Die Gründung des Staates Israel stellt nach dem Gefühl der überwiegenden Mehrheit der Muslime einen Tiefpunkt der jüngeren Geschichte dar. So ist es zum einen der Verlust islamischen Bodens an einen nicht-islamischen Nationalstaat, der für die arabischen Staaten das Hauptproblem darstellt. Zum anderen sehen die meisten islamischen Regierungen Israel als einen Brückenkopf der westlichen Mächte und somit als unmittelbare Bedrohung.
Folglich ist kaum eine Region der Welt so spannungsgeladen wie der Nahe Osten.
Fundamentalismus und Radikalismus beherrschen die politische Szene. Gewaltsame Konflikte, Selbstmordattentate und Zwischenfälle an den Grenzen gehören für die israelische Bevölkerung zum Alltag. Seit der Staatsgründung ist Israels Existenz bedroht. Seine Ge-schichte ist eine Geschichte von Konflikt, Krieg und Terror. Doch wie sind die gewaltsamen Auseinandersetzungen Israels in die Theorie des Krieges einzuordnen und welche Formen von Gewalt lassen sich im Nahostkonflikt identifizieren? Handelt es sich bei den Kriegen Israels um klassische zwischenstaatliche Konflikte oder ist die Art der Gewaltanwendung asymmetrischer Natur? Um diesen Fragen nachzugehen, werden in dieser Diplomarbeit herausragende kriegerische Konflikte des Judenstaates auf die Art der Gewaltanwendung untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Theorie des Krieges
2.1 Große Kriege versus Kleine Kriege
2.1.1 Partisan
2.1.2 Guerillero
2.1.3 Terrorist
2.2 Die Asymmetrisierung des Krieges
2.2.1 Asymmetrisierung aus Stärke
2.2.2 Asymmetrisierung aus Schwäche
3. Akteure im israelisch-arabischen Konflikt
3.1 Die Konfliktparteien
3.1.1 Israel
3.1.2 Palästinenser
3.1.3 Arabische Staaten
3.2 Internationale Interessenlagen
3.2.1 Die Vereinigten Staaten von Amerika
3.2.2 Die Sowjetunion
3.2.3 Die Vereinten Nationen
3.2.4 Großbritannien
3.2.5 Frankreich
3.2.6 Osteuropa
4. Israels Kriege
4.1 Die Suezkrise
4.1.1 Der Beginn der Krise
4.1.2 Der Sinaifeldzug
4.1.3 Bewertung
4.2 Der Sechs-Tage Krieg von 1967
4.2.1 Die Krise Mitte der 60er Jahre
4.2.2 Der Juni-Krieg
4.2.3 Bewertung
4.3 Der Krieg gegen die palästinensische Guerilla
4.3.1 Die Entstehung des palästinensischen Widerstandes
4.3.2 Aufstieg der Fedayin
4.3.3 Die Palestine Liberation Organization (PLO)
4.3.4 El Fatah
4.3.5 Der Kampf gegen die Fedayin – die israelische Konterguerilla
4.3.6 Der Terror bei den Olympischen Spielen in München 1972
4.3.7 Bewertung
5. Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Palästinensische Fluchtbewegungen 1948/49
Abbildung 2: UN-Teilungsplan von 1947 und Waffenstillstandslinie 1949
Abbildung 3: Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Jüdische Einwanderungswellen nach Palästina
Tabelle 2: UN-Teilungsplan für Palästina 1947
Tabelle 3: Bevölkerungsstruktur in Palästina
Tabelle 4: Kapazitäten vor Ausbruch des Sechs-Tage-Krieges
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Am 14. Mai 1948 rief David Ben Gurion[1] vor dem jüdischen Nationalrat in Tel Aviv die Unabhängigkeit Israels aus. Noch in derselben Nacht erklärten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Saudi Arabien und Irak dem neugeborenen Staat den Krieg. Während die Menschen in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem die Proklamation feierten, starteten auf ägyptischen Militärbasen bereits Kampfbomber und arabische Truppen überschritten die Grenzen des jüdischen Staatsgebietes. In diesem Palästina-Krieg, der von den Juden als Unabhängigkeitskrieg und von den Palästinensern als Nakhba – die Katastrophe – bezeichnet wird, stärkte Israel seine Position gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Angreifer und kontrollierte anschließend rund 77 Prozent des früheren britischen Mandatsgebietes.[2] So ging nach dem Beschluss der UN-Vollversammlung[3] für die Juden der Traum von „Erez Israel[4] “ in Erfüllung – einem Staatsgebiet zwischen Jordan und Mittelmeer. Durch den Krieg verließen gezwungenermaßen etwa eine Million Palästinenser das israelische Territorium. Man brachte die Emigranten zum großen Teil in Flüchtlingslagern unter. Mit Ausnahme Jordaniens wurde ihnen in allen arabischen Staaten eine Integration verweigert, woraus politische und soziale Probleme resultierten.
Die Gründung des Staates Israel stellt nach dem Gefühl der überwiegenden Mehrheit der Muslime einen Tiefpunkt der jüngeren Geschichte dar.[5] So ist es zum einen der Verlust islamischen Bodens an einen nicht-islamischen Nationalstaat, der für die arabischen Staaten das Hauptproblem darstellt. Zum anderen sehen die meisten islamischen Regierungen Israel als einen Brückenkopf der westlichen Mächte und somit als unmittelbare Bedrohung. Folglich ist kaum eine Region der Welt so spannungsgeladen wie der Nahe Osten. Fundamentalismus und Radikalismus beherrschen die politische Szene. Gewaltsame Konflikte, Selbstmordattentate und Zwischenfälle an den Grenzen gehören für die israelische Bevölkerung zum Alltag. Seit der Staatsgründung ist Israels Existenz bedroht. Seine Geschichte ist eine Geschichte von Konflikt, Krieg und Terror[6]. Doch wie sind die gewaltsamen Auseinandersetzungen Israels in die Theorie des Krieges einzuordnen und welche Formen von Gewalt lassen sich im Nahostkonflikt identifizieren? Handelt es sich bei den Kriegen Israels um klassische zwischenstaatliche Konflikte oder ist die Art der Gewaltanwendung asymmetrischer Natur? Um diesen Fragen nachzugehen, werden in dieser Diplomarbeit herausragende kriegerische Konflikte des Judenstaates auf die Art der Gewaltanwendung untersucht.
