Die postmoderne Literatur lädt ein zu Spritztouren: ,,Wunderschöne Antike" oder ,,Romantische Literatur in drei Tagen". Für die Anspruchsvolleren hat sie auch Bildungsreisen ,,zu den Entstehungsstätten der Semiotik" oder ,,quer durch die viktorianische Literatur" im Programm. So wie die Kulturdenkmäler für den Tourismus gerettet werden, rettet die Postmoderne die Mythen der Moderne für den Bestsellermarkt, [...].Wie Fliegen in Bernstein, so tot und so schön sind die Worte der postmodernen Literatur, denn sie hält es mit allem Erstarrten: Ihr Rohmaterial holt sie sich vom Friedhof der europäischen Kultur und baut es zu Monstern zusammen, die zwar nicht so recht lebendig werden wollen, geschminkt und parfümiert aber immerhin vergessen lassen, daß sie bereits in den Zustand der Verwesung übergehen. Karin Fleischanderls polemische Charakterisierung verweist hier bereits - wenn auch sehr überspitzt - auf die Problematik der Konzeption und Rezeption von Literatur im Zeitalter der sogenannten ,,Postmoderne" (als Epochenbezeichnung ohnehin umstritten und schwierig zu definieren). Den Autoren ,,postmoderner Literatur"3 wird häufig zum Vorwurf gemacht, sie arrangierten - da vermeintlich nichts Neues mehr hervorgebracht werden könne - literaturgeschichtliche Fragmente zu an sich belanglosen und oberflächlichen Trivialtexten. Richtig ist: Als Resultat aus den soziokulturellen Rahmenbedingungen der Postmoderne, welche die europäische und amerikanische Literatur seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts beeinflussen, erfreut sich die literarische Tradition in Form von Mythen oder formalen und inhaltlichen historischen Bezügen gegenwärtig großer Beliebtheit.
Gerade in der englischen Literatur finden sich in den letzten Jahrzehnten zahllose innovative, von der Kritik und dem breiten Lesepublikum gleichermaßen anerkannte Werke mit mehr oder weniger postmodernistischen Charakteristika. Dabei fällt jedoch durchaus auf - wie auch Fleischanderl erwähnt -, daß die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und insbesondere mit der viktorianischen Epoche eine entscheidende Rolle in der zeitgenössischen Literatur zu spielen scheint. Ansgar Nünning schreibt 1998 über die Entwicklung des historischen Romanes in Großbritannien: Im englischen Roman der Gegenwart sind eine solch prononcierte Hinwendung zur Geschichte und Reflexion über Grundprobleme historischer Sinnbildung zu verzeichnen, dass man mit Fug und Recht von einer Renaissance des historischen Romans sprechen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in die thematischen Schwerpunkte und methodische Verfahrensweise der Arbeit
- Kulturgeschichtlicher Hintergrund und gattungstheoretische Grundlagen
- DAS PHÄNOMEN „POSTMODERNE“
- Moderne contra Postmoderne? Der Weg zum postmodernen Zeitalter
- Zur Begriffsbestimmung
- Die Aufgabe der Kunst
- Literatur in der Postmoderne
- Zur Entwicklungsgeschichte
- Metafiktion
- Intertextualität
- Moderne contra Postmoderne? Der Weg zum postmodernen Zeitalter
- DER POSTMODERNE HISTORISCHE ROMAN IN ENGLAND
- Zur Geschichte des historischen Romans
- Das Erbe Walter Scotts
- Postmoderne Einflüsse - Der New Historicism und hybride Genres
- Typologisierungsansätze
- Linda Hutcheon
- Ansgar Nünning
- Weitere Typologisierungsansätze
- Zur Geschichte des historischen Romans
- DAS PHÄNOMEN „POSTMODERNE“
- Viktorianische Geschichte(n): Analyse und Vergleich zweier Romane
- JOHN FOWLES: THE FRENCH LIEUTENANT'S WOMAN
- Einführung
- Ein Viktorianer auf Abwegen
- Fowles und die postmoderne Literaturkrise
- Die formale Auseinandersetzung mit dem Viktorianismus
- Wer ist wer? Erzählperspektiven in The French Lieutenant's Woman
- Fowles intertextuelle Verfahrensweisen
- „I have deceived you“ - Zum Verhältnis von Text und Leser
- Tradition als Innovation? Resümee der formalen Verfahrensweise
- Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Viktorianismus
- Ironie und Kontrast - Zur Unkonventionalität der historischen Darstellung
- Der Glaube an die individuelle Evolution
- Zusammenfassung und Typologisierung
- Zwischen Tradition und Neuanfang - Postmodernistische Tendenzen
- Ein postmodernistischer historischer Roman?
