Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen dramatischer Form und ihrer Funktion zur Vermittlung aufklärerischer Inhalte. Sie geht davon aus, dass die Form einer Funktion folgt, die seit der Literarisierung des Theaters die dramatischen Produktionen bestimmt. Die Anregung, nach dem aufklärerischen Potential dramatischer Texte zu fragen, entsprang dem Eindruck einiger Stücke des Autors und Regisseurs René Pollesch. Dieser konterkariert mit seinem Modell von Theater das „klassische“ Illusionstheater und sprengt auf diese Weise die gewohnten Sichtweisen auf und von Theater. Obgleich diese Form des „postdramatischen Theaters“ (Lehmann) inhaltlich wie formal die Praktiken des klassischen Theaters verkehrt, scheint es dennoch der Intention, aufklären zu wollen, zu folgen. So stellt es noch immer und immer wieder die Frage: Was ist ein Mensch? Wie verhält er sich in der Gemeinschaft? Wodurch wird er determiniert?
Durch den Gegensatz von illusionistischer und postdramatischer Theaterform taucht die Frage nach dem Ursprung des Repräsentationstheaters und seiner Intention der Aufklärung auf. Dieser Tradition folgen weitgehend die Bühnen der Stadttheater. Hier lässt sich jedoch zunehmend eine Diskrepanz zwischen der Zuschreibung eines aufklärerischen Wirkungspotentials und der tatsächlichen Wirkung konstatieren. Wie Friedrich Schiller schon Anfang des 19. Jahrhunderts zum Besucher der Schaubühne bemerkte,
weiß [er] selbst recht gut, daß er nur ein leeres Spiel treibt, daß er im eigentlichen Sinn sich nur an Träumen weidet, und wenn er von dem Schauplatz wieder in die eigene Welt zurückkehrt, so umgibt ihn diese wieder mit ihrer ganzen drückenden Enge, er ist ihr Raub, wie vorher, denn sie selbst ist geblieben, was sie war, und an ihm ist nichts verändert worden.
Angesichts der Resignation über die Wirkung des Illusionstheaters stellt sich die Frage, welche Wirkung es einst gehabt haben musste bzw. welche Vorstellung einer Wirkung hinter der dramatischen Form stand.. Diese soll durch eine Rekonstruktion der Wirkungsästhetik von Gotthold Ephraim Lessing beantwortet und exemplarisch an seinem Trauerspiel „Emilia Galotti“ nachvollzogen werden. Lessing entwarf nicht nur ein dramatisches Modell, er verband es auch mit der Funktionalisierung des Theaters als Institution.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Methodik: Wirkungsästhetik
- Forschungsstand
- Vorgehen
- Theater als Medium der Aufklärungszeit
- Die sensualistische Phase der Aufklärung: Theater als Institution der Empfindsamkeit
- Der Briefwechsel über das Trauerspiel
- Laokoon: Semiotik von Illusion und Handlung
- Die Hamburgische Dramaturgie
- Das Trauerspiel: Handlung und Charakter
- Das Mitleid und das Tragische
- Illusion auf der Bühne
- Das Scheitern des Hamburgischen Nationaltheaters
- Emilia Galotti
- Drama
- Schauspiel
- Exkurs: Emilia Galotti als postdramatisches Theater gelesen
- Das postdramatische Theater
- Spielart des Postdramatischen: René Pollesch
- Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr
- Fragmentierung
- Die Wiederkehr des Chors
- Schauspiel: der leere Gestus
- Die Tragik der Parodie
- Strategien der Aufklärung
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen dramatischer Form und ihrer Funktion zur Vermittlung aufklärerischer Inhalte, indem sie Lessings und Polleschs Dramaturgien vergleicht. Das Hauptziel ist die Rekonstruktion der Wirkungsästhetik Lessings und deren Vergleich mit dem postdramatischen Theater Polleschs. Die Arbeit beleuchtet, wie beide Autoren, trotz unterschiedlicher Formen, das aufklärerische Potential des Theaters nutzen.