Konkret ist die Arbeit wie folgt aufgebaut: Zur Einführung in die politikwissenschaftliche Kriegstheorie werden in Kapitel 2 zunächst die wichtigsten Definitionen des Krieges vorgestellt. Dabei wird der klassische Kriegsbegriff erklärt und der Unterschied zwischen großen und „Kleinen Kriegen“ aufgezeigt. Anschließend werden Kombattanten typologisiert, die auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens zu finden sind. Neben regulären Soldaten sind dies Partisanen, Guerillas und Terroristen. Um sich der Problemlösung zu nähern werden im Kapitel 3 die Hauptakteure des Nahostkonfliktes untersucht und wichtige historische Ausgangspunkte zur Entstehung der Aggressionen genannt. Betrachtet werden zuvorderst die Palästinenser, die arabischen Staaten und Israel. Darüber hinaus werden internationale Interessenlagen beleuchtet, die im Nahostkonflikt von Bedeutung sind.
Da eine Gesamtdarstellung des israelisch-arabischen Krisenherdes oder ein vollständiger Abriss der kriegerischen Auseinandersetzungen des Judenstaates – von der Gründung im Jahr 1948 bis in die heutige Zeit – den Rahmen dieser Diplomarbeit übersteigen würde, wurde für den Hauptteil dieser Arbeit eine Auswahl getroffen. Als Beispiele in Kapitel 4 dienen die Suezkrise der 50er Jahre, der Sechs-Tage-Krieg von 1967 sowie die darauf folgende Hochphase des Kampfes gegen palästinensische Kombattanten. Aufbauend auf der theoretischen Diskussion der Kriegstypen werden die Konfliktverläufe in chronologischer Form dargestellt und die jeweiligen spezifischen Interessen und Motive der Kriegsparteien herausgearbeitet. Das Fazit soll schließlich die wissenschaftliche Einordnung der Konflikte anhand der identifizierten Formen von Gewalt ermöglichen.
2. Die Theorie des Krieges
Eine eindeutige Unterscheidung zwischen den beiden Zuständen Krieg und Frieden ist in vielen Fällen nicht möglich. Vielmehr existiert oftmals eine Grauzone von Phänomenen, die zwar keinen Krieg im klassischen Sinne darstellen, die aber andererseits auch nicht als Frieden bezeichnet werden können.[7] Als Beispiele hierfür sind etwa der „Kalte Krieg“ oder die momentane Situation in Irak oder Afghanistan zu nennen. Mit der Herausbildung souveräner Nationen ab dem 17. Jahrhundert galt ein Zustand dann als Krieg, wenn am gewaltsamen Konflikt geschlossene Gruppen bewaffneter Streitkräfte beteiligt waren und es sich zumindest bei einer dieser Gruppen um eine reguläre Armee handelte.[8] Weiteres Indiz war die Tatsache, dass die Tätigkeiten der Gruppen nicht nur aus gelegentlichen spontanen Zusammenstößen bestanden, sondern in organisierter Form stattfanden.[9] Schon damals also mussten die Parteien keineswegs souveräne Körperschaften gleichen Ranges sein. Bis in die heutige Zeit bleibt die Unsicherheit darüber, was das Wesen des Krieges ausmacht und wo er seine Grenzen findet.
2.1 Große Kriege versus Kleine Kriege
In seinem Standardwerk „Vom Kriege“, das im Jahre 1853 posthum veröffentlicht wurde, beschreibt Carl von Clausewitz den Krieg als einen erweiterten Zweikampf, als einen „Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“[10] Für Clausewitz ist Krieg nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.[11] Die Armee ist für ihn das Mittel zur Erreichung des Kriegszwecks, nämlich des Sieges. Der Gegner muss durch die Kampfhandlungen in eine Situation gebracht werden, in der er den Kampf nicht mehr fortsetzen kann.[12] Im Sieg über den Feind sieht er wiederum das Mittel, um langfristig Frieden herzustellen. Dadurch, dass es sich beim Krieg um einen dynamischen Prozess handelt, identifiziert Clausewitz eine Gewaltspirale, bei der auf jede Aktion der einen Seite eine Reaktion folgt. Die sich ständig steigernde Anwendung von Gewalt führt aus der Begriffsdefinition heraus bis zum Äußersten, zur Eskalation der Gewalt und zum absoluten Krieg.[13] Allerdings gibt es mäßigende Faktoren, die auf die kriegerischen Auseinandersetzungen einwirken, die den Krieg begrenzen. Das liegt zum einen daran, dass der Krieg eine gewisse Dauer hat und nicht aus einem einzelnen Schlag besteht. Die Gegner bieten demnach nicht all ihre Kraft auf einmal auf, was schon allein praktisch nicht durchführbar wäre.[14] Zum anderen ist ein Krieg mit seinen Resultaten nie etwas Absolutes. Die Zukunft fließt immer schon in die Kalkulationen mit ein und die Auseinandersetzung wird als ein vorübergehendes Übel angesehen. Ein wesentlicher Bestandteil des Krieges im Clausewitzschen Sinne ist die Hauptschlacht, also der Kampf der Hauptmacht mit ganzer Anstrengung um einen wirklichen Sieg. Ohne eine solche Hauptschlacht ist die Erreichung der kriegerischen Ziele meist nicht möglich, da der Gegner andernfalls noch zu viele Kapazitäten zur Verfügung hat. Oftmals sind die Verluste der beteiligten Parteien ähnlich hoch, so dass die Kämpfe einen „Abnutzungscharakter“ aufweisen. Zwar werden Kriege nach Clausewitz selten durch die Hauptschlacht entschieden, jedoch hat jedes Gefecht Einfluss auf den Ausgang folgender Gefechte.[15] Die soeben beschriebenen Merkmale treffen auf die so genannten großen Kriege zu. Jedoch geht Clausewitz auch auf die Kleinen Kriege ein. Er sieht die Kleinen Kriege als taktisches Element einer übergeordneten Strategie. Kleine Truppen, die zu begrenzten Gefechten fähig sind, zeichnen sich durch eine größere Beweglichkeit und Schnelligkeit aus als schwerfällige Heeresverbände. Meist dient der Einsatz der leicht zu unterhaltenden Truppen der Unterstützung regulärer Armeen. Ein Vorteil der Kämpfer ist die Fähigkeit, ihr Dasein zu verheimlichen.[16] Zu früheren Zeiten war der Kleine Krieg ein Begleiter und Hilfsmittel des großen Krieges, hatte ihm gegenüber aber kein strategisches Gewicht.[17] Dementsprechend haben sich zumeist beide Kriegsparteien des Kleinen Krieges bedient, beispielsweise durch den Einsatz von Vorposten, Sabotagekommandos oder Patrouillen. Erst im Laufe der Zeit wurde aus diesem taktischen Element eine eigenständige Strategie der Kriegsführung: Der Krieg durch irreguläre Kämpfer oder das Volk, der sich in seinem Spektrum vom spanischen Partisanenkrieg gegen Napoleon (siehe Kapitel 2.1.1) bis zum internationalen Terrorismus verfolgen lässt.
