Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Qualitative Forschung
1.1. Qualitative Interviewforschung
1.2. Die Gestaltung und die Durchführung des Interviews
2. Das narrative Interview in der qualitativen Forschung
3. Beispiel aus der Forschungspraxis
3.1. Eröffnung des Interviews
3.2. Haupterzählung
4. Qualitative Interviews unter Bedingungen von Mehrsprachigkeit
4.1. Mehrsprachigkeit im Forschungsprozess
5. Schlussdiskussion
Einleitung
Migration, Transnationalisierung und Globalisierung fordern nicht nur die theoretische Diskussion in der Erziehungswissenschaft heraus, sondern auch die Methoden der qualitativen Forschung. Die Interviewforschung, d.h. die Datenerhebung und Auswertung von Interviews, stellt einen zentralen Ansatz in der qualitativen Forschung dar. Es gibt zahlreiche Interviewformen, die von Leitfadeninterviews bis zu narrativen Interviews reichen, die in der Forschung eingesetzt werden (vgl. Rosenthal 2013). Die meisten dieser Verfahren sind in den 1970er Jahren im deutschsprachigen Raum in monolingualen Kontexten entwickelt worden.
In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich mich mit den Herausforderungen der qualitativen Interviewforschung und Problemen der Interviewführung unter Bedingungen von Mehrsprachigkeit auseinandersetzen. Im ersten Teil führe ich zunächst in die qualitative Interviewforschung ein. Dabei gehe ich insbesondere auf das narrative Interview ein, das ein zentrales Verfahren in der qualitativen Forschung darstellt. Im dritten Teil setze ich mich mit der Bedeutung und den Herausforderungen von Mehrsprachigkeit in qualitativen Interviews unter Bedingungen von Migration auseinander. Anschließend skizziere ich anhand eines Beispiels aus der Forschungspraxis die praktischen Herausforderungen einer Interviewdurchführung unter Bedingungen von Mehrsprachigkeit, bevor ich in der Abschlussbetrachtung die wesentlichen Erkenntnisse zusammenfasse.
1. Qualitative Forschung
Die Qualitative Forschung richtet sich auf Sozialwissenschaft und Psychologie ein. Heutzutage steht eine ganze Reihe von diversen Methoden für qualitativen Forschung zur Verfügung. Diese gehen von verschiedenen Voraussetzungen aus und verfolgen in der Erfassung von sozialen und psychologischen Phänomenen unterschiedliche Ziele (vgl. Flick 2002, S.11).
An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass die qualitative Forschung auch von anderen Grundgedanken als der reinen qualitativen Forschung bestimmt ist. Deshalb sind die Grundkennzeichen dabei die Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien unterschiedlicher Perspektiven zu berücksichtigen und analysieren, wie Reflexion des Forschers über die Forschung als Teil der Erkenntnis (vgl. Flick 2002, S.16).
Nach Flick wird qualitative Forschung definiert als der Weg von der Theorie zum Text und als Weg vom Text zur Theorie, deren Schnittpunkt die Erhebung verbaler und visueller Daten und ihre Interpretation sind (vgl. ebd., S. 26-27). Das bedeutet, dass von der qualitativen Forschung eigentlich wenig Vorwissen verlangt wird, da die qualitative Forschung nicht zwingend von einer bestehenden Theorie ausgehen muss.
Bei dem Interpretationsprozess eines Textes orientiert man sich an der Kodierung und Kategorisierung oder an der sequentiellen Struktur. Dadurch spielt die qualitative Forschung eine große Rolle, da aus den interpretierten Texten verschiedenen Hypothese gebildet werden (vgl. Flick 2002, S.27).
Die qualitative Forschung basiert nicht auf einem einheitlichen theoretischen und methodischen Verstehen, sondern auf verschiedenen theoretischen Ansätzen, Diskussionen und der Forschungspraxis (vgl. Flick 1995, S. 20).
Unter der Bezeichnung „Qualitative Interviewforschung“ werden in der empirischen Sozialforschung ganz unterschiedliche Erhebungsmethoden eingeordnet, die nur einige wenige Gemeinsamkeiten aufzeigen (vgl. Aghamanoukjan & Buder & Meyer 2009, S.417).
Bei der qualitativen Interviewforschung geht es um die spezielle Erhebungssituation, die hervorrufende Kommunikation. Die Methoden grenzen sich auch deutlich zum traditionell standardisierten Fragenbogen ab. Es werden hier keine qualitativen Daten erhoben, sondern ganze Texte. Bei der qualitativen Forschung handelt es sich meistens um persönliche, mündliche Formen der Befragung (ebd., S. 417).
In der Sozialforschung spielt das qualitative Interview zudem eine wichtige Rolle im ethnographischen Kontext. Hier wird das Expertenwissen über das jeweilige Forschungsfeld, die Erfassung und Analyse zur Biografie vermittelt und die subjektive Perspektive der Beobachtung erhoben. Durch verschiedene Formen von Fragenstellungen, Alltagstheorien und Selbstinterpretationen tauchen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten der Antworten im Interview auf. Damit werden offenen und teilstandardisierten Interviews die wichtige Chance einer empirischen Umsetzung handlungstheoretischer Konzeptionen in der Soziologie und Psychologie gegeben (vgl. Hopf 2012, S.349-350).
