Sie hängen gefesselt von der Decke, liegen eingeschnürt am Boden oder stehen angeseilt an einem Pfahl: nackte, manchmal in ein Bürokostüm gehüllte junge Frauen, deren Geschlechtsmerkmale durch die Fesseln aufreizend hervorgehoben werden. Sex und Gewalt, ein Thema, das immer Konjunktur hat. Doch plötzlich erklingt fröhliche Musik, ein Zeichentrick-Spiderman schwingt sich durchs Bild und im nächsten Moment singen Shirley and Company ihren Hit „Shame, Shame, Shame“ aus dem Jahre 1975. Moment Mal, um was geht es hier eigentlich?
In „Lovely Andrea“ mischt Hito Steyerl Bondage-Szenen mit Bildern von Guantánamo-Häftlingen, Zeichentrick und Musikvideos. Der Film ist schockierend und erregend, anziehend und abschreckend, ernst und unbekümmert zugleich. Zurück bleibt ein verstörendes Gefühl und ein großes Fragezeichen. Was will die Künstlerin mit diesem Werk? Übt sie feministische Kritik an der Pornoindustrie, klagt sie die Gefangenenpolitik der vereinigten Staaten an oder verherrlicht „Lovely Andrea“ nicht doch eher die unbeschwerte Spaßkultur? Und warum wird der Film auf der documenat12 in einem großen, Licht durchfluteten Raum gezeigt, den man beim Rundgang durch das Fridericianum fast zwangsweise passiert und welcher die Besuchenden in aller Öffentlichkeit mit den anzüglichen und gewaltsamen Szenen konfrontiert? Welche Aussage wird getroffen und wie gehen die Betrachtenden mit der Situation und dem Werk um? Was für Möglichkeiten gibt es überhaupt, sich mit einem so komplexen Werk auseinanderzusetzen? Und welche Herausforderung bedeutet aktuelle Kunst wie „Lovely Andrea“ für die Kunstdidaktik, die es vermitteln soll?
In meiner Hausarbeit gehe ich diesen Fragen nach, indem ich Hito Steyerls Film zunächst analysiere und seine Einbettung in den Kontext der documeta12 beschreibe. Anschließend beschäftige ich mich mit den didaktischen Konzepten der Ästhetischen Forschung nach Helga Kämpf Jansen und Christine Heil. Es wird sich zeigen, dass die Ästhetische Forschung in ihrer Struktur und Herangehensweise Parallelen sowohl zu Hito Steyerls Film als auch zu der documenta 12 insgesamt aufweist und damit ideale Bedingungen für eine umfassende Beschäftigung mit „Lovely Andrea“ bietet. Angelehnt an die Konzepte der beiden Kunstdidaktikerinnen skizziere ich anschließend eine Möglichkeit sich dem Film experimentell anzunähern. Den Abschluss bilden Hinweise bezüglich einer Umsetzung im Schulunterricht und eine Reflexion.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- ,,Lovely Andrea“ von Hito Steyerl – eine Analyse
- Inhalt
- Filmsprache
- Problemstellung – Macht und Unterwerfung?
- Aussagen der Künstlerin
- Die Künstlerin
- Der Bezug zur documenta 12
- Der Bezug zur documenta 12 – Inhalt
- Der Bezug zur documenta 12 - Form
- ,,Lovely Andrea“ in Bezug zu anderen Werken: Assoziationen
- Hito Steyerl, „Lovely Andrea“
- Tanaka Atsuko, „Electric Dress“; Sheela Gowda, „And...“; Trisha Brown, „Floor of the Forest“
- Gerwald Rockenschraub, „o.T.“ (2007); Mária Bartuszová, „o.T.“ (1970-1987)
- Ästhetische Forschung
- Die Ästhetische Forschung nach Helga Kämpf-Jansen
- Kunst als Ausgangspunkt einer Ästhetischen Forschung
- Kritik am Konzept von Helga Kämpf-Jansen
- Ästhetische Forschung und die documenta 12
- Skizze eines ästhetischen Forschungsprojekts für Jugendliche und Erwachsene zu ,,Lovely Andrea“
- Chancen und Probleme
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht Hito Steyerls Film ,,Lovely Andrea" im Kontext der documenta 12 und erforscht, wie das komplexe Kunstwerk mit Hilfe der Ästhetischen Forschung zugänglich gemacht werden kann. Die Arbeit analysiert den Film, untersucht seine Einbettung in die documenta 12 und beleuchtet die didaktischen Konzepte der Ästhetischen Forschung nach Helga Kämpf Jansen und Christine Heil.
- Analyse von Hito Steyerls Film ,,Lovely Andrea“
- Beziehung des Films zur documenta 12
- Anwendung der Ästhetischen Forschung im Kontext von ,,Lovely Andrea“
- Didaktisches Potenzial der Ästhetischen Forschung für den Umgang mit komplexen Kunstwerken
- Entwicklung eines Forschungsprojekts für die Auseinandersetzung mit ,,Lovely Andrea“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Films ,,Lovely Andrea" ein und stellt die zentralen Fragen der Hausarbeit vor. Im Anschluss wird der Film in einem eigenen Kapitel analysiert, wobei Inhalt, Filmsprache und die von der Künstlerin angesprochenen Themen beleuchtet werden. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Einbettung des Films in den Kontext der documenta 12. Der Film wird dabei in Bezug zu anderen Werken der documenta gesetzt und die von ihm ausgehenden Assoziationen werden erörtert.
Im folgenden Kapitel wird der theoretische Rahmen der Ästhetischen Forschung nach Helga Kämpf-Jansen und Christine Heil vorgestellt. Die Stärken und Schwächen dieses Konzepts werden im Hinblick auf die Analyse von ,,Lovely Andrea" diskutiert. Das letzte Kapitel widmet sich der Frage, wie die Ästhetische Forschung konkret für die Auseinandersetzung mit dem Film eingesetzt werden kann. Es werden sowohl Chancen als auch Herausforderungen dieses Ansatzes im Schulkontext beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themenfelder Kunst, Ästhetische Forschung, documenta 12, Hito Steyerl, ,,Lovely Andrea", feministische Kunstkritik, Pornografie, Gewalt, Macht und Unterwerfung.
- Arbeit zitieren
- Berit Eichler (Autor:in), 2007, Hito Steyerls "Lovely Andrea" und Ästhetische Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88375