Amin al Husaini - Über sein politisches Wirken im Nahen Osten und die Zusammenarbeit mit Adolf Hitler


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

30 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

Diese Hausarbeit behandelt eine der wohl umstrittensten Persönlichkeiten arabischer Politiker. Eine eigentlich vergessene Person, deren Namen nur noch zu Propagandazwecken aufgegriffen wird. Für die Einen ein Held und Symbol des Freiheitskampfes, für die Anderen ein Faschist und lebender Beweis für den „arabischen Antisemitismus“ und für wieder andere ein machtbesessener, korrupter Narzisst. Es wundert also nicht, dass man ausgerechnet auf www.shoa.de einen ausführlichen Bericht über al-ÍusainÐs Kollaboration mit Hitler nachschlagen kann und es wundert ebenfalls nicht, dass es meist zionistische bzw. israelische Autoren sind, die gerne an die vermeintliche Zusammenarbeit „der Araber“ mit den Nazis erinnern. Sogar die Sendung „Report München“ lässt sich auf solch ein unsachliches Niveau herab und kommt beim Sender ARD in einem Fernsehbeitrag mit dem Titel „Halbmond und Hakenkreuz. Der Großmufti und sein Erbe“ zu einer Fehldarstellung, bei der die Reporterin den Beitrag mit folgenden Worten einleitet:“Beirut in Trümmern, Raketen auf Haifa; wieder einmal brennt es im Nahen Osten. Die radikal schiitische Hisbollah und die Hamas kämpfen gemeinsam gegen den verhassten Judenstaat Israel. Die Wurzeln für diesen Hass reichen weit zurück in die Vergangenheit: Hitlers Rassenwahn hat Hochkonjunktur. Report München liegen dazu neue Dokumente vor. Mike L. und Stefan M. zeigen wie der Antisemitismus bereits während des zweiten Weltkrieges verpflanzt wurde ! “ Nach dieser Einführung läuft ein kurzer Bericht über den Besuch AmÐn al ËusainÐs bei Adolf Hitler, der dann mit einer Beschreibung heutiger Antisemiten endet, nämlich so „ (...) wie Irans Staatschef Ahmadinejad ! Immer wieder leugnet er vor aller Welt den Holocaust. An seinem Gängelband hängt die libanesische Hisbollah.“ Und so schließt sich der Kreis. Dies ist nur ein Beispiel für die Instrumentalisierung des Mythos al-ÍusainÐ .

In der arabischen Literatur lässt sich dagegen wenig über al ËusainÐs Zeit in Deutschland lesen, was wiederum daran liegt, dass die Quellen meist mangelhaft sind[1] (und die Araber kein wirkliches Interesse daran haben an diese Zeit zu erinnern).

Doch war al-ÍusainÐ ein „Judenhasser“, oder sogar ein „Nazi“? Um dies ansatzweise beantworten zu können und die vorliegende Hausarbeit überhaupt möglich zu machen, bestand der größte Teil meiner Arbeit darin, glaubwürdige Quellen zu finden. Die Person AmÐn al-ÍusainÐ wird von vielen so dargestellt, wie es in ihre politische bzw. subjektive historische Sicht passt. Von den Einen verharmlost und von den Anderen dämonisiert.

Deshalb warnt René Wildangel in einer Anmerkung:[2] „Populäre wie wissenschaftliche Darstellungen sind z.T. fehlerhaft bzw. stellen Behauptungen auf, für die keine Quellenbelege geliefert werden können (z.B. ËÁÊÊ AmÐns angebliche Besuche in verschiedenen Konzentrations- und Vernichtungslagern, u.a. Auschwitz), oder sie enthalten unhaltbare Übertreibungen (der Mufti habe eine zentrale Rolle in der Vernichtungspolitik gespielt).“

Diese Hausarbeit behandelt das politische Leben al-ËuainÐs und wird verdeutlichen, dass seine Person zu Unrecht nur auf „den Freund der Nazis“ reduziert wird.

2. Al ÍÁÊÊ Mu Î ammad Am Ð n al- Í usain Ð

„Hadsch Mohammed Amin al-Husaini“, in der westlichen Welt bekannt als „der Großmufti von Jerusalem“, wird im Jahre 1893 in Jerusalem geboren und gilt als der bekannteste arabische Nationalist zur Mandatszeit in Palästina.

