Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Prinzip und Technologie des digitalen Kinos
2.1 Begriffsbestimmung D- und E-Cinema
2.2 Funktionsweise des digitalen Kinos
2.2.1 Filmproduktion und -distribution
2.2.2 IT-Infrastruktur und Projektion im Kino
3 Chancen und Risiken der Markteinführung
3.1 Chancen
3.1.1 Kostenersparnis und Flexibilitätssteigerung
3.1.2 Alternative Inhalte und Nutzungsformen
3.1.3 Aufwertung des Kinos als Werbeträger
3.1.4 Qualität der Projektion
3.1.5 Neue Schutzmechanismen vor Filmpiraterie
3.1.6 Etablierung neuer Marktteilnehmer und Berufsfelder
3.2 Risiken
3.2.1 Hohe Investitionen
3.2.2 Fehlende Finanzierungs- und Geschäftsmodelle
3.2.3 Fragliche Technologiestandards
3.2.4 Verfügbarkeit des Contents
3.2.5 Verkürzung des Kinofensters
3.2.6 Subjektive Risiken einzelner Marktteilnehmer
4 Aktueller Status der Digitalisierung
4.1 Marktsituation in Deutschland
4.2 Geschäftsmodelle für E- und D-Cinema: CinemaNet Europe und XDC
4.3 Internationale Entwicklung digitaler Leinwände und Kinostarts
5 Zusammenfassung und Ausblick
Quellen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Abgrenzung von D- und E-Cinema
Abb. 2: Wertschöpfungskette digitaler Kinofilm
Abb. 3: Digitale Filmdistribution
Abb. 4: IT-Infrastruktur im digitalen Kino
Abb. 5: Durchschnittliche Ausgaben für einen US-Blockbuster in Mio. $, 1990-2001.
Abb. 6: Praxisbeispiele für alternative Inhalte
Abb. 7: Bildauflösung von SDTV, HDTV und D-Cinema (4K) im Vergleich
Abb. 8: Finanzierungsmodell für einen digitalen Roll-out in Deutschland in €, 2006-2015
Abb. 9: Auswertungskette Film
Abb. 10: Umfrageergebnisse zur Abschaffung des Kinofensters
Abb. 11 : Anzahl der digitalen Kinoleinwände weltweit nach T erritorien, 1999 -2005
Abb. 12: Digitale Filmstarts 2005 nach Ländern (absolut und in % aller Filmstarts)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Das Kino ist eines der letzten weitestgehend analog funktionierenden Medien im 21. Jahrhundert. Doch auch das soll sich ändern: Die komplette Digitalisierung der Wertschöpfungskette Kinofilm von der Produktion und Postproduktion über die Distribution bis hin zur Projektion verspricht zu einer Revolution des Kinos seit der Erfindung des Tonfilms zu werden, da er die Abkehr vom analogen, seit über 100 Jahren bewährten 35mm-Film bedeutet. In Zukunft sollen Kinofilme nur noch als Bits und Bytes per Satellit, Breitbandkabelverbindung oder auf Datenträgern statt als schwere und teure Filmrollen durch die Lande geschickt werden, was zu erheblichen Kosteneinsparungen und mehr Flexibilität für Produzenten, Filmverleihe und Kinos führen soll. Durch die digitale Distribution einschließlich der Projektion eröffnen sich für Kinobetreiber, Werbemittler und -kunden neue Einnahmequellen dank der möglichen Programm- und Angebotserweiterung um alternative Inhalte und Nutzungsmodelle sowie flexiblere Werbemöglichkeiten. Letztlich wird sich das digitale Kino durch eine verbesserte Vorführqualität und vielfältigere Programmgestaltung auch beim Publikum bemerkbar machen. Theoretisch könnten also alle Marktteilnehmer und Kinobesucher vom digitalen Kinoerlebnis nur profitieren, wenn es nicht mindestens genauso viele Nachteile wie Vorteile bei der Umstellung auf die neue Technologie gäbe.
