Um das komplexe Feld „Soziale Arbeit“ transparent beschreiben zu können benötigen wir Theorien. Der Ursprung des Begriffes „Theorie“ stammt aus dem altgriechischen „theorein“ und bedeutet nichts anderes als „schauen“ bzw. noch genauer formuliert: „erschauen.“ Vereinfacht ausgedrückt machen Theorien Aussagen über die beobachtete Welt und sie geben gegebenenfalls auch Anleitung wie die Welt beobachtet werden kann, mit jeweils unterschiedlichen Perspektiven der Betrachtungweise, welche gerade die Vielfalt der Theorien begründen.
Es gibt viele sozialtheoretische Ansätze, die Soziale Arbeit wirklichkeitsnah beschreiben und erklären, jeweils mit unterschiedlichen Handlungsanweisungen und –alternativen, jedoch kann es keine kausal formulierte Theorie geben, die ganz konkrete Zuordnungen und Handlungsansätze für die in der Realität mannigfaltigen Situationen beschreibt. Trotzdem haben alle Theorien ihre Berechtigung, denn aufgrund der enormen Komplexität unserer Welt kann keine Theorie für sich den Anspruch erheben, die ganze Welt oder das ganze Feld der Sozialen Arbeit erfassen zu können. Am Beispiel der zum Teil diametral angelegten diversen Systemtheorien erkennt man den Versuch das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit aus mannigfaltigen Winkeln zu betrachten. Es geht in den Erhebungen nicht um die Frage wer letztendlich Recht hat, sondern um den Zugewinn neuer Aspekte und Möglichkeiten des Agierens und des Handelns. Die in soziologischen Kreisen berühmte Luhmann/Habermas-Kontroverse (siehe Kap. 5.1) ist ein Beispiel dafür, wie unterschied-lich Thesen und Theorien ausfallen können. Beide Theorien sind Beobachtungstheorien, jedoch wird die Position des Menschen in der Gesellschaft unterschiedlich definiert und gehandhabt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2. Biografie und wie Luhmann die Welt sieht
2.1 Wer war Niklas Luhmann?
2.2 Luhmann und der „blinde Fleck“
2.3 Luhman und der Konstruktivismus
3 Die Systemtheorie von Niklas Luhmann
3.1 Was ist ein System nach Luhmann?
3.2 Wo bleibt bei Luhmann der Mensch?
3.3 Der Mensch fliegt aus der Gesellschaft raus
3.4 Die Autopoiesis
3.5 System/Umwelt-Differenz
3.6 Wer und was ist Umwelt?
3.7 Die Anpassung von System und Umwelt
3.8 Die Reduktion der Komplexität
3.9 Luhmann stellt die Kommunikation auf den Kopf!
4 Luhmann’s Systemtheorie und die Soziale Arbeit
4.1 Ist Soziale Arbeit ein Funktionssystem?
4.2 Was bedeutet Systemdenken konkret für die Soziale Arbeit?
4.3 Luhmann’sches Systemdenken anhand des nachfolgenden Beispiels
von Schulsozialarbeit
4.4 Ist Luhmann für die Soziale Arbeit aktuell?
4.5 Ist Luhmann für die Soziale Arbeit zu abstrakt?
4.6 Soziale Arbeit – Im Systemdenken von Luhmann nur unter Hilfe zur
Selbsthilfe zu verstehen
4.7 Soziale Arbeit – Nach Luhmann: Beobachten, reflektieren, variieren
5 Kritik an Niklas Luhmann
5.1 Die Luhmann-Habermas-Kontroverse
5.2 Allgemeine Kritik an Niklas Luhmann
5.3 Persönliche Kritik an Luhmann
5.4 Ausblick
Literaturverzeichnis
„Man kann nicht sehen,
dass man nicht sieht, was man nicht sieht.“
Niklas Luhmann
1 Einleitung
Um das komplexe Feld „Soziale Arbeit“ transparent beschreiben zu können benötigen wir Theorien. Der Ursprung des Begriffes „Theorie“ stammt aus dem alt-griechischen „theorein“ und bedeutet nichts anderes als „schauen“ bzw. noch genauer formuliert: „erschauen.“ Vereinfacht ausgedrückt machen Theorien Aussagen über die beobachtete Welt und sie geben gegebenenfalls auch Anleitung wie die Welt beobachtet werden kann, mit jeweils unterschiedlichen Perspektiven der Betrachtungsweise, welche gerade die Vielfalt der Theorien begründen.
