Martin Walser wird oft vorgeworfen, die Charaktere seiner Werke seien zu konstruiert und mit Symbolen überladen . Eine Figur, bei der dies offensichtlich der Fall ist, ist Wolf Zieger in der 1987 erschienenen Novelle „Dorle und Wolf“.
Walser zieht in diesem Roman eine starke Parallele zwischen der deutschen Teilung und seinem Protagonisten Wolf, indem er Wolf als einen Menschen beschreibt, der in psychischer Hinsicht so zerrissen ist wie Deutschland in geographischer: Wolf Zieger ist hin und her gerissen zwischen der DDR und der BRD, zwischen seiner Frau Dorle und seiner Geliebten Sylvia und legt auch in anderen Dingen ein etwas zwiespältiges Verhalten an den Tag. Er ist die Personifikation des Themas der Novelle: der deutschen Teilung.
Wolfs innere Zerrissenheit, das Gefühl der Spaltung, häufig zwischen etwas, das er als gut ansieht, und etwas, das ihm verwerflich scheint, führt dazu, dass seine Gedanken und Handlungen für den Leser nicht immer nachvollziehbar und verständlich sind. Oft entsteht der Eindruck, Walser ließe seine Hauptfigur einzig und allein nach dem Prinzip der Zerrissenheit agieren. Die Gespaltenheit Wolfs Charakters soll als eine Konsequenz der deutschen Teilung und des dadurch bedingten Identitätsverlustes dargestellt werden.
Doch die starre Darstellung Wolfs als einen in jeder Hinsicht gespaltenen Menschen führt dazu, dass er als Charakter unglaubwürdig und unverständlich wird. Oft wird nicht klar, warum Wolf wie handelt. Es scheint manchmal sogar so, als wisse er es selbst nicht so genau. Nicht nur Wolfs Handeln, sondern auch seine Emotionen scheinen sehr verworren und undeutlich. Oft schlagen sie ohne offensichtlichen Grund von einem Extrem ins andere um.
Im Folgenden soll nun Wolf Ziegers Charakter näher betrachtet und analysiert werden, vor allem im Hinblick auf seine innere Zerrissenheit, die, wie schon erwähnt, eine besonders wichtige Rolle spielt.
Wolfs Verhältnis zu seiner Frau Dorle ist auf der einen Seite geprägt von Liebe, auf der anderen von Ehebruch und Rücksichtslosigkeit, z.B. auf ihren Kinderwunsch . Außerdem vernachlässigt er sie zugunsten seiner Spionagearbeit.
Wolfs Liebe ist ziemlich unbeständig. Er selbst empfindet die Sache so, als ob er Dorle immer nur dann liebt, wenn er sie nicht bei sich hat, das heißt, wenn er bei seiner Geliebten Sylvia ist. Wolf ist nicht dazu bereit, das Verhältnis zu Sylvia zu beenden, obwohl ihn Gewissensbisse quälen und er sich selbst für seinen Ehebruch verurteilt.
Inhaltsverzeichnis
- Wolf als konstruierter Charakter
- Wolfs Charakter
- Wolfs Zerrissenheit in der Beziehung zu Dorle
- Wolfs Zerrissenheit in der Beziehung zu Sylvia
- Wolfs Identitätsverlust durch die deutsche Teilung
- Wolfs Verfolgungswahn
- Wolfs Fremdbestimmtheit
- Wolfs Naivität während seines Prozesses
- Hinweise auf psychotische Störungen bei Wolf
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Figur Wolfgang Zieger in Martin Walsers Novelle „Dorle und Wolf“ mit dem Ziel, ein Psychogramm dieser komplexen Figur zu erstellen. Die Arbeit untersucht dabei die innere Zerrissenheit Wolfs, die durch die deutsche Teilung, seine Beziehungsprobleme und seine spionagebedingte Fremdbestimmtheit geprägt ist.
- Die Darstellung der deutschen Teilung als Spiegelbild der inneren Zerrissenheit des Protagonisten
- Wolfs gespaltene Identität und seine Identitätsdiffusion durch die deutsche Teilung
- Wolfs komplizierte Beziehungen zu seiner Frau Dorle und seiner Geliebten Sylvia
- Die Rolle von Spionage und Überwachung im Leben des Protagonisten
- Mögliche psychotische Störungen und ihre Auswirkungen auf Wolfs Handeln und Denken
Zusammenfassung der Kapitel
1. Wolf als konstruierter Charakter
Dieses Kapitel untersucht den Aufbau von Wolfs Charakter und argumentiert, dass er stark konstruiert und mit Symbolen überladen ist. Die deutsche Teilung wird als Parallele zu Wolfs psychischer Zerrissenheit dargestellt.2. Wolfs Charakter
Dieser Abschnitt widmet sich den verschiedenen Facetten von Wolfs Charakter, insbesondere seiner inneren Zerrissenheit, die in seinen Beziehungen zu Dorle und Sylvia, sowie in seiner Identität und seinem Verhalten zum Ausdruck kommt.2.1. Wolfs Zerrissenheit in der Beziehung zu Dorle
Hier wird die widersprüchliche Beziehung zwischen Wolf und seiner Frau Dorle analysiert, die durch Liebe, Ehebruch und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet ist. Wolf kämpft mit seinem schlechten Gewissen und dem Wunsch, die Affäre mit Sylvia zu beenden, doch gleichzeitig ist er von Dorle abhängig.2.2. Wolfs Zerrissenheit in der Beziehung zu Sylvia
Dieser Abschnitt behandelt Wolfs kompliziertes Verhältnis zu seiner Geliebten Sylvia und die Frage, ob er sie aus Liebe oder aufgrund der Protokollkopien aufsucht. Die Unsicherheit und Widersprüche in seinem Verhalten werden beleuchtet.2.3. Wolfs Identitätsverlust durch die deutsche Teilung
Dieses Kapitel untersucht, wie die deutsche Teilung zu Wolfs Identitätsverlust beiträgt. Seine Entscheidung, sich den Behörden zu stellen und seine Spionage-Tätigkeit zu beenden, wird als Schritt zur persönlichen Wiedervereinigung und als symbolischer Weg für die deutsche Wiedervereinigung interpretiert.2.4. Wolfs Verfolgungswahn
Dieser Teil widmet sich Wolfs paranoider Wahrnehmung und seinem Verdacht, dass er verfolgt wird.2.5. Wolfs Fremdbestimmtheit
Dieser Abschnitt untersucht Wolfs Abhängigkeit von anderen und seine geringe Kontrolle über sein eigenes Leben.2.6. Wolfs Naivität während seines Prozesses
Hier wird Wolfs naives und unüberlegtes Verhalten während seines Prozesses beleuchtet.3. Hinweise auf psychotische Störungen bei Wolf
Dieses Kapitel untersucht mögliche Hinweise auf psychotische Störungen bei Wolf und ihre Auswirkungen auf seine Persönlichkeit und sein Handeln.Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Psychogramm der Figur Wolfgang Zieger aus Martin Walsers Novelle „Dorle und Wolf“. Die Analyse konzentriert sich auf die Darstellung der deutschen Teilung als Spiegelbild von Wolfs innerer Zerrissenheit, seine gespaltene Identität und die Rolle von Spionage, Überwachung und möglichen psychotischen Störungen in seinem Leben. Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Identitätsdiffusion, Fremdbestimmtheit und der Ambivalenz von Liebe und Treue.- Arbeit zitieren
- Christine Reff (Autor:in), 2002, „Geteilt wie Deutschland“ - Ein Psychogramm der Figur Wolfgang Zieger aus Martin Walsers Novelle „Dorle und Wolf“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88020