2.1.1 Partisan
Carl Schmitt hat in seiner Theorie des Partisanen[18] grundlegende Merkmale irregulärer Kämpfer definiert. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist der Kleinkrieg zu Beginn des 19. Jahrhunderts, den spanische Kämpfer gegen die französischen Truppen unter Napoleon führten. Hier standen sich zum ersten Mal das Volk und eine reguläre Armee als Feinde gegenüber. Dadurch entwickelten sich völlig neue Formen des Krieges, die bis heute die Wissenschaft beschäftigen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Partisan.[19] Es sind vier wesentliche Merkmale, anhand derer Schmitt den Partisanen beschreibt. Das erste Merkmal ist die Irregularität, die den Partisanen von einem Angehörigen einer regulären Armee unterscheidet. Reguläre Truppen tragen eine Uniform und zeigen offen ihre Waffen.[20] Der Partisan tut dies nicht, sondern er nutzt die Gelegenheit aus, sich unter der Zivilbevölkerung frei zu bewegen und unterzutauchen, wodurch für den Feind die Trennung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten aufgehoben wird. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Legalität und Legitimität: Indem der Partisan seine Heimat gegen einen Feind verteidigt und dabei die weitgehende Unterstützung der Bevölkerung besitzt – dem so genannten interessierten Dritten – kann sein Handeln als legitim bezeichnet werden. Deshalb bewegt er sich aber nicht in der Legalität. Völkerrechtlich werden einige Kategorien irregulärer Kämpfer den regulären Streitkräften gleichgestellt. So haben sie beispielsweise Anspruch auf besondere Behandlung als Kriegsgefangene und Verwundete, falls sie in die Gewalt des Feindes geraten.[21] Diese Rechtsauffassung wurde in der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 kodifiziert. Hier werden Milizen, Freikorps und Kämpfer spontaner Volksbewegungen unter bestimmten Bedingungen den regulären Streitkräften gleichgestellt.[22]
Ein wesentliches Merkmal des Partisanen ist das intensive politische Engagement. Dieses Engagement ist ein verbindendes Element der Partisanengruppe, das sie von einfachen Räubern, Piraten und Kriminellen abgrenzt, deren Handeln auf persönliche Bereicherung ausgelegt ist. Das politische Engagement lässt sich auf die Bedeutung des Wortes Partisan als „Parteigänger“ zurückführen und zielt auf die Bindung an eine kämpfende oder politisch tätige Gruppe.[23] Als drittes Merkmal lässt sich die gesteigerte Mobilität des Partisanen gegenüber regulären Truppen anführen, die unter anderem dadurch begünstigt wird, dass die Kämpfer in wesentlich kleineren Gruppen agieren als reguläre Armeen. Dazu gehört „Schnelligkeit, Beweglichkeit und überraschender Wechsel von Angriff und Rückzug.[24] Partisanen kennen sich im Gelände bestens aus und nutzen selbst eingerichtete Wege zur Beförderung von Material und Kämpfern. In der Vergangenheit wurde die Mobilität durch die fortschreitende Technisierung und Motorisierung stets gesteigert. Dennoch ist dadurch der so genannte tellurische Charakter[25] des Partisanen nicht abhanden gekommen. Er beschreibt die enge Verbundenheit des Kämpfers mit dem Boden, auf dem er sich befindet und der Bevölkerung, die ihn umgibt. Die genaue Kenntnis der geographischen Besonderheiten des Landes ist der große Vorteil des Partisanen und macht ihn in vielen Situationen zum überlegenen Kämpfer. Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Partisanenkrieg aufgrund seines tellurischen Charakters eine eher defensive Form der Kriegsführung ist, der darauf abzielt, die Besatzer zum Rückzug zu zwingen. So müssen Partisanen nicht militärisch siegen, sondern ein Bedrohungspotenzial aufrecht erhalten, um erfolgreich zu sein.[26] Der Partisanenkrieg, der im eigenen Land geführt wird[27], wurde jedoch im Laufe der Zeit durch den so genannten Guerilla-Krieg erweitert beziehungsweise spezifiziert.
2.1.2 Guerillero
Guerilla ist die verkleinernde Form des spanischen Wortes für Krieg, „guerra“. Mao Tse-Tung, der als Schöpfer der Guerilla-Kriegstaktik gilt, bezeichnet den Guerillakrieg als lange andauernden Krieg unter intensiver Einbeziehung der Bevölkerung im eigenen Lande.[28] Die Intention der Guerilla-Taktik ist die Aufrechterhaltung des Widerstandes in der Zeit nach der Besetzung eines Landes durch einen Feind und die Fortsetzung des Kampfes nach der Niederringung der eigenen regulären Armee.[29] Guerilla-Kriegsführung verfolgt wie der Partisanenkampf eine gegensätzliche Strategie zum oben beschriebenen klassischen großen Krieg. Guerillas sind kleine, selbstständig operierende Kampfeinheiten, die taktische Zielsetzungen der Armeeführung unterstützen, meist im Hinterland agieren und dabei außerhalb ihrer Kampfeinsätze nicht als Soldaten erkennbar sind. Zur Guerillataktik gehören "nadelstichartige" militärische Operationen, die den Gegner zermürben sollen. Mit dieser dezentralen Taktik locken sie die Gegner ins Land und schwächen sie zunehmend. Der Guerillakrieg wird auch als „Waffe der Schwachen“ gegen einen militärisch und militärtechnologisch überlegenen Gegner bezeichnet. Wichtige Vorraussetzung jeder Guerilla ist die intensive revolutionäre Beeinflussung jener Volksmassen, die man von einer bestehenden Herrschaft befreien will. Diese Ideologie ist auch das wesentliche Merkmal, durch dass sich Guerillas von Partisanen abgrenzen lassen. Für die Guerilla kommt es darauf an, sich in den betroffenen Gebieten den Interessen der Bevölkerung anzunehmen und eine Solidarität herzustellen. Grundsätzlich lässt sich ein Guerilla als Widerstandskämpfer bezeichnen, der durch eine Ideologie und ein Geschichtsbild geformt ist, das seinem Volk und Heimatland entspricht.[30] Guerillas wollen etwas verändern und suchen die Entscheidung in ihren Schlachten. Voraussetzung ist oftmals die Ansicht der Bevölkerung, dass sich politische Forderungen nicht mit anderen Maßnahmen durchsetzen lassen. Dazu gehört die Vermeidung größerer Gefechte, bei denen der Gegner seine Überlegenheit ausnutzen kann. Zudem entspricht diese Strategie der Devise, dass am Ende derjenige gewinnt, der die größte Durchhaltekraft besitzt.[31] So ist es zwar militärisch möglich, in einem Blitzkrieg große Gebiete des Gegners zu überrennen und feindliche Streitkräfte zu zerschlagen. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit ein Krieg auch schon entschieden sein muss.“[32] Weniger auf den Durchhaltewillen der Bevölkerung, sondern vielmehr auf die Verbreitung von Schrecken setzt dagegen der Terrorist.[33]