Bisher ging der flächendeckende sog. Roll-out digitaler Projektionssysteme aus vielerlei Gründen weltweit eher schleppend voran. Einschneidende Veränderungen, struktureller, finanzieller und technischer Art betreffen die Filmdistribution, die auch die Projektion umfasst und die unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Marktes den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet. Als Basisinformation wird zu Beginn eine Einführung in das Prinzip und die erforderlichen Technologien, Akteure und Prozesse entlang der digitalen Wertschöpfungskette Kinofilm gegeben (siehe Kap. 2ff.). Der Hauptteil setzt sich mit den Chancen und Risiken der Einführung des digitalen Kinos für die einzelnen Marktteilnehmer wie z.B. Produzenten, Verleiher, Kinobetreiber, Werbevermarkter und Intermediäre auseinander (siehe Kap. 3ff.). Durch die unterschiedlich gelagerten Interessen und Kosten- und Nutzenpotenziale der beteiligten Akteure gestaltet sich u.a. die Einigung auf ein für alle akzeptables Finanzierungsmodell schwierig. So sind die Kosteneinsparungen eher auf der Verleiherseite zu verorten, während den Kinobetreibern hohe Investitionen für die Digitaltechnologie bevorstehen. Die Hollywoodstudios haben zwar vergangenes Jahr ihren Standard für das digitale Kino veröffentlicht, ob und wie sich dieser jedoch an deutsche und europäische Marktgegebenheiten anpassen lässt, ist allerdings noch offen. Grundlegende Aspekte, wie die Standardisierung der digitalen Prozesskette und Projektionstechnik sowie potenzielle Finanzierungs- und Geschäftsmodelle für einen flächendeckenden Roll-out in Deutschland sind noch fraglich und beschäftigen die Filmwirtschaft hierzulande zusehends. Einen Überblick des aktuellen Stands der Digitalisierung auf nationaler und internationaler Ebene liefert Kapitel 4, in dem die deutsche Marktsituation, bereits existierende Geschäftsmodelle und die internationale Entwicklung digitaler Leinwände und Kinostarts beschrieben werden. Abschließend wird zusammengefasst, welche Vorraussetzungen noch geklärt und erfüllt werden müssen, bevor digitales Kino in Deutschland bzw. weltweit flächendeckend verfügbar und der 35mm-Rollfilm möglicherweise Filmgeschichte sein wird (siehe Kap. 5).
2 Prinzip und Technologie des digitalen Kinos
Das digitale Kino basiert auf dem Prinzip, dass die Produktion, Distribution und Präsentation von Kinofilmen und anderen Inhalten wie z.B. Trailern und Werbung komplett digital stattfinden und damit das analoge Medium Film ablösen (vgl. Hundsdörfer/Staden 2003: 11). Während die Postproduktion von Kinofilmen heute bereits in vielen Fällen digitalisiert ist, fällt der Filmbranche die Abkehr von der seit über 100 Jahren bewährten und robusten Rollfilmtechnik schwer. Denn „[d]ie Digitalisierung ist ein noch größerer Einschnitt, als der Tonfilm es war. Es ist ein medientechnologischer Bruch" (Slansky, zit. in: Schmitt 2005a), so Peter C. Slansky, Professor für Film- und Fernsehproduktionstechnik und Herausgeber des Buches Digitaler Film - digitales Kino (2004). Dieser Bruch hat für die Akteure entlang der Wertschöpfungskette Kinofilm grundlegende technische und strukturelle Veränderungen zur Konsequenz, die im Folgenden näher erläutert werden.
2.1 Begriffsbestimmung D- und E-Cinema
Digitales Kino teilt sich in die zwei Kategorien: D-Cinema und E-Cinema (siehe Abb. 1). D-Cinema (Digital Cinema) bezeichnet die Vorführung von Kinofilmen mit einer besseren Qualität als sie der altbewährte 35mm-Film besitzt (vgl. Westerkamp 2004: 255). Das bedeutet, dass „D-Cinema (...) demnach lediglich einen Technologie-Wechsel bei unveränderten Zielgruppen und Nutzungsformen der Kinos [beschreibt]" (Hahn 2005: 72).
