Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – Was ist das?


Hausarbeit, 2007

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einfühhrung
1.1. Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt
1.1.1. Demografischer Wandel
1.1.2. Wirtschaftliche Veränderungen in der Arbeitswelt
1.2. Handlungsbedarf

2. Grundlagen der Sozialversicherung und des BGM
2.1. Historische Kontext der deutschen Soziapolitik
2.2. Sozialgesetzbücher
2.3. Rechtliche Grundlage des Betrieblichen Gesundheitsförderung

3. Definition

4. Bestimmung der Handlungsfelder
4.1 Definition der Betrieblichen Gesundheitsförderung
4.2. Definition des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
4.3. Definition der Betrieblichen Eingliederung / Disability Management

5. Die Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung

6. Einordnung in die Sporttherapie

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Die offizielle Definition von Gesundheit gemäß der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 22. Juli 1946 lautet: „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.”[1]

Gesundheit darf dementsprechend nicht als ein einzelner unveränderbarer, sondern als ein mehrdimensionaler, dynamischer Zustand aufgefasst werden, der durch bestimmte Maßnahmen, wie zum Beispiel gesunde und ausgewogene Ernährung sowie regelmäßiges Sporttreiben gefördert und erhalten werden kann.

Eine dieser Maßnahmen stellt die Gesundheitsförderung im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) dar, da sich Gesundheit und Zufriedenheit nach Mollenkopf nachhaltig auf den Unternehmenserfolg auswirken[2].

Das Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Bielefeld begründet die Notwendigkeit des BGM folgendermaßen: „Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen ist die Pflege und Förderung der Humanressourcen. Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zentrale Bestandteile des Humankapitals. Deshalb ist Betriebliches Gesundheitsmanagement eine wichtige Voraussetzung für die Rentabilität und Überlebensfähigkeit der Unternehmen“[3].

Weitere Voraussetzungen für Rentabilität und Überlebensfähigkeit sind Wissen, Fähigkeiten und Gesundheit der Mitarbeiter[4]. Letztere wird durch den fortschreitenden demografischen Wandel bedroht, da dieser weit reichende Veränderungen bis in die Arbeitswelt mit sich bringt. Somit werden Unternehmen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema „Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz“, gezwungen, um einer prekären Ausgangslage entgegenzuwirken.

Für die erfolgreiche Einführung eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsmanagements sieht Mollenkopf die Notwendigkeit einer Art „Initialzündung“[5].

Im nächsten Kapitel werden zunächst die aktuelle betriebliche Ausgangslage beschrieben und im Folgenden Gründe dafür aufgeführt, die ein zukunftorientiertes Unternehmen dazu bewegt, Maßnahmen – wie das BGM - zur Bewältigung der gestiegenen Anforderungen zu ergreifen.

1.1. Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt

Globalisierung, veränderte Produktionsmethoden, Kostenoptimierung, Rationalisierungszwang, Altersteilzeit, Personalabbau, Arbeitslosigkeit, …

Diese Aufzählung lässt sich um viele weitere Begriffe ergänzen. Sie zeigt, dass die Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren wachsenden Belastungen im Berufsalltag ausgesetzt waren. Dies führt nach Mollenkopf[6] zu psychomentalen und psychosozialen Überbeanspruchungen, die sich zum Beispiel durch Mobbing, Motivationsverlust und Unzufriedenheit äußern. In manchen Fällen führen sie sogar zum Entstehen eines Burnoutsyndroms.

Die wachsenden Beanspruchungen können auf zwei Phänomene zurückgeführt werden: den demografischen Wandel und die wirtschaftliche Veränderungen.

1.1.1. Demografischer Wandel

Bundespräsident Horst Köhler beschreibt den demographischen Wandel wie folgt:

„In Deutschland sinkt seit Jahrzehnten die Zahl der Kinder, die Bevölkerung wird immer älter, […] viele Städte und Regionen schrumpfen. Der demographische Wandel wird unsere Gesellschaft und unser Miteinander verändern [….]“ (o. J., Vorwort).

Das Modell des demographischen Wandels geht auf erste Ansätze von Warren S. Thompson (1929) und Frank W. Notestein (1945) zurück. Es dient der idealtypischen Beschreibung der Veränderungen von Mortalität und Fertilität in den westlichen Industrieländern.

Auf Grundlage dieses Modells können u. a. Rückschlüsse auf die Entwicklung der Zahl der Erwerbstätigen und deren Altersstruktur gezogen werden. Zwei Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt sind feststellbar:

Zum einen kommt es zu einem deutlichen Rückgang des Arbeitskräftepotenzials, welcher bis 2020 durch Immigration sowie Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren kompensiert werden kann[7]. Darüber hinaus erklärt die Bertelsmann Stiftung (2005, Absatz 2), dass die Erwerbsbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 24 Millionen sinken wird. Zum Vergleich: Zurzeit sind es 41 Millionen Erwerbstätige.