Das qualitative Interview ist ein Verfahren in der empirischen Sozialforschung, das häufig eingesetzt wird, wenn etwas erforscht werden soll. Erforscht werden hier oftmals die Erfahrungen, das Denken und die Wahrnehmung der diversen Interessen der Person in verschiedenen Situationen. Bei der qualitativen Interviewforschung steht die Erfragung von Handlungsmotiven oder von Situationsdeutungen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, in dem der Forscher*in auch die Möglichkeiten hat, die Alltagstheorien und Selbstinterpretationen in differenten Formen zu erheben und zu analysieren. Heutzutage liegt eine Vielzahl an Interviewvarianten der qualitativen Forschung vor (vgl. Flick 1995, S.94). Ich fokussiere meine Arbeit auf das narrative Interview.
Ein qualitatives Interview besteht nicht nur aus der Interviewsituation selbst, sondern benötigt eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung. .Im Interview ist man nicht nur gefordert, Fragen zu stellen, sondern zu planen und während des Interviews immer wieder spontan Entscheidungen zu treffen (vgl. Pfeffer 2011, S. 89), wie zum Beispiel:
- Welche Informationen sollte die Forschungsperson vor dem Interview erhalten?
- Wo findet das Interview statt? und
- Wie ist der Raum, der Interviewsituation gestaltet? (vgl. Kruse 2014, S. 268).
Vor der Durchführung eines Interviews kann man beispielsweise mit der Person telefonieren und zusammen den Ort aussuchen, an dem das Interview stattfinden soll. Wichtig ist, dass die Person sich wohlfühlt, an dem Ort, der ausgesucht wurde. Dazu ist es auch wichtig, zu beachten, dass die „Rechte“ und „Pflichten“ der interviewten Person gewahrt werden und die Anonymisierung und Vertraulichkeit zugesichert werden. Nicht jeder hat einen Überblick, was genau ein wissenschaftliches Interview bedeutet, deshalb ist es sinnvoll, die Interviewpartner*innen zu informieren, welche Rolle jeder einzelne in dem Gespräch hat.
Zum Aufbau von Vertrauen kann die Forscher*in sich mit dem Befragten persönlich treffen oder einen Termin per Telefon ausmachen, bevor es zur Interviewführung kommt, um über die Erwartungen und gewünschte Themen zu sprechen. Man sollte mögliche Konsequenzen und Einflüsse während des Interviews, soweit es möglich ist, im Vorfeld vorbereiten. Normalerweise hat der Befragte keine oder nur sehr wenig Ahnung über die Gesprächssituation. Das Interview muss aufgenommen und nach der Interviewführung transkribiert werden. Dementsprechend sollte vor dem eigentlichen Interview das Aufnahmegerät besorgt und auch getestet werden. Bei der Auswahl der Räumlichkeiten sind verschiedene Faktoren zu beachten, wie zum Beispiel, Lautstärke des Ortes, Vermeidung von Störmöglichkeiten und die Beachtung des Wohlfühlens des Befragten (vgl. Hermanns 2000, S. 360-368).
2. Das narrative Interview in der qualitativen Forschung
Das narrative Interview ist in den 1970er Jahren von Fritz Schütze im Zusammenhang mit einer Studie über kommunale Machtstrukturen entwickelt worden, bei der politischen Entscheidungsstrukturen erhoben wurden. In diesem narrativen Interview werden Fragen gestellt, die häufig ein Zusammenhang mit der Lebensgeschichte der Person haben (vgl. Rosenthal & Riemann 1997b, S.412).
Das Interview setzt sich nach Rosenthal und Riemann aus drei Phasen zusammen. Bei der ersten Phase wird eine Erzählaufforderung gefordert, bei der der Forscher in der Regel Fragen stellt, die der Interviewte nicht nur mit ja oder nein beantworten kann, sondern mehr darüber sprechen sollte. Dies soll der interviewten Person dabei helfen, einen guten Start in das freie Erzählen zu finden. In der Haupterzählung soll der Interviewer prinzipiell still und aufmerksam sein und keine Kommentare in das Gespräch einbringen, sondern die Rolle des stillen Zuhörers übernehmen. Durch verschiedene Gesten wird der Befragte hier trotzdem unterstützt. Währenddessen können Fragen, die aufgetaucht sind, während der Haupterzählung aufgeschrieben werden. Im Nachfrageteil, wenn der Befragte mit seiner Haupterzählung fertig geworden ist, hat der Interviewer die Chance Fragen zu stellen, um entstandene Unklarheiten beseitigen zu können. Die Fragen sollten möglichst offen formuliert werden, um den Befragten zu weiteren Erzählungen anzuregen (ebd., S.418).
3. Beispiel aus der Forschungspraxis
Im Folgenden möchte ich exemplarisches Beispiel us der Forschungspraxis skizzieren. Während eines Seminars habe ich mich im Rahmen einer Übung mit dem Thema Kindheit beschäftigt und hierzu ein narratives Interview geführt.
Das Thema war Kindheit, so dass man gezielt eine narrative Frage über die Kindheit der Befragten stellen sollte. Nachdem ich meinen Befragten gefunden hatte, wurden Telefonnummern getauscht und es wurde auch besprochen, was das Thema dieses Interviews sein sollte. Vor dem Interview habe ich mich vorbereitet, in dem ich mich mit verschiedenen Aspekten der Kindheit beschäftigt habe, wie z.B. Konflikten, Familiärem, Geschwistern und Kultur. Dadurch habe ich mir auch einige Fragen aufgeschrieben, die ich für das Interview wichtig fand, um für den Nachfrageteil auch gut vorbereitet zu sein. Per Telefon wurde der Ort, die Struktur des Interviews und die Rolle bzw. Situation abgesprochen. Das narrative Interviewformat wurde mir vorgeschlagen und ich habe dies ausgewählt, da es ebenfalls zum Thema gepasst hat, da so der Befragte in der Lage war, seine Geschichte zu erzählen.
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