- Wirkungsästhetik des klassischen und postdramatischen Theaters
- Vergleich der Dramaturgien Lessings und Polleschs
- Aufklärungspotential des Theaters in verschiedenen Epochen
- Das Verhältnis von dramatischer Form und aufklärerischer Funktion
- Analyse von "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr" im Kontext postdramatischer Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung skizziert die Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen dramatischer Form und der Vermittlung aufklärerischer Inhalte. Ausgehend von der Beobachtung des konterkarierenden Theaters René Polleschs, welches das klassische Illusionstheater sprengt, wird die Frage nach dem aufklärerischen Potential dramatischer Texte in verschiedenen Epochen gestellt. Der Vergleich von illusionistischem und postdramatischem Theater soll den Ursprung des Repräsentationstheaters und seine aufklärerische Intention beleuchten. Schillers Kritik an der Wirkungslosigkeit des Illusionstheaters motiviert die Untersuchung der Wirkungsästhetik Lessings, exemplarisch an "Emilia Galotti" nachvollzogen.
Methodik: Wirkungsästhetik: Dieses Kapitel beschreibt die Methodik der Arbeit. Der Forschungsstand wird beleuchtet, und das Vorgehen bei der Analyse der Dramaturgien Lessings und Polleschs wird erläutert. Die Arbeit nutzt einen strukturellen Vergleich, um die spezifische Medialität des postdramatischen Theaters zu berücksichtigen. Der Fokus liegt auf dem Vergleich der Wirkungsästhetik beider Autoren und der Analyse von deren unterschiedlichen Strategien der Aufklärung.
Theater als Medium der Aufklärungszeit: Dieses Kapitel untersucht das Theater der Aufklärung als Medium, welches die sensualistische Phase dieser Epoche widerspiegelt und als Institution der Empfindsamkeit fungierte. Es legt den Grundstein für das Verständnis des aufklärerischen Anspruchs des Theaters in Lessings Werk.
Der Briefwechsel über das Trauerspiel: Das Kapitel analysiert Lessings Briefwechsel zum Thema Trauerspiel und legt die Grundlage für sein späteres dramaturgisches Konzept dar. Es untersucht die dort entwickelten zentralen Ideen und wie sie Lessings Gesamtwerk beeinflussen.
Laokoon: Semiotik von Illusion und Handlung: Dieses Kapitel befasst sich mit Lessings "Laokoon" und dessen Bedeutung für die Semiotik von Illusion und Handlung im Theater. Es analysiert Lessings Ausführungen zur Grenze zwischen Dichtung und bildender Kunst und deren Relevanz für die dramatische Gestaltung.
Die Hamburgische Dramaturgie: Die "Hamburgische Dramaturgie" wird in diesem Kapitel umfassend behandelt. Es werden die zentralen Aspekte des Trauerspiels, Mitleids, Illusion und des Scheiterns des Hamburgischen Nationaltheaters analysiert und in den Kontext von Lessings aufklärerischem Projekt eingeordnet. Die einzelnen Unterkapitel werden zu einer kohärenten Betrachtung der Lessingschen Dramaturgie zusammengefügt.
Emilia Galotti: Dieses Kapitel analysiert Lessings "Emilia Galotti" als Drama und Schauspiel, unter Einbezug eines Exkurses, der das Stück aus postdramatischer Perspektive beleuchtet. Es untersucht die dramaturgischen Mittel und die gesellschaftliche Kritik des Stückes im Kontext der Aufklärung.
Das postdramatische Theater: Dieses Kapitel bietet eine allgemeine Einführung in das postdramatische Theater und legt die theoretischen Grundlagen für die folgende Analyse von Polleschs Werk. Es erläutert die zentralen Merkmale des postdramatischen Theaters und kontrastiert es mit dem klassischen Drama.
Spielart des Postdramatischen: René Pollesch: Dieses Kapitel fokussiert auf René Pollesch als Vertreter des postdramatischen Theaters. Es charakterisiert seine spezifische Dramaturgie und beleuchtet deren Besonderheiten im Vergleich zum klassischen Drama.
Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr: Das Kapitel analysiert Polleschs Stück "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr". Es untersucht die Fragmentierung, die Wiederkehr des Chors, den leeren Gestus und die Tragik der Parodie als zentrale Elemente der Dramaturgie und deren Beziehung zu Lessings Werk.
Schlüsselwörter
Aufklärung, Drama, Postdrama, Lessing, Pollesch, Wirkungsästhetik, Illusion, Repräsentationstheater, "Emilia Galotti", "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr", Dramaturgie, Mitleid, Tragik, Semiotik.