2.1.3 Terrorist
Terroristen bilden eine Gruppe von Kämpfern, die sich durch völlige Irregularität auszeichnen. Im Gegensatz zu Guerillas und Partisanen bedeutet dies, dass der Terrorist keinerlei Regeln der bewaffneten Konfliktaustragung sowie keine Begrenzung der Gewalt akzeptiert.[34] Terroristen operieren in kleinen Gruppen oder selbständigen Terrorzellen und nutzen für ihre Aktionen die Infrastruktur und die Medien des Feindes. In einigen Fällen kann davon gesprochen werden, dass Terroristen die Infrastruktur als Waffen einsetzen und sie damit umfunktionieren. Terroristen sind nicht an ihr Heimatland gebunden, sondern kämpfen an Orten, wo sie möglichst viel Aufmerksamkeit für ihre Sache gewinnen können. Deshalb werden Aktionen oftmals dort geplant, wo politisch wichtige Menschen oder Gebäude getroffen werden und die Medienpräsenz hoch ist. Verkehrssysteme wie U-Bahnen, Busse oder Flugzeuge stellen die Ziele dar, und häufig sind es Autobomben, die gegen Gebäude und Menschansammlungen eingesetzt werden, um möglichst hohe Opferzahlen zu erreichen.[35] So sind diejenigen Staaten leichter anzugreifen, die über eine komplexere Infrastruktur verfügen. Insbesondere hochentwickelte Gesellschaften zeichnen sich durch eine komplexe Infrastruktur aus, die Münkler als ihren größten Schwachpunkt bezeichnet.[36] Selten kommt es zu offenen bewaffneten Auseinandersetzungen mit Terroristen, denn mit militärischen Mitteln vermag der Terrorist seine Ziele nicht zu verwirklichen. Er benötigt für seine Attentate in der Regel keine Gewehre oder anderweitige militärische Ausrüstung, sondern begnügt sich mit Sprengstoff, Handfeuerwaffen oder – wie im Fall der New Yorker Anschläge vom 11. September 2001 – mit Teppichmessern. Klar unterscheidet sich der Terrorist vom Partisan oder Guerilla dadurch, dass ihm in den meisten Fällen der Rückhalt und die Anerkennung innerhalb der Bevölkerung fehlen. Dieser fehlende interessierte Dritte macht den Terroristen im Vergleich zum Partisanen noch schwächer, weshalb er den Weg der Irregularität konsequent gehen muss. Daraus ergibt sich, dass die Eintrittsschwelle für Terroraktionen wesentlich niedriger liegt als für den Partisanenkampf. Denn während die Führung eines Partisanenkrieges von der Unterstützungsbereitschaft der Bevölkerung abhängig ist, genügt Terroristen die Rekrutierung einzelner Personen innerhalb der Gesellschaft zum Führen des Kampfes.[37] Den Sinn seiner Gewalt sieht der Terrorist in den psychischen Schocks, die innerhalb der Bevölkerung entstehen und durch die Medien des Feindes weit verstreut werden. „Terror will Menschen und menschliche Gruppen zu bestimmtem Verhalten veranlassen“, schreibt Freiherr von Heydte.[38] Terror sei die Demonstration der Macht einer aktiven und zu allem entschlossenen Minderheit. Durch seine Gewaltanwendung will diese Minderheit Vergeltungsmaßnahmen und Repressionen provozieren, die letztlich den noch fehlenden interessierten Dritten – zum Beispiel das Volk – auf ihre Seite bringen sollen. Dieser als interessiert unterstellte Dritte ist bereits aus den frühen Formen des Terrorismus bekannt. Hierbei kann es sich um das Proletariat, gesellschaftlich unterdrückte Minderheiten oder benachteiligte ethnische Gruppen handeln, die für die Terroristen eine wichtige Legitimationsressource darstellen. Aus diesem Kampf für den als interessiert unterstellten Dritten beziehen Terroristen ihre „politische Legitimität, und durch die Anschläge sollte der bislang passive Dritte zum aktiven Widerstand gegen die bestehende Ordnung motiviert werden.“[39] Da sich die durch den Terror hervorgerufenen Repressionen wegen der Unbekanntheit der Terroristen in erster Linie gegen die Bevölkerung richten, soll der Widerstand gegen die bestehende Ordnung noch mehr zunehmen. Im Fall Israels sind dies die Vergeltungsaktionen der israelischen Armee im Gazastreifen oder Westjordanland, die zuweilen unangemessen erscheinen und mitunter dazu führen, dass die israelische Sicherheitspolitik regelmäßig weltweit kritisiert wird. Jedoch attestiert selbst Clausewitz, dass diese Strategie in der Vergangenheit nicht aufgegangen ist und Terror im Kleinkrieg langfristig nicht zum Erfolg führen kann. Er schreibt dieser Form der Gewalt bestenfalls in der Anfangsphase einer sich formierenden Guerillagruppe einen gewissen Stellenwert zu.[40] So wenden auch Guerillas terroristische Gewalt an, wenn ihnen andere Mittel der irregulären Kriegsführung mangels Anhängern oder Waffen nicht zur Verfügung stehen. Eine griffige Faustformel lautet: In dem Umfang, in dem die Guerillabewegung an Stärke gewinnt, nimmt die Rolle des Terrors ab.[41]
2.2 Die Asymmetrisierung des Krieges
