1. Einleitung
Die politische Systembezeichnung „Semipräsidentialismus“, die Maurice Duverger einführte, um das politische System Frankreichs besser charakterisieren zu können - nach Duvergers Auffassung war dieses weder durch Parlamentarismus noch durch Präsidentialismus hinreichend zu beschreiben – hat in der Fachwelt einige Aufmerksamkeit erfahren.
Allerdings wurde sich mehrheitlich kritisch damit auseinandergesetzt; es ging zumeist um die Frage, ob Semipräsidentialismus „Bastard“ oder Regierungsform sui generis sei, treffend formuliert von Bahro und Veser 1995 .
Im Folgenden möchte ich mich insbesondere mit zwei von Duverger als semipräsidentiell bezeichneten Systemen auseinandersetzen – dem Finnlands und dem Frankreichs. Sie sollen anhand eines von Duverger entwickelten Analyseschemas für semipräsidentielle Systeme untersucht und verglichen werden.
Hier stoßen wir auf erneute Probleme, denn darüber hinaus, dass Semipräsidentialismus von vielen Politikwissenschaftlern nicht als eigenständige Form anerkannt wird, wird die Entwicklung Finnland als eine von einem semipräsidentiellen zu einem parlamentarischen System charakterisiert:
„Leadership by presidents has effectively been replaced with leadership by strong majority governments, which have ruled without much effective opposition since the early 1980s“
Als Konsequenz dieser Entwicklung trat 2000 eine Verfassungsänderung in Kraft, welche die Rolle des Präsidenten auch verfassungsrechtlich schwächte und berechtigte Zweifel an einer Klassifizierung Finnlands als semipräsidentiell aufkommen lässt, Raunio formuliert es so:
„As a result of the new constitution, Finland now sits rather uneasily in the semi-presidential category“
Die aufgezeigten Probleme sollen in den folgenden Kapiteln näher erläutert werden, es sollen die Funktionsweisen semipräsidentieller Systeme im Allgemeinen und deren konkretes Funktionieren anhand zweier Fälle skizziert werden.
Beginnend mit einer Definition semipräsidentieller Systeme nach Duverger, gefolgt von einer Darstellung und Auseinandersetzung mit (berechtigter und unberechtigter) Kritik, der Erstellung eines Analyserasters und dessen Anwendung auf die politischen Systeme Finnlands und Frankreichs, soll dem umstrittenen Phänomen des Semipräsidentialismus Rechnung getragen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definition nach Duverger
- Semipräsidentialismus in der Kritik
- Analyseraster
- Die verfassungsrechtliche Stellung der wichtigsten politischen Akteure
- Tradition und aktuelle politische Lage
- Die Beschaffenheit der parlamentarischen Mehrheit und das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit
- Frankreich - Die V. Republik
- Die verfassungsrechtliche Stellung der wichtigsten politischen Akteure
- Tradition, aktuelle politische Lage und Persönlichkeit des Präsidenten
- Die Beschaffenheit der parlamentarischen Mehrheit und das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit
- Finnland
- Die verfassungsrechtliche Stellung der wichtigsten politischen Akteure
- Die Verfassung vor 2000
- Die Verfassung seit 2000
- Tradition, aktuelle politische Lage und Persönlichkeit des Präsidenten
- Die Beschaffenheit der parlamentarischen Mehrheit und das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit
- Die verfassungsrechtliche Stellung der wichtigsten politischen Akteure
- Vergleich Frankreich/Finnland
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Analyse und dem Vergleich von zwei semipräsidentiellen Regierungssystemen, Frankreich und Finnland. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und inwieweit sich die Funktionsweisen dieser Systeme trotz „relativ homogener“ Verfassungen unterscheiden. Das Ziel ist es, die verschiedenen Facetten des Semipräsidentialismus anhand eines von Maurice Duverger entwickelten Analyseschemas zu beleuchten und zu bewerten.
- Definition und Kritik des Konzepts des Semipräsidentialismus
- Analyse der verfassungsrechtlichen Stellung der wichtigsten politischen Akteure in Frankreich und Finnland
- Untersuchung der traditionellen und aktuellen politischen Lage in beiden Ländern
- Beurteilung der Beschaffenheit der parlamentarischen Mehrheit und des Verhältnisses zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit in Frankreich und Finnland
- Vergleich der Funktionsweisen der beiden semipräsidentiellen Systeme
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt den Forschungsgegenstand und die Zielsetzung der Arbeit vor. Sie beleuchtet die Entstehung und die Entwicklung des Konzepts des Semipräsidentialismus, insbesondere die Kritik an der Klassifizierung Finnlands als semipräsidentielles System. Kapitel 2 definiert semipräsidentielle Systeme nach Maurice Duverger und stellt die Unterschiede zu präsidentiellen und parlamentarischen Systemen heraus. In Kapitel 3 werden die wichtigsten Kritikpunkte an Duvergers Konzept des Semipräsidentialismus dargestellt. Kapitel 4 beschreibt das von Duverger entwickelte Analyseschema für semipräsidentielle Systeme und erläutert die einzelnen Komponenten des Schemas. Die Kapitel 5 und 6 wenden das Analyseschema auf Frankreich und Finnland an, wobei die verfassungsrechtliche Stellung der wichtigsten politischen Akteure, die Tradition und die aktuelle politische Lage sowie die Beschaffenheit der parlamentarischen Mehrheit und das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit im Vordergrund stehen. Kapitel 7 vergleicht die Funktionsweisen der beiden Systeme im Detail.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Thema des Semipräsidentialismus und behandelt die folgenden Schlüsselbegriffe: politische Systemtypen, präsidentielle Systeme, parlamentarische Systeme, semipräsidentielle Systeme, Maurice Duverger, exekutive Dyarchie, Cohabitation, verfassungsrechtliche Stellung, politische Akteure, Tradition, aktuelle politische Lage, parlamentarische Mehrheit, Präsident, Premierminister, Frankreich, Finnland.
- Quote paper
- Lisa Högden (Author), 2006, Semipräsidentielle Regierungssysteme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88145