Zum anderen ist die Veränderung der Altersstruktur von entscheidender Bedeutung. Qualifizierte Nachwuchskräfte werden immer seltener und Unternehmer so gezwungen, ältere Mitarbeiter weiterzubeschäftigen[8]. Dies heißt in Zahlen: Der Umfang der Altergruppe der 35- bis 49-Jährigen wird bis zum Jahr 2050 um 31 Prozent von 20 Millionen auf 14 Millionen absinken[9].

Die veränderte Altersstruktur in den Unternehmen wirkt sich auch auf den Krankenstand aus. Mollenkopf formiert diese Tatsache in seinem Handlungsleitfaden zum ganzheitlichen BGM leicht provokant: „[…] Die [gemeint sind ältere Mitarbeiter] sind nun mal im Schnitt länger krank als jüngere“[10].

Wilke et al. unterstützen diese Behauptung, indem sie aufzeigen, dass ältere Arbeitnehmer zwar nicht öfter krank sind als jüngere, jedoch deutlich mehr Arbeitsunfähigkeitstage verzeichnen. Die Analyse der Krankheitsdaten von einer Million Versicherten durch das Institut für betriebliche Gesundheitsförderung der AOK Rheinland belegt, dass mit steigendem Alter die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage steigt: Die unter 24-jährigen Arbeitsnehmer waren 2004 im Durchschnitt 5,7 Tage lang krank im Gegensatz zu den über 55-jährigen Arbeitnehmern, die auf durchschnittlich 22 Tage bei einem Krankheitsfall kommen.

1.1.2. Wirtschaftliche Veränderungen in der Arbeitswelt

Auf Grundlage der Drei-Sektoren-Hypothese von Fourastie (1949) sind Veränderungen in der Arbeitswelt durch den Übergang vom primären (Rohstoff lieferndes Gewerbe), über den sekundären (Rohstoff verarbeitendes Gewerbe) bis hin zum tertiären Wirtschaftssektor (Dienstleistung erbringendes Gewerbe) gekennzeichnet. Wilke et al. erklären ergänzend, dass viele Tätigkeiten durch Technisierung und Automatisierung nicht mehr körperlich und produktorientiert sind, sondern es sich überwiegend um informationsverarbeitende Tätigkeiten handelt[11]. Jean Gottmann bezeichnete 1961 diesen Bereich als quartären Sektor und definierte die in diesen Bereich fallenden Tätigkeiten als Tätigkeiten aus dem Bereich des tertiären Sektors mit höheren intellektuellen Ansprüchen.

Veränderungen in der Arbeitswelt beschränken sich jedoch nicht nur auf neue Arbeitsformen und andersartige Aufgabenstrukturen, sondern bewirken auch eine Wandlung des Krankheitsspektrums. Hurrelmann beschreibt diese Verschiebung mit folgenden Worten: „Heute sind Infektionen und akute Krankheiten nicht mehr der vorherrschende Typus von Gesundheitsbeeinträchtigungen. Vielmehr dominieren die ´chronischen´ Krankheiten, [….]. Diese Krankheiten entstehen durch langandauernde Überlastungen von körperlichen, psychischen und sozialen Anpassungs- und Regelungskapazitäten“[12].

1.2. Handlungsbedarf

In der Universal Declaration of Human Rights (Article 23 (1)) findet sich die Aussage: “Everyone has the right of work, to free choice of employment, to just and favourable conditions of work and to protection against unemployment.”[13] Ausgehend von dem Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen, ergibt sich die Forderung nach BGM.

Zwei Wandlungsprozesse führen zum Handlungsbedarf:

1. die Folgen des demografischen Wandels und der damit verbundene steigende Krankenstand der älteren Arbeitnehmer sowie
2. die wirtschaftlichen Veränderungen und der damit einhergehende Wandel des Krankheitsbildes.

Diesen Handlungszwang im Themenfeld der Gesunderhaltung von Mitarbeitern formuliert Mollkopf, wie folgt: „Nur wenn es gelingt, die Arbeitsbedingungen zu optimieren, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern und die Mitarbeiterzufriedenheit auf ein hohes Niveau zu heben, wird die Produktivität und Produktqualität hoch und die Fehlzeitenquote und Fluktuation gering sein“[14]. Da Erwachsene 60 Prozent ihrer Tageszeit bei der Arbeit verbringen, hat der Arbeitsplatz einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit der Menschen und gleichzeitig stellt er ein wichtiges Setting zur Förderung der Gesundheit dar[15].

Hurrelmann und Laaser[16] führen noch weitere Gründe an, Gesundheitsförderung, eingebettet im Rahmen des Gesundheitsmanagements, gerade in Unternehmen und Organisationen zu implementieren. Sie berichten von gut entwickelten Kommunikationskanälen und der damit verbundenen Möglichkeit, Zielgruppen zu erreichen, die bei sonstigen Angeboten und Aktionen des Gesundheitssystems deutlich unterrepräsentiert sind.