Es gibt viele sozialtheoretische Ansätze, die Soziale Arbeit wirklichkeitsnah beschreiben und erklären, jeweils mit unterschiedlichen Handlungsanweisungen und –alternativen, jedoch kann es keine kausal formulierte Theorie geben, die ganz konkrete Zuordnungen und Handlungsansätze für die in der Realität mannigfaltigen Situationen beschreibt. Trotzdem haben alle Theorien ihre Berechtigung, denn aufgrund der enormen Komplexität unserer Welt kann keine Theorie für sich den Anspruch erheben, die ganze Welt oder das ganze Feld der Sozialen Arbeit erfassen zu können. Am Beispiel der zum Teil diametral angelegten diversen Systemtheorien erkennt man den Versuch das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit aus mannigfaltigen Winkeln zu betrachten. Es geht in den Erhebungen nicht um die Frage wer letzt-endlich Recht hat, sondern um den Zugewinn neuer Aspekte und Möglichkeiten des Agierens und des Handelns. Die in soziologischen Kreisen berühmte Luhmann/Habermas-Kontroverse (siehe Kap. 5.1) ist ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich Thesen und Theorien ausfallen können. Beide Theorien sind Beobachtungstheorien, jedoch wird die Position des Menschen in der Gesellschaft unterschiedlich definiert und gehandhabt. Ich werde in der nachfolgenden Arbeit ganz speziell die Systemtheorie von Niklas Luhmann vorstellen, der nicht nur die Systeme unserer Gesellschaft genau untersucht, beschrieben und beobachtet, sondern den Beobachter selbst in das System mit eingeschlossen hat. Wenn er über die Gesellschaft schreibt, dann ist es immer auch eine Beschreibung der Gesellschaft in der Gesellschaft (Vergl. Luhmann 1992b, 137 ff). Luhmann wirft den anderen Theorien vor, den Beobachter oft außen vor zu lassen und ihn nicht in die Theorien mit einzubeziehen. Während ich versucht habe den relativ hohen luhmann’schen Abstraktionsgrad zu entschlüsseln, trotz seiner glasklaren Gedanken, habe ich mich gefragt, wie es eigentlich möglich sein konnte und ist, Dinge oder Erscheinungen zu definieren und zu beschreiben, ohne den Betrachter mit seinem „blinden Fleck“ mit einzuschließen? Das Anfangszitat weist genau auf diesen „blinden Fleck“ hin. Deshalb ist auch bei Luhmann alles anders. Er stellt Dinge ganz einfach auf den Kopf und das Ganze hat, meinem Anschein nach, noch einen methodischen Charakter. Gewisse Passagen und Beschreibungen z.B. das Kommunikationsmodell von Luhmann haben mich auch amüsiert, weil ich es interessant finde, mit neuen Gedankenmustern überrascht zu werden. Die Integration der Autopoeisis (siehe Kapitel 3.4) in das Systemdenken einzuflechten, war für mich nicht wirklich etwas Neues, da ich die Funktion der Systeme, ohne wirklich im Detail darüber philosophiert zu haben, diffus so eingeschätzt habe, wie Niklas Luhmann sie so lebendig in seiner Systemtheorie beschreibt. Durch das stetige Erschließen seiner operativen Systemtheorie, die für mich komplett neu war, habe ich Niklas Luhmann nun in mein Repertoire der Wissensschätze aufgenommen, auf den ich nicht mehr ohne weiteres verzichten möchte. Er ist ein Mensch, der wenn er könnte, die Ge-sellschaft zur Aufklärung nötigen würde, damit wir Zusammenhänge besser verstehen lernen und entsprechend dann die Erwartungshaltungen präparieren. Aber er würde auch die Gentechnik dahingehend gebrauchen, Glühwürmchen mit Äpfeln zu kreuzen, um auch nachts Äpfel pflücken zu können (Vergl. Berghaus 2003, 15-16).
