Marketing in China

Strategien für eine marktorientierte Unternehmensführung für ausländische Unternehmer


Forschungsarbeit, 2008

99 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Erster Teil Gehen oder bleiben?
Kapitel 1 : China in der Weltwirtschaft
Kapitel 3: Strategische Optionen für ein Chinageschäft
Kapitel 2: Gründe für einen Markteinstieg

Zweiter Teil Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
Kapitel 1: Politische Rahmenbedingungen und Wirtschaftsreformen
Kapitel 2: Wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbssituation
Kapitel 3: Soziale Reformen und gesellschaftliche Stabilität
Kapitel 4: Bildung und Personalrekrutierung
Kapitel 5: Rechtliche Rahmenbedingungen und Markenschutz

Drittel Teil Weiche Faktoren im Chinageschäft
Kapitel 1: Kultur zwischen Lokalisierung und Globalisierung
Kapitel 2: Grundzüge der chinesischen Kultur
Kapitel 3: Fünf Dimensionen Modell von Geert Hofstede
Kapitel 4: Verträge und Vertrauen
Kapitel 5: Wege wählen und Ziele erreichen
Kapitel 7: Kommunikation und Konfliktlösung
Kapitel 8: Informieren und informiert werden

Vierter Teil Marktbezogene Unternehmensführung
Kapitel 1: Beschaffung
Kapitel 2: Produktion
Kapitel 3: Marktforschung
Kapitel 4: Marktsegmentierung
Kapitel 5: Produktpolitik
Kapitel 6: Preispolitik
Kapitel 7: Distributionspolitik
Kapitel 8: Kommunikationspolitik
Fünfter Teil Abschließende Betrachtungen
Kapitel 1 : Kurz zusammengefasst
Kapitel 2: Künftige Entwicklung

Abkürzungen

Anmerkungen und Bibliographie

Erster Teil Gehen oder bleiben?

„Thus, though we have heard of stupid haste, cleverness has never been asso­ciated with long delays.“

Sun Tzu, chinesischer Philosoph und General1

Kapitel 1: China in der Weltwirtschaft

Ende der 90er Jahre erschien Asien für die meisten europäischen Unternehmer nicht besonders attraktiv. Die asiatische Finanzkrise 1997 hatte die erste Euphorie nach der neuen Öffnungspolitik schnell abgekühlt. Seither hat sich viel geändert. Heute ist der asiatische Markt wieder en vogue. Liest man Berichte über den wirtschaftlichen Aufschwung Asiens, kommt man an einem Land nicht vorbei: China.

China entwickelt sich mehr und mehr zum großen Hoffnungsträger der Weltwirtschaft. Durch sein dynamisches Wachstum soll die Schwäche der US-Konjunktur zumindest abgefedert werden. Chinas Erfolgszahlen lassen ehemalige ,Stars‘ der Tigerstaaten wie Sing a­pur, Südkorea oder Taiwan weit hinter sich. Chinas Aufstieg, so scheint es, ist nicht zu stoppen. Es macht sich die Erkenntnis breit, dass China wieder im Begriff ist das zu werden, das es bereits im 16. Jahrhundert war: das Reich der Mitte. Was ist also dran an den Be­richten über Chinas Entwicklung? Steht uns wirklich ein „chinesi­sches Jahrhundert“ bevor und was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?

Chinas Wiederaufstieg in Weltwirtschaft und Weltpolitik gehört zwei­felsohne zu den wichtigsten internationalen Entwicklungen Ende des 20. Jahrhunderts. Seit der von Deng Xiaoping2 eingeleiteten Öff­nungspolitik (1978) hat sich China von einer weitgehend autarken Planwirtschaft zu einer der bedeutendsten Volkswirtschaften der Welt und zu einem der wichtigsten Empfänger für ausländische Direktin­vestitionen entwickelt. Mit einer pragmatisch ausgerichteten Wirt­schaftspolitik und mutigen politischen Reformen überholte China

Schlag auf Schlag Italien, Frankreich und Großbritannien. Nun zieht China früher als erwartet an Deutschland vorbei. Und damit nicht ge­nug; Analysten gehen davon aus, dass China in weniger als 15 Jah­ren die USA überholen wird und damit die größte Volkswirtschaft der Welt stellen wird3.