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Abb. 1: Abgrenzung von D- und E-Cinema
In Abgrenzung dazu ist der Begriff E-Cinema (Electronic Cinema) zu sehen. Er bezeichnet die „Präsentation von Filmen und alternativen Inhalten wie Popkonzerten und große[n] Sportveranstaltungen in Kinos und öffentlichen Gebäuden" (Westerkamp 2004: 255) auch in geringerer Qualität als der Rollfilm sie bietet. Gegenüber der High-End- Variante D-Cinema ist die E-Cinema-Projektionstechnologie in der Anschaffung vergleichsweise kostengünstig und eignet sich gut für die schnelle und flexible Verbreitung von alternativen Inhalten wie Werbung, Dokumentarfilme oder Low-Budget-Produktionen. Unter E-Cinema wird jeder digital verbreitete und aufgeführte Content gefasst, der „(...) nicht über die US-dominierten Vermarktungsschienen läuft und sich auf der weniger anspruchsvollen Plattform bereits standardisierter Formate via SDTV, DVD, HDTV und künftig der HD-DVD (...)" (Sietmann 2003), aber wie beim D-Cinema auch per Satellitenoder Breitbandkabelverbindung bzw. spezieller Datenträger an die Kinos verteilen lässt.
2.2 Funktionsweise des digitalen Kinos
Digitales Kino erfordert eine komplett neue Technik und macht Umstrukturierungen in allen Bereichen der logistischen Kette eines Films erforderlich. Abbildung 2 veranschaulicht die Wertschöpfungskette des digitalen Kinofilms angefangen bei der Planung und Produktion über die Postproduktion bis hin zur Distribution inklusive der Projektion im Kinosaal.
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Abb. 2: Wertschöpfungskette digitaler Kinofilm
[Quelle: Hundsdörfer/Staden 2003: 12]
Während der analoge Filmstreifen aus Polyester prinzipiell Bildwandler, -speicher und Trägermedium zugleich ist, sind bei der neuen Digitaltechnologie diverse technische Schritte erforderlich, bis die fertige digitale Filmkopie im Kino projiziert werden kann (vgl. Schmitt 2005a). Nachfolgend werden die einzelnen Prozesse entlang dieser Wertschöpfungskette gemäß den technologischen und qualitativen Ansprüchen der Digital Cinema Initiatives (DCI) beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Allianz der sieben großen US-Majors, die im Juni 2005 ihren Standard für das digitale Kino veröffentlicht hat (siehe Kap. 3.2.3). Die Beschreibung der Abläufe mit ihren jeweiligen Technologien und Akteuren ist erforderlich, um die Chancen und Risiken der Markteinführung des digitalen Kinos für die Filmbranche zu verdeutlichen (siehe Kap. 3ff. ).
2.2.1 Filmproduktion und -distribution
Bei der digitalen Kinofilmproduktion werden Bild und Ton mit HD-Kameras aufgezeichnet. Die digital abgespeicherten Filmsequenzen können auf Wunsch direkt am Set gesichtet und zur weiteren digitalen Nachbearbeitung (Special Effects, Animation, etc.) z.B. via Satellit, Breitbandkabelverbindung oder Datenträger an die Postproduktion verschickt werden (vgl. Hundsdörfer/Staden 2003: 12ff.). Bei fast der Hälfte aller Kinofilme wird heute schon Digitaltechnik eingesetzt, speziell in der digitalen Postproduktion. Da die meisten Produzenten ihre Filme jedoch nach wie vor auf Rollfilm drehen lassen, müssen diese Filmstreifen anschließend bei Postproduktionsfirmen eingescannt und digitalisiert werden. Selbst neuartige Scannermodelle wie z.B. der Film-Scanner von ARRI benötigen bis zu fünf Tage, um einen ganzen Spielfilm zu scannen und in ein digitales Speicherformat umzuwandeln (vgl. Fuchs 2006).
Nach der Postproduktion wird die Endversion[1] des Films, der Digital Source Master (DSM), im Auftrag des zuständigen Verleihs per Datenträger, Satellit oder Breitbandkabelverbindung an ein sog. Play-Out Center[2] weitergeleitet (siehe Abb. 3). Dieses besitzt die notwendige Technik, um im Auftrag des Filmverleihs die Erstellung, den Vertrieb und die Archivierung der digitalen Kopien für die diversen Auswertungsstufen wie z.B. Kino, Video oder DVD zu erledigen.
