Foqués 'Undine' im Kontext der schwarzen Romantik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die ‚schwarze Romantik’

3. Ausgewählte Schauereffekte des Werkes ‚Undine’

4. Fouqués Undine und die dunkle Seite der Romantik
4.1 Das Wasser: die Quelle der Gefahr
4.2 In der Dunkelheit des Waldes
4.3 Und plötzlich war es Angst
4.4 Undine, eine ‚femme fatale’?

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Richtet man den Blick auf die europäische Romantik, dann wird eine

Geisteshaltung [deutlich], welche die Welt nicht als eine von der Vernunft bestimmte Wirklichkeit sieht, sondern als ein rätselhaftes, geheimnisvolles, von der Vernunft nie ganz erfassbares und berechenbares Wesen. (Merker & Stammler 2001, S. 578)

Eine genaueres Bild der Geistesströmung dieser Zeit lässt sich vielleicht am besten mit dem Begriff der ‚schwarzen Romantik’ beschreiben. Zentrale Motive in den Werken romantischer Dichter bilden nämlich vielfach verborgende Ängste, Träume, Wahnvorstellungen, männermordende Frauen etc. Gleichzeitig werden die Handlungen in einem gespenstischen, gar grotesken Rahmen eingebettet, der den Leser ob der ihm dargebotenen fremden Welt erschaudern lässt. Auch Friedrich de la Motte Fouqué, als romantischer Dichter bei den Literaturkritikern nicht unumstritten, wie Buchmann (1976, S. 226) mit einem Verweis auf Grillparzer und Benz festhält, entwirft in seinem Werk ‚Undine’ einen fantastischen und zugleich gespenstischen Ort, der ihm als Schauplatz seiner romantischen Erzählung dient.

Im Gegensatz zu Autoren wie E. T. A. Hoffmann, L. Tieck, W. Hauff, J. Kerner, die man vielleicht als prototypische Vertreter der schwarzen Romantik in Deutschland bezeichnen könnte (vgl. Wilpert 2001, S. 743), nimmt Fouqué aber eine Sonderrolle ein. Die entscheidenden Sequenzen seines Werkes Undine, verglichen mit den eben genannten Autoren, werden eher von einem subtilen Schauer durchzogen. Der Autor bewegt sich damit zwischen den Grenzen einer fabelhaften Märchenwelt und der Nachtseite romantischer Fantasie. Ziel meiner Arbeit ist es daher, Fouqués Kunstmärchen ‚Undine’ im Kontext der schwarzen Romantik darzustellen.

Dazu werde ich zunächst einen Überblick über die schwarze Romantik geben und anschließend entscheidende Motive dieser Stilrichtung in Fouqués ‚Undine’ herausarbeiten. Möchte man romantische Autoren verstehen, muss zuallererst deren motivationale Basis erfasst werden (vgl. Pikulik 1979, S. 55). Das Schaffen der jungen Autoren dieser Zeit war geprägt von den rationalen Bestrebungen ihrer Mitmenschen, alles Weltliche in einen klar definierten Kausalzusammenhang zu bringen. Was den Romantikern so verhasst, bildete, wie im Folgenden gezeigt wird, gleichzeitig die Grundlage für deren Affinität zur ‚dunklen Seite’ dieser Welt.

2. Die ‚schwarze Romantik’

Das mittelalterliche Wort ‚romanticus’ bedeutet wunderbar. Das englische Wort ‚romantic’ und sein französisches Pendant ‚romanesque’ beschreiben wunderbare oder wundersame Begebenheiten. Der Begriff der ‚Romantik’ deutet damit bereits auf seine Entstehung in der „Abkehr vom Rationalismus der Spätaufklärung“ (Wilpert 2001, S. 704) sowie „von der idealistischen, in sich vollendeten Formwelt der Klassik und deren Weltauffassung“ (ebd.) hin. Pikulik bringt die Geisteshaltung romantischer Dichter präzise auf den Punkt: Es ist das „Ungenügen an der Normalität“ (1979, S. 28). Was ist damit aber genau gemeint und wie lässt sich dadurch die Affinität romantischer Dichter zur ‚dunklen Seite dieser Welt’ erklären?