Diese Prognosen bieten, gepaart mit dem anhaltenden chinesischen Wirtschaftswachstum und der gewaltigen Kaufkraft des chinesischen Binnenmarktes, faszinierende Perspektiven für die deutsche Wirt­schaft. Schon längst erscheint China in den Augen vieler ausländi­scher Investoren als ,Markt der Zukunft’. Gerade in Deutschland trifft das ,Reich der Mitte’ als Investitionsstandort auf immer mehr Zusp­ruch. Seit 1978 haben sich mehr als 2.000 deutsche Unternehmen in China angesiedelt. Heinrich von Pierer, ehemaliger Vorsitzender des Asien Pazifik Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA) sagte gar: „Das Risiko, nich t in China dabei zu sein, ist oft größer als das Risiko, den Schritt nach China nicht zu tun.“4

Nur selten wird erwähnt, dass der chinesische Markt in den letzten Jahren nicht nur Gewinner hervorgebracht hat. Schätzungen zufolge scheitern bis zu 60 % aller internationaler Kooperationen und Joint Ventures von deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in China5. Die Ursachen für diese Fehlschläge ähneln sich überwiegend stark. Der chinesische Wirtschaftswissenschaftler und Autor Li teilt die Faktoren in drei Kategorien ein:

- Unzureichende und lückenhafte Vorbereitung;
- Unterschätzen von kulturellen Konfliktpotential;
- Fehlende und lückenhafte Kenntnisse der lokalen Rahmenbedin­gungen6.

Dieses Buch analysiert diese drei Konfliktfelder. Bei dieser Untersu­chung kommt dem präventiven Risikomanagement eine zentrale Rolle zu. Dabei geht es um die Vermeidung von Konflikten und Prob­lemen, indem bereits vor dem Markteintritt den für ein erfolgreiches unternehmerisches Handeln notwendigen landesspezifischen Fakto­ren mehr Beachtung geschenkt wird.

Kapitel 2: Strategische Optionen für ein Chinageschäft

Je stärker sich die Auswirkungen des chinesischen Aufschwungs auf den globalen Wirtschaftsmarkt zeigen, desto mehr deutsche Unter­nehmer setzten sich mit der Frage auseinander wie sie auf den chi­nesischen Aufschwung reagieren sollen. Sollen sie bleiben und sich der zunehmenden chinesischen Konkurrenz auf dem Heimatmarkt stellen? Sollen sie selbst auf den chinesischen Markt drängen und versuchen vor Ort von dem chinesischen Wiederaufstieg zu profitie­ren? Oder soll das Unternehmen weiterhin „business as usual“ b e- treiben? Dieses Buch wird keine klare Antwort auf diese Fragen ge­ben können. Es wird jedoch in seinem Verlauf immer wieder diese Fragen aufgreifen und Aspekte aufzeigen, die es bei seiner Ent­scheidung zu berücksichtigen gilt.

Heute müssen sich viel mehr Unternehmer mit diesen Fragen be­schäftigen als noch vor einigen Jahren. In den 90er Jahren wurde die Öffnung Chinas noch als ein einseitiges Geschäftsfeld wahrgenom­men. Zwar suchten immer mehr ausländische Unternehmen den Weg nach China, aber chinesische Unternehmen bli eben in der Regel „zu Hause“. Sie machten allenfalls durch Billigexporte mit arbeitsintens i­ven Gütern wie Textilien von sich Reden. Dieses Bild hat sich nun grundlegend geändert. Schon längst ist das Chinageschäft keine Einbahnstraße mehr. Chinesische Firmen sind mittlerweile sehr viel breiter und internationaler aufgestellt, als es vielen westliche Mana­ger wahrhaben möchten. Versicherungskonzerne wie Ping An oder China Life beteiligen sich zunehmend an europäischen Finanzinstitu­ten. Mit Alibaba, Huawei, China Mobile oder Lenovo zeigt China zu­nehmend Präsenz in der internationalen High Tech Branche und die ehemals maroden chinesischen Staatsbanken hegen neuerdings Pläne sich auf internationalen Finanzmärken verstärkt zu beteiligen. Kaum eine Branche, so scheint es, wird sich in den nächsten Jahren der steigenden chinesischen Konkurrenz entziehen können.

