Bis zur heutigen Zeit kann man feststellen, dass das Phänomen Wahnsinn nicht absolut einheitlich definiert wird, vielmehr gar nicht definiert werden kann. So vielfältig die Formen des Wahnsinns sind, so unterschiedlich sind seine Interpretationen – vor allem über die geschichtliche Entwicklung hinweg. So kam es im Verlauf der Zeit bei der Klassifikation des Wahnsinns zu unzähligen Benennungen und Einteilungen, wie zum Beispiel „Unvernunft“, „Melancholie“, „Manie und Hysterie“ im Sinne von „Raserei“, „furor“, „insania“, „dementia“ oder auch „amor hereos“ oder „morbus amatoris“ in Bezug auf die Liebeskrankheit. All diese Begriffe und noch viele weitere sind geprägt von unterschiedlichen Ursachenbeschreibungen und Symptomen des Wahnsinns. Sicher ist bis heute jedoch Eines: In jedem Fall bewegen sich die Verhaltensweisen und Ausdrucksformen der Wahnsinnigen in bestimmter Weise außerhalb der Norm.
Dabei ist zu erwähnen, dass die Geschichte des Wahnsinns aus heutiger Siht auch als Geschichte der Psychiatrie zu benennen ist. In der abendländischen Welt war der Wahnsinn jedoch nicht von Anfang an so strikt mit der Medizin verbunden. Über die Jahrhunderte hinweg zeigt sich, dass der Wahnsinn ein Phänomen der Philosophie, der Mythologie, der Soziologie aber auch der Politik, der Kultur und der Psychologie und somit letztendlich ein geschichtliches und gesellschaftliches Phänomen ist.
Als entscheidender Wegbereiter zur Erklärung und Einordnung des Wahnsinns ist vor allem der französische Philosoph Michel Foucault zu nennen. In seinem 1961 erschienenen Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“ möchte er dem Ursprung des Wahnsinns auf die Spur kommen und erzählt dabei eine Geschichte des Wahnsinns innerhalb der jeweiligen Gesellschaft.
Vollständigkeit, das wird sich im Verlaufe dieser Arbeit zeigen, lässt sich bei diesem umfangreichen Thema schwer erfüllen. Die Darstellungen Foucaults sollen besondere Bedeutung bekommen, sie sollen die Geschichte des Wahnsinns von der Antike bis zur heutigen Zeit rekonstruieren. Dabei geht es nicht in erster Linie um die medizinische Fachgeschichte und die Natur der Geisteskrankheit, sondern vielmehr um eine klare Darstellung des Wahnsinns im Überblick über die Zeiten und Epochen hinweg. Hier sei noch gesagt, dass vor allem die Literatur besonderen Aufschluss auf die Wahnsinns-Konzepte der jeweiligen Zeit gibt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung: Erste Spurensuche zum Begriff des Wahnsinns
- II. Geschichtliche Entwicklung des Wahnsinns
- 1. Griechisch-Römisches Altertum
- a. Der mythisch-philosophische Bereich
- b. Der Beginn der medizinisch-physischen Sicht des Wahnsinns
- 2. Mittelalter – Aberglaube und der Beginn des Wahnsinns als gesellschaftliches Phänomen
- 3. Renaissance - Allgemeine Etablierung des Wahnsinns als Erfahrungsstruktur
- a. Literarische Wahnsinns-Konzepte bei Erasmus von Rotterdam, Ludovico Ariosto und Torquato Tasso
- b. Der Wahnsinn in Castigliones „Il libro del cortegiano“
- 4. Aufklärung – Herausbildung von Vernunft und Unvernunft bezüglich des Wahnsinns und Beginn der Ausgrenzung des Wahnsinns
- a. „Große Gefangenschaft“ – Internierung zur Herstellung sozialer Ordnung
- b. Befreiung der Irren – Mythos oder psychiatrischer Fortschritt
- 5. Moderne - Der Beginn der klinischen Psychiatrie
- 1. Griechisch-Römisches Altertum
- III. Schluss: Ausdifferenzierung von Foucaults philosophischer Wahnsinns-Deutungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Geschichte und Genese grundlegender Konzepte des Wahnsinns, wobei der Schwerpunkt auf Michel Foucault und Baldassare Castiglione liegt. Sie verfolgt das Ziel, die Entwicklung des Wahnsinnsbegriffs von der Antike bis in die Moderne zu beleuchten und dabei die unterschiedlichen Perspektiven auf dieses Phänomen aufzuzeigen.