Als symmetrische Kriege werden klassische Staatenkriege bezeichnet, bei denen vor allem die qualitative Gleichartigkeit der Streitkräfte beider Parteien das entscheidende Merkmal darstellt.[42] Die Symmetrie zeichnet sich dadurch aus, dass der Krieg auf beiden Seiten der direkten staatlichen Gewalt unterworfen ist und im Clausewitzschen Sinne als Fortsetzung der Politik zur Durchsetzung des Willens begriffen werden kann.[43] Unter qualitativer Gleichartigkeit ist auch die Ausbildung der Soldaten, die Art der Bewaffnung oder das Vorgehen bei der Rekrutierung zu verstehen.[44] Ein gravierender Unterschied besteht darin, ob es sich bei einer Armee um ein eilends zusammengetrommeltes Volksaufgebot handelt, bei dem jeder – unabhängig von Geschlecht und Alter – am Kampf teilnimmt oder ob Männer bestimmten Alters rekrutiert werden, die dann für eine gewisse Zeit Dienst an der Waffe leisten. Weiteres Beispiel für das Ausmaß der Professionalisierung und damit für eine tendenzielle Asymmetrisierung ist die Art der Bewaffnung. Entspricht sie einheitlichen Standards und erfolgt aus staatlichen Magazinen oder bringt jeder Kämpfer die Waffe mit, mit der er umgehen kann oder in deren Besitz er gerade ist? So ist von Symmetrie im strikten Sinne nur dann auszugehen, wenn bei allen Kriterien zumindest eine tendenzielle Gleichartigkeit der gegeneinander aufgebotenen Streitkräfte zu erkennen ist. Dies ist in der Regel bei Staaten der Fall. Den Ursprung in der einschlägigen Literatur findet der Staatenkrieg mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Diesem Frieden war der Dreißigjährige Krieg vorausgegangen, der dadurch gekennzeichnet war, dass keine der Parteien eine militärische Vorherrschaft erringen konnte. Durch die lange Dauer des Krieges wurde auch die Zivilbevölkerung zunehmend in Mitleidenschaft gezogen und war Ziel der Aggressionen des jeweiligen Gegners. Aufgrund fehlender politischer Kontrolle kam es zu Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Massakern. Ein Drittel der Bevölkerung Europas wurde durch den Dreißigjährigen Krieg ausgelöscht. Schließlich waren es die Kriegsmüdigkeit und die Einsicht, dass keine beteiligte Partei durch ein Festhalten am Krieg etwas zu gewinnen hatte, die zum Friedensschluss von Osnabrück und Münster führten. Mit diesem Friedensschluss etablierte sich in Europa ein System, das die Verstaatlichung der europäischen Machtverhältnisse – sowohl nach innen als auch nach außen – als grundlegendes Kennzeichen hatte.[45] Diese Verstaatlichung äußerte sich vor allem in der Realisierung staatlicher Souveränität, aus der eindeutige Staatsgrenzen resultierten, die wiederum den alleinigen staatlichen Machtbereich definierten. Zu diesem Machtbereich gehörte auch die Gewalt, die fortan in das Monopol des Staates fiel. Kriege zu führen war in diesem Zusammenhang ein legitimes Mittel, dass von den Regierungen zur Durchsetzung der staatlichen Ziele eingesetzt werden konnte.[46] Bei zwischenstaatlichen Konflikten begegneten sich die Staaten als souveräne Akteure auf gleicher Augenhöhe, so dass von einer Symmetrie der Parteien ausgegangen werden kann.
Doch die Ära der symmetrischen Kriege läuft ihrem Ende entgegen, ist ihre Anzahl doch seit 1945 kontinuierlich zurückgegangen.[47] Im Zeitraum von 1945 bis 1995 hat die OECD 196 Kriege identifiziert, von denen lediglich 17 Prozent zwischenstaatliche Kriege im klassischen Verständnis waren.[48] In der heutigen Zeit werden die Bedrohungsszenarien vieler Länder also weniger durch symmetrische Kriege zwischen Staaten bestimmt, sondern sind vielmehr von so genannter asymmetrischer Natur. Asymmetrische Kriege können vielfältige Ausprägungen haben. Es handelt sich um einen asymmetrischen Konflikt, wenn sich zwei ungleiche Kontrahenten gegenüberstehen. Diese Ungleichheit kann zum einen in der verschiedenen Stärke der beiden Parteien begründet liegen. Sie kann zahlenmäßiger, technologischer oder strategischer Natur sein. Jedoch kann es sich auch um einen Krieg handeln, bei dem sich ein staatlicher und ein nichtstaatlichen Akteur gegenüberstehen. Letzterer verfügt in der Regel über wesentlich geringere Ressourcen beim Personal und der Bewaffnung. Große Schlachten sind in asymmetrischen Kriegen selten zu finden, da die schwächere Seite diese wegen der programmierten Unterlegenheit unter allen Umständen vermeiden wird.
2.2.1 Asymmetrisierung aus Stärke
Die Asymmetrisierung aus Stärke ergibt sich aus der technischen oder militärischen Überlegenheit einer der Kriegsparteien. Diese gewinnt dort an Bedeutung, wo es der überlegenen Seite gelingt, neue Räume oder Sphären zu erschließen, in die ihr die Gegenseite wegen ihrer Rückständigkeit nicht folgen kann.[49] Auf unterer Stufe kann eine Asymmetrisierung der Stärke schon darin bestehen, dass eine der Parteien im Gegensatz zur anderen über Schusswaffen verfügt. Als Steigerung zur Schusswaffe ließe sich zur Asymmetrisierung etwa ein Maschinengewehr nennen, das eine erheblich höhere Schussfrequenz aufweist und somit einen Vorteil für eine Seite bedeutet. Auch der Einsatz von Seestreitkräften gegen einen Feind, der ausschließlich an Land kämpfen kann, stellt eine asymmetrische Form des Krieges dar. Doch auch in der jüngeren Zeit gibt es Beispiele, die den Unterschied der militärischen Fähigkeiten und damit die Asymmetrie verdeutlichen. Anfang des 20. Jahrhunderts war der Luftraum die Sphäre der Asymmetrisierung. Inzwischen vollzieht sie sich auch im Weltall, etwa bei satellitengestützter Spionage und Raketen, die sich per GPS[50] steuern lassen. Wer solche Räume beherrscht und dort vom Gegner nicht angegriffen werden kann, ist tendenziell unverwundbar.[51]
2.2.2 Asymmetrisierung aus Schwäche
Die Asymmetrisierung aus Schwäche beruht auf der Idee der Unerkennbarkeit und damit Unerreichbarkeit der Kämpfer.