Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sich „mehr als 2000 Berlin-Gedichte“ erschienen und wurden in mehreren Anthologien zusammengefasst. Gerade zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich Berlin von der Reichshauptstadt zur Weltstadt und wurde somit ein kulturelles Zentrum.
Besonders der Expressionismus (1910-1925) war dem Thema Stadtgedicht zugetan – nicht nur wegen des zeitlichen Zusammenfalls. Daher werde ich mich bei meiner Untersuchung verstärkt auf Gedichte dieser Epoche konzentrieren.
Die Vertreter waren sich einig, dass das Alte zugrunde gehen müsse, damit das Neue und Bessere entstehen könne.
In der Lyrik kommt dies durch maßloses Gefühl und visionäres Schauen zum Ausdruck. Somit sind die Gedichte auch oft als Zeitkritik zu werten.
Ein wichtiges Merkmal des Expressionismus ist die Form des so genannten Zeilenstils, um die Simultanität der Vorstellungen, Gefühle, Erlebnisse und Äußerungen sprachlich zu erfassen. Daher rückt das Bild der Stadt in den Vordergrund, um die Dynamik der simultan verlaufenden Vorgänge zu verdeutlichen. Abfolgen von Tätigkeiten, Handlungen, die zeitgleich verlaufen und verschiedene Formen der Wahrnehmung werden verarbeitet.
Simultanität ist also ein charakteristisches Ausdrucksmittel einer Generation, in deren Erlebniswelt zunehmend die Stadt mit ihrer ungeheuren Vielfalt an Bildern und Facetten als Lebensraum an Bedeutung gewinnt.
Die Stadt zählt somit zu den vier wichtigsten inhaltlichen Themenkreisen des Expressionismus. Die drei weiteren beziehen sich auf die Vergänglichkeit, den Krieg und den neuen Menschen.
Durch die Landflucht wuchs Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprunghaft an – auf etwa das Fünffache. Doch dieser Aufschwung der Stadt zur Metropole wurde begleitet durch eine Polarisierung in Reichtum und Armut.
Diese Janusköpfigkeit der Stadt faszinierte die jungen Dichter des Expressionismus, welche oft nächtelang durch Berlin zogen und aus ihren Erlebnissen jeglicher Art Gedichte machten. Der Moloch Stadt mit seinen neuen Formen der Unterhaltung übte große Faszination auf sie aus.
Viele von ihnen lebten in Berlin, erlebten die Stadt als eine der fortschrittlichsten der Welt, nahmen aber auch die daraus manchmal negativ resultierenden Folgen zur Kenntnis, wodurch in Bezug auf ihre Lyrik eine sehr ambivalente Einstellung der Dichter zur Stadt festzustellen ist.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Berlin-Gedichte im Expressionismus
- 2. Sigrid Weigel und die imaginierte Weiblichkeit
- 3. Das Verfahren des Dekonstruktivismus
- 4. Ausgewählte Berlin-Gedichte
- 4.1 Joachim Ringelnatz: „Am Sachsenplatz: die Nachtigall“
- 4.2 Joachim Ringelnatz: „Kanäle in Berlin“
- 4.3 Christian Morgenstern: „Berlin“
- 4.4 Christian Morgenstern: „Aus der Vorstadt“
- 4.5 Georg Heym: „Die Stadt“
- 4.6 Paul Boldt: „Berlin“
- 4.7 Alfred Lichtenstein: „Gesänge an Berlin“
- 5. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Darstellung Berlins in Gedichten, insbesondere unter dem Aspekt der imaginierten Weiblichkeit. Die Arbeit konzentriert sich auf Berlin-Gedichte des Expressionismus und analysiert, wie weibliche Metaphern verwendet werden, um die Stadt zu beschreiben und welche Rolle verschiedene Frauenbilder in der Portraitierung Berlins spielen. Die Methode des Dekonstruktivismus wird angewendet, um die komplexen Bedeutungen und Intertextualitäten in den Gedichten zu untersuchen.
- Darstellung Berlins in expressionistischen Gedichten
- Verwendung von Weiblichkeitsmetaphern in der Beschreibung Berlins
- Analyse der Frauenbilder in den Gedichten und deren Kontext
- Anwendung des Dekonstruktivismus zur Interpretation der Texte
- Die imaginierte Weiblichkeit der Stadt Berlin
Zusammenfassung der Kapitel
1. Berlin-Gedichte im Expressionismus: Dieses Kapitel untersucht die Entstehung und Entwicklung von Berlin-Gedichten, insbesondere im Kontext des Expressionismus (1910-1925). Es hebt die Bedeutung Berlins als kulturelles Zentrum und die ambivalente Haltung der expressionistischen Dichter zur Stadt hervor, die sowohl ihre Fortschrittlichkeit als auch ihre Schattenseiten erkannten. Der Aufschwung Berlins zur Metropole, die damit verbundene Polarisierung von Reichtum und Armut und die Nutzung des „Zeilenstils“ zur Darstellung der simultanen Eindrücke der Stadt werden detailliert beschrieben. Die Stadt wird als eines der vier zentralen Themen des Expressionismus neben Vergänglichkeit, Krieg und dem neuen Menschen identifiziert.
