Das bürgerliche Engagement ist seit einigen Jahren ins Zentrum der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Ein neues Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft wurde konstatiert. Nicht der Staat alleine, mit seiner überbordenden Bürokratie, ist in dieser Sicht für die Sicherstellung von Gemeinwohl, Recht und Ordnung zuständig, sondern auch die gesellschaftlichen Akteure. Auch wenn die Kommunen in früheren Zeiten eher als Ordnungskommunen charakterisiert werden mussten und sich nach Banner erst in den letzten Jahren durch Verwaltungsreformen zu bürgerorientierten Dienstleistungskommunen gewandelt haben, spielte das bürgerliche Engagement im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung schon lange eine wichtige Rolle.
Noch im Jahr 1997 konstatiert Gabriel, dass das „Wissen über den betreffenden Gegenstand außerordentlich begrenzt [ist]: über das Verhältnis der Bevölkerung zur kommunalen Selbstverwaltung“. Um dieses Dickicht der kommunalen Beteiligungsformen ein Stück weit zu erhellen, wird in dieser Arbeit eine kommunalpolitische Besonderheit untersucht. Die Esslinger Bürgerausschüsse zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass sie schon über 50 Jahre bestehen und andererseits dadurch, dass die Stadt Esslingen die Bürgerausschüsse seit der Gründung des ersten Bürgerausschusses im Jahr 1948, als Teilhaber an der kommunalen Willensbildung anerkennt.
Da in den Bürgerausschüssen seit den Gründungsjahren regelmäßig ungefähr 160 Menschen partizipieren, ist aus demokratietheoretischer Sicht notwendig, die klassischen Fragen der Politikwissenschaft zu stellen und zu beantworten: Wer partizipiert warum in den Bürgerausschüssen?
Um die Determinanten der politischen Partizipation in den Bürgerausschüssen herausfinden zu können, wird in dieser Arbeit das Civic Voluntarism Modell von Verba/Schlozman und Brady (1995) zugrunde gelegt. Die wissenschaftliche Relevanz des Themas liegt nun nicht nur darin begründet, dass eine auf nationaler Ebene bestätigte Theorie auf lokaler Ebene getestet wird. Die wissenschaftliche Bedeutung ergibt sich daraus, dass eine Theorie, die angelegt wurde, um Unterschiede zwischen Partizipanten und Nichtpartizipanten zu erklären auf eine Gruppe von Partizipanten angewendet wird. Damit wird untersucht, ob sich die Unterschiede innerhalb einer homogenen Partizipantengruppe auf die gleichen Bestimmungsgrößen zurückführen lassen, die von Verba/Schlozman und Brady zwischen Partizipanten und Nichtpartizipanten identifiziert wurden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bürgerausschüsse in Esslingen
- Geschichtlicher Hintergrund
- Gründung nach 1945
- Die Bürgerausschüsse im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung
- Die Bürgerausschüsse im Rahmen der Partizipationsforschung
- Verständnis von Partizipation
- Bürgerausschüsse und das Konzept der politischen Partizipation
- Entwicklung der Vorstellung von politischer Partizipation
- Typologie politischer Aktionsstile
- Verortung der Aktivität in Bürgerausschüssen in einer Erklärungsmmodelle der Partizipationsforschung
- Motive für die Untersuchung der kommunalpolitischen Partizipation
- Forschungsstand
- Das Ressourcen-Sozialisations-Mobilisierungs Modell von Verba, Schlozman und Brady
- Ressourcen
- Motive
- Netzwerke
- Hypothesen
- Empirische Untersuchung
- Die Partizipanten der Bürgerausschüsse
- Erhebung
- Deskriptive Untersuchung der unabhängigen Variablen
- Ressourcen
- Motive
- Netzwerke
- Empirische Überprüfung der Hypothesen
- Überprüfung der Annahme der Existenz von drei unterscheidbaren Prädiktoren politischer Beteiligung in den Bürgerausschüssen
- Test des Einflusses der drei Faktoren zur Erklärung der Partizipation in den Bürgerausschüssen
- Vermitteln die Bürgerausschüsse prosoziale oder demokratische Einstellungen?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Funktion und Bedeutung von Bürgerausschüssen in der Stadt Esslingen. Sie untersucht die Rolle dieser Institutionen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und der politischen Partizipation. Dabei wird die Bedeutung der Bürgerausschüsse für die kommunale Entwicklung und die gesellschaftliche Integration beleuchtet.
- Die Rolle der Bürgerausschüsse in der kommunalen Selbstverwaltung
- Die Partizipationsmöglichkeiten durch Bürgerausschüsse
- Die Motivlagen und Ressourcen der Bürgerausschussmitglieder
- Der Einfluss von Bürgerausschüssen auf politische Entscheidungen
- Die Wirkung von Bürgerausschüssen auf gesellschaftliche Einstellungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Bürgerausschüsse in Esslingen ein und stellt den Forschungsgegenstand in den Kontext der aktuellen Debatte über bürgerschaftliches Engagement und kommunale Selbstverwaltung. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Bürgerausschüsse in Esslingen und ordnet sie in den Rahmen der Partizipationsforschung ein.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Struktur und dem Funktionsweise der Bürgerausschüsse. Es werden die verschiedenen Formen und Ebenen der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland und die spezifische Rolle der Bürgerausschüsse in Esslingen dargestellt.
Das dritte Kapitel beleuchtet die theoretischen Grundlagen der politischen Partizipation. Es wird auf die verschiedenen Typen der politischen Partizipation eingegangen und die Motivation der Bürger für politisches Engagement diskutiert.
Das vierte Kapitel analysiert die empiri-schen Daten der Untersuchung. Es werden die demographischen Eigenschaften der Bürgerausschussmitglieder und ihre Motive für das Engagement in den Bürgerausschüssen untersucht.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Ergebnissen der Untersuchung und den Implikationen für die kommunalpolitische Praxis.
Schlüsselwörter
Bürgerausschüsse, kommunale Selbstverwaltung, politische Partizipation, bürgerschaftliches Engagement, Esslingen, Motive für Engagement, Ressourcen, Netzwerke, demokratische Einstellungen, empirische Untersuchung.
- Arbeit zitieren
- Thomas Jung (Autor:in), 2007, Bürgerausschüsse in Esslingen - Theorie und Praxis kommunaler Partizipation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87803