[52] Sie ist als Reaktion auf eine militärische und technologische Überlegenheit des Gegners zu verstehen und will sich mit Hilfe kreativer Taktiken und Strategien dem Zugriff der anderen Seite entziehen. Die Asymmetrisierung aus Schwäche setzt nicht auf die Konzentration der Kraft in einem bestimmten Raum, sondern folgt der Verstreuung der Kämpfer und Waffen. Ziel ist es, unter Verzicht auf große Schlachten den Gegner zu zermürben. Diese Form der Asymmetrisierung trifft auf die im vorigen Abschnitt beschriebenen Typen von Kombattanten zu, die diese Taktik jedoch mit unterschiedlicher Stärke und unterschiedlichen Zielen verfolgen. Dabei spielt wie oben beschrieben die Unterstützung durch die Bevölkerung eine entscheidende Rolle, dient sie doch nicht nur zur Tarnung der irregulären Kämpfer, sondern bildet auch deren logistisches Rückgrat. Daher geht der Terrorist den Weg der Asymmetrisierung am konsequentesten, weil er sich einem stark überlegenen Feind gegenüber sieht und nicht auf Unterstützung in der Bevölkerung zählen kann. Mao Tse-Tung beispielsweise konnte noch davon ausgehen, dass die chinesische Volksbefreiungsarmee sich gegenüber der feindlichen japanischen Invasionsarmee zu einem gleichartigen Kontrahenten entwickelte und sah die Asymmetrisierung daher als vorübergehende Maßnahme. Solche Erwartungen wären jedoch bei Osama Bin Ladens Kampf gegen die USA aufgrund der ungeheuren Ausmaße der westlichen Militärapparate vollkommen illusionär, da keine Macht der Welt den Vereinigten Staaten in einem nicht-nuklearen Krieg militärisch gewachsen ist. Somit wird die Asymmetrie in der heutigen Zeit nicht als vorübergehend angesehen, sondern als der definitive Schlüssel zum Erfolg.[53] Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese offensive Form der asymmetrischen Kriegsführung zahlreiche Konflikte des 21. Jahrhunderts prägen wird.[54]
3. Akteure im israelisch-arabischen Konflikt
In diesem Kapitel sollen die Hauptakteure des israelisch-arabischen Konflikts untersucht werden. Dies sind neben Israel und den Palästinensern vor allem die Staaten der arabischen Welt. Der israelisch-arabische Konflikt kann allerdings zu keinem Zeitpunkt als regional isoliert und unabhängig von der internationalen Politik betrachtet werden. Groß- und Regionalmächte sowie internationale Organisationen spielten bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen stets eine Rolle. Weil eine komplette Analyse der Interessenlagen und Einflüsse auf den jüdisch-arabischen Konflikt den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde, beschränkt sich die nun folgende Einordnung auf die wichtigsten Akteure und deren Charakteristika.
3.1 Die Konfliktparteien
Eine von den Briten eingesetzte Kommission[55] berichtete im Jahr 1937 folgendes: „Die arabische Gemeinschaft ist vorwiegend asiatischen, die jüdische europäischen Charakters. Sie unterscheiden sich in Religion und Sprache. Ihr kulturelles und soziales Leben, ihre Denkweise und Lebensführung sind ebenso unvereinbar wie ihre nationalen Bestrebungen. Die letztgenannten sind das größte Hindernis für den Frieden.“[56] Die Kommission prophezeite eine weitere Verschärfung des Konfliktes, da jede der beiden Gemeinschaften weiter wachsen würde, was die Rivalität weiter vertiefe.[57] Zudem stellten die Erziehungssysteme von Juden und Arabern eine trennende Macht dar. Denn beide waren auf Nationalismus ausgerichtet. Der Auszug aus dem Bericht der Peel-Kommission zeigt nicht nur die Unvereinbarkeit der beiden Kulturen und Religionen, die im Nahostkonflikt zusammentreffen, sondern auch die Tatsache, dass es sich beim israelisch-arabischen Konflikt zuvorderst um ein Zusammenstoßen verschiedener Ansprüche auf ein und dasselbe Staatsgebiet handelt.[58] Im folgenden Abschnitt sollen diese nationalen Bestrebungen der Konfliktparteien erläutert werden. Dabei sind vor allem historisch bedingte Strukturen von Interesse, die sich in der Zeit vor der Gründung Israels entwickelt haben. Dieses Kapitel soll als Orientierung dienen, um die gewaltsamen Auseinandersetzungen, besser zu verstehen. Um Doppelungen und Überschneidungen mit den noch folgenden Kapiteln zu vermeiden, schließt die historische Betrachtung des Akteurs Israel in diesem Abschnitt mit den Waffenstillstandsabkommen nach dem Unabhängigkeitskrieg 1948/49.
3.1.1 Israel
Der Wunsch des über die Welt zerstreuten Judentums, irgendwann in das Land Zions (Jerusalem) zurückzukehren, war über die Jahrhunderte hinweg lebendig geblieben. Doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der eigentliche Begriff des Zionismus geprägt. Das Wort stammt aus dem hebräischen und bezeichnet eine politisch religiöse Bewegung mit dem Ziel, einen Nationalstaat in Palästina zu errichten.[59] Ein Berg in Jerusalem mit dem Namen Zion gab der Bewegung ihren Namen. Einen wesentlichen Anschub erhielt der Zionismus im 19. Jahrhundert durch den aufkeimenden Antisemitismus[60] und die Verfolgungen, denen die Juden in ganz Europa ausgesetzt waren.[61] Allein in Osteuropa, wo mit etwa 5 Millionen Menschen die meisten europäischen Juden lebten, lösten von zaristischen Behörden geförderte Pogrome zwischen 1882 und 1914 einen Exodus aus. Eineinhalb Millionen Juden waren in dieser Zeit auf der Flucht und wanderten nach Westeuropa, Amerika oder Südafrika aus.[62] Diese Generation legte den Grundstein für den Zionismus, belebte die hebräische Sprache und entwickelte Pläne für die Besiedlung Palästinas. Als Vorreiter der Bewegung galt Theodor Herzl[63], ein in Wien lebender Journalist. Mit seinem Werk „Der Judenstaat“[64] griff er die Idee auf und entwarf ein realisierbares Programm für die Organisation dieser Rückkehr in das Heilige Land. Ein weiterer wichtiger Impulsgeber war der zionistische Kongress 1897 in Basel, der auf Betreiben Herzls veranstaltet wurde und bei dem das Baseler Programm verabschiedet wurde. Zur Errichtung einer Heimstätte in Palästina einigte sich der Kongress nicht nur auf eine Stärkung des jüdischen Volkes und Volksbewusstseins sondern auch auf die Förderung der Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden.[65]
In der Zeit bis 1903 waren bereits 30.000 Juden nach Palästina eingewandert (siehe Tabelle 1). Der Zionismus hatte zu dieser Zeit bereits mehr als 200.000 Anhänger.[66] Herzl zufolge sollte die Besiedlung friedlich und für ganz Palästina gedeihlich verlaufen. Doch hatten Herzls Anhänger die Bedeutung der Araber in Palästina unterschätzt und waren von einem weitgehend unbevölkerten Palästina ausgegangen.[67] So verschlechterte sich mit der zweiten Einwanderungswelle vor dem Ersten Weltkrieg die Stimmung der Araber gegenüber den Juden merklich. Denn die Einwanderer wurden zu Konkurrenten für arabische Grundherren und Händler.