2. Biografie und wie Luhmann die Welt sieht
2.1 Wer war Niklas Luhmann?
Niklas Luhmann wurde am 8.12.1927 in Lüneburg geboren. Nach dem Jurastudium hat er zehn Jahre später noch ein Soziologiestudium an der Harvard University in den USA angehängt, dort lernte er Talcott Parsons kennen. Während Parsons das Rekonstruktionsmodell der Systeme vertritt, geht Luhmann davon aus, dass die Systeme real sind. So modellierte er den strukturell-funktionalen Ansatz von Parsons in einen funktional-strukturellen Ansatz um, der nicht die Struktur des Systems in den Vordergrund rückt, sondern er fragt nach der Funktion von internen Strukturen (Vergl. Miller 2001, 31). 1968 wurde er Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. Luhmann hat von Anfang an für seine Theorie übertragbare Begriffe ausgesucht, denn er wollte die einzelnen Funktionssysteme (Gesellschaft, Politik, Religion, Familie, Erziehung usw.) miteinander vergleichen und in Beziehung setzen. Sein Lebenswerk war demnach eine Theorie der Gesellschaft zu erstellen. „ Diese Systemtheorie erhebt für sich selbst den Anspruch, universell zu sein.“ (Luhmann 1987, 163) Universell bedeutet aber nicht, die komplette Realität widerzuspiegeln, das ist undenkbar, sondern sie erhebt damit nur ihre Berechtigung und ihren Wahrheitsanspruch gegenüber anderen Theorien, weil sie versucht das ganze soziale Spektrum zu berücksichtigen. Nach vielen Veröffentlichungen über die einzelnen Funktions-systeme der Gesellschaft hat er noch ein Jahr vor seinem Tod am 6.11.1998 als Krönung seines Werkes „ Die Gesellschaft in der Gesellschaft “ veröffentlicht, in der er unsere Gesellschaft als ein Produkt der Gesellschaft beschreibt, bzw. ein Produkt der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung und Selbstorganisation. 1988 erhielt Niklas Luhmann den Hegelpreis der Stadt Stuttgart. Er war zeitlebens ein umstrittener Soziologe, weil das Fundament seiner Theorie, seine Perspektive eine ganz andere, eine völlig neue und ich würde sogar sagen, fast verspielte Perspektive, ist, die man mit dem Kinderspiel: „ Ich sehe was, was du nicht siehst “ bezeichnen könnte. Jeder sieht, hört, fühlt anders, jeder sieht anderes, hört anderes, fühlt anderes! Dieser Aspekt durchzieht seine ganze Theoriekonstruktion.
2.2 Luhmann und der „blinde Fleck“
„Ich sehe was, was Du nicht siehst“, so nennt sich auch der Titel eines Aufsatzes von Niklas Luhmann, in dem er das Beobachtungskonzept von George Spencer Brown erläutert (Vergl. Luhmann 1990, 228-234). Die These von Brown untermauerte die Vorstellung der Beobachtung von Luhmann, dass Beobachtungen mit zweiwertigen Unterscheidungen operieren, wobei immer nur eine Seite bezeichnet wird und die andere ausgeblendet bleibt. Wenn ich etwas als gut empfinde, dann unterscheide ich das Gute von dem Bösen, oder das Schöne von dem Hässlichen. Er unterteilt demnach den Beobachtungsprozess in ein schlichtes binäres Code-System. Die Konsequenz daraus ist, dass die Welt die beobachtet wird, entscheidet was unterschieden wird. Die Pointe ist nur, dass die Unterscheidung selbst im Akt des Unterscheidens nicht beobachtet werden kann. Diese Feststellung nennt Luhmann den „blinden Fleck“. Er entsteht dadurch, dass der Beobachter „ zugleich Subjekt und Objekt “ ist (Berghaus 2004, 37). Um diesen zu beobachten bedarf es einer zweiten Beobachtung: einer Beobachtung zweiter Ordnung. Da aber auch die Beobachtung zweiter Ordnung den blinden Fleck in sich trägt, kann die Welt nicht objektiv betrachtet werden. Unterscheidungen sind mannigfaltig vorhanden und dasselbe Ding kann auf verschiedene Weise unterschieden werden. Somit ist Erkenntnis immer subjektbezogen und das Ding an sich immer ein Konstrukt der Wirklichkeit.