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Abb. 3: Digitale Filmdistribution
[Quelle: Hundsdörfer/Staden 2003: 12]
Bisher ist noch unklar, wer die Play-Out Center betreiben wird. Theoretisch kommen dafür die heutigen Kopierwerke, Telekommunikationsnetzbetreiber, Internetprovider, die Verleiher selbst oder sog. Intermediäre in Frage. Letztere sollen die Technik und das Know-How für eine sichere Übermittlung der Filmdaten per Satellit oder Breitbandkabel sowohl vom Drehort zur Postproduktionsfirma als auch vom Play-Out Center in die Filmtheater bereitstellen und finanzieren, um ihre Dienstleistung als Distributoren und Technikausstatter dann den Kinobetreibern und Verleihern anzubieten. Bisher konnten sich vorrangig Boeing Digital Cinema (USA), Technicolor Digital Cinema (TDC, Thomson- Gruppe Frankreich), XDC (Tochterfirma der EVS-Gruppe, Belgien) und T-Systems (Telekom-Tochter, Deutschland) als Intermediäre auf dem globalen Markt positionieren (vgl. Hundsdörfer/Staden 2003: 15f.).
Da in der gesamten digitalen Distributionskette diverse Knotenpunkte existieren, die Daten versenden und empfangen können, also interoperabel sein müssen, sollen sog. Clearinghouses oder Trustcenter vor jeder Datenübermittlung als Dritte für zusätzliche Sicherheit durch Verschlüsselungen im Rahmen des erforderlichen Digital Rights Managements (DRM) vor illegalen Zugriffen sorgen. Von der Übermittlung einzelner Sequenzen vom Set zur Postproduktion bis hin zum fertigen Produkt Film müssen DRM- Systeme (DRMS) eingesetzt werden, die den Rechteinhabern wie Produzenten, Filmstudios oder Verleihern etc. die Kontrolle und Verwaltung der Rechte, die Abrechnung von Lizenzen und den Schutz ihrer Filme z.B. vor Filmpiraterie auf jeder Stufe der Wertschöpfung ermöglichen. Sogar das Leinwandbild soll mit Kopierschutzmechanismen des DRM wie für die Zuschauer nicht sichtbaren digitalen Wasserzeichen versehen werden, worauf in Kapitel 3.1.5 zu den Anti-Piraterie-Maßnahmen näher eingegangen wird.
Zur Vorbereitung für die Projektion im Kino wird vom Play-Out Center im ersten Schritt ein sog. Digital Cinema Distribution Master (DCDM) des Films erstellt, der alle projektionsbezogenen Daten, wie beispielsweise Bild, Ton, verschiedene Sprachversio- nen und Untertitel beinhaltet. Hierbei werden auch die Inhalte komprimiert und verschlüsselt. Dazu übermittelt das Play-Out Center einen Verschlüsselungscode für jede Filmdatei an das Trustcenter. Dieses gibt den Code nur an autorisierte Kinos weiter, die den jeweiligen Film für eine Vorstellung beim Verleiher (z.B. über dessen Internetportal) gebucht haben. Der Verleiher veranlasst die Übermittlung der Filmdaten an das betreffende Kino beim Play-Out Center, das weitere Details zum Übertragungsweg sowie der Server- und Projektionstechnologie mit dem Kinobetreiber klärt und die Datei dementsprechend individualisiert. Im Fall der Satelliten- oder Kabelübertragung wird die Filmdatei vom Play-Out Center auf einem Distributionsserver bereitgestellt. Der Systemadministrator des Kinos kann die Filmdatei (Digital Cinema Package, DCP) entweder im pull-Verfahren von diesem Server abrufen oder sie z.B. per Satellit im push-Verfahren zugesendet bekommen. Beim Versand per Datenträger kommen wie bei den Filmrollen spezielle Kurierdienste zum Einsatz. Befindet sich die verschlüsselte Datei dann auf dem Kinoserver, muss der Schlüssel durch den Systemadministrator im Trustcenter anfordert werden. Nur wenn die gesendeten Informationen des Kinos wie Saalgröße und Abspielzeit mit denen des Verleihers übereinstimmen, wird der Code an den betreffenden Kinoserver übermittelt, so dass das DCP entschlüsselt, dekomprimiert und projiziert werden kann (vgl. Hundsdörfer/Staden 2003: 14f.).