- Einführung
- ANTONIA SUSAN BYATT: POSSESSION
- Besessen von Literatur: Zur Einführung
- Formale Aspekte
- Viktorianische Spiegelungen - Die Handlungsebenen in Possession
- Mythen, Märchen und Motive: Intertextualität und Pastiche
- Zur Gattungskontamination in Possession
- Formaler Realismus oder postmodernistisches Konzept?
- Die Wechselwirkung der Epochen: Zur Geschichtsdarstellung in Possession
- Historische Identifikation und individuelle Entwicklung
- Das zyklische Geschichtsbild Giambattista Vicos
- Die textuelle Abhängigkeit historischer Wahrheit(en)
- Wie man sich aus einem „postmodernistischen Gefängnis“ befreit...
- Die Parodie auf die Wissenschaft
- Byatts „Überwindung“ der postmodernen Misere
- Zusammenfassung und Typologisierung
- Back to the Roots?
- Ein „post-postmodernistischer“ Roman
- WEITERENTWICKLUNG ODER LITERARISCHER „RÜCKSCHRITT“? - VERGLEICH UND EINORDNUNG BEIDER ROMANE
- Allgemeiner Vergleich
- Das literarische Erbe - Formale Charakteristika
- Evolution und Feminismus - Inhaltliche Aspekte
- Postmoderne Geschichte(n): Zum Vergleich des Geschichtsbildes
- Die Wahl der viktorianischen Epoche
- Existentialismus und Emotion - Die didaktische Grundlage
- Fowles und Byatt im Kontext der literarischen Postmoderne
- Allgemeiner Vergleich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Interaktion zwischen der viktorianischen Epoche und der Postmoderne im zeitgenössischen englischen Roman. Im Zentrum steht die Analyse von John Fowles' "The French Lieutenant's Woman" und Antonia Susan Byatts "Possession", um zu beleuchten, wie die Autoren sich formal und inhaltlich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und die literarische Situation der Postmoderne reflektieren.
- Die Auswirkungen der Postmoderne auf die literarische Praxis
- Die Auseinandersetzung mit der viktorianischen Epoche im zeitgenössischen Roman
- Die Rolle von Intertextualität, Metafiktion und historischer Rekonstruktion in der postmodernen Literatur
- Die unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze der beiden Autoren
- Die Relevanz der viktorianischen Epoche für die zeitgenössische Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Problematik der „Postmoderne“ und den Einfluss postmodernistischer Ansätze auf die Literatur. Es folgt eine Analyse von John Fowles' "The French Lieutenant's Woman", die auf die formalen und inhaltlichen Strategien des Autors eingeht, um die viktorianische Epoche zu thematisieren.
Die Analyse von Antonia Susan Byatts "Possession" beleuchtet die komplexen Interaktionen zwischen verschiedenen Zeitebenen, literarischen Traditionen und historischen Perspektiven. Es wird untersucht, wie die Autorin die viktorianische Epoche in einem postmodernen Kontext neu interpretiert.
Abschließend werden die beiden Romane verglichen und eingeordnet, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrer Auseinandersetzung mit der Postmoderne und der viktorianischen Epoche herauszuarbeiten.
Schlüsselwörter
Postmoderne Literatur, Historischer Roman, Viktorianische Epoche, Intertextualität, Metafiktion, New Historicism, John Fowles, Antonia Susan Byatt, „The French Lieutenant's Woman“, „Possession“
- JOHN FOWLES: THE FRENCH LIEUTENANT'S WOMAN
- Arbeit zitieren
- Manuela Knetsch (Autor:in), 2001, Postmoderne Geschichte(n): Zur Wechselwirkung zweier Epochen im zeitgenössischen englischen Roman, John Fowles The French Lieutenant's Woman und Antonia Susan Byatts Possession, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8792