Sprachkonflikte auf Korsika von 1890 bis zur Gegenwart


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Sprachpflege und Sprachkonflikte auf Korsika
B.1. Die Verdienste der frühen kulturellen Zirkel
B.2. Sprache und Politik von 1900 bis 1940
B.3. Von der Loi Deixonne bis zur populären Musik der Gegenwart
B.3.a. Die Loi Deixonne
B.3.b. Die korsische Sprachpolitik im Schatten des wirtschaftlichen Aufschwungs
B.3.c. Sprache und Nationalismus

C. Der Korsischunterricht und die Europäische Charta der Regional -und Minderheitensprachen: Sprachkonflikte im Dritten Jahrtausend
C.1. Der Korsischunterricht
C.1.a. Die ersten Schritte des Schulfaches „Korsisch“ an den öffentlichen Schulen
C.1.b. Mit Korsischunterricht gegen den Sprachverfall
C.1.c. Der Mehrsprachenunterricht am Gymnasium: ein Fallbeispiel
C.2. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen: keine Ratifizierung durch Paris

D. Abschließende Anmerkungen und Schlussfolgerung

Bibliographie

A. Einleitung

In dieser hier vorliegenden Arbeit richte ich das Hauptaugenmerk auf die sprachlichen und soziolinguistischen Konflikte auf der Insel Korsika. Soweit sich sprachliche und politische Konflikte nicht überschneiden, lasse ich letztere außen vor, da es mir in dieser Arbeit nicht darum geht, die politisch- nationalistische Seite des Konfliktes in den Vordergrund zu stellen.

In einem ersten Teil dieser Arbeit gehe ich chronologisch vor und gehe auf einige korsische Sprachkonflikte der vergangenen hundertzwanzig Jahre ein: angefangen bei den ersten sprachpolitischen Unstimmigkeiten im 19.Jahrhundert bis hin zu den mediatisierten Debatten und Konflikte an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend.

In einem zweiten Teil behandele ich zwei ausgewählte Themen detaillierter. Ich werde auf den langen und zugleich steinigen Weg eingehen, den die korsische Sprache zurücklegen musste, um sich als Unterrichtsfach an den korsischen Schulen zu etablieren. Des Weiteren zeige ich, wieso sich das zentralistisch regierte und organisierte Hexagon so schwer tut mit der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen und beleuchte die Konflikte, die die Ablehnung dieser Charta hervorbringt.

B. Sprachpflege und Sprachkonflikte auf Korsika

B.1. Die Verdienste der frühen kulturellen Zirkel

Als sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr herauskristallisiert, dass sich auf Korsika das Französische gegen das Italienische als offizielle Sprache durchsetzt, entstehen erste Gruppierungen, die sich für den Erhalt und die Verbreitung der korsischen Sprache und Kultur stark machen. Die wohl bekannteste ist die von Exilkorsen 1891 in Paris gegründete Vereinigung „Union Corse“. In der Folgezeit bilden sich weitere kulturelle Zirkel in den Städten Marseille, Nizza und Toulouse; selbstverlegte Zeitungen und Zeitschriften werden zu wichtigen Medien und tragen zur Verbreitung der korsischen Sprache und Kultur bei.

Bereits im Jahre 1896 gründet der 1830 geborene korsische Schriftsteller Santu Casanova die Zeitschrift „A Tramuntata“-der Nordwind- ; dieses Journal ist das erste seiner Art, das komplett in korsischer Sprache verfasst ist. In etwa den gleichen Zeitraum fällt die Gründung der Zeitung „U libecciu“, herausgegeben vom Schriftsteller Ghjuvan Carlu Romanacce, in der insbesondere Prosatexte publiziert werden.

In dieser sprachpolitische Zwischenepoche, in der das Italienische durch das Französische verdrängt wird, besinnen sich insbesondere die korsischen Intellektuellen auf ihren eigenen Dialekt.[1] Sowohl die Verteidigung als auch die Förderung des Korsischen obliegen jedoch nicht nur den Exilkorsen auf dem französischen Festland: im Jahre 1904 wird in Bastia die literarische Gesellschaft „La Cyrenne“ aus der Taufe gehoben; das erklärte Ziel dieser Vereinigung ist die Förderung und der Erhalt der korsischen Sprache, wie man unschwer aus einem Auszug ihrer Gründungsschrift herauslesen kann:

„Les dialectes sont l’expression d’une âme collective et ils ont leurs racines au plus profond de leur être et c’est ce qui rend chimérique l’entreprise de tous ceux qui veulent les supprimer sous un vain seul instant compromise par la coexistence des dialectes. ˝[2]

B.2. Sprache und Politik von 1900 bis 1940

In den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wird das seit über tausend Jahren gesprochene Korsisch dann immer enger mit politischen Forderungen assoziiert: „La langue corse devient un objet de revendication linguistique et politique à la veille de la première guerre mondiale.“[3] Als sich der Erste Weltkrieg ankündigt, beschränkt sich das Engagement der einzelnen Vereinigungen nicht mehr nur auf die Pflege der korsischen Sprache und Kultur; ihr Handeln ist zunehmends politisch motiviert. In der erstmals 1914 erscheinenden Zeitschrift „A Cispra“ gerät die zentralistische Politik der Regierung in Paris ins Kreuzfeuer der Kritik; es werden Artikel publiziert, in denen öffentlich die Eingliederung der Insel Korsika in den französischen Staat in Frage gestellt wird . Autoren und Herausgeber von „A Cispra“ äußern ihren Unmut über den Zentralstaat Frankreich, da sie in diesem den Hauptverantwortlichen für den Untergang der kulturellen Identität der Mittelmeerinsel sehen.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zerstört jedoch den Nährboden dieses aufkeimenden kulturpolitischen Konfliktes; Weltpolitisches verdrängte die sprachlichen Anliegen aus den Köpfen der Korsen.