Andererseits wagen immer mehr ausländische Unternehmen den Schritt nach China - aber das nicht immer mit Erfolg. Denn wer sich vor Ort engagieren will, muss die spezifischen Strukturen seiner Branche analysieren und sehr genau die unterschiedlichen Märkte kennen, um dann für einzelne Produkte oder Geschäftsbereiche die jeweils richtige Markteintrittsstrategie zu finden7 . Vielfach, son scheint es, wird die Entscheidung für den Gang nach China vorschell und ohne ausrechende Informationen gefällt. Daher scheitert der Gang auf den chinesischen Markt schon oft vor dem ersten Schritt. Der strategische Entscheidungsprozess über einen Markteintritt soll­te sich an den folgenden beiden Basisfragen orientieren:

1) Wie attraktiv ist der chinesische Markt für das Produkt (Größe, Wachstum, Profitabilität)?

2) Verfügt der Betrieb über die nötigen Voraussetzungen für nach­haltigen Erfolg auf dem chinesischen Markt (Kapital, Flexibilität, Fachpersonal)?

Abbildung 2: Strategische Optionen für ein Chinaengagement

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Segment 1: Der Markt ist nicht besonders attraktiv und das Unter­nehmen verfügt nicht über ausreichende Ressourcen. Ein Erfolg des Chinaengagements ist unter diesen Voraussetzungen unwahrschein­lich.

Segment 2: Der chinesische Markt verspricht zwar gute Absatzchan­cen, doch das Unternehmen erfüllt nicht alle für einen Markteintritt notwendigen Erfordernisse. Zwar könnte ein Markteintritt enorme Chancen bieten, doch in Hinblick auf die relativ lange Zeitspanne bis zum Erreichen der Gewinnschwelle sollten nur finanzstarke Unter­nehmen mit einem ,langen Atem’ ein Chinaengagement ernsthaft in Erwägung ziehen. Erfahrungen zeigen, dass die Höhe der Investitio­nen oft unterschätzt wird.

Segment 3: Der Markt ist nicht besonders attraktiv, aber das Unter­nehmen erfüllt alle zur Internationalisierung relevanten Erfordernisse. Investitionen in den chinesischen Markt würden sich zum gegenwär- tigen Zeitpunkt nicht rechnen. Man darf aber nicht vergessen, dass kaum ein Markt solch rasante Änderungen durchläuft wie der chine­sische. Deshalb gilt es wachsam zu bleiben, um auf Veränderungen schnell und angemessen reagieren zu können.

Segment 4: Der Markt bietet gute Absatzmöglichkeiten und das Un­ternehmen verfügt über alle notwendigen Ressourcen. In einer sol­chen Situation gilt es, neben einer realistischen Bewertung der Chancen und Risiken eines Markteintritts besondere Aufmerksamkeit auf eine gewissenhafte und sorgfältige Planung zu legen. Empirische Studien zeigen, dass eine unzureichende Vorbereitung und betriebli­che Fehleinschätzungen oft dazu führen, dass deutsche Unterneh­men in China hinter ihren Gewinnerwartungen zurückbleiben.

Das Buch wird sich im Folgenden auf die Unternehmen konzentrieren, denen auch nach dieser ersten Grobeinschätzung ein Gang nach China attraktiv erscheint. Hierbei wird auf die Bewertung individueller Unternehmenscharakteristika nur dann eingegangen, wenn dies für die Erschließung der Fragestellung erforderlich ist.

Kapitel 3: Gründe für einen Markteinstieg

Bei allen Superlativen, mit denen über Chinas wirtschaftliche und po­litische Entwicklung berichtet wird, sind Gründe für den Gang nach China schnell gefunden. Leider orientieren sich diese Gründe oft an einem verzerrten Wahrnehmungsbild. Dieses Kapitel stellt die häu­figsten Gründe von deutschen Unternehmern vor und vergleicht die­se mit der tatsächlichen Situation vor Ort.

