Die Entstehung der iberoromanischen Diglossie als Folge der karolingischen Renaissance

Eine These von Roger Wright


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die karolingische Renaissance
2.1 Die Reformen Karls des Großen
2.2 Das „mittelalterliche Latein“
2.3 Diglossie im Frankenreich

3. Die Entstehung der iberoromanischen Diglossie
3.1 Akzeptanz der karolingischen Reformen
3.2 Vier Phasen der Entwicklung

4. Kritik

5. Reflexion

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„I wonder why what was once the single language, Latin, turned into several different languages, the Romance languages plus medieval Latin.”[1]

Roger Wright, britischer Professor für spanische Linguistik an der Universität von Liverpool, beschäftigt sich in zahlreichen seiner Studien mit der Entstehung der romanischen Sprachen in Abgrenzung zum so genannten „mittelalterlichen Latein“, wobei seine Untersuchungen im Besonderen auf die diesbezüglichen Entwicklungen der iberischen Halbinsel gerichtet sind.

Thema der vorliegenden Arbeit wird es sein, Wrights These zur Entstehung der Diglossie des Romanischen und des Lateins in der Iberia zu erläutern, sowie diese Theorie einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Sein Werk „Late Latin and Early Romance in Spain and Carolingian France“ wird hierzu die primäre Referenzliteratur darstellen. Nach einigen einleitenden Worten soll das geschichtliche Ereignis der karolingischen Renaissance thematisiert werden, welches für Wright den Ausgangspunkt für die Entstehung der Diglossie sämtlicher romanischen Sprachen und des Lateins darstellt. Es folgt die Erläuterung der zur Diglossie führenden Ereignisse auf der iberischen Halbinsel und daran anschließend wird eine kritische Rezension von Wrights These zu finden sein. Den abschließenden Teil dieser Arbeit stellt eine kurze Reflexion über das bearbeitete Material dar.

Die hier behandelte Materie basiert auf der ebenfalls von Wright stammenden These der Monolingualität der iberischen Halbinsel im frühen Mittelalter, in welcher er der Auffassung vieler anderer Sprachwissenschaftler widerspricht. Konträr der bis dato hauptsächlich vertretenen Meinung, Latein sei im Mittelalter die Sprache der Gelehrten gewesen, die stetig neben den gewöhnlichen Vernakularsprachen existiert habe, proklamiert Wright hingegen die chronologische Entwicklung des Alt-Romanischen aus dem Lateinischen des römischen Imperiums mit der Begründung, es sei extrem unwahrscheinlich, dass in einem Teil einer Gesellschaft die Sprachvarietät in ihrer Entwicklung verweilt während im anderen Gesellschaftsteil die romanischen Vernakularsprachen evolvieren. „All languages change; that seems to be an empirical fact“.[2] Die durch die Überlieferung von in lateinischer Sprache verfassten Dokumenten des Mittelalters begründete Zweisprachigkeit weist Wright mit der Erklärung der starken Verwurzelung der lateinischen Schrifttradition zurück. Trotz der unbewussten Evolution der gesprochenen Sprache vom Lateinischen zum Romanischen, so argumentiert er, wurde die lateinische Rechtschreibung noch über Jahrhunderte gelehrt. Es entwickelte sich ein logographisches System, also ein Auseinanderweichen zwischen der graphischen Form des lateinischen Wortes und der romanischen Aussprache dieser Graphie, sodass Schreiben und Lesen zu einem Prozess des Auswendiglernens und Erinnerns wurde, wodurch Texte mit mehr oder weniger Korrektheit entstanden, je nach Bildungsgrad des Verfassers.[3] Wright ist also der Meinung, dass das Latein im frühen Mittelalter zwar als Schriftsystem noch vorhanden, als lebendige Sprache jedoch ausgestorben war.

Jedoch weist er auch darauf hin, dass in der Iberia seit der Renaissance des 12. Jahrhunderts dort zweifelsfrei Latein als Sprache neben den mittelalterlichen Volkssprachen existierte; eine Behauptung, die zunächst völlig konträr zu seiner zuvor geäußerten These der Monolingualität erscheint. Wright sagt: “there can be no doubt that Latin was taught, learnt, read, written, and at times spoken, as a conceptually distinct language“ (S. ix). Die Frage nach dem Argument für diese Behauptung Wrights liegt nun jedem Leser nahe: Wie ist die Koexistenz von romanischen Sprachen und dem Lateinischen möglich, wenn letztere Sprache doch vorher als ausgestorben präsentiert wurde? Wrights Antwort darauf ist simpel: die Entstehung der Diglossie in der Iberia entstand durch ein bewusstes Wiedereinführen der ausgestorbenen Sprache, ein Ereignis, welches im historischen Kontext zu betrachten ist – im Kontext der karolingischen Renaissance.