2.3 Luhman und der Konstruktivismus
Luhmann war schon aus dem Grunde ein Anhänger der Systemtheorie, weil für ihn unabänderlich feststand, „ dass Systeme real in der Wirklichkeit existieren “ (Berghaus 2003, 26). Nicht nur das Gesellschaftssystem ist real, sondern auch das Bewusstseinssystem ist real. Bewusstseinssysteme beobachten die Gesellschaft. Der Konstruktivismus ist eine Kognitionstheorie, mit dem Axiom, dass es unmöglich ist, die externe Realität in Erkenntnissen über die Welt abzubilden, sprich dass die Realität nicht als Realität eins zu eins erfasst werden kann. Das was wir sehen oder glauben zu sehen ist immer nur eine Konstruktion. Also sind unsere Beobachtungen Operationen von psychischen und sozialen Systemen. Diesen Ansatz nennt Luhmann „ operativer Konstruktivismus “ (Luhmann 1991, 73 in Berghaus 2004, 27). Er fragt nicht was konstruiert wird, sondern wie konstruiert wird. Wie empfinden die Beobachter die Realität? Wir wird sie wahrgenommen? Wie nehmen sie die Welt nicht wahr? Wie stabil ist ein System? Als Ordnungssoziologe interessieren ihn hauptsächlich die Bedingungen eines Systems. Je unabhängiger und strukturierter, bzw. ausdifferenzierter ein System ist, konstatiert er, umso besser kann es funktionieren und auch auf die Bedingungen der Umwelt eingehen! Die Frage ist, tun die Systeme das in der Realität auch wirklich? Wie weit setzen sich Systeme für Ökonomie und Umweltprobleme ein, die ja scheinbar alle Systeme betreffen? Warum verabschiedet sich die Deutsche Bank von Tausenden von Mitarbeitern, obwohl sie schwarze Zahlen in Milliardenhöhe schreibt? Doch Luhmann setzt auf seine Beobachtungstheorie. Jede Beobachtung impliziert nach Luhmann automatisch und immer eine Unterscheidung und das ist immer eine Differenz oder ein Konstrukt. Somit outet er sich gleichzeitig als ein radikaler Konstruktivist. Er spricht von einer System/Umwelt-Differenz. Doch bevor ich die System/Umwelt-Differenz näher erläutere, möchte ich vorab darstellen, was für Luhmann ein System ist, bzw. was für ihn kein System ist.
3 Die Systemtheorie von Niklas Luhmann
3.1 Was ist ein System nach Luhmann?
Für Luhmann ist System ein interdisziplinärer Begriff, den er ganz gezielt einsetzt, um die Komplexität der Welt zu erfassen. Außerdem lässt er sich auf alle Bereiche der Wirklichkeit übertragen und besitzt Eigenschaften wie Strukturbildungsgesetze, Dynamik, Operationen und Geschlossenheit. Ein System verweist immer auf ein Ganzes und auf seine Teile. Ein Wahrnehmungsgesetz lautet: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Es geht nicht nur um das Summieren der Teile, die dann als Endprodukt das Ganze ergeben, sondern es handelt sich bei Luhmann um das Zusammenwirken der Merkmale, der Eigenschaften, der einzelnen Elemente und der das System umgebenden Umwelten. Nach Luhmann gibt es organische (biolo-gische), soziale und psychische Systeme. Jedes System ist nach Luhmann operativ geschlossen. Das besagt, dass Informationen nicht von außen in ein System hineingetragen werden, sondern die Informationen werden hauptsächlich system-intern erzeugt. „ Systeme bestehen nicht aus Dingen, sondern aus Operationen.“ (Luhmann 1984, 46 ff) „ Nur ein System kann operieren, und nur Operationen können ein System produzieren.“ (Luhmann 1995, 27) Natürlich operiert jedes System auf seine charakteristische Weise. Ein biologisches System lebt, soziale Systeme kommunizieren und psychische Systeme operieren in Form von Wahrnehmungs-, Deutungs- und Bewusstseinsschematas. Jedes System hat eine oder mehrere Umwelten ohne die es nicht existieren kann. System und Umwelt bedingen sich. Aber nun folgt die erste Überraschung. Nach Luhmann ist der Mensch kein System! Im ersten Moment ist das nur schwer nachvollziehbar, doch man muss nur versuchen die luhmann’schen Gedanken nach und nach zu antizipieren, um zu verstehen wie konsequent und logisch er seine Theorie aufgebaut hat.