2.2.2 IT-Infrastruktur und Projektion im Kino
Die digitale Filmdistribution erfordert eine kinointerne IT-Infrastruktur (siehe Abb. 4), mittels der die verschlüsselten und komprimierten Dateien auf einem Server empfangen, gespeichert und an den jeweiligen Digitalprojektor übermittelt werden können.
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Abb. 4: IT-Infrastruktur im digitalen Kino
[Quelle: ebd.: 19]
Ein kinointernes Verwaltungssystem zum Content Management kann beispielsweise für einen einzelnen Kinosaal (Screen Management System) oder für ein Multiplexkino mit diversen Sälen (Theatre Management System, TMS) konfiguriert sein. In größeren Kinos können mit einem TMS z.B. auch die Kassen, die Abrechnung mit den Verleihern, die Saalbespielung und die individuelle Zusammenstellung von Playlists bestehend aus Trailern, Werbespots und dem Hauptfilm bzw. alternativen Inhalten verwaltet werden.
Die Dekomprimierung und Entschlüsselung der Filmdatei kann nach zwei verschiedenen Modellen erfolgen: entweder auf dem Kinoserver (Broadcast-Server-Modell, pushVerfahren) oder direkt im Projektor (Daten-Server-Modell, pull-Verfahren). Der Vorteil des Daten-Server-Modells liegt in den vergleichsweise niedrigen Kosten für die kinointerne IT-Infrastruktur, da der Server und die Dateiübermittlung zum Projektor nicht vor unerlaubtem Zugriff gesichert werden müssen (vgl. ebd.: 16ff. ).
Prinzipiell unterscheidet man bei der Vorführtechnik die drei Typen DLP-, D-ILA3- und Laser-Projektoren, deren Funktionsweisen hier nicht im Einzelnen erläutert werden sollen. DLP-Projektoren wurden von Texas Instruments entwickelt und basieren auf dem o.g. Broadcast Server Modell. Sie sind die bislang am häufigsten eingesetzten Digitalprojektoren. Führende Hersteller wie Barco, Christie und NEC, deren D-Cinema-fähige Projektoren mit einem DLP-Chip von Texas Instruments ausgerüstet sind, erreichen eine Auflösung von 2K (2.048x1.080 Pixel). Allerdings kosten sie derzeit noch ein Vielfaches von analogen Projektoren - die notwendigen Kosten für Umbaumaßnahmen und kinointerne IT-Infrastruktur noch nicht inbegriffen (vgl. o.V. 2005b). 2K-Projektoren besitzen zwar eine höhere Auflösung als der HDTV-Standard (1.920x1080 Pixel), diese liegt jedoch deutlich unter der eines 35mm-Films mit einer theoretischen Auflösung von 8K (8.192x4.096 Pixel) (vgl. Rüggeberg 2006: 5). Auf der Branchenmesse „Cinema Expo International“ 2005 in Amsterdam präsentierte SONY erstmals einen Projektor mit einer von der DCI favorisierten 4K-Auflösung (4.096x2.160 Pixel) (o.V. 2005b).
