historischen Entwicklungen und Veränderungen dieser Konzepte im Kontext der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen. Dabei wird insbesondere auf die Interpretationen der Bibel und des Korans im Hinblick auf Gewaltanwendung und Friedensausübung eingegangen. Die Arbeit beleuchtet die unterschiedlichen Auslegungen und die daraus resultierenden konzeptionellen Brüche.
- Historische Entwicklung des christlichen „heiligen Krieges“
- Die Entwicklung des islamischen „ğihād-Konzepts“
- Interpretationen der Bibel und des Korans im Hinblick auf Gewalt
- Konzeptionelle Veränderungen und Brüche im Verständnis von Krieg und Frieden
- Die Rolle des „heiligen Krieges“ und des „ğihād“ im Kontext politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und erläutert die Forschungsfrage.
- Kapitel 2 beleuchtet die Entwicklung des „heiligen Krieges“ im Christentum, beginnend mit der Sichtweise des Urchristentums. Es analysiert die Argumentation von Schlüsselfiguren wie Augustinus und die Herausforderungen, die mit der Integration des Christentums in das Römische Reich verbunden waren.
- Kapitel 3 erörtert das islamische Konzept des „ģihād“. Es untersucht die klassische „ğihād-Konzeption“ zu Lebzeiten Muhammads und nach seinem Tod, sowie die verschiedenen Bedeutungsaspekte des „ģihād“ im Laufe der Geschichte.
Schlüsselwörter
„Heiliger Krieg“, „ğihād“, Christentum, Islam, Gewalt, Frieden, Theologie, Geschichte, Interpretation, Bibel, Koran, Kolonialismus, Modernismus, Fundamentalismus
- Arbeit zitieren
- Magister Thorsten Reuter (Autor:in), 2006, Christlicher "heiliger Krieg" und "Jihad" im Islam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87711