Häufig gestellte Fragen zu "Vergleich der Dramaturgien Lessings und Polleschs"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen dramatischer Form und ihrer Funktion zur Vermittlung aufklärerischer Inhalte. Sie vergleicht die Dramaturgien von Gotthold Ephraim Lessing und René Pollesch, um deren jeweilige Wirkungsästhetik zu rekonstruieren und das aufklärerische Potential des Theaters in verschiedenen Epochen zu beleuchten.
Welche Methodik wird angewendet?
Die Arbeit verwendet einen strukturellen Vergleich der Dramaturgien Lessings und Polleschs, wobei der Fokus auf der Wirkungsästhetik und den unterschiedlichen Strategien der Aufklärung liegt. Der Forschungsstand zur Wirkungsästhetik wird berücksichtigt, um ein fundiertes Vorgehen zu gewährleisten.
Welche Autoren und Werke werden untersucht?
Die Hauptautoren sind Gotthold Ephraim Lessing (mit seinen Werken "Emilia Galotti", "Laokoon", "Hamburgische Dramaturgie" und dem Briefwechsel über das Trauerspiel) und René Pollesch (mit seinem Stück "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr"). Der Vergleich dient dazu, das klassische Illusionstheater mit dem postdramatischen Theater zu kontrastieren.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit befasst sich mit der Wirkungsästhetik des klassischen und postdramatischen Theaters, dem Vergleich der Dramaturgien Lessings und Polleschs, dem Aufklärungspotential des Theaters in verschiedenen Epochen, dem Verhältnis von dramatischer Form und aufklärerischer Funktion sowie der Analyse von "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr" im Kontext postdramatischer Theorie.
Wie wird Lessings Werk analysiert?
Lessings Werk wird anhand verschiedener Texte analysiert: "Emilia Galotti" wird als Drama und Schauspiel untersucht, "Laokoon" beleuchtet die Semiotik von Illusion und Handlung, die "Hamburgische Dramaturgie" liefert Einblicke in Lessings Dramaturgie, und der Briefwechsel zum Trauerspiel zeigt seine Entwicklung seiner dramaturgischen Konzepte.
Wie wird Polleschs Werk analysiert?
Polleschs Stück "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr" wird im Kontext der postdramatischen Theorie analysiert. Die Analyse fokussiert auf die Fragmentierung, die Wiederkehr des Chors, den leeren Gestus und die Tragik der Parodie als zentrale Elemente seiner Dramaturgie.
Was ist das zentrale Ergebnis der Arbeit?
Die Arbeit rekonstruiert die Wirkungsästhetik Lessings und vergleicht sie mit der des postdramatischen Theaters Polleschs. Sie zeigt, wie beide Autoren, trotz unterschiedlicher Formen, das aufklärerische Potential des Theaters nutzen, indem sie die jeweiligen gesellschaftlichen Kontexte reflektieren und hinterfragen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Aufklärung, Drama, Postdrama, Lessing, Pollesch, Wirkungsästhetik, Illusion, Repräsentationstheater, "Emilia Galotti", "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr", Dramaturgie, Mitleid, Tragik, Semiotik.
Welche Kapitel enthält die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Einleitung, Methodik (Wirkungsästhetik), Theater als Medium der Aufklärungszeit, dem Briefwechsel über das Trauerspiel, Laokoon, der Hamburgischen Dramaturgie, Emilia Galotti, dem postdramatischen Theater, René Pollesch als Vertreter des Postdramas, "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr" und einem Ausblick. Jedes Kapitel fasst die wesentlichen Aspekte des jeweiligen Themas zusammen.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Studierende und Wissenschaftler, die sich mit der Theatergeschichte der Aufklärung, dem postdramatischen Theater, der Wirkungsästhetik und der Dramaturgie beschäftigen. Sie bietet einen umfassenden Vergleich zweier unterschiedlicher Epochen und Dramaturgien im Kontext der Aufklärung.
- Arbeit zitieren
- M.A. Susi Saussenthaler (Autor:in), 2007, Drama und Postdrama - Strategien der Aufklärung in den Dramaturgien von Lessing und Pollesch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88434