Den Titel des „ÍÁÊÊГ erhielt al-ÍusainÐ nach seiner ersten Pilgerfahrt nach Mekka (dem ÍaÊÊ) im Jahre 1913 und verdiente sich den Status eines islamischen Gelehrten Dank eines Studiums der ŠarÐÝah (islam. Recht) an der Al-Azhar Universität in Kairo.[3] Nicht unbedeutend ist auch seine „nachweisliche Abstammung“[4] von Íusain ibn ÝAlÐ, dem zweiten Sohn Fatimas, der Tochter des Propheten MuÎammads, auf den sich schon mancher Herrscher in der islamischen Welt berufen hat (wie noch heute der König von Marokko oder die Haschemiten in Jordanien), um seine Führungsposition zu legitimieren.

Viel ist über die Jugend al-ÍusainÐs nicht veröffentlicht (bzw. schwer zu ermitteln), jedoch bekannt, dass er bis zu Beginn des ersten Weltkriegs studierte und 1914 in die osmanische Armee eintrat. 1917 verließ er die Armee wieder aus gesundheitlichen Gründen und zog aus der Stadt Izmir, in welcher er stationiert war, zurück nach Jerusalem, wo er bis zum Ende des Krieges verweilte und sich dann dem „Arabischen Aufstand“ anschloss, indem er z.B. mehr als zweitausend Freiwillige für die britische Armee organisierte.[5]

2.1 Der Traum von Groß-Syrien (BÐlÁd al-ŠÁm)

1919 nimmt al-ÍusainÐ am Pan-Syrischen Kongress in Damaskus teil. Er setzt sich stark für die Ernennung des Emirs Faisal I. zum König von Syrien ein, welcher durch den syrischen Nationalkongress am 7. März 1920 auch zum König proklamiert wird.

Faisal I, der ein Mitglied der Dynastie der Haschemiten war, unterzeichnete am 3. Januar 1919 gemeinsam mit dem Präsident des Zionistischen Weltkongresses (WZO), Dr. Chaim Weizmann, das Faisal-Weizmann-Abkommen[6], in dem die arabische Seite die Balfour-Deklaration akzeptiert. Die Balfour-Deklaration unterstützt die zionistische Bestrebung, in Palästina eine "nationale Heimstätte" des jüdischen Volkes zu errichten. Faisal sollte im Gegenzug die Herrschaft über die restlichen Länder des Nahen Ostens erlangen. Bis heute lastet seit diesem Abkommen der Ruf an den Haschemiten, sie hätten Palästina „verkauft“.[7]

Al ËusainÐs Unterstützung des einflussreichen Emirs rührte ebenfalls daher, seine Pan-arabischen Interessen und die vieler anderer in die Realität umsetzen zu wollen: Nämlich die Errichtung des arabischen Staates Großsyrien, jedoch mit Palästina als Südprovinz und Damaskus als Hauptstadt. Großsyrien sollte ein Territorium umfassen, das die heutigen Staaten Syrien, Libanon, Jordanien und Israel, sowie die besetzten Gebiete beinhaltet.

So trat al-ÍusainÐ um 1919 dem arabischen Nationalistenverein al-NÁdÐ al-ÝArabÐ („Der arabische Verein“) in Jerusalem bei und schrieb politische Artikel für die erste palästinensische Zeitung SÙrÐya al-ÉanÙbÐya („Süd-Syrien“).[8]

Was bis dato den Arabern noch nicht bewusst war, ist, dass es bereits ein Abkommen gegeben hat, welches das laut dem „Faisal-Weizmann-Abkommen vorhergesehene arabische Königreich schon Jahre vorher zum Scheitern verurteilte.

Bereits am 16. Mai 1916 kam es nämlich schon zu einer geheimen Übereinkunft zwischen den Regierungen Englands und Frankreichs, durch die ihre Einflusssphären im Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg festgelegt wurden: Das Sykes-Picot-Abkommen.[9]

Frankreich besteht nach neuen Verhandlungen mit den Briten[10] auf die Erfüllung des Vertrags woraufhin sich letztere aus Syrien und dem Libanon zurückzogen und die Franzosen mit der Besetzung Damaskus, dem Sieg über König Faisal I und der damit verbundenen Auflösung Großsyriens, sich diese Gebiete sichern. Großbritannien kontrolliert das heutige Jordanien, Palästina und auch den Irak (in dem, zur Beendigung schwerer Aufstände, Faisal I. später durch die Briten wieder zum Königtum verholfen werden soll und die Haschemiten somit wieder im Nahen Osten „mitregieren“ können).