3 Chancen und Risiken der Markteinführung
Von der digitalen Wertschöpfungskette werden nicht alle Marktteilnehmer gleichermaßen profitieren. Langfristig soll das digitale Kino massive Kosteneinsparungen, mehr Flexibilität und eine bessere Bildqualität durch die digitale Distribution und Präsentation bieten. Bisher waren die risikobehafteten Investitionen für die Umrüstung auf digitale Projektionssysteme sowie die Einigung auf einen verbindlichen Technologiestandard die beiden größten Hindernisse für eine flächendeckende Markteinführung. Das ist auch der Grund, weshalb es bis dato noch kein praktikables und für alle Marktteilnehmer akzeptierbares Geschäfts- und Finanzierungsmodell für eine breite Einführung des digitalen Kinos in Deutschland gibt:
Die Digitalisierung der Kinos ist (...) ein Prozess, der noch nicht einmal richtig begonnen hat, geschweige denn, dass man vom seinem Abschluss sprechen könnte. Das könnte damit zu tun haben, dass die Digitalisierung (...) nicht nur Chancen bietet, sondern auch Probleme bereitet. (Oesterlin 2004)
Die Interessen sowie die Vor- und Nachteile etablierter und neuer Akteure sind so unterschiedlich, dass es hierzulande bisher zu keinem digitalen Roll-out gekommen ist. Dieses Kapitel, das den Schwerpunkt der Arbeit darstellt, widmet sich daher den wesentlichen ökonomischen, inhaltlichen, technischen und subjektiven Chancen und Risiken der Markteinführung des digitalen Kinos unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Kinomarktes.
3.1 Chancen
Prinzipiell bietet die digitale Kinokette gegenüber der analogen diverse Vorteile. „Digitales Kino kann neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen - darin liegt eine große Chance“ (FFA 2006b), ist sich die Filmförderungsanstalt (FFA) sicher. Besonders die Verleiher versprechen sich immense Kosteneinsparungen sowie bessere Flexibilitäts- und Kontrollmöglichkeiten des Filmeinsatzes. In der digitalen Filmdistribution sehen Rechteinhaber sowie führende und unabhängige Filmschaffende großes Potenzial, ihre Filme[3] kostengünstiger im Kino positionieren und präsentieren zu können. Durch die alternative Nutzung von Filmtheatern und die Präsentation von alternativen Inhalten bieten sich den Kinobetreibern neue Erlösquellen. Derzeit erweist sich der Werbemarkt als Vorreiter im Digitalisierungsprozess. Das Publikum wird den Technologiewechsel voraussichtlich an der verbesserten Wiedergabequalität sowie dem vielfältigeren und häufiger wechselnden Programm bemerken. Dagegen soll es Filmpiraten zusehends erschwert werden, Raubkopien von den digitalen Filmdaten oder illegale Aufnahmen vom Leinwandbild zu erstellen.
3.1.1 Kostenersparnis und Flexibilitätssteigerung
Das größte Einsparpotenzial einer flächendeckenden Einführung des digitalen Kinos sehen Fachleute in der Herstellung und Distribution der Inhalte wie Filme und Werbung. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2001 circa 50.000 Filmkopien, Stückpreis rund 1.200 € plus Transport, angefertigt und an die Kinos geliefert, so dass die deutsche Filmbranche 75 Mio. € dafür ausgab (vgl. Hundsdörfer/Staden 2003: 4f.). Durch den Wegfall analoger Kopien erhofft sich die Branche, allen voran die Filmverleiher, trotz anfallender Kosten für digitale Master und Distribution weltweit jährlich Einsparungen bei Herstellungs- und Logistikkosten von bis zu 90 % (vgl. ebd.: 5 und Hahn 2005: 74). Hierüber gehen die Angaben und Meinungen jedoch auseinander. Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher e.V. (VdF), schätzt das durch die digitale Filmdistribution zu erreichende Einsparpotenzial für den deutschen Kinomarkt nach Abzug aller übrigen Kosten auf höchstens 15 bis 20 % gegenüber den analogen Kopien (vgl. o.V. 2006c). Hinzu kommt, dass der deutsche Filmmarkt zwar wie in den meisten Ländern von den US-Majors dominiert wird4, jedoch über 60 % der in Deutschland anlaufenden Filme nicht von den Majors stammen. Daher bestehen auch andere Voraussetzungen für die Erstellung eines DCP (vgl. Jetschin 2006). Der europäische Marktführer unter den Serverherstellern für das digitale Kino XDC gab im Juli 2006 die Herstellungskosten eines DCP für Verleiher und Kinobetreiber bekannt und geht von einem Einsparpotenzial von 50 % aus. Bei XDC beträgt der Preis für eine 90-minütige Filmkopie inklusive Encoding und Verschlüsselung bei Abnahme von 20 Stück je 525 € (vgl. Heidsiek 2006a).