Um diese Fragen zu beantworten, sei darauf hingewiesen, was Pikulik als „das Erbe der Aufklärung“ (ebd., S. 57) betrachtet:

Was die Aufklärung – sagen wir es unmissverständlich: die rationalistische Aufklärung – zu jenem für die Romantik so anstößigen Weltbild beisteuert, sind vor allem die Aspekte der gesetzlichen Ordnung und der Gewöhnlichkeit. (Ebd., S. 57)

Ergänzend dazu heißt es an anderer Stelle:

Es ist ein Spezifikum der Romantik, daß sie das aufklärerische Weltbild, wie schon die Symbolik und Metaphorik der beschnittenen und unterdrückten Natur andeutet, als Resultat einer Verdrängung und Verarmung begreift. Insbesondere denkt sie dabei an die Eliminierung des Wunderbaren und Geheimnisvollen. (Ebd. S. 69)

Um den Sachverhalt besser zu verstehen, muss man an dieser Stelle noch hinzufügen, dass die Aufklärungsphilosophie nach einer klaren Weltordnung sucht, die sich vor allem in einem programmatischen Reduktionismus niederschlägt (vgl. Pikulik 1979, S. 60). Mit anderen Worten versuchen die Aufklärer die Komplexität der weltlichen Erscheinungen auf einige wenige Grundbausteine zu reduzieren.

Die Geisteshaltung romantischer Dichter war mit dieser neu aufkeimenden Weltordnung, die ich in Anlehnung an Pikulik als das Erbe der Aufklärung bezeichnen möchte, kaum zu vereinbaren. Die jungen Autoren bewegten sich daher am Rande der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Hoffmann 1984, S. 178). In ihrem Kampf gegen die Entmythisierung der Welt flüchteten sie sich in die Literatur. Zum einen schufen die Dichter hier eine neue Welt, abseits der ihnen so verhassten, vom Rationalismus gefärbten Umgebung. Die romantische Literatur ist daher vor allem geprägt durch Rückblicke in alte Zeiten, vornehmlich ins Mittelalter. Die Beschreibung der Natur und der verschiedenen Naturereignisse erfolgt dabei in einer nie zuvor da gewesenen Weise. Fernab der Realität wird ein künstlerisches, ästhetisches und idealisiertes Bild der Welt erschaffen.

Zum anderen übten die jungen Dichter aber auch Kritik an der vorherrschenden Entzauberung allen irdischen Daseins. In den Werken einzelner Autoren werden Attribute wie ‚fahl’, ‚leer’, ‚tot’ und ‚stumm’ zur Beschreibung des so ungeliebten ‚Normalen’ herangezogen (vgl. Pikulik 1979, S. 71). Bereits hier deutet sich der Zusammenhang zwischen der Gesinnung romantischer Dichter an, die geprägt ist von der Resignation angesichts einer sie vereinnahmenden, leblosen Welt, und deren Affinität zur ‚Schauerliteratur’.

Sie genossen ihre geistigen Paradiese und Verzauberungen im Wissen um die unauslotbaren Tiefen der Seele, um das Makabre und die dunkle Wirrsal der Welt. Hölderlin durchlitt die Nacht der Entgötterung. Kleist tötete sich, weil ihm die Welt zu Illusion wurde. Brentano verstrickte sich ins Dämmerreich zwischen dämonische Triebnatur. Novalis sah in der Natur eine ‚furchtbare Mühle des Todes’. Wackenroder fürchtete das ‚Sausen des Zeitrads’, Tieck das Ausgeliefertsein ans Unheimliche. (Hoffmann & Rösch 1984, S. 178)

Die Flucht in die Welt der Fantasie, die Heraufbeschwörung vergangener Zeiten, die Idealisierung der Natur und, das gilt es besonders hervorzuheben, die resignative, düstere Stimmung in den Werken einiger romantischer Dichter spiegeln allesamt die geistige Disposition der Künstler wider.