3.2 Wo bleibt bei Luhmann der Mensch?
Ist er außen vor? Evtl. sogar annuliert? Nach Luhmann ist er zwar außerhalb des Geschehens, also nicht im System, aber in der Umwelt bestplatziert!
„ Der Mensch mag für sich selbst und für Beobachter als Einheit erscheinen, aber er ist kein System. Erst recht kann aus einer Mehrheit von Menschen kein System gebildet werden “ (Luhmann 1984, 67f).
Der Mensch ist nach Luhmann kein System. Auch mehrere Menschen sind kein System. Wäre er ein System, wäre er nach Luhmann eine Art von Trinitätssystem. Da in der realen Welt so etwas wie ein Trinitätssystem, bestehend aus einem psychischen, sozialen und biologischen System, was eigentlich der Mensch und nur der Mensch ist, nicht vorkommt, hat Luhmann sinnvoll beschlossen ihn nur partiell an den autopoetischen Systemen teilhaben zu lassen. Der Mensch, Luhmann spricht nur von Personen, ist nur ein Teilaspekt des jeweiligen agierenden Systems und bringt sich nur insofern in das System ein, wie es vom System und für ihn selbst erforderlich ist. Trotzdem behält der Mensch seine Einheit und gerade deswegen, weil er von keinem System ganz dominiert werden kann. Würde man den Menschen als System bzw. Trinitätssystem betrachten, müsste man strukturelle Kopplungen untereinander beschreiben und die anderen Systeme, gerade weil sie keine Trinität vorweisen, hätten nicht dieselbe Ausgestaltung, Sinn, Struktur und Qualität. Dieses Geflecht - Mensch - mit unterschiedlichen System/Umwelt-Differenzen lässt unterschiedliche Beobachtungen und Wahrnehmungen von Welt zu. Diese ganze Komplexität der Verhältnisse kann nicht mit der Metapher des kommunizierenden Menschen alleine ausreichend und substantiell erfasst werden. Deshalb ist es theoretisch konsequent den Menschen in der Umwelt zu platzieren. Luhmann wird ständig vorgeworfen eine inhumane Gesellschaftstheorie entwickelt zu haben.
„ Der Mensch ist nicht Subjekt, sondern Adjekt der Gesellschaft.“ (Luhmann 1992b, 139). Als Adjektive verschiedener Systemtypen leugnet Luhmann keineswegs den Menschen als Einheit, aber er ist für seine Analysetheorie als System nicht brauchbar, denn um die Phänomene detailliert zu erfassen, muss man seiner Meinung nach, den Mensch als Umwelt der Gesellschaft betrachten. Wie wird nun der Mensch nachdem er aus der Kommunikation verbannt ist, wieder in die Kommunikation eingeschlossen? Als Teilsystem ist er in einem sozialen System natürlich immer mit seiner ganzen Person (Körperlichkeit und Bewusstsein) vorhanden, aber je nach Kommunikationsart und Situation, kann er nur ein Rollenkonstrukt, eine soziale Adresse, eine Inklusion, eine Signatur/Gegenzeichnung, aber auch eine Person sein, die andere Personen durch Vollmacht vertreten kann.