Hierfür wird eine Umfrage der Unternehmensberatung Haarmann Hemmelrath Management Consultants unter 600 deutschen klein- und mittelständischen Unternehmen zu Grunde gelegt8. Die Haupt­gründe für den Gang nach China sind nach dieser Umfange folgende:

Abbildung 1: Gründe für einen Eintritt in den chinesischen Markt9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Maktpotential Marktvolumen Brückenkopf zu anderen Märkten Markt ei nt litt von Kunden Markteintritt von Konkurrenten Staatliche Exportförderung Das gewaltige Marktvolumen und das große Potential des chinesi­schen Binnenmarkts werden als häufigste Argumente herangezogen. China, so wird oft argumentiet, könne aufgrund seiner Bevölkerung von mehr als 1,3 Milliarden Menschen eine Konsumkraft vorweisen, die zurzeit nur vom US-amerikanischen Binnenmarkt übertroffen wird. Legt man das Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparitäten (PPP) zu Grunde, scheint diese Annahmen zu stimmen. Hier rangiert Deutsch­land mit einem PPP von 2.521.699 USD weit hinter China (PPP: 9.412.361 USD) auf Rang fünf. Während davon auszugehen ist, dass der chinesischen Binnenmarkt bald auch den US-amerikanischen (PPP: 12.277.583) überholen wird, könnte alleine Indien die chinesi­schen Spitzenposition noch gefährden10. Es wäre jedoch fatal von Chinas gesamtwirtschaftlichen Zahlen ein allgemeingültiges Bild für den chinesischen Binnenmarkt zu zeichnen. Erstens verzerrt die enorme Bevölkerung des Landes die Zahlen. So wird kein Unterneh­men ernsthaft alle 1,3 Milliarden Chinesen als potentielle Kunden be­trachten. Und zweitens ist China, so stark wie kaum ein anderes Land, von regionalen Disparitäten geprägt. Obwohl der chinesische Mittelstand wächst und wächst, ist eine kaufkräftige Mittelschicht bis­lang nur in wenigen Regionen des Landes vorhanden.

Ca. 60 % der ausländischen Unternehmen gaben bei der Umfrage an, China als strategischen Brückenkopf zu anderen attraktiven Volkswirtschaften Asiens nutzen zu wollen. Zumindest für arbeitsin­tensive Industrien verliert dieser Punkt jedoch zunehmend an Bedeu­tung. Die Prouktionskosten in den chinesischen Küstenregionen stei­gen mit wachsendem Wohlstand und liegen inzwischen meist über denen seiner Nachbarländer. Alternative Standorte wie Vietnam oder Thailand werden immer häufiger ins Auge gefasst. Mit ihrer geografi­schen Lage und niedrigen Lohnkosten bieten sie beste Vorausset­zungen als Basis für eine zentrale Fertigungsstellen für das Asienge­schäft.

Ein weiterer Motivationspunkt ist der Markteintritt von Großkunden. So haben sich etwa in der Nähe von Shanghai Volkswagen auch be­deutende deutsche Zulieferer wie Bosch und Brose angesiedelt. Mit einem stabilen Basisgeschäft mit dem Großkunden haben diese Un­ternehmen nach und nach ihr Netzwerk erweitern können. Erfahrun­gen zeigen, dass Großkunden i.d.R. lieber mit vertrauten Zulieferern zusammen arbeiten, als sich neue Geschäftspartner in China zu su­chen. Da die chinesischen ,Local-Content‘ Anforderungen Zusam­menarbeit mit internationalen Geschäftspartnern erschweren, wagen immer mehr ausländische Zulieferer den Schritt in den chinesischen Markt. Dieser ,Pull-Effekt’ zieht vor allem Hersteller von hoch techn i­schen Produkten nach China.

Andere Unternehmen fühlen sich durch den bevorstehenden Markt­eintritt von Konkurrenten unter Druck gesetzt und fürchten, als ,L a- te-Mover’ weitere Wettbewerbsvorteile zu verliehen. Als Konsequenz werden oft überhastete Entscheidungen getroffen, die das Chinaen­gagement nachhaltig gefährden. Gerade im Falle Chinas wird die These, dass ,Early-Mover‘ gegenüber ihren nachrückenden Konku r- renten im Vorteil wären, auf die Probe gestellt. So gestaltet sich bei­spielsweise der Markteintritt von Unternehmern heute sehr viel einfa­cher als noch vor einigen Jahren. Viele Geschäftsbereiche, die vor einigen Jahren noch einer Kooperation mit chinesischen Joint­Venture Partnern bedurften, lassen sich heute auch in Form einer Wholly-Foreign-Owned Enterprise, d.h. mit einem zu 100% in aus­ländischen Besitz befindlichen Unternehmen, bedienen. Außerdem ist der chinesische Markt von einer Marktsättigung’ weit entfernt. Während einige Regionen, gerade entlang der Ostküste, von immer höheren Konkurrenzdruck geprägt sind, bieten sich anderen Orts neue Partizipationsmöglichkeiten. Neue Boomstädte wie Chengdu, Dalian, Chongqing oder Tianjin haben noch vor einigen Jahren aus­ländische Unternehmern zum Strinrunzeln gebracht. Heute gelten sie als kommende Geschäftsmetropolen des Landes. Die enorme dyna­mische Entwicklung lässt gerade in Zentralchina immer mehr „neue“ Märkte entstehen, die langsam auch ausländische Investoren in das Innere des Riesenreichs locken.