In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bilden sich wieder vermehrt Vereinigungen, die sich für die politischen wie kulturellen und sprachlichen Belange der Insel Korsika einsetzen. Im Kontext der korsischen Sprachpflege sei hier die im Jahre 1923 gegründete PCA, „Partitu Corsu d’Azioni“, erwähnt; ihre Mitglieder sind in der Regel Schriftsteller, Journalisten, Notare und Juristen. Anders als der Name vielleicht vermuten lässt, ist die PCA keineswegs eine politische Gruppierung, die sich die Umsetzung eines klar definierten politischen Programms zum Ziel gesetzt hat; ihre Mitglieder betreiben vielmehr eine „Art korsische Kultur-und Geschichtspflege.“[4]

Zwischen den beiden Weltkriegen finden bereits erste Debatten statt über die mögliche Rolle, die das Korsische innerhalb des französischen Bildungssystems spielen könnte. Seit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Frankreich um das Jahr 1880 ist das Französische alleinige Unterrichtssprache an den französischen Schulen; die Regionalsprachen werden geradezu aus den Schulklassen verbannt. Der korsische Lehrer und Poet Jean-Pierre Lucciardi, ein Befürworter des Korsischen als Unterrichtssprache, verfasst 1923 einen Bericht über die „utilisation du corse dans l’enseignement du français“[5] In diesem Bericht vertritt der Grundschullehrer die These, dass das Beherrschen des Korsischen das Erlernen des Französischen vereinfache, da beide Sprachen aus dem Lateinischen hervorgehen. In seiner Abhandlung über den Gebrauch des Korsischen im Unterricht unterstreicht Lucciardi die Rolle der Regionalsprache für die intellektuelle Entwicklung der Sprecher : „l’homme a le droit de parler la langue de son « patelin», et c’est excellent pour sa formation intellectuelle.“[6]

Der Schriftsteller versucht des Weiteren jene zu besänftigen, die die Regionalsprachen als Bedrohung für die Monopolstellung des Französischen im Bildungssystem betrachten:

„Non seulement le corse ne contrarie pas, ou contrarie très peu l’enseignement du français, mais encore on doit soutenir- si paradoxal que cela paraisse d’abord-qu’il peut faciliter l’apprentisage de la langue national.“[7]

B.3. Von der Loi Deixonne bis zur populären Musik der Gegenwart

B.3.a. Die Loi Deixonne

Nach dem politischen Trubel der 1940er Jahre bekommt die korsische Sprachpolitik erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder frischen Aufwind.

Am 11. Januar 1951 tritt in Frankreich das Gesetz 51-46 in Kraft, das, benannt nach dem sozialistischen Abgeordneten Maurice Deixonne, heute den meisten Sprachforschern unter dem Namen „Loi Deixonne“ geläufig ist. Diese Gesetz steckt den gesetzlichen Rahmen für den Unterricht fast aller Regionalsprachen ab: „Rechercher les meilleurs moyens de favoriser l’étude des langues et dialectes locaux dans les régions où ils sont en usage.“[8]

Allerdings beschränkt sich dieses neue Sprachgesetz lediglich auf die Lehre des Katalanischen, Bretonischen, Baskischen und Okzitanischen; das Korsische und das Elsässische sind von diesem Gesetz ausgeschlossen.

Ab 1951 halten zahlreiche Regionalsprachen als Wahlfächer Einzug auf die Lehrpläne der öffentlichen Schulen.

Erst im Jahre 1955 werden auf Korsika Kampagnen gestartet, welche die Berücksichtigung des Korsischen durch die Loi Deixonne fordern; diese Kampagnen tragen jedoch erst zwei Jahrzehnte später ihre Früchte: 1974 wird das Deixonne Sprachgesetz um das Korsische erweitert.

B.3.b. Die korsische Sprachpolitik im Schatten des wirtschaftlichen Aufschwungs

In den sechziger Jahren kommt es zu Spannungen zwischen der Mittelmeerinsel und der Regierung in Paris, da beide unterschiedliche ökonomische Ansichten vertreten. Die korsische Sprache ihrerseits wird mehr und mehr zu einem Anhängsel eines ökonomisch-politisch geprägten Regionalismus degradiert.

Das 1957 in Corte gegründete Centre d’Etudes Régionales Corses ( CERC ), ein Zentrum zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Korsikas, wird erst zehn Jahre nach seiner Gründung auf kultureller Ebene aktiv, nachdem es ein Jahrzehnt lang auf die Förderung der korsischen Wirtschaft ausgerichtet war. Die Rückbesinnung auf die kulturellen Pflichten des Zentrums spiegelt sich in der Veröffentlichung mehrer Publikationen wider: 1969 publiziert das CERC eine korsische Grammatik, gefolgt von einem zweisprachigen Wörterbuch.

[...]


[1] Vgl. Desanti

[2] Vgl. Pomponi, S.401

[3] Vgl. Ottavi

[4] Vgl. Leitzke-Ungerer, S.78

[5] Vgl. Di Meglio, S.6

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Leclerc, S.15

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Sprachkonflikte auf Korsika von 1890 bis zur Gegenwart
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Das Korsische als Brücke zwischen Italienisch und Französisch
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V89239
ISBN (eBook)
9783638026277
ISBN (Buch)
9783638925624
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: gut recherchiert, gute Berücksichtigung der Literatur, aber einige kleinere Schwächen. gut
Schlagworte
Korsika, Gegenwart, Korsische, Brücke, Italienisch, Französisch
Arbeit zitieren
Patrick Versall (Autor:in), 2007, Sprachkonflikte auf Korsika von 1890 bis zur Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89239

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