2. Sigrid Weigel und die imaginierte Weiblichkeit: Dieses Kapitel beleuchtet die theoretischen Ansätze von Sigrid Weigel zur Verbindung von Frauen und Städten. Weigels Kritik an der bisherigen Forschung, die den Zusammenhang von Frauenbildern und Stadtdarstellungen vernachlässigt hat, wird diskutiert. Der Fokus liegt auf der Analyse von Weiblichkeitsmetaphern in der Beschreibung der Stadt und wie diese Metaphern zur Konstruktion einer "imaginierten Weiblichkeit" der Stadt beitragen. Weigel's Hypothese, dass Stadtbilder in verschiedenen Formen auftreten – als Denkbilder, als paradigmatischer Ort von Zivilisationsarbeit und als Ausdruck der Dialektik zwischen Naturbewältigung und Rückkehr des Verdrängten – wird erläutert. Der Bezug zu Walter Benjamin und dessen Untersuchung der Großstadttopographie wird hergestellt.
3. Das Verfahren des Dekonstruktivismus: Dieses Kapitel beschreibt das Verfahren des Dekonstruktivismus als Methode zur Analyse der Berlin-Gedichte. Es erklärt, wie der Dekonstruktivismus die Eigenständigkeit des Signifikanten und die Mehrdeutigkeit von Bedeutung betont, insbesondere im Hinblick auf Metaphern. Die Anwendung des Dekonstruktivismus auf die Analyse der Weiblichkeitsmetaphern in den Gedichten wird skizziert, wobei die Intertextualität und die dialogische Untersuchung im Zentrum stehen. Der Fokus liegt auf der Offenheit und der unendlichen Interpretierbarkeit der Texte.
Schlüsselwörter
Berlin, Expressionismus, Gedichte, Weiblichkeit, Stadt, Metapher, Dekonstruktivismus, Sigrid Weigel, Imagination, Großstadt, Frauenbilder, Zeilenstil, Simultanität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Darstellung Berlins in expressionistischen Gedichten
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Die Seminararbeit untersucht die Darstellung Berlins in expressionistischen Gedichten, insbesondere unter dem Aspekt der imaginierten Weiblichkeit. Sie analysiert, wie weibliche Metaphern verwendet werden, um die Stadt zu beschreiben und welche Rolle verschiedene Frauenbilder in der Portraitierung Berlins spielen.
Welche Gedichte werden analysiert?
Die Arbeit analysiert ausgewählte Berlin-Gedichte von verschiedenen Expressionistischen Autoren wie Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern, Georg Heym, Paul Boldt und Alfred Lichtenstein. Konkrete Titel sind „Am Sachsenplatz: die Nachtigall“, „Kanäle in Berlin“, „Berlin“, „Aus der Vorstadt“, „Die Stadt“, „Berlin“ und „Gesänge an Berlin“.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit verwendet den Dekonstruktivismus als analytische Methode, um die komplexen Bedeutungen und Intertextualitäten in den Gedichten zu untersuchen und die Mehrdeutigkeit von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf Metaphern, herauszuarbeiten.
Welche Rolle spielt Sigrid Weigel?
Die theoretischen Ansätze von Sigrid Weigel zur Verbindung von Frauen und Städten bilden einen wichtigen Bezugspunkt. Ihre Kritik an der Vernachlässigung des Zusammenhangs von Frauenbildern und Stadtdarstellungen in der bisherigen Forschung wird diskutiert. Weigels Konzept der "imaginierten Weiblichkeit" der Stadt ist zentral für die Analyse.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Darstellung Berlins in expressionistischen Gedichten, die Verwendung von Weiblichkeitsmetaphern in der Beschreibung Berlins, die Analyse der Frauenbilder in den Gedichten und deren Kontext, die Anwendung des Dekonstruktivismus zur Interpretation der Texte und die imaginierte Weiblichkeit der Stadt Berlin.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Kapitel 1 behandelt Berlin-Gedichte im Expressionismus, Kapitel 2 Sigrid Weigel und die imaginierte Weiblichkeit, Kapitel 3 das Verfahren des Dekonstruktivismus, Kapitel 4 enthält die ausgewählten Berlin-Gedichte und Kapitel 5 fasst die Ergebnisse zusammen (Resümee).
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind Berlin, Expressionismus, Gedichte, Weiblichkeit, Stadt, Metapher, Dekonstruktivismus, Sigrid Weigel, Imagination, Großstadt, Frauenbilder, Zeilenstil und Simultanität.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These ist, dass die Darstellung Berlins in expressionistischen Gedichten eng mit der Konstruktion einer „imaginierten Weiblichkeit“ verbunden ist, die durch weibliche Metaphern und Frauenbilder in den Gedichten zum Ausdruck kommt und mit Hilfe des Dekonstruktivismus analysiert werden kann.
Wie wird der Expressionismus im Kontext der Arbeit behandelt?
Der Expressionismus wird als historischer und literarischer Kontext für die Entstehung und Entwicklung der Berlin-Gedichte betrachtet. Die ambivalente Haltung der expressionistischen Dichter zur Stadt, die Bedeutung Berlins als kulturelles Zentrum, sowie der „Zeilenstil“ als Stilmittel zur Darstellung simultaner Eindrücke der Stadt werden thematisiert.
Welche Bedeutung hat die Großstadt im Kontext der Arbeit?
Berlin als Großstadt bildet den zentralen Schauplatz und wird als komplexer Ort mit seinen ambivalenten Aspekten von Fortschritt und Schattenseiten, Reichtum und Armut, dargestellt und analysiert.
- Arbeit zitieren
- Marlen Frömmel (Autor:in), 2005, Berlin - Die Stadt in Gedichten unter dem Aspekt der imaginierten Weiblichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89085