2.2 AmÐn al ÍusainÐ – Politiker und Führer in Palästina

Nachdem der Traum von Groß-Syrien vorerst nicht mehr umsetzbar schien, konzentrierte sich AmÐn al-ÍusainÐ auf das Geschehen in seinem Heimatland Palästina. Unter den Palästinenserarabern entwickelte sich immer mehr das Bewusstsein, eine eigenständige Nation zu sein, was sich als eine Antwort auf die hohe Einwandererzahl der Juden und die massiven zionistischen Bestrebungen erklären lässt.[11] Die Reaktion auf einen drohenden jüdischen Nationalstaat war zwangsläufig das Festhalten an der Erhaltung eines palästinensischen Nationalstaats.

Am 4. April 1920, an dem wie jedes Jahr die traditionelle Prozession der Muslime zum Schrein des Propheten Moses (NabÐ MÙsÁ) stattfand, kam es während einer antizionistischen Kundgebung zu schweren Ausschreitungen zwischen Muslimen und Juden.[12]

Das Resultat dieser Unruhen waren fünf Tote, 216 Verletzte und 18 Schwerverletzte auf jüdischer Seite, sowie vier Tote, 23 Verletzte und ein Schwerverletzter auf arabischer Seite.[13] Als Reaktion darauf wurden mehr als zweihundert Personen vor das britische Militärgericht gestellt, darunter 39 Juden. AmÐn al-ÍusainÐ wurde wegen Anstiftung zu zehn Jahren Haft verurteilt.[14] Dieses Urteil wurde jedoch in Abwesenheit al-ÍusainÐs gefällt, denn er floh bereits nach den Aufständen nach Syrien.

Doch der Exil Aufenthalt al-ÍusainÐs hielt nicht lange an, denn nachdem 1921 die britische Militärverwaltung Palästinas durch eine Zivilverwaltung abgelöst wurde, hob der erste britische Hochkommissar des Völkerbundmandates Palästina, Sir Herbert Samuel, der selbst Jude war,[15] auf die Bitte von arabischen Politikern im neuen Fürstentum Transjordanien (ebenfalls unter britischem Mandat) das Urteil gegen den Flüchtigen auf. Er ernannte ihn sogar zum Großmufti[16] von Jerusalem, ein Amt, dass die al-Husseini-Familie seit mehr als einem Jahrhundert innehatte.

Im folgenden Jahr verhalf Samuel al-ÍusainÐ endgültig zur höchsten islamischen Position in Palästina, indem er ihn 1922 zum Präsidenten des neu gebildeten obersten islamischen Rates (al maÊlis al islÁmÐ al ÝaÞlÁ) ernannte, der die islamischen Gerichte und Schulen kontrollierte und einen großen Anteil der Gelder aus religiösen Stiftungen (AwqÁf; Sg.: Waqf)) verwaltete.

Dieses Vorgehen Samuels ist wahrscheinlich damit zu begründen, dass er es wohl für sicherer hielt, den bis dato schon sehr einflussreichen AmÐn al-ÍusainÐ als Freund zu gewinnen, als ihn sich zum Feind zu machen. Außerdem erzeugte diese Bevorzugung AmÐns, ganz nach dem Konzept von „Teilen und Herrschen“, ein noch angespannteres Verhältnis zwischen den beiden rivalisierenden und bis heute bekanntesten großen Familien-Clans in Palästina, den al ÍusainÐs und den NašÁšÐbÐs, von denen RÁÈib NašÁšÐbÐ zuvor zum Bürgermeister von Jerusalem ernannt wurde. Eine andere Ansicht ist, dass Samuel eben aufgrund der Ernennung RaÈebs zum Bürgermeister al-ÍusainÐ die genannten Ämter zusicherte, damit beide Familien eingebunden sind und sich versöhnen.[17] Betrachtet man die Wichtigkeit der von AmÐn al ÍusainÐ besetzten Ämter, so muss man trotzdem die Empörung der NašÁšÐbis verstehen, denn al ÍusainÐ war zu jener Zeit erst etwa Mitte 20; in den Augen vieler also noch viel zu jung.