- Die vielfältigen Bedeutungen und Interpretationen des Wahnsinns im Laufe der Geschichte
- Die Rolle von Mythen, Philosophie, Medizin und gesellschaftlichen Strukturen in der Konstruktion des Wahnsinnsbegriffs
- Die Entwicklung von Behandlungsformen und der Übergang von religiösen zu medizinischen Erklärungen
- Die Bedeutung von Literatur und Kunst für die Darstellung und Verständnis des Wahnsinns
- Die kritische Analyse von Michel Foucaults Werk "Wahnsinn und Gesellschaft" und dessen Beitrag zur Reinterpretation des Wahnsinnsbegriffs
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die Vielseitigkeit und Komplexität des Wahnsinnsbegriffs, der sich über die Zeit hinweg wandelte und unzählige Interpretationen und Bezeichnungen hervorgebracht hat. Foucault wird als wichtiger Wegbereiter zur Erklärung des Wahnsinns außerhalb der traditionellen Psychiatriegeschichte vorgestellt.
- Griechisch-Römisches Altertum: Dieses Kapitel befasst sich mit den mythisch-philosophischen Vorstellungen vom Wahnsinn, die von einer göttlichen Macht und Besessenheit durch böse Geister ausgehen. Die Bedeutung von Mythen und literarischen Texten wie Homers „Illias“ und „Odyssee“ wird hervorgehoben. Die Anfänge der medizinisch-physischen Betrachtung des Wahnsinns werden ebenfalls angeschnitten.
- Mittelalter: Der Abschnitt beleuchtet die Bedeutung des Aberglaubens und die Etablierung des Wahnsinns als gesellschaftliches Phänomen im Mittelalter. Hier dominierte die Vorstellung einer göttlichen Strafe oder Besessenheit durch Dämonen.
- Renaissance: Die Renaissance wird als eine Zeit der allgemeinen Etablierung des Wahnsinns als Erfahrungsstruktur dargestellt. Die literarischen Wahnsinns-Konzepte bei Erasmus von Rotterdam, Ludovico Ariosto und Torquato Tasso werden beleuchtet, sowie der Einfluss des Wahnsinns in Castigliones „Il libro del cortegiano“.
- Aufklärung: Das Kapitel behandelt die Herausbildung von Vernunft und Unvernunft in Bezug auf den Wahnsinn während der Aufklärung. Die Entstehung der „Großen Gefangenschaft“ und die Internierung von Wahnsinnigen zur Herstellung sozialer Ordnung werden beschrieben. Die Diskussion über die Befreiung der Irren und den Beginn der psychiatrischen Behandlung wird angestoßen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet wichtige Schlüsselwörter und Konzepte im Zusammenhang mit Wahnsinn, darunter: Wahnsinn, Irrsinn, Unvernunft, Besessenheit, Dämonen, Götter, Mythen, Literatur, Philosophie, Medizin, Geschichte, Gesellschaft, Psychiatrie, Internierung, Ausgrenzung, Foucault, Castiglione, Renaissance, Aufklärung.
- Arbeit zitieren
- MA Stefanie Gentner (Autor:in), 2007, Geschichte und Genese grundlegender Konzepte des Wahnsinns mit Schwerpunkt auf Michel Foucault und Baldassare Castiglione , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89199