Für die moderne Gesellschaft kann es nicht ausreichend sein, den formalen Schein zu wahren, es ginge gerecht zu, wenn dies bedeutet, so viele Güter und Mittel wie möglich nach unten zu verteilen.
Es ist im Sinne der Chancengerechtigkeit nicht richtig, dass sich jeder mit seinem Leben zufrieden geben kann, weil es ihm durch Umverteilungen besser geht als ohne, wenn er niemals die Chance hatte seine Ziele verfolgen zu dürfen.
Wenn die Chancengerechtigkeit einen positiven Begriff von Freiheit benutzt, dann vor allem aus dem Grund, dass es für ein Leben in Würde notwendig ist, nicht allein auf Hilfe anderer angewiesen zu sein, sondern die Chance zu erhalten, sein Leben selbstbestimmt zu führen.
Wenn sich bestimmte soziale Ungleichheiten systematisch über Generationen fortpflanzen, dann bedeutet negative Freiheit nichts anderes, als die Verteidigung von Privilegien gegenüber weniger Privilegierten oder allgemeiner gesagt: die Verteidigung eines beliebigen gesellschaftlichen Zustands.
Die „basal equality“ der Chancengerechtigkeit wäre also die Freiheit des Individuums, sich gemäß seiner Wünsche und Fähigkeiten ausleben zu können. Dies wäre eine ungleiche oder anders gesagt komplexe Gleichheit: Eine Form sozialer Kompensation, die berücksichtigt, dass menschliches Wohlbefinden auch jenseits des Materiellen entsteht, aber auch zur Kenntnis nimmt, dass der Selbstverwirklichung Grenzen gesetzt sind. Grenzen, die im Individuum selbst und in der gesellschaftlichen Struktur liegen. Nötig ist also ein differenzierter Ansatz zur Beurteilung menschlichen Wohlbefindens, wie ihn Sen vorschlägt und die Schaffung gerechter gesellschaftlicher Grundstrukturen, wie sie Rawls fordert.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Verteilungsgerechtigkeit und Kompensation
- 2.1 Warum Verteilen ein Problem der Gerechtigkeit ist.
- 2.1.1 Soziale Ungleichheit
- 2.1.2 Formen der Verteilungsgerechtigkeit
- 2.1.3 Bedarfsprinzip
- 2.1.4 Leistungsprinzip
- 2.2 Chancen und Gerechtigkeit
- 2.2.1 Bildung und Einkommen
- 2.2.2 Vererbte Ungleichheiten – schichtspezifischer Zugang zu Bildung
- 2.2.3 Gerechtigkeitsvorstellungen der Deutschen
- 2.2.4 Von der Chancengleichheit zur Chancengerechtigkeit
- 2.1 Warum Verteilen ein Problem der Gerechtigkeit ist.
- 3. John Rawls „Theorie der Gerechtigkeit“
- 3.1 Das Ziel der Gerechtigkeit
- 3.2 Der Urzustand und die Wahl der Grundsätze
- 3.3 Der Vorrang der Freiheit
- 3.4 Prinzipien der Verteilung
- 3.4.1 Ansprüche auf Grundgüter und Existenzminimum
- 3.5 Die Rolle der Chancengleichheit in der Theorie der Gerechtigkeit
- 3.6 Rawls und die Chancengerechtigkeit
- 4. Amartya Sens „Verwirklichungschancen-Ansatz“
- 4.1 Freiheit und Unterschiedlichkeit von Menschen
- 4.2 Capabilities and functionings
- 4.3 Der „evaluative space“ und interpersonale Vergleiche
- 4.4 Sen und die Chancengerechtigkeit
- 5. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Begriff der Chancengerechtigkeit anhand der Gerechtigkeitstheorien von John Rawls und Amartya Sen. Ziel ist es, zu analysieren, inwiefern soziale Kompensationen im Sinne der Chancengerechtigkeit durch diese Theorien gerechtfertigt werden können.