[...]


[1] [1] Das z.B. kürzlich erschienene Buch „Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina“ von Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers, das erstmalig ausführlich (laut Autoren) dieses Thema behandelt, wird aufgrund des Heranziehens umstrittener Quellen und der Subjektivität der Autoren kritisiert (s. „DAVO-Nachrichten“, Band 25, August 2007, S.72)

[2] „Blind für die Geschichte?“ Hrsg. Gerhard Höpp, S. 151

[3] Tom Segev „Es war einmal ein Palästina“ , S.114

[4] Aharon Moshel „…in einer Hand den Ölzweig“ S.48

[5] Tom Segev „Es war einmal ein Palästina“ , S.114

[6] Janet u. John Wallach „Jassir Arafat – Die Biographie“, S.78

[7] auch sein Vater, Hussein ibn Ali (* 1856;† 1931) kämpfte an der Seite der Briten gegen die Osmanen, was ihm das Königtum über den Hedschas (1917-1924) zusicherte. Außerdem sagten ihm die Briten im Januar 1916 zu, nach dem Krieg ein unabhängiges Königreich Arabien unter Einschluss des Iraks und Syriens zu unterstützen. (s. Janet u. John Wallach „Jassir Arafat – Die Biographie“, Heyne Verlag S.75

Olaf Köndgen „Jordanien“ S.49 ff.)

[8] SÙrÐya al-ÉanÙbÐya stand in der Jerusalemer Anfangszeit ab September 1919 unter der Leitung des Rechtsanwalts Mohammed Hassan al-Budairi, und wurde herausgegeben von Arif al-Arif (AmÐns älterer Bruder), beide prominente Mitglieder von al-NÁdÐ al-ÝArabÐ. (Tom Segev „Es war einmal ein Palästina“ S.143)

[9] Das Abkommen wurde im November 1915 von dem französischen Diplomaten François Georges-Picot und dem Engländer Mark Sykes ausgehandelt. England wurde die Herrschaft über ein Gebiet zuerkannt, das ungefähr dem heutigen Jordanien, dem Irak und dem Gebiet um Haifa entspricht. Frankreich sollte die Herrschaft über die Südost-Türkei, den Nordirak, Syrien und den Libanon ausüben. Jedes Land sollte die Staatsgrenzen innerhalb seiner Einflußzone frei bestimmen dürfen. (s. Francesco Gabrieli „Die arabische Revolution“, Verlag M. DuMont Schauberg Köln)

[10] bei der Konferenz von San Remo vom 19. bis zum 26. April 1920 im italienischen Sanremo

[11] Einwanderungsskala s. Anhang

[12] Tom Segev „Es war einmal ein Palästina“ - (Pantheon Verlag Juli 2006) S.142 ff.

[13] Ebenda S.155

[14] Ebenda

[15] Aharon Moshel „…in einer Hand den Ölzweig“ ( FACTA OBLITA Verlag 1988) S.48

[16] Ein „Mufti“ ist ein islamischer Rechtsgelehrter, der in religiösen Fragen ein islamrechtliches Gutachten (Fatwa) aussprechen kann. Der oberste Mufti eines Landes wird oft als Großmufti bezeichnet.

[17] Janet u. John Wallach „Jassir Arafat – Die Biographie“, Heyne Verlag 1994 S.81-82

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Amin al Husaini - Über sein politisches Wirken im Nahen Osten und die Zusammenarbeit mit Adolf Hitler
Hochschule
Universität zu Köln  (Orientalisches Seminar )
Veranstaltung
Der Islam und der Westen im 19. bzw. 20 Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
30
Katalognummer
V88048
ISBN (eBook)
9783638027885
ISBN (Buch)
9783638926133
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amin, Husaini, Wirken, Nahen, Osten, Zusammenarbeit, Adolf, Hitler, Islam, Westen, Jahrhundert, Palästina, Nahost, Huseini, Großmufti, Mufti, Jerusalem, Sykes-Picot-Abkommen, Balfour-Deklaration, Faisal Weizmann Abkommen, Husseini
Arbeit zitieren
Elhakam Sukhni (Autor:in), 2007, Amin al Husaini - Über sein politisches Wirken im Nahen Osten und die Zusammenarbeit mit Adolf Hitler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88048

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