Tabelle 1 : Jüdische Einwanderungswellen nach Palästina
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Starke Rückendeckung für ihr Vorhaben bekamen die Juden durch die Balfour-Deklaration, benannt nach dem damaligen britischen Außenminister Arthur James Balfour, in der sich Großbritannien am 2. November 1917 bereit erklärte, in Palästina eine jüdische Heimstatt zu errichten. Die Deklaration wurde im Jahr 1922 in das Völkerbundsmandat für Palästina aufgenommen, welches die Bedingungen für eine vorübergehende Verwaltung Palästinas durch Großbritannien regelte. Sowohl die Rechte der jüdischen als auch der nicht-jüdischen Bevölkerung sollten gewahrt werden und eine jüdische Vertretung (Jewish Agency) als öffentliche Körperschaft anerkannt werden.[68] In der Folgezeit kam es immer wieder zu Ausschreitungen von Arabern gegen Juden. Dies wurde unter anderem dadurch hervorgerufen, dass die jüdischen Einwanderungswellen langsam aber sicher dazu führten, dass die Juden die Majorität in Palästina erreichten. Die Siedler verfolgten das Konzept, „systematisch Land von arabischen Grundbesitzern zu erwerben, mit dem deutlichen Ziel, ein zusammenhängendes jüdisches Territorium in Palästina aufzubauen.“[69] Zudem waren die landwirtschaftlichen Anbautechniken der Juden denen der Araber bei weitem überlegen, was zu einem steigenden wirtschaftlichen Erfolg der Juden führte und den Arabern ein Gefühl der Unterlegenheit bescherte.[70] Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland erhöhten sich die Einwanderungszahlen erneut vehement, was die Konflikte zwischen Palästinensern und den jüdischen Siedlern verschärfte.
Schließlich nahm die UN-Vollversammlung mit der Resolution 181 am 29. November 1947 den Teilungsplan an, der den israelisch-arabischen Konflikt lösen sollte. Der Plan sah vor, das Mandatsgebiet in ein jüdisches und ein palästinensisches Territorium zu teilen und den Großraum Jerusalem unter internationale Kontrolle zu stellen. 33 Staaten stimmten für die Teilung Palästinas, 13 dagegen, 10 enthielten sich der Stimme. Die für Israel zugedachte Fläche betrug 15.100 Quadratkilometer und war größer als der geplante arabische Staat (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: UN-Teilungsplan für Palästina 1947
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Nach der Gründung Israels und dem darauf folgenden israelisch-arabischen Krieg kontrollierte der Staat Israel eine Fläche von etwa 21.000 Quadratkilometern. Dies entsprach etwa 77 Prozent des ehemaligen britischen Mandatgebietes. Im Jahr 1949 schloss der Judenstaat Waffenstillstandsabkommen mit Syrien, Ägypten, dem Libanon und Jordanien. Die Westbank wurde von Jordanien annektiert und der Gazastreifen[71] kam unter ägyptische Kontrolle. Jerusalem wurde mit einem Stacheldraht in einen Ost- und einen Westbereich aufgeteilt. Der Ostteil mit der Altstadt und den heiligen Stätten gehörte somit zum Westjordanland.
Außenpolitisch fuhr die israelische Regierung zunächst einen neutralen Kurs gegenüber den großen Machtblöcken des Westens und Ostens. Allerdings führten die ökonomische Abhängigkeit von der Kapitalhilfe der USA und die antijüdische Sowjetpolitik Stalins dazu, dass die israelische Regierung sich dem Lager der Westmächte anschloss.[72]
3.1.2 Palästinenser
Im Verlauf des Unabhängigkeitskrieges in den Jahren 1948/49 kam es zu einer massiven Flucht- und Wanderbewegung der Palästinenser in die umliegenden arabischen Staaten.[73] Gründe hierfür waren sowohl die Angst vor Gräueltaten der israelischen Armee als auch das Versprechen arabischer Führer, den Palästinensern nach einem erwarteten Sieg gegen Israel die Rückkehr zu ermöglichen.[74]
Die Zahl der Flüchtlinge wird auf bis zu eine Million Menschen geschätzt, was die Bevölkerungsstruktur Palästinas schlagartig veränderte (siehe Tabelle 3).[75] Jedoch lebt nur ein kleiner Teil der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten. Die Mehrzahl ist verstreut auf die arabischen Nachbarländer.
Dieses Flüchtlingsproblem ist einer der Hauptstreitpunkte im israelisch-arabischen Konflikt.[76] So weigerten sich die arabischen Staaten vehement, die Flüchtlinge zu integrieren. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen waren sie aufgrund ihrer schwachen wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage, diese Masse an Menschen zu absorbieren. Zum anderen stellen die Palästinenser eine politische Manövriermasse dar. So konnte kein arabischer Patriot es wagen, einer Neuansiedlung oder Integration der Flüchtlinge zuzustimmen, da dies indirekt einer Anerkennung Israels gleichgekommen wäre und eine Aufgabe des arabischen Anspruchs auf Palästina bedeutet hätte.[77]
[...]
[1] David Ben Gurion (1886-1973) war von 1948 bis 1953 erster Premierminister Israels. Weitere Amtszeit: 1955 bis 1963.
[2] Am 24. Juli 1922 erhielt Großbritannien vom Völkerbund das Mandat für die Verwaltung des ehemals zum osmanischen Reich gehörenden Palästinas. Das Gebiet umfasste das heutige Israel, den Gazastreifen und das Westjordanland sowie Teile der Golanhöhen und das Königreich Jordanien.
[3] Die UN-Vollversammlung nahm mit der Resolution 181 am 29. November 1947 den Teilungsplan an, der den israelisch-arabischen Konflikt lösen sollte. Der Plan sah vor, das Mandatsgebiet in ein jüdisches und ein palästinensisches Gebiet zu teilen und den Großraum Jerusalem unter internationale Kontrolle zu stellen (siehe Kapitel 3).
[4] Erez = das verheißene Land.
[5] Vgl. Steinbach, Udo: Islam und internationale Politik, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, Bonn (2000), S. 231.
[6] Vgl. Ortag, Peter: Jüdische Kultur und Geschichte, Berlin (2004), S. 133.
[7] Vgl. Meyers, Reinhard: Krieg und Frieden, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch internationale Politik, Bonn (2000), S. 243.
[8] Vgl. ebd., s. 243.
[9] Vgl. ebd., S. 245
[10] Vgl. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege, München (2003), S. 44.