- Verteilungsgerechtigkeit und soziale Kompensation
- Chancengleichheit vs. Chancengerechtigkeit
- Analyse der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls
- Bewertung des Verwirklichungschancen-Ansatzes von Amartya Sen
- Anwendung beider Theorien auf die Frage sozialer Kompensation
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der sozialen Gerechtigkeit ein und problematisiert die vereinfachte Sichtweise, soziale Gerechtigkeit sei lediglich die effiziente Verteilung staatlicher Leistungen. Sie veranschaulicht die Komplexität des Gerechtigkeitsempfindens anhand von Beispielen wie der langfristigen finanziellen Unterstützung von Kindern durch Eltern und der Unzufriedenheit mit prekären Arbeitsverhältnissen. Die Einleitung betont, dass Gerechtigkeit eine moralische Forderung darstellt und soziale Ungleichheit dann vorliegt, wenn Menschen aufgrund ihrer sozialen Stellung ungleich von gesellschaftlichen Gütern profitieren. Schließlich wird der Fokus auf die Bedeutung von Bildung und den ungleichen Zugang dazu in Deutschland gelegt, was den Bedarf an einem Konzept der Chancengerechtigkeit unterstreicht.
2. Verteilungsgerechtigkeit und Kompensation: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit. Es beleuchtet die Ursachen sozialer Ungleichheit, analysiert verschiedene Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit (Bedarfsprinzip, Leistungsprinzip) und diskutiert die Rolle von Chancen und Gerechtigkeit, insbesondere im Kontext von Bildung und Einkommen. Die Vererbung von Ungleichheiten und der schichtspezifische Zugang zu Bildung werden detailliert betrachtet. Das Kapitel analysiert die Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Bevölkerung und entwickelt schließlich den Begriff der Chancengerechtigkeit als ein Prinzip, das die Maximierung relativer Chancen aller, die Berücksichtigung des Solidaritätsprinzips und die Legitimation von Ungleichverteilung durch fairen Wettbewerb umfasst.
3. John Rawls „Theorie der Gerechtigkeit“: Dieses Kapitel analysiert Rawls' Theorie der Gerechtigkeit, sein Konzept des Urzustands und die Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien. Es beleuchtet den Vorrang der Freiheit und die Prinzipien der Verteilung, insbesondere die Ansprüche auf Grundgüter und das Existenzminimum. Ein zentraler Punkt ist die Rolle der Chancengleichheit in Rawls' Theorie und die Diskussion, inwiefern diese Theorie dem Konzept der Chancengerechtigkeit entspricht. Das Kapitel untersucht kritisch Rawls' Differenzprinzip und dessen Konsequenzen für die Chancen der am wenigsten Begünstigten.
4. Amartya Sens „Verwirklichungschancen-Ansatz“: Dieses Kapitel präsentiert Sens „capability approach“ als Alternative zu etablierten Gerechtigkeitstheorien, insbesondere zu Rawls' Theorie. Es betont die Bedeutung individueller Freiheiten und Fähigkeiten („capabilities“) für die gesellschaftliche Teilhabe. Sen kritisiert die Fokussierung auf die Verteilung von Ressourcen und Einkommen und plädiert für die Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeiten der Menschen, ein gutes Leben zu führen. Das Kapitel analysiert Sens Konzept des „evaluative space“ und die Bedeutung interpersonaler Vergleiche. Es schließt mit einer Bewertung, inwieweit Sens Ansatz dem Konzept der Chancengerechtigkeit gerecht wird.
Schlüsselwörter
Soziale Gerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit, Verteilungsgerechtigkeit, John Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, Amartya Sen, Verwirklichungschancen-Ansatz, soziale Kompensation, soziale Ungleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Leistungsprinzip, Bedarfsprinzip, Solidarität, Freiheit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Verteilungsgerechtigkeit und Kompensation
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Begriff der Chancengerechtigkeit anhand der Gerechtigkeitstheorien von John Rawls und Amartya Sen. Ziel ist es zu analysieren, inwiefern soziale Kompensationen im Sinne der Chancengerechtigkeit durch diese Theorien gerechtfertigt werden können. Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, Kapitel zu Verteilungsgerechtigkeit, Rawls' Theorie der Gerechtigkeit, Sens Verwirklichungschancen-Ansatz und eine Schlussfolgerung. Ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter sind ebenfalls enthalten.