Ein wichtiger, in der Öffentlichkeit häufig unterschätzter, Punkt ist die staatliche Förderung ausländischer Unternehmer. Zwar hat letztes Jahr (2007) der chinesische Volkskongress den ermäßigten Steuer­satz für ausländische Unternehmen erhöht und den Steuersätzen chinesischer Unternehmen angepasst. Trotzdem ergeben sich nach wie vor zahlreiche Möglichkeiten für ausländische Unternehmen Steuern zu sparen und Kostenvorteile zu nutzen. Dies gilt vor allem für Investitionen in sogenannte ,encouraged industries‘ oder für Ni e- derlassungen und Sonderwirtschaftszonen und Industrieparks. Der Leiter der US-amerikanischen Semiconductor Industry Association (SIA) George Scalise argumentiert, dass die komparativen Kosten­vorteile Chinas nicht auf den niedrigen Lohnkosten, sondern haupt­sächlich auf staatlichen Förderungen beruhen würden. Dies mag zwar übertrieben sein, zeigt aber, dass die staatlichen Förderungen ein wichtiger Punkt für den Gang nach China sein können.

Die Rangfolge der Argumente zeigt, dass China von Managern klein- und mittelständischen Unternehmen in erster Linie als Absatzmarkt wahrgenommen wird. Bedenkt man, dass fast sämtliche deutsche KMU ()6 %) Erfahrungen mit dem Absatz ihrer Produkte in ausländi­schen Märkten haben, stimmt dies positiv. Der deutsche Unterneh­merverband gibt weitere Gründe, die gute Aussichen für duetsche klein- und mittelständische Unternehmen versprechen: Er schreibt, dass die enge Kundennähe, hohe Innovationsfähigkeit und gute Pro­duktqualität deutscher Unternehmen entscheidende Vorteile für deutscher Unternehmen in China wären.

Trotzdem läuft es für deutsche Unternehmen in China nicht so rund. Experten schätzen, dass ca. 60 % der Unternehmen Konkurs anmel­den. Diesen Widerspruch wusste der Deutsche Unternehmerverband in einem Interview nicht zu erklären. Begeben wir uns als selbst auf Ursachenforschung.

Zweiter Teil Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

„Widerspruch ist das zentrale Wort. Für uns bedeutet es Ausschluss, für Chinesen oft ein Sowohl-als-auch: Öffnung und Einparteienherrschaft, kapitalistisches Hong Kong, sozialis­tisches Festlast. In China ist immer beides möglich.“ Prof. Dr. Dr. Harro von Senger, Professor für Sinologie und Autor11.

Kapitel 1: Politische Rahmenbedingungen und Wirtschaftsre­ formen

Medienberichte über die Erfolgszahlen Chinas vermitteln zuweilen das Bild eines sich zügellos nach kapitalistischem Vorbild entwi­ckelnden Landes. Trotzdem bleibt China einer der wenigen Staaten der Erde, der sich - auch nach der 1978 von Deng Xiaoping eingelei­teten Öffnungspolitik - auf die kommunistische Ideologie berufen. Doch trotz des gewagten Spagats zwischen Markt- und Planwirt­schaft versteht es die chinesische Regierung geschickt, die Globali­sierung zum eigenen Vorteil zu nutzen. Deng Xiaoping beschrieb die pragmatische Grundeinstellung der chinesischen Wirtschaftspolitik wie folgt:

„Egal ob die Katze schwarz oder gelb ist, Hauptsache ist, sie fängt die Mäuse.“

Genau in diesem Ausspruch verbirgt sich der Schlüssel zu Chinas Erfolg: Es ist der Umbruch von idiologischen zu pragmatischen den­ken. Überspitzt formuliert spielt es nicht länger eine Rolle, ob Geld von einem chinesischen oder ausländischen Investor kommt. Geld bleibt Geld. Und Investitionen sind gut für die Wirtschaft. China geht gar einen Schritt weiter und versteht es gekonnt ausländische Direkt­investitionen in Bereiche zu lenken in denen es erhöhtes Entwick­lungspotential sieht. Der deutsche China-Experte und Auslandskor- respondet Frank Sieren schreibt, dass es China gelernt hat die Waf­fen der Globalisierung zum eigenen Vorteil zu nutzen und einer der Hauptnutznießer der Internationalisierung des Welthandels wäre.12 Denn China versteht es ausländisches Kapital und Know-How zu ak­quirieren und zu lenken, um das Wachstum zu sichern und ein höhe­res Wohlstandsniveau zu erreichen - und dies mit bislang großem Erfolg.

Obwohl sich Vertreter ausländischer Investoren stets über die ge­setzlichen Standards beklagen, wird China als Investitionsstandort immer beliebter. Deutschland ist hier zwar der wichtigste europä­ische Investitionspartner, rangiert jedoch im weltweiten Vergleich mit einem Anteil von 2,2 % weit hinter Ländern wie Hong Kong / Macao (48,5 %), Japan (9,9 %), USA (9,5%), Taiwan (7,8 %), Süd Korea (5,6 %) oder Singapur (5,1 %). Selbst der Anteil der nur 151 qkm kleinen Steueroase’ Virgin Islands ist mit 7,4 % mehr als dreimal so hoch wie der Anteil Deutschlands13.

Das wichtigste Ereignis im chinesischen Öffnungsprozess markiert der WTO-Beitritt am 11.12.2001. Hierdurch ist China eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen, bestehende Strukturen schrittweise zu deregulieren und viele seiner Wirtschaftszweige für ausländische Un­ternehmen weiter zu öffnen. China wurde in den letzten Jahren teil­weise scharf von internationaler Seite kritisiert, dass die WTO- Regelungen nur unzureichend umgesetzt werden. Diese Kritik ist zwar berechtigt, schießt aber leider oft über das Zielt hinaus. Dies hat zwei Gründe:

Erstens sind China ohne Zweifel herausragende Erfolge gelungen. Das Tempo in dem sich China entwickelt ist enorm. Viele der heuti­gen Errungenschaften waren noch in den 80er Jahren undenkbar. Wir sollten hierbei stets berücksichtigen, dass die Entwicklung Deutschlands auch ein langer und schwieriger Weg war. Wir können nicht erwarten, dass China von heute auf Morgen alle Prinzipien ei­ner modernen internationalen Volkswirtschaft umsetzen kann. Das wäre arrogant und ignorant. Was China in diesem Umbruchsprozess vor allem braucht ist Zeit.

Zweitens haben wir oft eine falsche Vorstellung von dem was unter dem Begriff ,WTO-Beitritt’ zu verstehen ist. Die vertraglichen Ver­pflichtungen des WTO Beitritts werden mit individuell dem jeweiligen Land ausgehandelt. Sie richten sich nach dem aktuellen Entwick­lungsstand des Landes und enthalten ,maßgeschneiderte‘ Bestim­mungen für die einzelnen Branchen und wirtschaftspolitischen Maß­nahmen. Daher werden einige Märkte wie z.B. der chinesische Ban­kensektor oder der Telekommunikationsmarkt auch weiterhin auslän­dischen Unternehmern nur schwer zugänglich sein - und dies auf Basis des WTO Vertrags.