Diese Begriffe kommen dem soziologischen Begriff der Rolle und Rollenerwartungen sehr nahe. Ich habe es insofern verstanden, dass jeder Mensch seine Rolle in der Gesellschaft, im Beruf, Mutterrolle, in einem sozialen System (z.B. Begrüßung zwischen Student und Dozent) annimmt, jedoch jeder nie ganz in seiner Rolle als Person aufgehen kann. Die Menschen, die das versuchen, berühren uns meistens irgendwie unangenehm. Ein Mutter z.B. die bei Allem was sie sagt und unternimmt, unabhängig wo sie sich aufhält und befindet, ob im Beruf oder in einer Mutter-Kind-Gruppe, nur in ihrer Mutterrolle aufgeht, ist kaum zu ertragen, besonders wenn man selbst die Rolle der Mutter kennt.
3.3 Der Mensch fliegt aus der Gesellschaft raus
Aber Luhmann geht noch weiter: Er behauptet, dass die Gesellschaft nicht aus Menschen bestehe! Wie bitte? Das widerspricht in erster Linie jedem Alltagsverständnis! Doch man muss nur versuchen nachzuvollziehen, wie es Luhmann meint, dann spürt man intuitiv, dass er Recht hat. „Das System der Gesellschaft besteht aus Kommunikation. Es gibt keine anderen Elemente, keine weitere Substanz als eben Kommunikation. Die Gesellschaft besteht nicht aus menschlichen Körpern und Gehirnen. Sie ist schlicht ein Netzwerk von Kommunikationen“ (Luhmann 1989, 12 in Berghaus 2004, 64). Der Mensch wird nicht in der luhmann’schen Theorie ausradiert - er wird nur umdisponiert in die Umwelt des Systems zugunsten von Gewinnmaximierung. Natürlich kann das oft nicht ohne weiteres getrennt werden, denn Kommunikation kann nur mit Bewusstsein stattfinden und umgekehrt. Die seltenen Fälle, in denen es auch anders möglich ist, sind eher unwahrscheinlich oder pathogen. Hans-Martin Kruckis, der ein Fan von Luhmann’s Humor war, hat einen interessanten ironischen Gedankengang in Bezug auf den Platz des Menschen in der Gesellschaft, in seinem
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Margot Berghaus, die eine leichte Einstiegsliteratur über die Systemtheorie von Luhmann verfasst hat, zitiert Kruckis folgendermaßen: „ Ja, wenn nun jemand zum Friseur geht und sich die Haare abschneiden lässt – schneidet man dann auch etwas von der Gesellschaft ab ?“ (Kruckis 1999, 51 in Berghaus 2004, 64)
Systeme bestehen aus Operationen, und auf der Ebene der Operationen ist Kommunikation „ die kleinstmögliche Einheit eines sozialen Systems “ (Luhmann 1997, 82). Nicht Menschen kommunizieren sondern „ nur die Kommunikation kann kommunizieren.“ (Luhmann 1995, 113 und 37) Ein Mensch kommuniziert nicht, weil nur soziale Systeme kommunizieren! Ein Mensch ist wie angeführt kein System. Die Gesellschaft, die Politik, die Massenmedien, eine Redaktionskonferenz, eine Begrüßung, eine Familie, Mutter und Kind, dass sind alles soziale Systeme, die miteinander kommunizieren. Das menschliche Bewusstsein ist nicht Bestandteil eines sozialen Systems, da es ein psychisches System ist. Die beiden Systeme bedingen sich, sind aber unabhängig voneinander zu betrachten, bzw. sind sich selbst gegenüber Umwelt. Da nun die Gesellschaft ein soziales System ist, gehören Zellen, Bewusstseine bzw. die Menschen nicht dazu. Sie sind nicht im System, belasten also das System Gesellschaft nicht weiter. Dies hat für die Gesellschaft zur Folge, dass Kommunikation eine höhere Komplexität aufbauen kann. Zum besseren Verständnis werde ich im nächsten Kapitel nun den Begriff der Autopoeisis erläutern, aus dem hervorgeht, dass nur ein soziales System Kommunikation, ein psychisches System nur Denken und ein biologisches System nicht mehr und nicht weniger als Leben erzeugen kann.
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