In erster Linie profitieren die Produzenten und Verleiher von der digitalen Filmdistribution, da sie ihre inhalte schneller, flexibler und kostengünstiger direkt an die Kinos verteilen und nach der dort erfolgten Auswertung nicht mehr vernichten müssen. Ihnen bietet sich also ein enormer ökonomischer und logistischer Vorteil, wenn man bedenkt, dass „(...) viele Filme den größten Teil ihrer Box Office-Erlöse in immer kürzerer Zeit einspielen - bis zu 44 Prozent bereits in der ersten Kinowoche -, (...) [und somit] die Investitionen für Filmkopien schon nach kurzer Zeit ohne Wert [sind]" (vgl. Goldmedia GmbH/Screen Digest 2006: 1). Das globale Einsparpotenzial an Filmrollen stellt jedoch keinen alleinigen Grund dar, der die Digitalisierung vorantreibt. Im Jahr 2003 machten analoge Filmkopien lediglich einen Anteil von 3,7 % (3,3 Mio. $) des Gesamtbudgets[4] einer Hollywood-Produktion aus. Demgegenüber standen die Ausgaben der Produzenten bzw. Filmstudios mit durchschnittlich 58,8 Mio. $ für die Filmproduktion sowie die der Verleiher mit 27,3 Mio. $ für die Filmvermarktung (vgl. SYCHOWSKI/Screen Digest 2003b: 8ff.). Abbildung 5 veranschaulicht die gestiegenen Ausgaben für Produktion („Negative cost") und Vermarktung („Advertising") eines US-Films zwischen 1990 und 2001, wobei die Ausgaben für Filmkopien („Print") relativ gleich geblieben sind:
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Abb. 5: Durchschnittliche Ausgaben für einen US-Blockbuster in Mio. $, 1990-2001
[Quelle: SYCHOWSKI/Screen Digest 2003b: 8]
Für 2005 gibt die MPAA[5] durchschnittlich sogar 60 Mio. $ für die Produktion eines US- Blockbusters und 36,2 Mio. für dessen Vermarktung an (vgl. MPAA 2006a). Da die Filme der US-Majors fast die Hälfte ihrer Erlöse schon in der ersten Vorführwoche einspielen und die Zuschauerzahlen danach um 50 % sinken, ist auch die teure und aufwändige Vermarktung meist nur von kurzer Wirkung. Hierin liegt ein weitaus größerer Antrieb der Digitalisierung als in dem Einsparpotenzial bei analogen Filmkopien:
A full scale roll-out of digital Cinema installations will be primarily driven by changing release patterns and growing opportunity costs, resulting from more international day- and-date premieres, ultra-wide releases and pressure from piracy and DVD, rather than the (...) annual print cost (...). (Screen Digest2003b: 1)
Indem die Verleiher durch den digitalen Vertrieb mit ihren Filmen schnell und in vielen Kinos gleichzeitig präsent sind und diese auch international einfacher vermarkten können, lässt sich das relativ kurze Zeitfenster nach dem Kinostart optimaler nutzen. Effiziente Veröffentlichungsstrategien wie z.B. weltweit identische Starttermine, wären möglich und würden auch die hohen Produktionskosten schneller wieder einspielen (vgl. Sietmann 2003). Zudem eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Filmauswertung (siehe Kap. 3.2.5). Bei zu erwartenden oder überraschenden Kinoerfolgen können die Verleiher schnell und flexibel auf die erhöhte Filmdatennachfrage reagieren (vgl. Hahn 2005: 75). Besucherzahlen und Einspielergebnisse lassen sich durch ein kinointernes TMS prinzipiell sofort an die Verleiher übermitteln, was diesen wiederum die zeitnahe Überprüfung des Filmerfolgs und die entsprechenden Reaktionen ermöglicht. Misserfolge können theoretisch direkt abgesetzt und stattdessen erfolgreichere Filme auf mehr Leinwänden präsentiert werden. Das kann für die Filmproduzenten entweder den Vorteil zusätzlicher Umsatzerlöse oder aber den Nachteil von Umsatzeinbußen bei Flops haben. Für die Verleiher und Produzenten von deutschen Filmen treffen laut der Unternehmensberatung McKinsey&Company in dieser Hinsicht jedoch eher die Vorteile zu. Darüber hinaus hält McKinsey es für möglich, dass sich die bisher üblichen Preis- und Geschäftsmodelle zwischen den Filmtheatern und Verleihern ändern und neue Möglichkeiten der Vermark- tungs- und Veröffentlichungsstrategien eröffnen könnten (vgl. McKinsey 2004: 32). „So kann der Verleih z.B. gezielt in einem definierten Zeitraum, einer bestimmten Region oder gar in einzelnen Kinos spezialisierte Tarife anbieten, um seine Inhalte stärker am Markt zu platzieren.“ (ebd.)
