orwort
Religiöses Erleben und Erfahren ist eine Eigenart des Menschen, die sein Dasein prägen und sein Handeln ganz wesentlich bestimmen kann. Auch wenn bewußt gelebte und bezeugte Religiosität heute nicht mehr „in“ ist und in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr an den Rand gedrängt wird, wächst doch zugleich die Sehnsucht nach Lebensorientierung und Sinnvergewisserung, um den Herausforderungen der Zeit begegnen zu können, und um das eigene Leben zu gestalten und zu einem würdigen und gelungenen Ende zu bringen.
Die Chance dazu sieht William James im „religiösen Appetit des Menschen“, den er mit seinem Werk „Die Vielfalt religiöser Erfahrung“1 mit einer Fülle von Einzelbeispielen und wissenschaftlichen Reflexionen zum Thema auf seine Weise zu stillen versucht. Einige seiner Thesen werden im Folgenden Gegenstand der Betrachtung sein.
Eine religionsphilosophische Auseinandersetzung mit dem Anspruch auf Objektivität hinsichtlich der Gestaltenvielfalt von Erfahrung und der Eigengesetzlichkeit religiöser Erfahrung soll versucht werden anhand des grundlegenden Werkes von Richard Schaeffler2, der Erfahrung als einen dialogischen Vorgang bezeichnet, in dem der Mensch auf den Anspruch der Wirklichkeit mit seinem Anschauen und Denken im Laufe der Geschichte auf unterschiedliche Weise geantwortet hat.
Daß ein Sich-Einlassen auf Religion tatsächlich das Leben des Einzelnen radikal verändern und in ein sinnvolles und sinnstiftendes Dasein verwandeln kann, soll am Beispiel der religiösen Erfahrung des zeitgenössischen Künstlers Johannes Schreiter gezeigt werden. Seine Erkenntnisse und Überlegungen mögen als lebendiger Beitrag und als ganz persönliches Zeugnis von einer immerwährenden über-weltlichen Macht und Göttlichkeit die Lehren von William James und Richard Schaeffler ergänzen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bemerkungen zu Erfahrung und religiöser Erfahrung
- Konkretisierung der Erfahrung und der religiösen Erfahrung anhand der religionsphilosophischen Thesen Richard Schaefflers
- Zur Theorie der „Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit“
- Warum die transzendentalphilosophische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen von Erfahrung heute neu gestellt werden muß
- Strukturmomente im Prozeß einer dialogischen Theorie der Erfahrung
- Das responsorische Geschehen
- Das „Ereignis“
- Der antizipatorische Charakter
- Die Eigengesetzlichkeit einer Welt der religiösen Erfahrung
- Subjektives Erlebnis, Interpretation oder objektiv gültige Erfahrung?
- Das Zur-Antwort-Herausgefordert-Sein und die neue Weltsicht
- Von „numinoser Freiheit“, „protologischem Kontext“ und „eschatologischer Hoffnung\" - Begrifflichkeiten religiöser Erfahrung
- Mystik als „,Grenzfall“ religiöser Erfahrung
- Fazit
- Spezifizierung der religiösen Erfahrung als individuell-lebensgeschichtliches Ereignis durch William James
- James' Prinzipien und Thesen bezüglich religiöser Erfahrung
- Die Bedeutung von Existenzurteil und Werturteil mit Bezug auf religiöse Erfahrung
- Charakteristika religiöser Erfahrung
- Das In-Beziehung-Sein mit dem Göttlichen
- Die,,Früchte der Erkenntnis“
- Psychologie und Psychopathologie religiösen Erlebens
- Die besondere religiöse Bereitschaft der „Zweimal-Geborenen“
- Das „subliminale Bewußtsein“ als psychologischer Aspekt religiöser Erfahrung
- „Gefühl“ und „Verhalten\" als „Stromkreis der Religion“
- Das „transmarginale Feld\" als psychologischer Deutungsbegriff für den Wahrheitsgehalt einer religiösen Erfahrung
- Fazit
- Kunst als Sinnbild religiöser Erfahrung - Zum religiösen und künstlerischen Lebensweg Johannes Schreiters
- Zur Person
- Das „,Ereignis“
- Die Antwort des Menschen
- Die Antwort des Künstlers: Dem Unnennbaren Gestalt geben
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Bedeutung von Erfahrung und religiöser Erfahrung im menschlichen Leben zu beleuchten. Es soll untersucht werden, wie Erfahrung als ein dialogischer Prozess verstanden werden kann, in dem der Mensch auf die Wirklichkeit mit seinem Anschauen und Denken antwortet. Darüber hinaus wird die Eigengesetzlichkeit der religiösen Erfahrung sowie deren spezifische Charakteristika durch den Vergleich mit den Thesen William James analysiert. Abschließend wird der Lebensweg des Künstlers Johannes Schreiter als Beispiel für die Bedeutung religiöser Erfahrung im menschlichen Dasein vorgestellt.
- Erfahrung als dialogischer Prozess
- Die Eigengesetzlichkeit religiöser Erfahrung
- Spezifische Charakteristika religiöser Erfahrung
- Die Bedeutung von Erfahrung im menschlichen Leben
- Religion und Kunst im Kontext religiöser Erfahrung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitende Bemerkungen zu Erfahrung und religiöser Erfahrung: Dieses Kapitel führt in die Thematik ein und stellt die zwei grundlegenden Wahrnehmungs- und Erfahrungsweisen, die des empirisch und objektiv Meßbaren sowie die des unmittelbar und subjektiv Wahrnehmbaren, vor. Es wird argumentiert, dass beide Erfahrungsweisen für unser Leben von Bedeutung sind und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Innen- und Außenwelt notwendig ist.
- Spezifizierung der religiösen Erfahrung als individuell-lebensgeschichtliches Ereignis durch William James: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit William James' Thesen zur religiösen Erfahrung. Es werden seine Prinzipien und Thesen bezüglich religiöser Erfahrung sowie die Charakteristika dieser Erfahrung, insbesondere das In-Beziehung-Sein mit dem Göttlichen und die „Früchte der Erkenntnis“, vorgestellt.
- Kunst als Sinnbild religiöser Erfahrung - Zum religiösen und künstlerischen Lebensweg Johannes Schreiters: Dieses Kapitel präsentiert den Lebensweg des Künstlers Johannes Schreiter als Beispiel für die Bedeutung religiöser Erfahrung im menschlichen Dasein. Es beschreibt das „Ereignis“, das sein Leben veränderte, die Antwort des Menschen auf dieses Ereignis und die Antwort des Künstlers, dem Unnennbaren Gestalt zu geben.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Erfahrung, religiöse Erfahrung, Dialog mit der Wirklichkeit, Eigengesetzlichkeit, William James, Johannes Schreiter, Kunst als Ausdruck religiöser Erfahrung. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Erfahrung als ein dialogischer Prozess verstanden werden kann und welche Bedeutung die religiöse Erfahrung im menschlichen Leben einnimmt. Darüber hinaus werden die spezifischen Charakteristika religiöser Erfahrung sowie deren Darstellung in der Kunst erörtert.
- Citation du texte
- Lore Kugele (Auteur), 2004, Sehnsucht nach Religion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88260