Welche Theorien der Gerechtigkeit werden behandelt?
Die Arbeit vergleicht und kontrastiert die Gerechtigkeitstheorien von John Rawls ("Theorie der Gerechtigkeit") und Amartya Sen ("Verwirklichungschancen-Ansatz"). Rawls' Theorie wird im Detail analysiert, einschließlich seines Urzustands, der Gerechtigkeitsprinzipien und der Rolle der Chancengleichheit. Sens Ansatz wird als Alternative präsentiert, mit Fokus auf individuellen Freiheiten und Fähigkeiten ("capabilities").
Was ist der Unterschied zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit?
Die Arbeit differenziert zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit. Während Chancengleichheit auf gleiche Startbedingungen abzielt, umfasst Chancengerechtigkeit darüber hinaus die Berücksichtigung von bestehenden Ungleichheiten und die Kompensation von Benachteiligungen, um tatsächlich gleiche Chancen zu ermöglichen. Die Arbeit argumentiert, dass Chancengerechtigkeit die Maximierung relativer Chancen aller, die Berücksichtigung des Solidaritätsprinzips und die Legitimation von Ungleichverteilung durch fairen Wettbewerb umfasst.
Welche Rolle spielt soziale Kompensation in dieser Arbeit?
Soziale Kompensation ist ein zentrales Thema. Die Arbeit untersucht, wie die Theorien von Rawls und Sen soziale Kompensationen im Sinne der Chancengerechtigkeit rechtfertigen können. Es wird analysiert, inwieweit die beiden Theorien Maßnahmen zur Kompensation von Benachteiligungen unterstützen und welche Implikationen dies für die Gestaltung von Sozialpolitik hat.
Welche Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit werden diskutiert?
Die Arbeit beleuchtet verschiedene Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit, darunter das Bedarfsprinzip und das Leistungsprinzip. Sie analysiert die Ursachen sozialer Ungleichheit, die Rolle von Bildung und Einkommen, die Vererbung von Ungleichheiten und die Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Bevölkerung. Der schichtspezifische Zugang zu Bildung wird als wichtiger Faktor für soziale Ungleichheit herausgestellt.
Wie wird Rawls' Theorie der Gerechtigkeit behandelt?
Rawls' Theorie wird umfassend analysiert, einschließlich seines Konzepts des Urzustands, der Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien, des Vorrangs der Freiheit und der Ansprüche auf Grundgüter und das Existenzminimum. Die Arbeit untersucht kritisch Rawls' Differenzprinzip und dessen Konsequenzen für die Chancen der am wenigsten Begünstigten und diskutiert die Rolle der Chancengleichheit in Rawls' Theorie und deren Relevanz für das Konzept der Chancengerechtigkeit.
Wie wird Sens Verwirklichungschancen-Ansatz dargestellt?
Sens "capability approach" wird als Alternative zu Rawls' Theorie präsentiert. Die Arbeit betont die Bedeutung individueller Freiheiten und Fähigkeiten ("capabilities") für gesellschaftliche Teilhabe. Sen's Kritik an der Fokussierung auf die Verteilung von Ressourcen und Einkommen und seine Betonung der tatsächlichen Möglichkeiten der Menschen, ein gutes Leben zu führen, werden detailliert erläutert. Das Konzept des "evaluative space" und die Bedeutung interpersonaler Vergleiche werden ebenfalls analysiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Soziale Gerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit, Verteilungsgerechtigkeit, John Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, Amartya Sen, Verwirklichungschancen-Ansatz, soziale Kompensation, soziale Ungleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Leistungsprinzip, Bedarfsprinzip, Solidarität, Freiheit.
- Arbeit zitieren
- Markus Fischer (Autor:in), 2007, Soziale Kompensation mit Hinblick auf Chancengerechtigkeit im Vergleich zwischen John Rawls 'Theorie der Gerechtigkeit' und Amartya Sens 'Verwirklichungschancen-Ansatz', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88154