2. Die karolingische Renaissance

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1 Die Reformen Karls des Großen

Als karolingische Renaissance wird eine gegen Ende des achten Jahrhunderts datierte Reformperiode bezeichnet, welche im damaligen Frankenreich für einen kulturellen Aufschwung sorgen sollte. Ausgehend vom Hofe Karls des Großen[4] verbreitete sich die Reformierung des Kirchen- und Bildungswesens primär in dessen Imperium, einige Jahrhunderte später erreichte sie aber auch die iberische Halbinsel.[5] Wichtigstes Ziel seiner Reformen war es für Karl den Großen, eine christlich-einheitliche Gesellschaft zu bilden. Dazu war erst einmal eine Standardisierung der Messfeiern nötig, denn überall im Frankenreich hätten sich bis dato unterschiedliche Methoden der Durchführung von Gottesdiensten herausgebildet; so Wright in Bezug auf die britische Historikerin McKitterick (S. 104). Im Jahr 787 wurden somit von Karl dem Großen die römischen Riten als Standard festgelegt, d. h. nicht nur die Reihenfolge der zur Messfeier gehörenden Akte wurde fixiert, sondern ebenso mussten die selben Lieder gesungen, Gebete gesprochen und Texte vorgelesen werden. Dazu gab es ein festgelegtes Repertoire zur Auswahl. Mit der Zusammenstellung dieses Repertoires wurde der Angelsachse Alcuin of York beauftragt (S. 105), welcher als einer der größten Gelehrten seiner Zeit galt. Auf Grund seines Rufes wurde er von Karl dem Großen an dessen Hof berufen, wo er seit 782 als Leiter der Hofschule tätig war und außerdem als wichtigster Berater Karls fungierte.[6] Karl der Große habe aber nicht nur die Erstellung einheitlicher Schriftgrundlagen für die Liturgiefeiern für notwendig gehalten, erläutert Wright weiter. Ebenso wichtig sei es ihm gewesen, dass die geschriebenen Vorlagen auch in gleicher Art und Weise ausgesprochen wurden, denn natürlich hätten sich in den verschiedenen Gebieten des großen Reiches auch unterschiedliche Sprachvarietäten entwickelt (S. 113). Um die einheitliche Aussprache von Texten sicherzustellen, wurde im Frankenreich für die Belange der Kirche eine neue Standard-Sprache eingeführt – Wright nennt sie das „mittelalterliche Latein“.

2.2 Das „mittelalterliche Latein“

Die von Wright als „mittelalterliches Latein“ bezeichnete Sprache war ein Versuch der Rekonstruktion der Ausspracheregeln des klassischen Lateins der Römer, welches, wie zuvor erläutert, Wrights Meinung nach lediglich im Schriftbild überlebte, wogegen die Sprache selbst jedoch aufgrund der logographisch-roma-nischen Aussprache der schriftlich fixierten Wörter ausgestorben war. Das Prinzip des „mittelalterlichen Lateins“ basierte nun auf einem alphabetischen System, bei dem jedem Buchstaben oder Digraph der geschriebenen Sprache ein spezifischer Laut zugeordnet wurde. Das neue phonetische Transkriptionssystem wurde Wrights Erläuterungen zufolge ebenfalls von Alcuin of York entwickelt (S. 105). Er weist explizit darauf hin, dass „in the absence of a phonetic script the standard pronunciation could not be unambiguously described on paper, but it is possible to reconstruct most of the details of the original instructions as follows“ (S. 105f.):

[...]


[1] Wright, Roger, Webside “School of Cultures, Languages and Area Studies”, University of Liverpool.

[2] Wright, Roger, Late Latin and Early Romance in Spain and Carolingian France, S. ix. [im Folgenden werden die Seitenzahlen dieser Textgrundlage eingeklammert im Fließtext erscheinen].

[3] vgl. dazu: Mercet Rodríguez, Vicente José, El sistema consonántico del Leonés: Peculiaridades fonéticas y usos gráficos en la documentación notarial del siglo XIII, S. 49.

[4] Karl der Große, Karolinger, vermutlich *2. April 747, † 28. Januar 814, seit 768 König der Franken, seit 800 römischer Kaiser.

[5] vgl. dazu: „K. (I.) der Große“, Lexikon des Mittelalters, Band 5, S. 959.

[6] vgl. dazu: „Alkuin“, Lexikon des Mittelalters, Band 1, S. 417.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung der iberoromanischen Diglossie als Folge der karolingischen Renaissance
Untertitel
Eine These von Roger Wright
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Romanische Philologie)
Veranstaltung
Historische Grammatik der iberoromanischen Sprachen
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V88450
ISBN (eBook)
9783638024655
ISBN (Buch)
9783638924313
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Diglossie, Folge, Renaissance, Historische, Grammatik, Sprachen
Arbeit zitieren
Teresa Kretschmer (Autor:in), 2007, Die Entstehung der iberoromanischen Diglossie als Folge der karolingischen Renaissance , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88450

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