Trotz Auseinandersetzungen innerhalb der chinesischen Führung über die Fortführung des liberalen aber pragmatischen Reformkurses wurde am wirtschaftlichen Modernisierungsprozess festgehalten. Auf dem 14. Nationalkongress am 18.12.1992 wurde das Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft bestätigt, das zwar Produktionsfak­toren weiterhin als kollektives Eigentum betrachtet, deren Verwen­dung jedoch an marktwirtschaftlichen Prinzipien ausrichtet. Auf diese Weise konnten alte ideologische Barrieren durchbrochen und die chi­nesische Öffnungspolitik politisch und gesellschaftlich legitimiert werden. Auch bei allen nachfolgenden Volkskongressen wurde das Grundmodell der sozialistischen Marktwirtschaft nie in Frage gestellt, sondern stetig weiter konkretisiert und Zielsetzungen verfeinert. So kämpft China seit Jahren auf internationalem politischen Parkett für eine Anerkennung als „soziale Marktwirtschaft“. Doch Chinas wichti­geste Handelspartner verweigern China nachwievor diese Anerken­nung.

Der chinesische Modernisierungsprozess vollzog sich jedoch nicht ohne Rückschläge. Administrative und infrastrukturelle Probleme, gekoppelt mit einem hohen Staatsdefizit, führten in den achtziger Jahren zu hohen Inflationsraten. Zusätzlich führten die neu gewon­nenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Freiheiten zu politi­schem Druck ,von unten’ auf die chinesische Regierung und die kommunistischen Partei (KPCh). Bemerkenswerter Weise reagierte die chinesische Politik auf diese Entwicklungen jedoch nicht mit einer Drosselung des Reformprozesses sondern mit verstärkter ökonomi­scher Deregulierung sowie einer weiteren Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Investoren.

Kapitel 2: Wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbssituati­on

Das Entwicklungstempo der chinesischen Wirtschaft hat sich in den ersten Jahren nach dem WTO-Beitritt deutlich beschleunigt. Hatte das Wachstum im Jahre 2001 noch 7,2 % betragen, so ist das BIP in den darauf folgenden drei Jahren um durchschnittlich 9 % gestiegen. Eine Prognose der Weltbank14 geht davon aus, dass Chinas BIP im Jahre 2020 das der USA übersteigen und China zur größten Volks­wirtschaft der Welt avancieren wird. Bei diesen Überlegungen muss jedoch die erheblich größere Einwohnerzahl der Volksrepublik be­rücksichtigt werden. So verfügt die VR China über ein erheblich ge­ringeres Pro-Kopf-BIP als die BR Deutschland oder USA. Doch gera­de dieses Entwicklungspotential des chinesischen Marktes, macht ihn für ausländische Investoren so attraktiv.

Abbildung 2: BIP-Wachstum von China und Europa im Vergleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik wird von ausländi­schen Direktinvestitionen gestützt, die zur Finanzierung bislang nicht vorhandener Produktionsmittel genutzt werden15 Mit dem WTO- Beitritt im Dezember 2001 avancierte die VR China zum weltweit füh­renden Zielland für Direktinvestitionen. Dieser scheinbar unaufhalt­same Aufstieg lässt China für zahlreiche ausländische Unterneh­mer/innen als einen gewinnversprechenden und zukunftsträchtigen Wachstumsmarkt erscheinen. Unberücksichtigt bleibt bei diesen Zah­lenspielen das s .g. ,Round Tripping’ - d.h. das Umlenken des Kapi­tals von chinesischen Investoren, um staatliche Vergünstigungen für ausländische Investoren nutzen zu können. Hiermit lässt sich auch teilweise erklären, warum in den Wirtschaftsstatistiken die 151 qkm großen Virgin Islands als größerer Investor als Deutschland genannt werden. Der chinesische Wirtschaftswissenschaftler Xiao Geng bezif­fert den Anteil auf 30-50% der gesamten Auslandsinvestitionen16. Zwar scheinen diese Zahlen recht hoch gegriffen. Sie zeigen aber, dass Zahlen über Chinas Wirtschaftswachstum mit Vorsicht zu sehen sind.

Des Weiteren wird oft außer Acht gelassen wie das wirtschaftliche Wachstum auf die Sektoren des Wirtschaftsmarktes verteilt ist. So werden 80-90% der ausländischen Direktinvestitionen in den Küsten­regionen des Landes getätigt, in denen ca. 9% der Gesamtbevölke­rung leben. Diese Konzentration hat zur Folge, dass die wirtschaftli­che Entwicklung Chinas von großen regionalen Disparitäten ge­prägt ist. In den urbanen Zentren der Ostküste hat sich eine relativ kaufkräftige Schicht entwickelt, die gute Absatzwege für ausländi­sche Unternehmen verspricht. Die westlichen Provinzen Chinas blei-ben auf Grund ihrer weitaus geringeren Kaufkraft und meist diffizilen Rahmenbedingungen noch vergleichsweise wenig attraktiv.