Wilke et al. bilanzieren abschließend: „Nur wenn die Arbeitsbedingungen optimiert sind, die Gesundheit der Mitarbeiter ein hohes Niveau erreicht, wird auch der Mitarbeiter an sein Optimum herangeführt werden können“[17].

2. Grundlagen der Sozialversicherung und des BGM

2.1. Historische Kontext der deutschen Soziapolitik

Die deutsche Sozialgesetzgebung hat ihren Ursprung im Jahre 1883, in welchem die Erste Krankenversicherung entstand. Sie wurde eingeführt vom Reichskanzler Otto von Bismarck. Die Hinwendung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck gegen Ende der 1870er Jahre zu Schutzzoll und Staatsprotektionismus sicherte, zusammen mit dem Abbruch des Kulturkampfes und dem Erlass des Sozialistengesetzes, die konservative Herrschaft Kaiser Wilhelm dem Zweiten. Darüber hinaus wollte Bismarck nun, um der Sozialdemokratie auch die Basis zu entziehen, das Fürsorge- und Wohlfahrtswesen weiter entwickeln. Nachdem in einer Novelle zur Gewerbeordnung vom 17.7.1987 durch Einführung der obligatorischen Fabrikinspektion, Ausbau des Jugendschutzes und Anfänge des Frauenschutzes der Arbeiterschutz erweitert worden war, ergingen in den 1880er Jahren die drei großen Sozialgesetze, die, wenn auch mit zum Teil beträchtlichen Änderungen, substantiell bis heute in Deutschland in Kraft geblieben sind. Durch das Krankenversicherungsgesetz (31.3.1883), das Arbeitsversicherungsgesetz (27.6.1884) und das Invaliditäts- und Alterversicherungsgesetz (22.6.1889)[18] (wobei das letztere zunächst nur indirekt als Rentenversicherung angesehen werden konnte, da es erst ab dem 70 Lebensjahr in Kraft getreten ist, allerdings lag die durchschnittliche Lebenserwartung im 19. Jahrhundert bei 46 Jahren[19]) sollte die ständig wachsende Arbeiterschaft in die bestehende Wirtschafts- und Gesellenordnung integriert, an den monarchischen Staat gebunden und mit der Unzulänglichkeit ihres politischen Status (Dreiklassenwahlrecht) versöhnt werden. Zusammengefasst werden die drei Sozialgesetze zur Magna Charta[20] der deutschen Sozial Leistungen.

[...]


[1] Übersetzung: Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen.

[2] Mollenkopf, C. (2003). Ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement - Handlungsleitfaden für Unternehmen ab 50 Mitarbeiter, S.2

[3] 2006, http://www.bgm-bielefeld.de/downloads/BGM_ZWW_Broschuere.pdf

[4] Wilke C., Bialles B., & Froboese, I. (2007). Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz – Ansätze und Leitlinien. In H. Deimel, G. Huber, K. Pfeifer & K. Schüle (Hrsg.), Neue aktive Wege in Prävention und Rehabilitation (S. 25-42). Köln: Deutscher Ärzte Verlag, S. 26

[5] [5] Mollenkopf, C. (2003), S. 2

[6] Mollenkopf, C. (2003), S. 4

[7] Wilke et al., 2007, S. 25-26

[8] Mollenkopf, 2003, S. 4

[9] 2005, http://www.aktion2050.de/cps/rde/xchg/SID-0A000F0A-284d5425/aktion/hs.xsl/6417.html, Absatz 3

[10] Mollenkopf, 2003, S. 4

[11] Wilke et al., 2007, S. 26

[12] Hurrelmann, K. (1993). Einführung in die Sozialisationstheorie (4., überarb. und erg. Aufl.). Weinheim: Beltz, S. 215

[13] Übersetzung: Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freue Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.

[14] Mollenkopf, 2003, S. 4

[15] Naidoo, J. & Wills J. (2003). Lehrbuch der Gesundheitsförderung (1. Aufl. der dt. Ausg.). Gamburg: Verlag für Gesundheitsförderung, S. 263

[16] Hurrelmann, K. & Laaser, U. (2006). Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention. In K. Hurrelmann, U. Laaser & O. Oliver Razum (Hrsg.), Handbuch Gesundheitswissenschaften (4., vollst. überarb. Aufl., S. 749-780). Weinheim: Juventa.

[17] Wilke et al., 2007, S.28 .

[18] Vgl. Udo Sautter, 2004, Deutsche Geschichte seit 1815: Daten, Fakten, Dokumente, Band 3: Basel , Historische Quellen,A. Francke Verlag Tübingen, S.76 ff.

[19] vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund, Unsere Sozialversicherung, Berlin, Bonifatius Druck, 6/2006, S. 10

[20] vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2006, S. 8

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Details

Titel
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – Was ist das?
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Rehabilitation und Prävention)
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V88281
ISBN (eBook)
9783638028066
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebliches, Gesundheitsmanagement
Arbeit zitieren
Henning Pracht (Autor:in), 2007, Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – Was ist das?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88281

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