3. Ausgewählte Schauereffekte des Werkes ‚Undine’

Schauergeschichten bestehen in der Regel, wie auch das Werk ‚Undine’, aus mehreren Schauersequenzen. Diese lassen sich in Phasen unterteilen, in denen der Leser die vorherrschende Angst aus der Perspektive der handelnden Romanfigur nachvollziehen soll (Trautwein 1980, S. 34f). In der ersten Phase herrscht eine harmonische Ruhe, die dem Leser das Gefühl der Geborgenheit vermittelt; die Welt ist im Gleichgewicht. Langsam kommt es dann zu Veränderungen, häufig in Folge unheilvoller Vorausdeutungen (vgl. Pikulik 1979, S. 412). Die Welt gerät schließlich in ein Ungleichgewicht, ohne dass der Beobachter die Gründe dafür genau nachvollziehen kann (Trautwein 1980, S. 34f). Die Romanfigur wird Opfer einer unheimlichen Bedrohung, der sie entweder entfliehen kann oder die dunklen Mächte lassen je von ihr ab. Am Ende einer Schauersequenz befindet sich dann alles wieder in einem so genannten Endgleichgewicht (ebd.).

Die Bedrohung mündet aber nicht zwangsläufig in einem schicksalsträchtigen Ereignis (vgl. Pikulik 1979, S. 412). Oft bleibt es bei der bloßen Ankündigung eines drohenden Unheils bzw. bei der Beschreibung der schauderhaften Situation. Und genau hier manifestiert sich auch das ‚Dunkle’ in Fouqués Undine.

Sie [Bertalda] wusste vieles von Undines Herkommen, und doch nicht alles, und vorzüglich war ihr der furchtbare Kühlborn ein schreckliches, aber noch immer ganz dunkles Rätsel geblieben, so daß sie nicht einmal seinen Namen je vernommen hatte. (Fouqués Undine [FU], Kapitel 16, S. 87)

Nicht so sehr das Konkrete, auch wenn noch so absonderlich, lässt den Leser erschaudern, als vielmehr die kleinen, unheilvoll vorausdeutenden Passagen. Das, was beängstigt, ist nicht zu sehen oder für die Handelnden nicht zu erklären. Pikulik hat folgende plausible Begründung dafür:

Nicht genug, daß es der Konkretisierung nicht überall bedarf, ist sie auch heikel und problematisch. Enthüllungen und genaue Erfassungen machen das Wunderbare nah und gegenwärtig, Nähe und Gegenwart aber töten, mit dem ersten Anzeichen der Gewöhnung, seine Besonderheit und entwerten es zum Normalen. (Pikulik 1979, S. 412)

Es wird deutlich, dass es in dem vorliegenden Kunstmärchen weniger um die Beschreibung grausamer Handlungen geht, sondern eher um die gezielte
Provokation von Angst bzw. das Spiel mit der Angst. Genau in diesem Punkt unterscheiden sich größtenteils auch die Werke deutscher Romantiker von ihren Pendants, den so genannten ‚Gothic Novels’[1] aus dem englischen Sprachraum, „die den Schrecken im Sinne der Aufklärung entmythologisieren“ (Wilpert 2001, S. 726).

[...]


[1] Bekannte Autoren von ‚gothic novels’ sind H. Walpole (The castle of Otranto, 1764), C. Smith (The old manor house, 1793), M. G. Lewis (Ambrosio, or the monk, 1795) und M. Shelly (Frankenstein, 1818) (vgl. Wilpert 2001, S. 726).

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Foqués 'Undine' im Kontext der schwarzen Romantik
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Von Faust zu Dracula: Die schwarze Romantik
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V88458
ISBN (eBook)
9783638024709
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Foqués, Undine, Kontext, Romantik, Faust, Dracula, Romantik
Arbeit zitieren
Björn Sengutta (Autor:in), 2008, Foqués 'Undine' im Kontext der schwarzen Romantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88458

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