Die chinesische Regierung thematisiert jedoch zunehmend das Prob­lem unter dem Slogan ,nachhaltige Entwicklung’ und versucht mit umfassenden strukturellen Förderungsprogrammen die zentralen, nordöstlichen und westlichen Provinzen zu stärken. Daher ist die üb­liche Empfehlung, vor allem zunächst Peking, Shanghai und Guang­zhou als Standort ins Auge zu fassen nicht unbedingt die richtige. Zwar haben sich dort bislang die meisten deutschen Unternehmen angesiedelt, doch gewinnen vor allem Regionen in Zentralchina an Attraktivität.

Abbildung 3: Regionale Disparitäten in der VR China1'

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Sun Tzu: The Art of War, Giles (Hrsg.), 2002, S. 45.

2 Deng Xiaoping (*1904, †1997): Parteichef der KPCh und Staatspräsident Chinas von 1976 bis 1997.

3 Siehe hierzu: Frank Sieren: Der China Code, 2005.

4 Heinrich von Pierer, 2003: Vorsprung durch Innovation, in: Edit Value, Das Wissensmagazin von KPMG, Februar 03, S. 9.

5 Siehe hierzu: Lars Anke: Investitionsleitfaden China, 2004.

6 Li: China: the consumer revolution, Singapur, Wiley, 1998.

7 Siehe hierzu: Reden, Fischer, Junkes: Risikoanalyse und präventives Risikomanagement im Chinageschäft, Erfahrungen, Probleme und Erfolge beim Markteintritt, in: Nippa (Hrsg.): Markterfolg in China, Erfahrungsberichte und Rahmenbedingungen, 2004, S. 87-106.

8 Die Befragung wurde 2003 unter 600 deutschen KMU, die bisher nicht im chinesischen Markt tätig sind, aber ein Expansion nach China planen durchgeführt. Die Unternehmen stammen zu gleichen Teilen aus den Branchen Maschinenbau, Elektroindustrie, Pharmazeutische Industrie, Chemische Industrie, Textilindustrie und Automobilindustrie. Die Befragung erfolgte schriftlich mit einem standardisierten Fragebogen. Die Rücklaufquote betrug 8,33%, variierte aber zwischen den befragten Branchen z.T. erheblich.

9 Schwärmer, Lynton: Der chinesische Markt aus Sicht deutscher mittelständischer Unternehmen, Haarmann Hemmelrath Management Consultants, 2002.

10 World Bank: World Development Indicator Database, 2006.

11 Harro von Senger, 2004: Hinter dem Lächeln der Dolch, in: McK, Das Magazin von McKinsey, Wissen 10, China, 3. Jg., September 04, S. 82.

12 Frank Sieren: Der China Code, 2005, S. 280.

13 Es handelt sich um Durchschnittswerte für die Jahre von 1990 bis 2005. Quelle: China Statistical Yearbook, diverse Jahrgänge.

14 2003 lang Chinas BIP bei 1,4 Bil. USD – zum Vergleich: Deutschland: 1,8 Bil. USD; USA: 10,2 Bil. USD (Vgl. Sieren, 2005, S. 373). Berücksichtigt man jedoch die Bevölkerungszahlen, verfügte China über ein Pro-Kopf-BIP von 1.087 USD, Deutschland kommt auf 21.845 USD und die USA auf 35.130 USD.

15 Frank Sieren: Der China Code, 2005, S. 281 ff.

16 Xiao Geng: China’s Round-Tripping FDI: scale, causes and implications, Asians Development Bank, Discussion Paper No. 7, Hong Kong, 2004.

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Details

Titel
Marketing in China
Untertitel
Strategien für eine marktorientierte Unternehmensführung für ausländische Unternehmer
Autor
Jahr
2008
Seiten
99
Katalognummer
V88203
ISBN (eBook)
9783638017497
Dateigröße
1562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marketing, China
Arbeit zitieren
Jan Hutterer (Autor:in), 2008, Marketing in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88203

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