[11] Vgl. ebd., S. 19.
[12] Vgl. ebd., S. 47.
[13] Vgl. Clausewitz (2003), S. 29.
[14] Vgl. ebd., S. 32 f.
[15] Vgl. ebd., S. 253.
[16] Vgl. Clausewitz, Carl von: Vorlesungen über den kleinen Krieg, in: Hahlweg, Werner (Hrsg.): Carl von Clausewitz. Schriften-Aufsätze-Studien-Briefe, Band 1, Göttingen (1966), S. 250.
[17] Vgl. Münkler, Herfried: Der Wandel des Krieges, Göttingen (2006), S. 160.
[18] Vgl. Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen, Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, 5. Auflage, Berlin (2002).
[19] Vgl. ebd., S. 11.
[20] Vgl. ebd., S. 21.
[21] Vgl. ebd., S. 28.
[22] Vgl. ebd., S. 29.
[23] Vgl. ebd., S. 21.
[24] Vgl. ebd., S. 23.
[25] Tellurisch kommt aus dem lateinischen und bedeutet: die Erde betreffend.
[26] Vgl. Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Reinbeck (2002), S. 55.
[27] Vgl. Schmitt (2002), S. 27.
[28] Vgl. Mao, Tse-Tung: Theorie des Guerillakrieges oder Strategie der Dritten Welt, Reinbeck (1966), S. 53.
[29] Vgl. Dach, Hans von: Total Resistance, Boulder (1965), S. 1.
[30] Vgl. Hahlweg, Werner: Guerilla – Krieg ohne Fronten, Stuttgart (1968), S. 214.
[31] Vgl. Münkler, (2006), S. 184.
[32] Vgl. Hahlweg, Werner: Konzeption arabischer Guerillabewegungen im Spiegel palästinensischer Veröffentlichungen, in: Wehrforschung, Heft 4 (1972), S. 97.
[33] Vgl. Münkler (2002), S. 55.
[34] Vgl. Münkler (2006), S. 173.
[35] Vgl. ebd., S. 287.
[36] Vgl. Münkler (2006), S. 286.
[37] Vgl. ebd., S. 287.
[38] Vgl. Heydte, Friedrich August Frhr. von der: Der moderne Kleinkrieg als wehrpolitisches und militärisches Phänomen, Würzburg (1972), S. 200.
[39] Vgl. Münkler (2006), S. 235.
[40] Vgl. Clausewitz (1966), S. 733.
[41] Vgl. Thayer, Ch. W.: Guerillas und Partisanen. Wesen und Methodik der irregulären Kriegsführung, München (1964), S. 161.
[42] Vgl. Münkler (2006), S. 209.
[43] Vgl. ebd., S. 60.
[44] Vgl. ebd., S. 162.
[45] Vgl. ebd., S. 32.
[46] Vgl. ebd., S. 32.
[47] Vgl. Gantzel, Klaus Jürgen: Über die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg, Paderborn (2000), S. 257 ff.
[48] Zwei Drittel dieser Kriege sind innere Kriege, davon die Hälfte Anti-Regime-Kriege, in denen um den Erhalt, die Erringung oder den Wechsel von Regierungsmacht gekämpft wird.
[49] Vgl. Münkler (2006), S. 141.
[50] Global Positioning System
[51] Vgl. Münkler (2006), S. 141.
[52] Vgl. ebd., S. 141.
[53] Vgl. ebd., S.230.
[54] Vgl. ebd., S. 242.
[55] Peel-Kommission.
[56] Vgl. Bericht über Palästina, Berlin (1937), S. 422.
[57] Vgl. ebd., S. 422.
[58] Vgl. Steinbach (2000), S. 230.
[59] Vgl. Schubert/Klein: Politiklexikon, Bonn (2007), S. 334.
[60] Antisemitismus bezeichnet die Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden. Ursprünglich entzündete sich diese Feindschaft an der religiösen und sozialen Absonderung der Juden in den Gastländern, seit sie über die Welt verstreut waren (Diaspora), sodass die jüdischen Minderheiten schon vor der Durchsetzung des Christentums als fremdartig erschienen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewann der rassistische Antisemitismus vor allem in Deutschland, Österreich-Ungarn und Osteuropa wachsenden politischen Einfluss. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er für breite Schichten in diesen Ländern zur irrationalen Schlüsselerklärung der sozialen und politischen Strukturkrise. Die hemmungslose antisemitische Agitation erklärte den Einfluss von Menschen jüdischer Herkunft und Tradition in Wirtschaft, Kunst und Literatur als „zersetzend“; sie stellte Liberalismus, Kapitalismus und Sozialismus nur als verschiedene Ausprägungen einer zielgerichteten, „parasitären“ jüdischen „Unterwanderung“ dar. (Meyers Lexikon)
[61] Vgl. Benz, Wolfgang: Was ist Antisemitismus, München (2004), S. 104 ff.
[62] Vgl. Krautkrämer, Elmar: Krieg ohne Ende?, Darmstadt (2003), S. 20.
[63] Theodor Herzl (1860 -1904).
[64] Der Judenstaat, Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage, Leipzig und Wien, 1896.
[65] Baseler Programm 1897.
[66] Vgl. Ortag (2004), S. 104.
[67] Vgl. Krautkrämer (2003), S. 21.
[68] Vgl. Artikel 4 des Völkerbundmandates von 1922.
[69] Vgl. Hottinger, Arnold: Die Araber, Zürich (1960), S. 291.
[70] Vgl. Tophoven, Rolf: Fadayin – Guerilla ohne Grenzen, Frankfurt a.M. (1974), S. 11.
[71] Der Gazastreifen hat mit einer Größe von 340 Quadratkilometern etwa die Größe Bremens.
[72] Vgl. Krautkrämer (2003), S. 61.
[73] Vgl. Tophoven (1974), S. 19.
[74] Vgl. Krautkrämer, (2003), S. 52.
[75] Nach dem israelisch arabischen Krieg gründeten die Vereinten Nationen auf Grundlage der Resolution 302 die United Nations Relief and Works Agency (UNRWA) für palästinensische Flüchtlinge. Zu den Aufgaben des Spezialorgans gehören medizinische Versorgung, humanitäre Maßnahmen, Erziehung, Ausbildung und Beschaffung von Arbeitsplätzen für die Flüchtlinge.
[76] Vgl. Lozowick, Yaacov: Israels Existenzkampf, Bonn (2006), S. 113.
[77] Vgl. Tophoven (1974), S. 19.
- Arbeit zitieren
- Philip Jürgens (Autor:in), 2007, Israels Kriege - Formen von Gewalt im Nahostkonflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88563
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