Sogar für Produzenten von Low-Budget-Produktionen und Dokumentationen bzw. deren Verleiher wäre eine internationale Filmveröffentlichung und kostendeckende Vermarktung möglich (vgl. Schäfer 2001: 6). In der Regel rentieren sich für solche Filme nur wenige der teuren Rollfilmkopien, die dann von einem (Programm-)Kino zum anderen weitergereicht werden, worunter die Filmrollen und somit auch die Bildqualität leiden. Vor allem die Independent-Filmszene erhofft sich daher vom digitalen Vertrieb bessere Marktbedingungen für ihre Filme (vgl. o.V. 2006d und Goldmedia GmbH/Screen Digest 2006: 1). Allein die Übermittlung eines Films für eine einzige Vorstellung könnte sich rentieren, was auch der Programmvielfalt dient. Das größte Einspar- und Flexibilitätspotenzial liegt zwar langfristig eindeutig bei den Verleihern, dennoch ergeben sich prinzipiell auch für die Kinobetreiber einige Vorteile durch die digitale Filmdistribution. Nach Rücksprache mit dem Verleih bzw. Play-Out Center kann der Kinobetreiber theoretisch auf ausverkaufte Vorstellungen mit der Bereitstellung eines vakanten Saals und jedem zur Verfügung stehenden Film reagieren. Darüber hinaus stehen mit einem DCP automatisch verschiedene Sprachversionen oder Untertitel zur Verfügung, so dass ein Film ohne Mehrkosten für verschiedene Versionen gezeigt werden kann (vgl. Hahn 2005: 75). Kleine oder provinzielle Kinos müssen nicht mehr auf die abgenutzten Filmrollen der Multiplexe warten, bis diese dort den Großteil der Einnahmen erzielt haben, sondern können mit einer zeitgleichen Kopienversorgung rechnen.
3.1.2 Alternative Inhalte und Nutzungsformen
Die durch die digitale Filmdistribution gewonnene Flexibilität macht sich nicht nur bei Kinofilmen, sondern auch bei alternativen Inhalten wie Live-Übertragungen von Konzerten oder Sportereignissen (siehe Abb. 6), Trailern und Werbung bemerkbar.
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Abb. 6: Praxisbeispiele für alternative Inhalte
[Quellen: igig.tv 2005; WerbeWeischer 2006b: 6]
[...]
[1] der DSM entspricht der Nullkopie beim Rollfilm
[2] manchmal auch Play-Out-Service Center genannt
[3] DLP steht für Digital Light Processing und D-ILA für Direct Drive Image Light Amplifier
[4] Der Marktanteil der US-Majors am gesamten Verleihumsatz betrug 2005 laut der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO) 77,2 %. Auf dem deutschen Filmmarkt verzeichneten US- Filme 2005 einen Besucher-Marktanteil von 68,4 % und deutsche Produktionen von 17,1 % (vgl. SPIO e.V. 2006 und FFA 2006a).
[5] Die Motion Picture Association of America (MPAA) ist ein Dachverband der US-Filmindustrie mit folgenden Mitgliedern: Buena Vista Pictures Distribution (The Walt Disney Company), Paramount Pictures Corporation, Sony Pictures Entertainment Inc., 20th Century Fox Film Corporation, Universal City Studios LLLP und Warner Bros. Entertainment Inc. Die MPAA stuft u.a. US- amerikanische Filme nach Alters- und Zielgruppen ein und erhebt Branchendaten.